Lieber Sunu
Bezugnehmend auf deinen Post
Relative und absolute bzw. letztendliche Wahrheit
In MN117 wird (nebenbei) der edle Geist und dessen Erkennen erwähnt. Wenn man sich dafür interessiert, hilft auch MN1 und auch Kaccanagottasutta. In MN1 wird deutlich, dass der edle Geist die Vorstellungen als solche erkennt. Das ist ein mehr bis weniger stabiles Charakteristikum seines Geistes, also seiner Wahrnehmung. Dieses Erkennen heisst andererseits, dass es dem edlen Geist Schwierigkeiten macht, so wie andere eben zu erklären, was 'ist' und was 'nicht ist'. In der Kaccanagottasutta wird es so erklärt, für ihn gibt es das nicht, was für andere 'sein' heisst, und auch nicht das, was für andere 'nicht-sein' heisst.
Die Unterscheidung, auf die es im ersten Teil von MN117 ankommt, ist die zwischen richtiger (hilfreicher) und falscher (hinderlicher) Ansicht. Das sind einerseits also die zwei verschiedenen Wahrheiten, die hier präsentiert werden, wenn du so magst.
Zu MN117 bleibt mir noch zu sagen, es gibt mindestens eine andere Übersetzung, da steht statt 'Erkenntnis' 'Ansicht'.
Nun persönlicher und was zu meinem allgemeineren Empfinden, was dieses Wort 'Wahrheit' angeht. Ich mag die häufig anzutreffende Auffassung über den Begriff 'Wahrheit' nicht. Als wäre das etwas über dass man reden kann. Denn: Und wie kann man nun über 'Wahrheit' sprechen: wahr bis unwahr? Vielleicht erkennst du damit, was ich meine. Wahrheit ist nicht etwas worüber man nachdenken könnte. Man kann über Erklärungen, über Aussagen anderer Menschen nachdenken, von denen man sich sicher ist, dass die nicht gelogen haben, dass es denen wichtig war, sorgältig, achtsam, vorsichtig zu erklären.
'Wahrheit' - das ist nur ein Begriff. Ein Querverweis, ein Schild nur. Es kann dem normalen Menschen noch tausendmal jemand erklären, dass es die Wahrheit wäre, es wäre die Wahrheit, absolut. Wirklich. Vollkommene Wahrheit. Wenn das Gesicht des Erklärers dabei verstohlen, und etwas verbergendwollend erscheint, dann ist das womöglich die 'Wahrheit' um die es in diesem Moment geht.
Ohne Worte. Unmittelbares Erkennen und dann damit umgehen. Darum gehts?
Genug gepredigt Zurück zu deinem Posting.
Du fragst nun, 'warum wurde dieses Konzept dann z.B. von Nagarjuna so herausgestell?'. Für eine fruchtbare Auseinandersetzung bitte ich dich, zu zeigen, inwieweit die konkreten Erklärungen am Anfang von MN117 über richtige (förderliche) und falsche (hinderliche) Ansicht, ein Konzept (wie du es behauptest) in dem Sinn darstellen: es ist eine ausgereifte Theorie, ein grösser Gegenstand des Denkens. Im zweiten Schritt zeige bitte, dass Nagarjuna diese (so würde ich das, was du mit Konzept bezeichnest, mit einem Urteil bewerten) bloss hilfreiche und hilfestellende Unterscheidung (!) Buddhas herausgestellt hat.
Ich erkenne nur, wenn ich sehr wollen würde in dieser denkerischen Unterscheidungsart, also in dem Konzept von mir kurz betitelt 'absolute Wahrheit - relative Wahrheit' einen Bezug zu der hilfestellenden Unterscheidung von richtiger und falscher Ansicht am Anfang von MN117. Ebenso schwer fällt mir der Bezug zu der hier eigentlich nebensächlicheren Unterscheidung zwischen dem Erkennen (und damit der Qualität der jeweiligen Ansichtsverquirlung) des edlen und des unedlen Geists.
Also, falls du mir ein Argument für deine implizite These, Buddha hätte ja in MN17 selbst schon so ausgesagt wie später Nagarjuna, präsentieren wolltest, ich sehe es aktuell nicht.
Danke dir für die Erklärung, was dieses unterscheidende Denken in konventionelle Wahrheit und absolute Wahrheit helfen soll. Allerdings fragte ich nach dem konkreten Nutzen für den Anwender, also den Nutzen für dich zum Beispiel. Was hilft dir konkret die Ansicht darüber, dass es absolute und relative Wahrheiten gibt, weiter als das, was es für alle anderen die davon nichts gelesen haben, heisst: nämlich dass es bessere und schlechtere Theorien und Erklärungen gibt, dass es dazu auch ausnahmslose Beobachtungen vieler Objekte auf der Welt und im Kosmos unmittelbar zu machen gibt?* Was hilft dir diese Erklärung über zwei Wahrheiten mehr als das, was man auch so wissen kann: Wahrheit ist gemeinhin eher relativ als absolut.
Gruß
* Das heisst auch: es gibt Experimente, die laufen unter gleichen Bedingungen jedes Mal gleich ab. Was einen natürlich dazu bringen könnte, über "Wahrheiten" und entsprechend zu ausnahmslosen Beobachtungen von "absoluten Wahrheiten" zu sprechen, statt einfach möglichst klar diese Ausnahmslosigkeiten zu beschreiben, beispielsweise.