Beiträge von Mabli im Thema „Psychotherapie & Buddhismus“

    Bosluk , sorry, wenn ich das ganze lese, dann denke ich, warum man sollte das Fahrrad entdecken? Das ales ist genug schon in Sattipatthana" enthalten, das war "Der direkte Weg", der selbst Buddha lehrte.

    Ich verlinke das Buch:

    Aber Igor07, es geht doch nicht darum wer das Patent auf die Erfindung hat, sondern darum mögliche Parallelen von zwei verschiedenen Ansätzen heraus zu arbeiten. Klar kannst du sagen, das steht doch alles schon in der Satipatthana Sutta, wozu brauche ich da noch moderne Psychologie oder Psychotherapie. Aber diese Argumentation ignoriert doch völlig, dass die kognitive Verhaltenstherapie in einem anderen Kontext entstanden ist und angewandt wird.


    Ich fände es auch interessant anschließend an die Grafik von Bosluk sich anzuschauen was die trennenden Vorurteile und Abgrenzungen zwischen Buddhismus und Psychotherapie sind.

    Von Seiten der Psychotherapie etwa:

    • Behandlung von Leiden ist eine wissenschaftlich begründete "Technik" oder "Kunstlehre" und keine Glaubenssache
    • Neutralität in weltanschaulichen Fragen
    • Meditation als Einladung zur Psychose oder Regression (so etwa C.G. Jung)
    • Ausdruck von Gefühlen und Reden über Gefühle als ein immanentes Ziel des therapeutischen Prozesses, mit den Gefühlen richtig umgehen lernen statt Des-Identifikation

    Von Seiten des Buddhismus etwa:

    • Unterscheidung zwischen heilsamen und unheilsamen Einstellungen / Gefühlen
    • Es geht um Des-Identifikation mit dem Ego und nicht um Wiederherstellung von Autonomie des Egos
    • Entwicklung von Liebender Güte, Mitgefühl, Mitfreude, Gleichmut als Entwicklungsschritt
    • Ziel des Austritts aus dem Daseinskreislauf und nicht Integration in den Daseinskreislauf

    Warum meinst du würde sie es niemals verstehen? Ist der Buddhismus nur verständlich für einen Kreis von Auserwählten? Und warum hat sie denn überhaupt ein solches Doppelleben geführt?

    Hi, Mabli .

    Ganz genau, mein Freund, wenn ich darf.

    Für die "auserwählten", denn Buddha wollte zuerst nichts reden, [...]

    Das führt zwar jetzt etwas vom Thema ab, aber das finde ich interessant. Wenn der "authentische" Buddhismus wirklich eine Intellektuellenreligion für Auserwählte ist, gibt es dann keinen universellen Anspruch, dass prinzipiell jeder Mensch die Anlage zur Erlösung aus dem Daseinskreislauf in sich trägt?

    Der Buddhismus gehört in den Kreis jener Erlösungslehren, wie sie der Intellektualismus vornehmer indischer Laienbildungsschichten in größerer Zahl vorher und nachher geschaffen hat, und ist nur deren konsequenteste Form. Seine kühle und stolze, den Einzelnen auf sich selbst stellende Befreiung vom Dasein als solchen konnte nie ein Massenerlösungsglaube werden. Seine Wirkung über den Kreis der Gebildeten hinaus knüpfte an das gewaltige Prestige an, welches der »Shraman. a« (Asket) von jeher dort genoß und welches vorwiegend magisch-anthropolatrische Züge trug. Sobald er selbst eine missionierende »Volksreligiosität« wurde, verwandelte er sich demgemäß in eine Heilandsreligion auf der Basis der Karmanvergeltung mit Jenseitshoffnungen, welche durch Andachtstechniken, Kultus- und Sakramentsgnade und Werke der Barmherzigkeit garantiert werden, und zeigt naturgemäß die Neigung, rein magische Vorstellungen zu rezipieren.

    Max Weber teilt auf jeden Fall deine Sicht. Aber ganz ehrlich, besonders sympathisch ist mir diese Vorstellung nicht. Dann doch lieber die Heilandsreligion mit magischen Vorstellungen.

    Wenn man die große Schnittmenge ansieht, dann kann man daraus entweder den Schluss ziehen, dass Buddhismus und Psychologie in weiten Teilen in die gleiche Richtung ziehen.


    Oder man kann auch eine andere Begriffsdefinition verwenden und das Abnehmen von Gier und Hass, Trauma und Sucht hier eher eine Nebenwirkung des Buddhismus betrachten.


    Das Bild, das Welwood benutzt, beschreibt die Psychotherapie als Beschneiden des Baums und den Buddhismus als einen Ansatz, der an der Wurzel des Baums ansetzt. Das trifft es meines Erachtens sehr gut. Während void hier die Gemeinsamkeiten von beiden betont, sieht Igor07 zwei nicht miteinander vereinbare Ansätze in Psychoanalyse (als einer Richtung von Psychotherapie) und Buddhismus, weil die eine einen fit machen wolle für die Gesellschaft, der andere einen zum Ausstieg aus der Gesellschaft ermächtige. Die eine Triebkonflikte bewusst machen wolle, der andere die Des-Identifikation mit den Skandha anstrebe. Die eine ein Strukturmodell der Persönlichkeit mit Es, Ich und Über-Ich voraussetzt und der andere die bedingte Entstehung und Leerheit lehrt.

    Die Psychoanalyse hat eine begrenzte Sicht auf die Entstehung von (psychischem) Leiden, insofern sie einen großen Schwerpunkt auf die Erfahrungen der ersten Lebensjahre als Ursache legt. Always this mommy, daddy stuff. Der (falsch verstandene) Buddhismus hat einen blinden Fleck, wenn er meint alle Leiden könnten durch die Erkenntnis der Leerheit überwunden werden. Etwa wenn jemand emotionale Schwierigkeiten hat und - statt sich mit diesen auseinander zu setzen - versucht, sie in Leerheit zu ertränken. (Hier könnte man sich noch einmal genauer anschauen, was es im Einzelnen heißen kann, sich mit seinen emotionalen Schwierigkeiten auseinanderzusetzen und welche unterschiedlichen Herangehensweisen Buddhismus und Psychotherapie an den Tag legen.)

    Daher würde ich für eine Sicht plädieren, die sich die blinden Flecken beider Ansätze bewusst macht und auch die Begrenzungen akzeptiert, die sich daraus ergeben. Dadurch sollte eine Offenheit füreinander plausibler und erstrebenswerter werden. Und dann wäre die Frage nicht: "Sind Buddhismus und Psychotherapie das Gleiche und kann das eine das andere ersetzen?", sondern: "Wie können beide ineinander greifen und aneinander anschließen?"


    oder wie es war im einem sehr guten Film, eine Frau von dem höchstem Adel führt das Doppelleben als die Hure.

    Und erzähle ihr , dann, bitte, über den Buddhismus, oder Nirvana pur... Die würde das niemals verstehen.

    Warum meinst du würde sie es niemals verstehen? Ist der Buddhismus nur verständlich für einen Kreis von Auserwählten? Und warum hat sie denn überhaupt ein solches Doppelleben geführt?

    Liebe Mabil, ich denke, ich verstehe die Lehre von der Leere.

    Es war auch weniger eine Erklärung für dich als eine Bekräftigung und weitere Ausführung zu deinem Kommentar. Die Lehre von der Leerheit ist wahrscheinlich das mit am schwierigsten zu verstehende. Mich wundert es nicht, dass es da zu sich wiederholenden Endlos-Diskussionen kommt, bei denen aneinander vorbei geredet wird.

    Eine begriffliche Klarheit und Übereinstimmung ist da die Mindestvoraussetzung für eine sinnvolle Diskussion, daher mein Verweis auf die Unterscheidung von Tsyoknyi Rinpoche.

    Und weiter sagt Tsoknyi Rinpoche dazu, dass die Realisierung der Leerheit im Alltag oft auf große Widerstände der Gewohnheitsmuster stößt und Geduld nötig ist.


    Zitat

    RINPOCHE: [...] Versuche aber nicht, das bloße Ich aufzulösen. Wenn das bloße Ich nicht da wäre, wie wolltest du dann zu deiner Verabredung gehen, dein Essen zu dir nehmen usw.? Wir hätten keinen Bezugspunkt mehr. Doch einen Bezugspunkt brauchen wir! Welcher Art? Einfach nur einen Bezugspunkt. Genau daraus entsteht eine Wechselbeziehung – natürlich und leer, einfach bloß existent. Doch wir wissen nicht, dass es sich um eine bloße Existenz handelt. Es ist der Tanz zwischen Erscheinung und Leerheit. Manchmal nennen wir es Illusion. Von Buddha Śākyamuni stammen diese Worte: „Meine traumgleiche Form erschien traumgleichen Wesen, um ihnen den traumgleichen Weg zur traumgleichen Erleuchtung zu zeigen.“


    [...]


    RINPOCHE: Ich denke, dass hierbei die Fähigkeit der Unterscheidung wichtig ist. Wenn buddhistische Lamas Unterweisungen über Nicht-Selbst geben, führt das oft zu Missverständnissen. Manche denken, dass es das bloße Ich nicht gibt. Der Buddhismus sagt aber lediglich, dass die Selbstbezogenheit, die Ego-Fixierung nicht da sein sollte. Das bloße Ich und das vergegenständlichte, projizierte Ich liegen sehr nahe beieinander. Es könnte das bloße Ich sein, es könnte aber auch das projizierte Ich sein. Nur etwas klammern, und schon friert es fest. Die buddhistischen Lehren vom Nicht-Selbst zielen auf das projizierte Ich ab, nicht auf das bloße Ich. Die Vergegenständlichung ist es, die uns im Saṃsāra hält. Aus genau diesem Grund sehen wir alles, was wir wahrnehmen, als wirklich an.

    Soweit ich das bisher verstanden habe, gehören Mitgefühl und Leerheit auch zusammen - zumindest im tibetischen. Buddhismus als Weisheit und Methode oder auch Entwicklung von Bodhicitta.

    Leerheit birgt die Gefahr in Nihilismus zu verfallen. Dann ist da einfach nichts. Das ist sozusagen das andere Extrem gegenüber der Verdinglichung und Verfestigung des Selbst und der Dinge.


    Vielleicht kann die folgende Differenzierung von Tsoknyi Rinpoche etwas mehr Klarheit in die Diskussion bringen.

    Im Buddhismus wird hervorgehoben, dass das Ich wie eine Illusion ist. Diese Aussage wird nicht immer richtig verstanden.


    RINPOCHE: Es stimmt, dass es hier oft Missverständnisse gibt. Traditionell sprechen wir im tibetischen Buddhismus von vier Formen des Ich, und ich füge gerne noch eine fünfte hinzu. Zuerst ist da das ‚bloße Ich’ (tib. dag-tsam), das für ein Gefühl von Individualität steht. Es ist einfach ein bloßes Ich als Erlebender. Dann gibt es das ‚vergegenständlichte, projizierte Ich’ (tib. dag-dendzin). Das ist ein festes Ich-Gefühl, eine Ego-Fixierung, die entsteht, wenn das bloße Ich sich durch fortlaufende Selbstbestätigung verfestigt. Drittens haben wir die Selbstsucht oder Selbstbezogenheit (tib. dag-chen dzin). Viertens gibt es das Ich in einem eher philosophischen Sinne, ein eigenständiges und beständiges Wesen, Seele oder Atman. Zum leichteren Verständnis des IchKonstrukts hebe ich gerne noch zusätzlich das ‚soziale Ich’ hervor. Der Buddhismus erkennt keine der letzten vier Arten des Ich an. Nach der buddhistischen Lehre sind diese vier aufzulösen. Im Buddhismus wird lediglich das bloße Ich anerkannt und als notwendig erachtet.

    Lieber Igor,


    du rennst bei mir da offene Türen ein. Ich habe schon vor einiger Zeit angefangen mich mit dem Thema Leerheit, abhängiges Entstehen und Nicht-Selbst zu beschäftigen. Und ich glaube die anderen hier Schreibenden haben sich auch schon damit beschäftigt.

    Daher wirkt dein Insistieren in dem Punkt auf mich etwas irritierend. Dazu kommt deine pauschale Ablehnung und Verurteilung aller Vermittlungs- und Integrationsbemühungen in Bezug auf Buddhismus und Psychologie. Man kann ja über die Bedeutung und Auslegung der Nicht-Selbst Lehre im Einzelnen streiten, aber im Wesentlichen sind wir da nicht weit auseinander - jedenfalls aus meiner Sicht.

    Thanissaros kritische Sicht auf die Aneignung des Buddhismus in westlichen Ländern ist nochmal einmal eine eigene Geschichte (Thanissaro ist übrigens laut Wikiedia Geisteswissenschaftler und kein PSychologe geschweige denn Therapeut). Deswegen würde ich dich dazu ermuntern doch einen eigenen Thread zu dem Thema aufzumachen. Da kann man sicher viel drüber diskutieren. Z.B: Kann es heute einen ursprünglichen Buddhismus geben? Ist das Zurückgehen hinter Post-Moderne und Moderne ein Fundamentalismus, eine traditionalistische Rückwärtsgewandtheit oder eine Besinnung auf die authentische Lehre? Oder alles zusammen?

    Ich rate dir und allen hier, nochmal das Buch zu lesen. Das kann man kostenlos bestellen.

    Der Autor macht es den Schritt für den Schritt, um das zu "demonstrieren", was ich hier versucht hatte. Er ist ausgezeichnter Kenner aller möglichen Richtungen in der Psychologie oder Therapie, und er beweist sehr klar und deutlich, dass es alles mit den Buddhismus nichts zu tun hat.

    Das ist jetzt erstmal eine Behauptung von Thanissaro, die du da referierst, gestützt durch den Verweis auf seine Expertise. Aber wie sind denn seine Argumente dafür, dass das Alles mit Buddhismus nichts zu tun hat? Und was genau fällt alles unter das Alles? Jeder Buddhismus im Westen? Und wie genau hängen jetzt Psychotherapie und Romantik zusammen?

    Das Thema buddhistische Romantik finde ich ja durchaus interessant. Mach doch mal einen Thread dazu auf. Das ist ja ein noch wesentlich weiteres Themenfeld als "Psychotherapie und Buddhismus".

    Du solltest dich mehr mit dem "ursprünglichen" Buddhissmus befassen. Und das ist Pali-Kanon. Ansonsten man redet über die verschiedene Dinge, und als die Folge, man versteht den anderen nichts.

    Ich sehe gerade nicht ganz den Sinn, einen ursprünglichen Buddhismus zu suchen oder zu (re-)konstruieren. Man kann vielleicht die westliche oder romantische Brille ablegen, durch die man den Buddhismus sehr verzerrt wahrgenommen hat, aber sieht man dann wirklich den "ursprünglichen" Buddhismus oder nur eine andere verzerrte Form. Bringt vielleicht auch erst die Vielheit der Perspektiven statt der einen ursprünglichen Perspektive ein weniger verzerrtes Bild hervor?

    P.S. Skandhas sind alle zusammen nichts "Ich". Wie das Auto im diesem sehr guten und klarem Beispiel.

    Da sind wir uns einig. Mir ist durchaus bewusst, dass die Ich-Aktivität der Skandhas nur das Ich im konventionellen Sinne sind und nicht das getrennte, begrenzte und feste Ich, das aus sich selbst heraus existiert.

    Wenn Du Dir als Erwachter ein Bein brichst, und das behandeln lässt, dann nicht, weil Du Dich damit identifizierst, sondern weil Du mit dem Körper in Beziehung stehst, egal ob erwacht oder nicht.

    Und es ist davon auszugehen, dass die Neurose eher der Normalfall als die Ausnahme ist (Schwerer Fälle psychischer Erkankung sind auch nicht gerade selten). Jeder nimmt die Wirklichkeit in seiner ganz eigenen und persönlichen Art verzerrt wahr, eben seinen Mustern entsprechend. Sich von diesen Mustern zu lösen und dadurch zu genesen (ich spreche lieber nicht von geheilt werden) kann auch ein erster Schritt sein die Vorstellung von einem festen, begrenzten und getrennten Ich loszulassen. Muss es aber nicht sein. Man kann Psychotherapie machen, um danach wieder gut zu funktionieren und damit zufrieden sein.

    Worauf Welwood hinweist ist die Gefahr den Schritt des Loslassens des Ichs vorschnell zu gehen, um eigenen Problemen und Schwierigkeiten auszuweichen. Das nennt er dann spiritual bypassing. Und das führt wahrscheinlich eher zu mehr Problemen als zu Befreiung.

    Im Kapitel zu "Ichstärke und Egolosigkeit" aus dem Teil zur Integration von Psychologie und Spiritualität beschreibt Welwood die buddhistische Sicht auf die Ich-Entwicklung. Im Gegensatz zur psychologischen Sicht, die das Ich eher als Struktur sieht, sieht der Buddhismus das Ich eher als Aktivität, so Welwood. Die Skandhas formen als Schichten dieser Aktivität unserer Erfahrung der Realität.


    Das Skandha der Form sieht Welwood als Kontraktion, die uns aus der Weite und Offenheit heraus scheinbar als Begrenztes, Bestimmtes und Substantielles abgrenzt. Das drückt sich etwa in der Identifikation aus: "Ich bin dieser Körper" als getrennte und begrenzte Einheit.


    Das Skandha des Gefühls drückt sich in Lust oder Schmerz in unserer Beziehung zur Realität aus. Dies kann sich auch auf uns selbst beziehen wie wir uns wahrnehmen. Dann gibt es das gute, fähige, liebenswerte und kompetente Selbst und das schlechte, unfähige, nicht liebenswerte, mangelhafte und unwerte Selbst.


    Das Skandha der Wahrnehmung oder des Impulses drückt sich in Anhaftung, Ablehnung oder Neutralität gegenüber dem Wahrgenommen aus.


    Das Skandha der Konzeptualisierung ist ein weiterer Schritt in der Verfestigung unserer Identität. Überzeugungen und Interpretationen der Welt (einschließlich unseres Selbst) sind dessen Ausdruck.


    Schließlich ist das fünfte Skandha der Bewusstseinsstrom, der von den vier ersten Skandhas angebtrieben wird.


    Diese fünf Skandhas machen die Ich-Aktivität aus. Um den Weg zu beschreiten, sich von der Vorstellung eines substantiellen, begrenzten und getrennten Selbst durch meditative Versenkung zu lösen (das geschieht wahrscheinlich kaum von jetzt auf gleich), braucht man Fähigkeiten wie Konzentration, Ausdauer, Willensanstrengung, Frustrationstoleranz, Geduld, Einsichtsfähigkeit, Introspektionsfähigkeit usw... Diese Fähigkeiten werden in der Terminologie der Psychologie als Funktionen eines (starken) Ichs gesehen. Damit ist die Ich-Stärkung im Sinne der Psychologie ein Ziel und eine notwendige Bedingung des Pfads zur Egolosigkeit im buddhistischen Sinne.

    Heute! es wäre genau die "Psychotherapie", und die verschiedene "Seelenklempner", die bestimmt so wie die "existenziielle " Neurose ( so wie nach V. Frankl) bei dem "Patienten" festgestellt hätten und anschlissend er könnte auch medikmanentös behandelt werden. ( so die meinunng von dem Autor).

    In autoritäten Staaten wurde die Psychiatrie genutzt um Systemkritiker mundtot zu machen. Das ist ein Fakt. Die biologische Psychiatrie oder früher das Irrenhaus waren Orte, an denen Leute, die in der Gesellschaft ausgegrenzt wurden, verwahrt wurden oder Schlimmeres. Darauf spielt Thanissaro Bhikku anscheinend an. Die Psychotherapie war geschichtlich betrachtet in der BRD dagegen eher der vermögenden Mittelschicht vorbehalten.

    Der Buddha , wenn es heute passiert wäre, hätte in die Klapsmühle landen können. Denn es ist nichts "normal" für die moderne ( egal welche ) Gesellschaft, wenn der Mensch die eigene Pflicht nichts erfüllen wollte, aber wollte bestimmt herausfinden, wie kann man das "Leid", seine "Wurzeln" zu lösen. Auf ewig. Man sollte es sich vorstellen.

    Dazu kommt, dass die Abgrenzung von mystischen / relgiösen Erfahrungen und psychopathologischen Phänomenen manchmal gar nicht so einfach ist. Auch Moses, der den brennenden Dornbusch gesehen hat, oder Jesus, der in der Wüste Visionen hatte, würden heute womöglich in der Psychiatrie landen.

    Gut, das ist meine ("") Argumentation. Und tut mir leid, wenn du auf die abweichende Meinung so empfndlich reagierst, Mabli . Das ist nur das Forum, und man hat Recht, frei die eigene meinung zu äussern. Wenn die sogar mit den anderen nichts stimmt. Das heisst "Demokratie", oder?

    Ich habe nur nicht verstanden wie du zu deine Äußerungen in dem Kontext von diesem Thread kommst, da es hier bisher weder um den einzig "wahren" Buddhismus ging noch um die Vermarktung von Achtsamkeit. Daher war ich davon doch etwas irritiert. Das Thema des Thread ist das Verhältnis von Psychotherapie und Buddhismus. Wenn beides deiner Meinung nach nichts miteinander zu tun hat, dann ist das auch ok.

    Z.b. aus meinem Studium und durch eine Freundin, die dort Lehrerin war, kenne ich etwas dieses "outward bound": in einem sozialen Kontext (Gruppe) neue Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit der natürlichen Umwelt machen, neue Stärken entwickeln oder vielleicht sogar schlummernde Talente entdecken, und tatsächlich sogar "die Persönlichkeit" entwickeln.

    Meine Frau ist Erlebnispädagogin, von daher kenne ich diesen Ansatz auch ganz gut. :) Das ist eine tolle Möglichkeit, wenn man sich aus der Komfortzone heraus begibt, sich nicht überfordert, aber neue Erfahrungen machen kann. Wir haben mal eine Hüttentour in einem sehr einsamen Gebiet der Alpen gemacht. Da denke ich gerne dran zurück. Im Grunde ist ja potentiell das ganze Leben Persönlichkeitsentwicklung.

    Jemand die ich gut kenne, fast immer ohne Partner, ohne Kinder, hat sich getraut und macht (seit ein paar Jahren) Leihoma

    Ich habe erstmal gestutzt, weil ich dachte Lei-homa sei vielleicht eine neue esoterische oder spirituelle Richtung aus Hawai oder so. Bis ich dann geschnallt habe: Ah Leih-Oma. :lol:

    Also, diese "Sitzen&Erkennen&Erleuchten" Sache ist a) nur *eine* Fahrtrichtung, die m.Mn.nach nur Leute unternehmen sollten, die auch eine natürliche Freude daran haben, und b) gibt es sie in so vielen Ausprägungen vor dem Buddha, nach dem Buddha und um den Buddha herum, daß man nicht bei jedem Meditationsstil Buddha drin findet, wenn auch Buddha drauf steht.

    Das sehe ich auch so. Ich habe neben Meditation auch noch andere Methoden für mich gefunden, um an mir zu arbeiten, weil es mir sonst zu einseitig wäre und bestimmte Aspekte zu kurz kommen.

    Upps, bei meinem vorigen Post vielleicht ein bißchen weit vom eigentlichen Thread abgekommen. Sorry... Ggflls löschen... (man kann anscheinend nach 1/2 Std nicht mehr editieren?)

    Ja, so wirklich passt es nicht hier. Vielleicht kann man es ja in den Thread Psychotherapie & Buddhismus verschieben oder in meine Chronik.

    Hi, Mabli .

    Das sind zwei absolut ! :!: verschiedene Ansätze. es könnte helfen, aber auch das könnte sehr schaden. Z.B, man benutzt doch MBSR-Methode , auch gegen die Depressionen, oder auch man kann das gegen die anndere Probleme erfolgreich benutzen. Im Arbor-Verlag es gibt genug davon. Aber ist kein echter, also authentischer Buddhismus, wie man Satipatthana nach Analayao oder Nyanaponika praktiziert.

    Das ist jetzt aber ein Argument nach dem Prinzip "Kein wahrer Schotte".


    Argument: „Kein Schotte streut Zucker auf seinen Haferbrei.“

    Antwort: „Aber mein Onkel Angus ist Schotte, und er streut sehr wohl Zucker auf seinen Haferbrei.“

    Widerlegung: „Kein wahrer Schotte streut Zucker auf seinen Haferbrei!“


    Ich kenne das Satipatthana Sutta schon und weiß welche Methoden dort beschrieben werden. Wobei die Methoden, wenn man sich auf das Sutta alleine ohne die Kommentare bezieht, in meinen Augen eher unterbestimmt ist.

    Und das :!: ist der echte Buddhismus, keine moderne Anpasung an die Leute mit den Problemen.

    Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso du jetzt eine solche Unterscheidung aufmachst und finde das auch ein bisschen ärgerlich. Auf der einen Seite der echte Buddhismus, auf der anderen Seite ein möglicher therapeutischer Nutzen. Sind nicht die Probleme, die der Buddhismus adressiert allgemein-menschliche? Das klingt bei dir aber eher nach elitärer Veranstaltung. Heißt es nicht wir sollten uns als Kranke betrachten mit der Diagnose "schwerer Fall von Samsara" und Buddha ist der Arzt und das Dharma die Medizin? Woher kommt dieses Abgrenzungsbedürfnis gegen Menschen mit Problemen? Wo ging es denn hier im Thread um die Vermarktung von Achtsamkeit? Der oben von mir erwähnte Film Someone beside you über Edward Podvoll und das Windhorse Project steht in meinen Augen für eine gelungene Verbindung von buddhistischer Theorie und Praxis und medizinisch-therapeutischem Nutzen und ist gerade keine sinnfreie Vermarktung. Podvoll hat eine Theorie der Psychose auf der Grundlage der buddhistischen Weltanschauung entwickelt. Ansonsten verstehe ich nicht auf welche Aussagen und Beispiele aus diesem Thread sich deine Argumentation bezieht. Vielleicht könntest du da ja etwas Klarheit rein bringen und erklären worauf du dich dabei konkret beziehst.


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    Helgo:

    Aber wenn zu der Ermüdung die Selbstanklage kommt, der leidhafte Selbst-zweifel: dann kann man versuchen, dieses unrealistische "Selbst"-Bild, die "Selbst"-Vorstellung (und deren Ideale) zu thematisieren. Ist meine körperliche, seelische, geistige Formation "mein Selbst"? Kann ich mich von dieser zusätzlich Leiden-schaffenden Identifikation meiner körperlichen, seelischen oder geistigen Schwäche mit (m)einem "schlechten" Selbst emanzipieren, mich von ihnen "abwenden"?

    Das ist genau der Punkt glaube ich. Da greift ja auch die Unterscheidung von falschem und wahrem Selbst an. Wobei diese Terminologie mit wahr-falsch natürlich auch wieder in Frage gestellt werden kann. Aber das "falsche" Selbst ist eben ein - wie du sagst - unrealistisches Bild vom Selbst. Das kann ein überhöhter Anspruch an sich selbst sein, immer fit und leistungsfähig sein zu müssen oder die Vorstellung immer der Beste und Größte sein zu müssen oder anderen immer gefallen zu wollen oder sich ständig schuldig zu fühlen und selbst anzuklagen und niederzumachen. Bei Welwood klingt das so:

    Kap. 3 Ichstärke und Egolosigkeit, S.64:

    Wenn uns die wahre Stärke, um mit schwierigen Lebensumständen umzugehen, fehlt, versuchen wir stark zu sein - indem wir uns anspannen und eng machen. Wenn und wahres Vertrauen fehlt, versuchen wir ganz vorne oder ganz oben zu sein - gewaltsam und mit Druck. Wenn uns unmittelbares Wissen unseres Wertes fehlt, versuchen wir, liebenswert zu sein - indem wir Kompromisse machen oder unsere Eltern zu retten oder Leuten zu gefallen zu suchen.

    Das sind in gewissem Sinn ja alles Kompensationsversuche eines erfahrenen Mangels oder einer "Wunde" die hinter diesen Verhaltensweisen und "falschen" Auffassungen des Selbst liegt. Welwood zitiert an einer Stelle im Zusammenhang mit Psychotherapie Robert Bly, der von einem "schrecklichen Abstieg in die Wunde" spricht. Wobei die Kernwunde, an der wir alle leiden, die Trennung vom eigenen Sein sei.

    Jemand wie Buddha ist, wäre nach diesem Wortgebrauch jemand mit einem besonders starken Ich ( Realitätsprinzip) das im Stand ist allen Formen von Es oder Über Ich zu wiederstehen.

    Ich weiß nicht, ob es erstrebenswert sein kann allen Formen von Über-Ich und Es zu widerstehen. Es gibt ja auch gesunde Formen des Über-Ichs im Sinne eines gut integrierten Gewissens. Aber auf jeden Fall kann ein rigides oder nicht gut integriertes Über-Ich viel Leid erzeugen und es ist sicher nicht einfach mit einem Fingerschnipsen aufzulösen.

    und man würde das entsprechen praktizieren, dann... man bekommt bestimmt sehr schwere "dissoziative" Störung, nehme ich an.

    Man sollte, wie mir ein sehr erfahrener Buddhist einmal ausdrückte, zuerst sehr stark verwurzeletes "Ich " haben, um dann ( danach) es zu "verlieren".

    Ich würde dem Satz, dass man zuerst ein Ich aufbauen muss, um es danach zu verlieren, zustimmen. Wobei ich tatsächlich auch denke, dass das Ich, das man aufbauen und stärken muss nicht dasselbe Ich ist, das man dann zu verlieren strebt. Die Äußerungen von Lama Tilmann sind ja so zu verstehen sind, dass der Pfad des Buddha auch eine Stärkung von Ich-Funktionen bedeutet, wenn er sagt, dass der Buddha ein starkes Ich hat.

    Wenn jemand wirklich unter Dissoziationen oder Ich-Störungen leidet, sollte er womöglich nicht an einem Vipassana-Retreat teilnehmen, bei dem 14 Stunden am Tag über Vergänglichkeit meditiert wird, aber pauschal zu sagen, dass Meditation in einem solchen Fall im Allgemeinen mehr Schaden anrichtet als zu nutzen, halte ich auch für fragwürdig.

    (Die Arbeit an den persönlichen Mängeln, an unethischen, unheilsamen, unweisen und/oder unsinnigen Verhalten/ Charakterzügen liegt dann auf einer ganz anderen Ebene) - - -

    Allerdings glaube ich schon, dass die Egolosigkeit im buddhistischen Sinn da ans Eingemachte geht. Und wenn man daran arbeitet, die eigene Selbstbezogenheit aufzulösen, kommt man wahrscheinlich auch in Kontakt mit allen möglichen Marotten des eigenen Charakters.

    Mabli ... Bitte, nimm es nichts persönlich.

    Nein, kein Problem.

    Wenn ich dem psychich leidenden Menschen das ganze einzuschärfen versuchen würde, aber genau das !, nichts anderes ist der Kern! der Buddha-Lehre, meine Güte, ich wollte auf seiner Stelle niemals landen.

    Ich denke das ist nicht so leicht zu sagen. Auch Menschen, die an einer Psychose erkrankt sind, können von Übungen der Achtsamkeit durchaus profitieren. Ich habe mal einen schönen Film darüber gesehen: Someone beside you. In dem Film kommt übrigens auch Lama Tilman vor. Daher kannte ich ihn auch. Er leitet dort ein Retreat, an dem die Hauptperson, der Psychiater Edward Podvoll, teilnimmt, und sagt ein paar Worte dazu wie psychische Erkrankungen aus buddhistischer Sicht gesehen werden können.

    Was Lama Tilmann auf eine Publikumsfrage dazu sagt, finde ich sehr interessant. Beginnt bei ca. 1:20 min (dauert nur ein paar Minuten).

    Lama Tilmann sagt, dass es Unfug sei, dass man erst ein stabiles Ich aufbauen müsse, bevor man es loslassen kann. Seine Begründung lautet, dass es sich um zwei verschiedene "Ichs" handelt. Die Psychologen meinten eigentlich Ich-Funktionen wie klare Wahrnehmung, Gedächtnis, Belastbarkeit, Geduld, Ausdauer, Entspannungsfähigkeit. Er vergleicht diese Fähigkeiten mit den Paramitas (Freigebigkeit, ethische Richtlinien, Geduld, Tatkraft, Meditation, Weisheit) im Dharma. Die Quelle dieser Fähigkeiten seien Liebe und Mitgefühl. Daher habe ein Buddha nach Lama Tilmann ein stabiles Ich im Sinne der Psychologie. Es gebe aber bei ihm keine Illusion, dass da ein Wesenskern sei, der diese Qualitäten individuell besitzt. Die Qualitäten der Buddhanatur setzt er gleich mit dem wahren Selbst. Bei Welwood findet sich ein ähnliche Argumentation:

    Zitat

    So wie spirituelle Sucher, die nur ein oberflächliches Wissen von der westlichen Psychologie haben, das therapeutische Ziel der Ichstärke oft missverstehen, so würden die meisten westlichen Psychologen die Vorstellung der Egolosigkeit als eine Einladung zur Psychose verstehen.

    Offenbar wird hier also häufig aneinander vorbei geredet. Der Begriff "Ich" bezeichnet anscheinend je nach Kontext ganz unterschiedliche Prozesse oder Dinge. Nach Welwood besteht in der westlichen Psychologe eine Hauptaufgabe des Ichs darin, dass wir überleben und geschützt sind. Es sorgt dafür, dass wir im Alltag funktionieren. Als eine Imitation des wahren Selbst (der Begriff ist eine Parallele zur Argumentation von Lama Tilmann) versucht das Ich aber auch Schwächen auszugleichen. Zum Beispiel wenn uns Stärke fehlt, um mit Schwierigkeiten klar zu kommen, versuchen wir stark zu sein, indem wir uns anspannen und eng machen.

    Zitat

    Wenn wir Ichstärke als die Fähigkeit definieren, wirksam in er Welt zu funktionieren, ohne von innerem Konflikt geschwächt zu werden, würde tatsächlich gewiss kein östlicher Lehrer daran etwas auszusetzen haben.

    Allerdings neigt die westliche Psychologie dazu, sich das Ich als eine verdinglichte feste Größe vorzustellen, die als begrenzte und getrennte Einheit existiert. Die Erfahrung, dass es da etwas gibt, das kontrolliert und funktioniert verleitet dazu anzunehmen, dass dieses Ich alles ist was wir sind.

    Welwood sieht in der buddhistischen Sicht ein Sein hinter dem Ich, das er als wahres Selbst bezeichnet und das sich erst erschließt, wenn wir den begrenzten Raum des individuellen Ich überschreiten.

    Zitat

    Wenn die westliche Psychologie das Ich vor allem als feste Struktur definiert, die auf Selbstrepräsentanzen und Prägung durch Interaktion von einem Selbst mit anderen (Objektbeziehungen) aufbaut, richtet die buddhistische Psychologie ihre Aufmerksamkeit stattdessen auf ein Ich als eine Aktivität - eine wiederkehrende Tendenz, sich selbst zu etwas Festem und Definiertem zu machen und nach allem zu greifen und es festzuhalten, was diese Identität aufrecht erhält, während alles abgelehnt wird, was sie bedroht.

    Bei diesen drei Zitaten klingt bei mir etwas anderes an: die "Brandrodung" gegen sie/ihre Muster, ist tatsächlich einfach eine Wiederholung ihrer Kindheitserfahrung, wenn ich das richtig verstehe. Und daher kennt sie diese -nichtakzeptierende- Härte ... und läßt sich auf den Weg ein, weil er ihr vertraut erscheint.

    Ja, das ist auf jeden Fall ein wichtiger Aspekt. Das glaube ich auch. Diese "Brandrodung" der Persönlichkeit ist sehr wahrscheinlich auch eine Reinszenierung der ursprünglichen Erfahrung von Nicht-Anerkennung.

    So wie die Haltung der Unabhängigkeit und (Schein-)Autarkie eine Reaktion auf einen erfahrenen Mangel und das damit verbundene vernichtende und existenzbedrohende Gefühl war, so ist die Identifikation mit der spirituellen Gemeinschaft auch eine Form der Selbstablehnung und -verleugnung, die aber eben nicht zur Auflösung der Abwehr führt, sondern eine neue Form der Abwehr gegen die Auseinanderstezung mit der eigenen Geschichte darstellt.

    Wir scheinen jedoch diesen wichtigen Unterschied zwischen dem vedischen/brahmanischen Konzept "Atman" und dem weltlichen Konzept "Persona" nicht zu kennen: diesen hypothetischen unvergänglichen "Splitter des Brahma" "Atman", den man im Laufe der Wiedergeburten herauskristallisieren und reinigen soll um den Kontakt zum allumfassenden "Brahman" (wieder-) zu finden - solch' einen unveränderlichen, ewigen Wesenskern (bzw deren Vorstellung im menschlichen Geist) nimmt der Buddha in den Fokus, und sagt: "ist nicht zu finden" und fordert: Leute gebt den Glauben daran auf! (Die Arbeit an den persönlichen Mängeln, an unethischen, unheilsamen, unweisen und/oder unsinnigen Verhalten/ Charakterzügen liegt dann auf einer ganz anderen Ebene) - - -

    Ja, das glaube ich auch. Da kommt es schnell zu Missverständnissen. Im nächsten Kapitel schreibt Welwood über den Unterschied von Ichstärke und Egolosigkeit. Das geht in eine ähnliche Richtung. So ganz schlau bin ich aus dem Kapitel allerdings noch nicht geworden. Vielleicht muss ich es nochmal lesen.

    Fallbeispiel aus Kapitel 2 " Persönlichkeit. Weg oder Pathologie?":

    Zitat

    Tara war eine Klientin, die als Kind unter extremem Mangel an Kontakt und emotionaler Nahrung gelitten hatte und als Folge eine harte unabhängige Haltung angenommen hatte, die im Wesentlichen die Botschaft vermittelte: "Ich brauche niemanden. Ich kann alleine für mich sorgen." Diese Identität hatte ihr ermöglicht, den Mangel an Liebe in ihrem Elternhaus zu überleben. Später in ihrem Leben wurde ihre übertriebene Unabhängigkeit jedoch dysfunktional, wie es alle Persönlichkeitsmuster an einem bestimmten Punkt tun. Sie war zu einer Weise geworden weiter im Mangel zu bleiben, was ein großes Hindernis dafür war, Liebe und Fürsorge anzunehmen, und eine große Quelle des Leidens.


    In ihren späten 20ern war Tara einer spirituellen Gemeinschaft beigetreten, zu deren Methode es gehörte, das Ego ihrer Mitglieder zu brechen, das als Barriere gegen spirituelle Realisierung angesehen wurde. Die Gemeinschaft praktizierte eine kollektive Form der spirituellen Umgehung, indem sie versuchte ein Ideal "spiritueller" Identität in ihre Mitglieder zu implantieren, während sie persönliche Bedürfnisse und Interessen entwertete. Die Führer der Gemeinschaft verfolgten gegenüber Taras unabhängiger Haltung einen aggressiven Ansatz, den man mit einer Brandrodung vergleichen kann. Sie akzeptierte das, denn sie war überzeugt, dass ihre alten Persönlichkeitsmuster ihren spirituellen Fortschritt blockierten. Indem sie die Härte ablegte, verlor sie aber auch Kontakt mit ihrer Kraft, ihrem Willen und ihrem Gefühl von Sinn. Als sich die Gemeinschaft schließlich auflöste, war sie unfähig, mit dem normalen Leben umzugehen und musste viele Jahre damit verbringen, zu heilen und sich zu erholen.

    Das Fallbeispiel verdeutlicht, dass schwierige Persönlichkeitsmuster oft mal einen Sinn hatten als eine Bewältigungsstrategie. Sie sind daher, auch wenn sie heute nicht mehr angemessen erscheinen, auch eine Ressource. Wenn diese schwierigen Muster nun abgeschnitten oder ausgemerzt werden wird diesem Aspekt ihrer ehemaligen Sinnhaftigkeit die Anerkennung verweigert. Mit möglicherweise fatalen Folgen wie der Fall von Tara zeigt. Die kollektive spirituelle Umgehung, dieser Gemeinschaft bestand in einer vorzeitigen Transzendierung der schwierigen Persönlichkeitsanteile und einer Implantierung einer neuen Identität. Es ist wohl eine zentrale wie man mit schwierigen Anteilen auf dem Pfad arbeiten kann. Inwieweit schwierige Anteile vielleicht auch gerade ein Sprungbrett für eine Entwicklung darstellen.


    Man könnte sicher auch den Fall den pano in dem Thread "Wie es ist als amerikanischer Buddhist großgezogen zu werden"

    eingebracht hat unter diesen Aspekten lesen und käme zu einigen aufschlussreichen Parallelen.

    Aus demselben Kapitel:


    Zitat

    Wenn wir uns für diesen [leeren] Raum öffnen lassen, wie in der Sitzmeditation, kommen wir dahin, zu sehen, wie verbreitet das Festhalten an der zentralen Fixierung von "Ich" und "mein" ist. Spirituelle Arbeit bringt diese Bindung oder dieses Festhalten an begrenzten Vorstellungen davon, wer wir sind, ans Licht und hilft, sie zu lösen, so dass wir vielleicht unsere größere Natur realisieren können, die jenseits aller Form, Struktur oder Gedanken liegt. Wenn Psychotherapie wie Beschneiden oder Düngen eines Baumes ist, damit er wachsen und Früchte tragen kann, ist spirituelle Praxis eine radikalere Medizin. Sie geht an die Wurzeln - an dieses grundlegende Klammern an einen eingeschränkten Begriff des Selbst, das uns daran hindert, uns zu entspannen und tiefer in den weiteren Grund des Seins zu sinken.

    Ein weiteres schönes Zitat aus dem ersten Kapitel:

    Zitat

    Erkennen und durcharbeiten dieser unbewussten Muster [in der Kindheit festgelegte Muster, die man wiederholt] und Herauswachsen aus ihnen ist die Vorarbeit dafür, eine authentische Individualität zu entwickeln, die nicht zwanghaft von konditionierten Tendenzen aus der Vergangenheit bestimmt ist - von begrenzenden Selbstbildern, verleugneten Bedürfnissen, von Selbstbestrafung, Skripten aus der Kindheit, dysfunktionalen Beziehungsmustern, von Angst zu lieben und Liebe zu verlieren. Dies ist primär psychologische und nicht spirituelle Arbeit.

    [...]

    Im besten Fall kann Psychotherapie uns helfen, voller verkörpert, mehr in uns selbst geerdet zu sein. Diese Art Arbeit kann auch sehr bescheiden machen. Zu ihr gehört das, was Robert Bly den schrecklichen "Abstieg in die Wunde" nannte. Die Kernwunde, unter der wir alle leiden, ist die Trennung von unserem eigenen Sein. Diese innere Trennung fand ursprünglich in der Kindheit statt, als wir in ängstlicher Reaktion auf eine Umwelt kontrahierten, die uns nicht vollständig gesehen, willkommen geheißen und angenommen hat.

    Jetzt kommt mir die Begründung auf Deinen Beitrag. Ich fühlte mich nie als Opfer, auch als ich eine Therapie in Anspruch nahm.

    Vielleicht ist das auch ein Grund, die Spiritualität vorzuziehen, wenn auch unbewusst.

    Das ist spannend. Meinst du dass dir die Spiritualität geholfen hat keine Opfermentalität zu haben? Ich vermute es ist da entscheidend, dass man sich selbst als wirksam erlebt, dass man das Selbstvertrauen in sich hat etwas bewirken und verändern zu können.

    Das erste Kapitel ist ein Neuabdruck eines Textes von 1984, in dem Welwood den Begriff spiritual bypassing prägte. In der deutschen Übersetzung wird von "spiritueller Umgehung" gesprochen, was ich eine etwas sperrige Übersetzung finde.


    Welwood:

    Manchmal habe ich die psychotherapeutische Erkundung des Selbst als dem spirituellen Ziel, über das Selbst hinauszugehen, diametral entgegengesetzt, sogar antagonistisch gesehen, und manchmal habe ich sie als äußerst nützliche Ergänzung spiritueller Arbeit betrachtet.

    Da wird deutlich in welchem Spannungsfeld sich Welwood mit seiner Frage nach dem Verhältnis von Psychotherapie und spiritueller Entwicklung zueinander bewegt. Widerspruch und Antagonismus bestehen anscheinend zwischen den Zielen der Stärkung des Selbst und dessen Überwindung.


    Welwood:

    Daher gibt es oft eine Tendenz, spirituelle Praxis zu benutzen, um zu versuchen, sich über unsere emotionalen und persönlichen Themen zu erheben - über alle diese ungeordneten oder wirren, ungelösten Dinge, die uns runterziehen. Ich nenne diese Tendenz, menschliche Grundbedürfnisse, Gefühle und Entwicklungsaufgaben zu vermeiden oder vorzeitig zu transzendieren, spirituelle Umgehung.

    Die spirituelle Umgehung - oder vielleicht könnt man besser sagen Vermeidungs- und Abwehrstrategie - besteht für Welwood in einer mangelnden Bodenhaftung und Verwurzelung. Die widersprüchliche Einheit besteht letztendlich darin, dass wir um uns vom Selbst zu befreien erstmal eines haben beziehungsweise entwickeln müssen.

    Welwood nennt neben der spirituellen Vermeidungsstrategie noch zwei weitere Fallen, in die wir auf unserem Weg hinein tappen können. Die eine ist die Tendenz, sich in einer therapeutischen Selbsterforschung zu verlieren. Die Arbeit an Beziehungsmustern, Träumen und Gefühlen kann so faszinierend sein, dass sie selbst zu einem Zweck wird - und sie erscheint ja wirklich nie als beendet. Dann verheddert man sich in egozentrischer Selbstbespiegelung. Die dritte Falle ist die Betäubung in Süchten und Ablenkungen.

    Ich lese gerade das Buch "Psychotherapie & Buddhismus" von John Welwood. Der Untertitel des Buches lautet "Der Weg persönlicher und spiritueller Transformation". Es geht darum wie Psychotherapie und Buddhismus sich ergänzen können. Welwood ist Psychotherapeut und ein prominenter Vertreter der transpersonalen Psychologie, die sich explizit auch mit spirituellen Fragen auseinander setzt. Er war ein Schüler von Eugene Gendlin, dem Begründer der körperorientierten Focusing Therapie, bei der es darum geht einen Zugang zu körperlichen Empfindungen im Sinne eines felt sense zu bekommen, das heißt als einer vorsprachlichen und rohen Erfahrung. Welwood hat viel zu Partnerschaft und Beziehungen publiziert. Mit dem Buch ist er zu seinem grundlegendem Interesse zurück gekehrt, nämlich zu der Frage, in welchem Verhältnis Persönlichkeitsentwicklung in der Psychotherapie und spirituelle Entwicklung stehen.

    Es handelt sich bei dem Buch um eine lose Sammlung von Texten, die in ebendiesem thematischen Zusammenhang stehen. Welwood unterscheidet drei Ebenen: die persönliche Ebene, die interpersonelle Ebene und die überpersönliche Ebene als Grund des Seins. Während die Psychotherapie vor allem mit der persönlichen und interpersonellen Ebene befasst ist, geht es in der spirituellen Entwicklung darum in Kontakt mit der überpersönlichen Ebene zu kommen.

    Ich möchte hier in dem Thread in der kommenden Zeit gerne die Perlen, die mir beim Lesen begegnen, sammeln und auch gerne in eine Diskussion über die Kernfragen, die in dem Buch behandelt werden, kommen.


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