Wissen (paññā) hat den Sinn von 'scharfem Erkennen' (pajānana).
Und was ist dieses scharfe Erkennen?
Es ist das sich von den Wissensarten des Wahrnehmens (sañ-jānana) und des Bewußtwerdens (vijānana) Unterscheidende vielartige Erkennen (nānappakārato jānana). Denn obgleich Wahrnehmung (sañ-ñā), Bewußtsein (vi-ññāna) und Wissen (pa-ññā) im Sinne von Erkennen sich gleich sind, so besteht doch die Wahrnehmung (saññā) bloß im Erkennen der Objekte als blau, gelb (usw.), vermag aber die Durchdringung der Daseinsmerkmale, wie Vergänglichkeit, Elend und Unpersönlichkeit nicht herbeizuführen.
Das Bewußtsein (viññāna) dagegen erkennt sowohl das Vorstellungsobjekt als blau, gelb (usw.), als auch führt es die Durchdringung der Daseinsmerkmale herbei, nicht aber vermag es sich aufzuraffen und die Verwirklichung der Pfade herbeizuführen.
Das Wissen (paññā) aber erkennt in der besagten Weise sowohl das Objekt als auch führt es die Durchdringung der Merkmale herbei, als auch bringt es bei Anstrengung die Verwirklichung der Pfade (des Stromeingetretenen, Einmalwiederkehrenden, Niewiederkehrenden und Heiligen) zustande.
Angenommen, drei Menschen -
- ein geistig noch unentwickeltes Kind,
- ein Bauer und
- ein Geldwechsler -
betrachten einen auf dem Wechslertische liegenden Haufen Geldstücke.
Von diesen Dreien nun erkennt das Kind bloß, daß die Geldstücke bunt, schön, lang, viereckig oder rund sind, nicht aber weiß es, daß sie für die Menschen von Vorteil und Nutzen sind und von ihnen als wertvoll betrachtet werden.
Der Bauer aber erkennt sowohl, daß sie bunt, schön u. dgl. sind, als auch weiß er, daß sie für die Menschen von Vorteil und Nutzen sind und von ihnen als wertvoll betrachtet werden, nicht aber weiß er sie zu unterscheiden: 'Dieses Stück ist echt, dieses falsch, dieses hat nur halben Wert.'
Der Geldwechsler aber erkennt alle diese Dinge; aber außerdem erkennt er auch, wenn er ein Geldstück betrachtet oder anschlägt oder seinen Klang hört, seinen Geruch und Geschmack empfindet oder es in der Hand hält: 'In dem und dem Dorfe oder Marktstädtchen oder der und der Stadt oder an dem und dem Berge oder Flußufer wurden diese hergestellt; auch erkennt er genau, daß es von dem oder dem Meister hergestellt wurde.
Genau so hat man diese Sache hier zu betrachten.
Die Wahrnehmung nämlich ist wie das Anblicken der Geldstücke durch das geistig noch unentwickelte Kind, insofern die Wahrnehmung bloß die äußere Erscheinung des Objektes als blau usw. erfaßt.
Das Bewußtsein ist wie das Anblicken der Geldstücke durch den Bauer (gāmika-purisassa), insofern das Bewußtsein nicht nur die äußere Erscheinung des Objektes als etwas Blaues usw. erfaßt, sondern auch außerdem noch die Durchdringung der Daseinsmerkmale herbeiführt.
Das Wissen ist wie das Anblicken der Geldstücke durch den Wechsler, insofern nämlich das Wissen nicht nur die äußere Erscheinung des Objektes als etwas Blaues usw. erfaßt und die Durchdringung der Daseinsmerkmale herbeiführt, sondern auch außerdem noch die Verwirklichung er Pfade zustande bringt.
Somit hat man das sich von den Wissensarten des Wahrnehmens und Bewußtwerdens unterscheidende vielartige Erkennen als das 'scharfe Erkennen' (pajānana)
aufzufassen. Aus diesem Grund eben wurde gesagt, daß 'Wissen' (paññā) im Sinne von 'scharfem Erkennen' zu verstehen sei.
Nicht ist aber, wo immer Wahrnehmung und Bewußtsein bestehen, auch immer jenes Wissen anzutreffen. Ist es aber da, so kann man es von jenen Dingen nicht trennen. Da man aber jene Dinge nicht sondern und nicht sagen kann: 'Dies ist die Wahrnehmung (saññā), dies das Bewußtsein (viññāna), dies das Wissen (paññā)', so ist eben das Wissen, weil man es von jenen Dingen nicht trennen kann, gar subtil und schwer zu erkennen.
Darum auch sagt der ehrwürdige Nāgasena (Mil.I.p.263, Ny.): "Etwas Schwieriges, o König, hat der Erhabene vollbracht." "Was ist aber, ehrwürdiger Nāgasena, das Schwierige, das der Erhabene vollbracht hat?" "Etwas Schwieriges, o König, hat der Erhabene vollbracht, indem er die bei ein und demselben Objekte entstehenden unkörperlichen Dinge, wie Bewußtsein und geistige Erscheinungen, festgelegt hat: