Mentus
Ja, das mit der Wand ist schon interessant. Der Platz spielt schon eine Rolle. Nun guckt man nicht die Wand an, man guckt eigentlich gar nichts an, sondern lässt seinen Blick gesenkt vor sich ruhen. Da kann der Teppich Probleme machen.
Deshalb sind so Sisal-Böden ganz praktisch oder Holz. Aber wie auch immer - auch da guckt man nicht, d.h. man sieht nichts.
Das ist anfangs offenbar nicht leicht, weil der Geist sich so gern ablenkt und das als Anregung nutzt.
Ich hatte mal in meiner Sangha eine Frau, die saß wie wir alle, vor der weißen Rauhfaser-Tapetenwand in einem üblichen Abstand von 2 m. Und eines Tages kam sie mit Moltofill und spachtelte die Löcher in der Wand vor sich zu. Die störten so intensiv, dass sie noch in der Woche dran dachte.
Nun waren wir Gast in fremden Räumlichkeiten und ich konnte nicht zulassen, dass Löcher verspachtelt werden. Nachdem das geklärt war, fing eine der Leuchtstoffröhren an zu brummen. Der Hörsinn ist ja ganz fies, denn der lässt sich nicht verschließen. Ihr wurde es unerträglich, denn der Hausmeister konnte den Fehler nicht gleich finden. Und wenn man so in der Stille sitzt, dann wird man sehr feinfühlig und hört selbst eine Spinne über den Boden kabbeln. Ich dachte dann an ein Koan: Bringe die meilenweit entfernte Glocke zum Schweigen - hier hieße es - Bringe die Leuchtstoffröhre an der Decke zum Schweigen - das ist eine ausgezeichnete Übung. Aber dazu war sie nicht bereit.
So gesehen sind Koan durchaus nützlich.
Ich selbst habe lange gebraucht, bis ich den passenden Platz zum Sitzen gefunden habe. Eine Zeit lang saß ich in einem Flur, der an einer Seite mit schönen Holzstäben abgegrenzt war. Als ich spürte, dass ich wie vor einem Gitter saß und ein Käfiggefühl entwickelte, wobei mir noch das Gedicht von Rilke einfiel "Der Panther"
Im Jardin des Plantes, Paris
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille -
und hört im Herzen auf zu sein.
Nee, habe ich dann gedacht und setzte mich in eine andere Richtung.
Einen Zen-Meister habe ich noch vergessen zu erwähnen. Er hat zwei Bücher geschrieben und hat in den USA ein Zentrum, außerdem ist er Aikido-Meister.
Hidden Zen by Meido Moore: Why Did I Write This Book auf Vimeo
Dazu gibt es einen Buchauszug über das "Gazing at distant Mountains" - wie man eben beim Zazen gucken sollte.
Practices of Direct Pointing | Shambhala Publications
Übrigens sitzen Rinzai-Leute zur Mitte des Raumes und nicht zur Wand. Ich halte dies für den wesentlichen Unterschied von Rinzai und Soto. 