Dzogchen-Praxis im Alltag - Dilgo Khyentse Rinpoche

  • thigle:

    Werte Onyx, ich lese jahrelang schon recht viel von dir, aber "Zen" war das nie. Weder Soto noch Rinzai noch Seon noch Chan. Ähnlich wie auch kein "Dzogchen" beim Threadersteller entdeckt werden konnte. Aus welchen Traditions-Kontexten heraus unterhaltet ihr euch hier also? Aus keinen? Wäre cool, aber das würde irgendwie anders aussehen... .


    Oh, das tut mir leid, daß Du da kein Zen drin finden konntest, jahrelang :lol: ( Auch nicht im Zen-Unterforum ? *grübel* )
    Ich werde mir mehr Mühe geben authentischer rüberzukommen :D
    Allerdings bin ich nicht hier um Belehrungen zu liefern oder jemanden zu zenisieren;
    vielleicht liegts ja daran ? Wenn es daran liegen sollte, daß du meinst, ich hätte keine Ahnung,
    seis drum, und das nächste mal, wenn du ein bischen faules Zen riechen solltest, kritisier ruhig in
    Grund und Boden. Gern nehme ich die Herausforderung an- solange es Spaß macht ! :D



    PS:Cooler Text das vorletzte Posting.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Hi VOOM,


    Danke für Deine Mühe, aber ich steig aus.
    Du bist sehr intelligent und redest ganz und gar kein dummes Zeug,
    und man merkt, daß du viel Erfahrung hast,
    aber mir ist das einfach zu viel.


    Mir ist jetzt einiges vom historischen Kontext klarer geworden,
    aber ich bin nicht der Typ, der sich erst durch Berge von Schamanismus, Tantrismus und Hinduismus
    durchgräbt um zum Kern von Vajrayana zu gelangen.
    Es wird mir also ein ewiges Rätsel sein, wie bisher in großen Teilen.


    Nichtsdestotrotz ist mir ab und zu die Gnade vergönnt äußerst intensive Erfahrungen
    in einem Schreinraum zu machen; Du hast recht, daß einem mitunter Erkenntnisse wirklich zufliegen
    im Angesicht der dort ruhenden Kräfte, die ja auch in uns wohnen als Erleuchtungsgeist;
    nur dockt man dort sehr schnell an.


    Ich belass es bei mir - wie gehabt - bei einem schlichten Mahayana, im ersten Stock hat man auch ne gute Aussicht.


    Ps: Über diese Website hab ich Dzogchen denn doch kapiert: http://www.dzogchen.de/dzogchen/lehre/
    und mich wundert dieser Kahlschlag oder Befreiungsschlag nicht angesichts der vielfältigen Über,-und Unterbauten im tib. Buddhismus.


    Vielen Dank ! :)




    No matter what road I travel - I`m going home / Shinso

  • Ich habe den Text von Dilgo Khyentse jetzt mehrmals gelesen und kann einfach keinen Unterschied zu meiner "normalen", täglichen Praxis feststellen.


    Als Kagyü versuche ich ständig mit geschickten Mitteln zu arbeiten und das nicht nur während der Meditation sondern in allen Situationen, die der Alltag so bietet.


    Kann mir mal jemand den Unterschied zwischen Dzogchen Praxis und "normaler" Praxis im tibetischen Buddhismus aufdröseln ?

  • Zitat

    Ich habe den Text von Dilgo Khyentse jetzt mehrmals gelesen und kann einfach keinen Unterschied zu meiner "normalen", täglichen Praxis feststellen.


    Sag ich ja - das kann man sehr gut als hilfreiche Instruktionen für JEDE Meditationspraxis lesen. Wenn Du so praktizierst, hast Du Deine Meditation verstanden und offensichtlich gute Belehrungen dazu erhalten :)


    Zitat

    Kann mir mal jemand den Unterschied zwischen Dzogchen Praxis und "normaler" Praxis im tibetischen Buddhismus aufdröseln ?


    Dzogchen / Mahamudra ist immer impliziter Teil dieser Praxis, so gut es geht... Es gibt also kein "Dzogchen hier vs. normale Praxis dort"! Auch dass man die Meditationserfahrung versucht in den Alltag zwischen den formellen Sitzungen hinüberzuretten, bis es keinen Unterschied mehr gibt und man die formelle Praxis loslassen kann, ist ja in den Mahayana und Vajrayana-Belehrungen bereits enthalten. Wenn die Praxis der Berg ist und Mahamudra (für Kagyüs) die Bergspitze, dann ist die Praxis das Sitzen und die Bergspitze bitetet die klare Sicht. Aber die Bergspitze ohne den Berg hätte keinen Halt.... Und die Bergspitze ist immer Teil des Berges, auch wenn man sie manchmal vor lauter Wolken nicht sehen kann.


    Wenn man denn aber unbedingt eine Differenzierung haben will, dann ist die Praxis die Praxis - und Dzogchen der Erfahrungstrom, der daraus resultiert.


    Man kann es vielleicht auch mit dem Begriff des WuWei aus dem Kampfsport vergleichen: WuWei (das Eins-Sein mit dem Augenblick) kann spontan auftreten - oder man kann eine Grundlage dafür legen durch Übung, die ein spontanes Auftreten begünstigen kann. Ich kann WuWei nicht machen, nicht künstlich herstellen, es kann einfach so passieren, aber durch die Übung kann und wird es häufiger geschehen. Bis man als Meister seiner Kunst in einem ständigen Strom dieser Erfahrung fliesst.


    In dem Bild ist dann die formelle Meditations-Praxis die Übung, die das Auftreten der Dzogchen-Erfahrung begünstigen kann. Dass die Yogis in den Geschichten gerne die Erfahrung von der formellen Praxis abgrenzen, hat damit zu tun, dass es schwer ist, irgendwann den Sprung zu machen, die Praxis loszulassen - an dem Punkt, wo sie zu einem Hindernis wird - um ganz in den freien Raum überzutreten.


    Das Bild vom Buddhismus als Boot, ohne das man nicht über den Fluss kommt, das einen aber am Weitergehen hindert, wenn man es am anderen Ufer weiter mitschleppen will, kennt sicher jeder. Darum geht es....

  • Onyx9:

    Ich belass es bei mir - wie gehabt - bei einem schlichten Mahayana, im ersten Stock hat man auch ne gute Aussicht.


    Jeder der sagt, die eine Praxis sei besser als die andere hat den Buddhismus eh nicht verstanden :) Es gibt immer nur eine perfekte Praxis, und das ist die, die man gerade jetzt macht...


    Zitat

    Ps: Über diese Website hab ich Dzogchen denn doch kapiert: http://www.dzogchen.de/dzogchen/lehre/
    und mich wundert dieser Kahlschlag oder Befreiungsschlag nicht angesichts der vielfältigen Über,-und Unterbauten im tib. Buddhismus.


    Die Seite werde ich mir gleich mal anschauen... Zuvor, nur in Reaktion auf den Begriff des Kahlschlags, denke ich dass man es weniger so verstehen sollte, dass man die ganze Vielfalt abschaffen will, um etwas einfacheres oder besseres an dessen Stelle zu setzen, wie bei einer Reformation, sondern dass die ganze Vielfalt ihren Sinn hat und jeder darin etwas für sich finden kann, dass aber irgendwann der Punkt kommt, wo das ganz individuell zum geistigen Ballast wird, wenn man in die Einfachheit der Erleuchtung (oder der Großen Vervollkommnung oder des Großen Siegels) eintreten will.


    Darum sind auch die Gottheiten sehr komplex, die Bodhisattvas schon einfacher, aber immer noch sehr ausgeschmückt - und die Buddhas ganz schlicht und ohne Schmuck ;)


    Buddhazustand ist ganz einfach.
    (Diesen Satz bitte mehrmals mit verschiedener Betonung lesen)

  • Zitat

    "In gleicher Weise können wir zwischen einem Spiegel, der die natürliche, ihm eigene Fähigkeit zur Reflexion hat und den Reflexionen, die in ihm zu sehen sind, unterscheiden. Der Spiegel darf mit den Reflexionen, die in ihm erscheinen, nicht verwechselt werden." Zitat von: http://www.dzogchen.de/dzogchen/lehre/


    Das finde ich jetzt schwierig, und da muss ich thigle ein wenig zustimmen, wenn ich ihn richtig verstanden habe, denn so wie hier zitiert verstehe ich die Natur des Geistes eben gerade nicht. Das ist eine subtil dualistische Beschreibung, aber nicht das Große Siegel. Aus meiner Sicht kann man den Spiegel nicht von den Erscheinungen trennen. Sie sind untrennbar eins. Es gibt nicht hier die Erscheinungen und dort den Spiegel. Die Erscheinung ist der Spiegel und der Spiegel ist die Erscheinung. Das Phänomen ist nicht der Irrtum und es gibt nicht einen reinen Spiegel, der die Wahrheit wäre. Das Phänomen ist an sich schon seine eigene reine Natur. Es erlebt sich selbst. Es ist untrennbar von seiner eigenen Leerheit, exisitiert in der auf sich selbst gerichteten Wahrnehmung und ist im gleichen Moment schon ohne jegliche Existenz.


    Aber das mag damit zusammenhängen, dass man auf der Ebene des Weges aufgrund der verschiedenen Typologie der Praktizierenden eine Unterscheidung zwischen Dzogchen und Mahamudra herstellen kann. Da ist Dzogchen eher was für Menschen, die genau wissen, was sie nicht mögen (Zorn) - und gerne eine Distanz dazu herstellen möchten. Die Belehrungen nutzen diese Tendenz des Geistes. Mahamudra ist dagegen etwas für Menschen, die genau wissen, was sie mögen (Begierde) und leiden, wenn sie es nicht bekommen oder wieder verlieren. Die Belehrungen nutzen dann diese Tendenz des Geistes. Hat man aber einmal das eine oder das andere verwirklicht, sind sie nicht mehr zu unterscheiden und man kann leicht hin- und herwechseln.


    Das kann man sich ganz pragmatisch so vorstellen: Man schaut sich eine emotional geprägte Situation an. Jemand auf dem Weg zum Dzogchen würde vielleicht ein paar Meter davon entfernt stehen bleiben und sich das aus sicherer Entfernung anschauen, nimmt aber auf diese Weise - äußerlich unbewegt - Teil daran. Der Mahamudra-Aspirant springt mitten dazwischen und geht mit Leib und Seele mit - allerdings ohne sich emotional darin zu verfangen. Beide haben am Ende teilgehabt, lassen wieder los und gehen weiter. Der eine hat gelernt, trotz äußerer Distanz innerlich teilzunehmen und wieder loszulassen, der andere trotz vollem Einsatz innerlich eine subtile Distanz zu halten und sofort wieder vollständig loslassen zu können. Am Ende spielt es keine Rolle, man kann in jeder Situation entscheiden, wie weit man einsteigen will, weil man so oder so fähig ist, teilzuhaben ohne sich kühl abzuwenden oder daran kleben zu bleiben.


    Nicht ohne Grund gibt es das Bild vom Bild, das auf die Wasseroberfläche gemalt wird. Es geht nicht darum, die Wasseroberfläche ("Spiegel") und das Bild voneinander zu trennen. Wie sollte das gehen? Aber interessant ist eben, dass das Bild nur im Moment des Malens existiert und sich sofort wieder auflöst. Man kann es nicht festhalten, aber es ist voll und ganz existent in dem Moment, wo man es zeichnet.


    Um nochmal auf das Zitat zurückzukommen: Es ist natürlich schon richtig, was da steht. Es kommt darauf an, wie man es liest ;) Natürlich darf man die Erscheinung und den Spiegel nicht verwechseln. Das Wasser ist nicht das darin gemalte Bild und das Bild auf dem Wasser ist kein Wasser. Auf der einen Seite sind sie untrennbar eins - auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, sie zu unterscheiden.... Es kommt darauf an, auf welche subtile Fehlvorstellung eines zuhörenden Bewusstseins man gerade Bezug nimmt... 8)


    In einer Alltagssituation tut es gut, sich auf den Leerheitsaspekt der Nicht-Dualen Erscheinung zu konzentrieren, wenn man zu sehr an den Dingen und ihrer Wirk-lichkeit haftet. Wenn man aber dazu neigt, alles als Un-wirk-lich zu betrachten (und daher die Gesetze von Ursache und Wirkung innerhalb der bedingten Welt missachtet oder gar nicht am Leben teilnimmt), dann kann es gut sein, in der Belehrung zunächst mehr auf die Erscheinungsformen Bezug zu nehmen und ihre Existenz hervorzuheben.

  • Hab hier im Forum noch was zur "Transformation" gefunden:


    Zitat

    "Durch Fleiß auf dem Weg wird schließlich die 5. Bodhisattva-Stufe erlangt, die auch bezeichnet wird als „Die, auf der schwer zu üben ist". Auf dieser Stufe sind die groben Störungen des Geistes bereits überwunden. Jetzt geht es darum, die subtilen Störungen zu überwinden, was jedoch schwierig ist. Hier wird immer wieder die Formulierung des „Aufgebens der störenden Emotionen" verwendet. Es handelt sich hier nämlich um die Beschreibung der Entwicklung eines Bodhisattvas auf den zehn Bodhisattva- Stufen durch den Sutraweg. Wird der Tantraweg praktiziert, verwendet man Begriffe wie „Das in sich selbst Befreien" oder „Das in sich selbst Auflösen der störenden Emotionen". Gemeint ist dasselbe, wie auch die Wirkung dieselbe ist, nämlich die Umwandlung der störenden Gefühle zu Weisheit." Tenga Rinpoche - http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=14&t=10320

  • Da wird viel unkomplizierter im PK beschrieben, allerdings nicht unter den Stichwörtern Umwandlung oder Transformation.
    Das ist eben Yogi-Sprache. Die Absicht zu einer "höheren Seinsform". Buddha aber spricht von Dukkha und dem Verlöschen seiner Ursachen.

  • Im Zitat von Tenga Rinpoche ist ja auch beides drin - und es wird gleichwertig nebeneinander gestellt. Der "Sutraweg" ist ja das, was im Palikanon steht. Er sagt: gemeint - bei aller Unterschiedlichkeit in der Sprache (und ggfls. Form der Praxis) ist das gleiche - und die Wirkung, also das Ergebnis - ist identisch. Sprich: Wenn ich den Zorn als leer begreife, löst er sich auf. Dabei wird die Weisheit von selbst frei (Gesetz der Erhaltung der Energie)... Fokussiere ich auf die im Zorn enthaltene Weisheit, löst sich seine Destruktivität auf und ich kann seine Leerheit erkennen. Es ist egal, ob ich das Pferd von vorn oder von hinten aufzäume - am Ende habe ich es gezähmt ;)


    Zitat

    Buddha aber spricht von Dukkha und dem Verlöschen seiner Ursachen.


    Aus diesem Satz würde ich gerne das aber streichen... ;) Die Ursache von Leid und Verblendung ist das Haften an einem vom Ganzen getrennten Selbst, dem sog. "Ego". Verlöscht die Ursache - das Haften an einem soliden "Ich", verlöschen auch Leid und Verblendung. Die Welt an sich bleibt dabei aber die gleiche Welt, nur mein Bezugspunkt ändert sich...

  • Die drei Wesensmerkmale ( Vergänglichkeit, Leerheit, Leidhaftigkeit ) erschließen sich aber erst auf einer
    tiefen meditativen Ebene, ein einfaches weltliches Benennen und Stoppen nützt ( noch ) wenig. Zumal man sich
    mit so einer Haltung korumpieren könnte.

  • Onyx9:

    Die drei Wesensmerkmale ( Vergänglichkeit, Leerheit, Leidhaftigkeit ) erschließen sich aber erst auf einer
    tiefen meditativen Ebene, ein einfaches weltliches Benennen und Stoppen nützt ( noch ) wenig. Zumal man sich
    mit so einer Haltung korumpieren könnte.


    Auf der anderen Seite kann die Benennung den Weg weisen, den man in der Meditation dann vertieft...


    Was meinst Du genau, mit was für einer Haltung könnte man sich korrumpieren?


    Man könnte ja befürchten, dass man mit "Dzogchen ohne Mitgefühl" zum Monster wird, weil man Ursache und Wirkung in der bedingten Welt negiert. Aber mein Verständnis und meine Erfahrung ist, dass man so einen Text entweder gar nicht lesen kann, wenn man nicht die nötigen Voraussetzungen mitbringt, oder man bei "milden Verfehlungen" durch die Welt als Lehrer man experimentell zum richtigen Verständnis geführt wird, durch Trial and Error sozusagen. Und wenn jemand eine spontane echte Erfahrung hat, ist diese ohnehin niemals vom zwangsläufig mit der Erfahrung mitschwingenden Mitgefühl getrennt und ein Missbrauch ist gar nicht mehr möglich. Insofern handelt es sich um eine "Geheimlehre" - nicht, weil eine notwendige Information fehlt, sondern weil es eine geheime Ebene gibt, die schützt, lehrt und fördert - den sog. "Geheimen Lehrer" der so in einem selbst erweckt wird.

  • Zitat

    "Im Dzogchen trägt anstelle von “Sollen und Müssen” der Einzelne [...] voll die Verantwortung. Das gilt in jeder Hinsicht. Es betrifft die Praxis, die Eigenart jedes Einzelnen, es betrifft Verpflichtungen und Gelübde. Auch unsere Haltung und unser Verhalten wird von uns bestimmt. Das ist nichts Vages, es ist etwas sehr Präzises, das sich folgerichtig aus der realen Erkenntnis der jedem Menschen innewohnenden Natur ergibt." Chögyal Namkhai Norbu

  • VOOM108:
    Zitat

    "Im Dzogchen trägt anstelle von “Sollen und Müssen” der Einzelne [...] voll die Verantwortung. Das gilt in jeder Hinsicht. Es betrifft die Praxis, die Eigenart jedes Einzelnen, es betrifft Verpflichtungen und Gelübde. Auch unsere Haltung und unser Verhalten wird von uns bestimmt. Das ist nichts Vages, es ist etwas sehr Präzises, das sich folgerichtig aus der realen Erkenntnis der jedem Menschen innewohnenden Natur ergibt." Chögyal Namkhai Norbu


    Ja.
    Der Mensch trägt aber auch dann die volle Verantwortung, wenn er noch keine REALE Kenntniss seiner ihm innewohnenden Natur gewonnen hat- und dann ist er verdammt unpräzise. Er kann erst dann seine Verantwortung wahrnehmen und danach streben im Einklang mit dem Dhamma zu handeln, wenn jene REALE Kenntniss/Weisheit in ihm aufklimmt. Und das ist eine Sache des Samadhi, in der der Fortgeschrittene ja weilt und es vertieft, eben auch ein Rinpoche, der solche Zeilen dann verfasst.

  • Man müsste aber da vielleicht schon noch unterscheiden zwischen "verantwortlich sein" (das ist implizit jeder Mensch für seine Handlungen) und "Verantwortung übernehmen" (was eine bewusste Entscheidung ist)...

  • VOOM108:


    Auf der anderen Seite kann die Benennung den Weg weisen, den man in der Meditation dann vertieft...


    Was meinst Du genau, mit was für einer Haltung könnte man sich korrumpieren?


    Man könnte ja befürchten, dass man mit "Dzogchen ohne Mitgefühl" zum Monster wird, weil man Ursache und Wirkung in der bedingten Welt negiert. Aber mein Verständnis und meine Erfahrung ist, dass man so einen Text entweder gar nicht lesen kann, wenn man nicht die nötigen Voraussetzungen mitbringt, oder man bei "milden Verfehlungen" durch die Welt als Lehrer man experimentell zum richtigen Verständnis geführt wird, durch Trial and Error sozusagen. Und wer eine spontane echte Erfahrung hat, ist diese ohnehin niemals vom zwangsläufig mit der Erfahrung mitschwingenden Mitgefühl geprägt und ein Missbrauch ist gar nicht mehr möglich. Insofern handelt es sich um eine "Geheimlehre" - nicht, weil eine notwendige Information fehlt, sondern weil es eine geheime Ebene gibt, die schützt, lehrt und fördert - den sog. "Geheimen Lehrer" der so in einem selbst erweckt wird.


    Ganz ehrlich: wenn Du Dir sagts, die Phänomene sind leer von...die Wut ist leer von...
    was bewirkt das ? Im besten Falle ein verhalten, ein zurückhalten von Wut und Gier.
    Ein erstes Verständis der Wesensmerkmale ( dukkha, anatta, anicca ) ist zwar notwendig, aber die meisten kommen nicht darüber hinaus, denn die Wesensmerkmale müssen selbstverständlich GESCHAUT werden.
    An dem Punkt fange sie an sich zu korrumpieren. Sie sagen sich: ich steh auf Daseinslust, ich steh auf Begehren und Suññatā mag mir nur dann in den Sinn kommen, wenn mir danach ist.


    Es gibt keine "geheime Ebene", es ist eine verborgene, aber keine geheime Ebene. "Geheim" mag sie von einer Mönchsreligion benannt werden, aber Buddha sagte:
    "Das Dhamma, das auf solche Weise wohl von mir verkündet wurde, ist klar, offen, ersichtlich und frei von Flickwerk"

  • VOOM108:

    Man müsste aber da vielleicht schon noch unterscheiden zwischen "verantwortlich sein" (das ist implizit jeder Mensch für seine Handlungen) und "Verantwortung übernehmen" (was eine bewusste Entscheidung ist)...


    Nein, Du bist verantwortlich: für jedes Wort, jeden Gedanken, jedes Gefühl, jede Handlung, egal, ob unbewusst oder bewusst, ob übernommen oder nicht übernommen.

  • Zitat

    Ganz ehrlich: wenn Du Dir sagts, die Phänomene sind leer von...die Wut ist leer von...
    was bewirkt das ? Im besten Falle ein verhalten, ein zurückhalten von Wut und Gier.


    Oder im Gegenzug ein unkontrolliertes Ausleben, weil, wenn eh alles leer ist, dann ist es ja egal.... usw.


    Aber wenn man genau hinschaut, dann steht da nicht nur: "die Phänomene sind leer" - da steht immer auch das Gegenteil, und die Auflösung dieser Dualität. Erst daraus wird ein "großes Siegel", die Ganzheit der Sicht. Oder man geht es pragmatisch an und sagt: nimm das Ego, die Ich-Bezogenheit aus dem Gefühl, der Situation. Das ist eine greifbare Anweisung, mit der man eigentlich nichts falsch machen kann...


    Zitat

    An dem Punkt fange sie an sich zu korrumpieren. Sie sagen sich: ich steh auf Daseinslust, ich steh auf Begehren und Suññatā mag mir nur dann in den Sinn kommen, wenn mir danach ist.


    Wer ist "sie"? Kann es sein, dass Du eine persönliche Erfahrung mit bestimmten Personen zu einer allgemeinen Sache extrapolierst?


    Zitat

    Es gibt keine "geheime Ebene", es ist eine verborgene, aber keine geheime Ebene. "Geheim" mag sie von einer Mönchsreligion benannt werden, aber Buddha sagte:
    "Das Dhamma, das auf solche Weise wohl von mir verkündet wurde, ist klar, offen, ersichtlich und frei von Flickwerk"


    Schau mal, wie ich eine solche "geheime Ebene" beschreibe, tatsächlich beschreibe ich es nicht als etwas, das man geheim halten muss, sondern als etwas, das dem ungeeigneten Geist selbst "in plain sight" in dem "geheimen" Sinn verborgen bleibt.


    Interessant finde ich aber Dein Zitat, da heisst es nicht: Eine wahrhaftige Lehre ist immer klar, offen, ersichtlich usw. sondern: Das Dhamma, also die Lehre, und dann genau die Lehre, die: auf solche Weise ... verkündet wurde, ist... Das bezeichnet also etwas sehr Spezielles, schliesst aber andere Möglichkeiten durchaus nicht als ebenfalls authentisch und gültig aus...


    Der Grund warum bestimmte Tantras als geflüsterte Weisheiten gegeben werden - so die eigentliche Übersetzung aus dem Tibetischen, soweit ich weiss - ist dass sie nur für bestimmte Zuhörer bestimmt sind, weil sie spezifische Gegenmittel für deren individuellen Psychosen beinhalten und für andere so nicht funktionieren würden. Das ist dann eine Ebene der Psychologie und ALS SOLCHE in einem begrenzten Bezugsrahmen gültig, mit einer grundsätzlichen Ausrichtung in Richtung Befreiung und Erleuchtung...


    Zitat
    Zitat

    VOOM108 hat geschrieben:
    Man müsste aber da vielleicht schon noch unterscheiden zwischen "verantwortlich sein" (das ist implizit jeder Mensch für seine Handlungen) und "Verantwortung übernehmen" (was eine bewusste Entscheidung ist)...


    Nein, Du bist verantwortlich: für jedes Wort, jeden Gedanken, jedes Gefühl, jede Handlung, egal, ob unbewusst oder bewusst, ob übernommen oder nicht übernommen.


    Ja, Du bist verantwortlich, egal ob bewusst oder unbewusst - aber es ist eine andere Ebene, wenn man anfängt, diese Verantwortung bewusst zu übernehmen. Und das wird ja auch in den Belehrungen zum Karma deutlich gemacht: Eine wissentliche oder gar absichtliche Verfehlung wirkt karmisch um ein Vielfaches schwerer, als eine, die aus Unwissenheit über die Natur der Dinge begangen wird. Weiterhin kann man, wenn man die Zusammenhänge kennt, wesentlich mehr Schaden anrichten. So ist also mit dem Erkennen der Dinge, wie sie sind, unweigerlich eine erhöhte Verantwortung verbunden.


    Auch hier stelle ich mir die Frage, ob Du evtl. Erfahrung mit bestimmten Menschen hast, die sich mit der Behauptung der Unwissenheit aus der Verantwortlichkeit stehlen wollten? Weil Deine Antwort sich für mich scheinbar nicht gegen meine Aussage richtet, sondern gegen eine dazwischen im Raum schwebende "Entschuldigung" für eigenes verantwortungsloses Handeln, die an dieser Stelle gar nicht thematisiert ist...

  • Das stimmt schon alles, aber es gibt an sich keinen ungeeigneten Geist, es sei denn jemand ist krank.
    In diesem Falle sollte er/sie generell die Finger ( und den Geist ) von meditativen Techniken lassen.
    Das "Ego" irgendwo "rausnehmen", das ist Sila-Sache. Das ist kein Zauberkasten.
    Dann haben wir noch dieses Ngöndro, Shamatha ( Shine ) und ein natürliches Lhagtong ( Vipassana ),
    das sich aus einem festen Shine ergibt - oder auch nicht. Alles andere ist Yogi-Sache, aber Yoga hat Buddha nicht
    gelehrt. Er hat sich davon abgewandt und den mittleren Weg gelehrt.

  • Nun wie gesagt, es ist müßig, einen Streit den die Gelehrten in Jahrhunderten nicht unter sich ausmachen konnten, ob die Tantras nun von Buddha sind oder nicht, hier weiterzuführen. Das werden wir auch ganz bestimmt nicht abschliessend klären können.


    Vielleicht können wir uns darauf einigen, Essenz und Frucht der Methoden zu vergleichen, um zu schauen, ob und wie die Dinge nicht vielleicht doch besser zusammenpassen, als man es auf den ersten Blick meint... :)


    Hier noch einige Anmerkungen zu Mahamudra- und Dzogchen-Texten, zumal was den Anspruch angeht, konkrete Praxis-Instruktionen zu erhalten:


    Die Klasse von Belehrungen im Mahamudra, die 'Upadeshas' genannt werden, gehört zu den wichtigsten, da sie konkrete Erklärungen und Anleitungen enthalten. Siehe: http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=14&t=9538 Während man im Dzogchen die Texte mit grosser Inspiration anfüllt und die Leichtigkeit des Dzogchen betont, diese aber meist keine Informationen enthalten, um eine konkrete Praxis damit zu beginnen, so dass man einen Lehrer aufsuchen muss, werden im Mahamudra oft auf pragmatische Weise konkrete Praxisanleitungen direkt in den Text eingefügt. Da jedoch die Inspiration und Anleitung durch einen verwirklichten Lehrer auch hier zumindest am Anfang unerlässlich ist, wurden Mahamudra-Texte ganz oder teilweise häufiger als "Geheimbelehrungen" zurückgehalten und nur in mündlicher Überlieferung gegeben.

  • Mir ist nochwas aufgefallen, was ich bei mir korrigieren muss, da ich den Beitrag nicht mehr editieren kann, ich schrieb weiter oben: "Nehmen wir die Lebensgeschichte von Tilopa mit seinem Lehrer Naropa. Naropa schickt Tilopa immer wieder in die unmöglichsten Situationen, in denen er sich massivst körperlich verletzt." Natürlich ist es umgekehrt, Tilopa war der Lehrer Naropas... :roll:

  • VOOM108:

    ..... wurden Mahamudra-Texte ganz oder teilweise häufiger als "Geheimbelehrungen" zurückgehalten und nur in mündlicher Überlieferung gegeben.


    Ich vermute es begründet sich eher im siebten Samaya.


    Freundlichen Gruß

  • Würde ich auch sagen


  • Der Kommentar von Herrn Poller gefällt mir nicht. (dessen Seite inzwischen offline ist)


    Besser und korrekter finde ich Herrn Berzin:


    Zitat

    (7) Unreifen (Menschen) vertrauliche Lehren enthüllen


    Vertrauliche (geheime) Lehren betreffen die eigentlichen, spezifischen Praktiken der Erzeugungsstufe (tib. bskyed-rim) und Vollständigkeitsstufe (tib. rdzogs-rim) für die Verwirklichung der Leerheit, die nicht mit weniger fortgeschrittenen Praxisebenen geteilt werden. Sie beinhalten Details bestimmter Sadhanas und von Techniken zur Realisierung eines äußerst glückseligen tiefen Gewahrseins der Leerheit mittels des Geistes des klaren Lichts. Diejenigen, die dafür unreif sind, sind Menschen, welche die angemessene Ermächtigungsstufe bislang nicht erhalten haben. Dabei ist es unerheblich, ob sie zu diesen Praktiken Vertrauen hätten, wenn sie sie kennen würden. Diese Übertretung des Wurzelgelübdes entsteht, wenn wir eine dieser vertraulichen Prozeduren, die nicht mit anderen geteilt werden sollen, jemandem, von dem wir ganz genau wissen, dass er oder sie noch nicht reif ist, ausreichend detailliert erklären, sodass er oder sie genug Informationen besitzt, um die Praxis auszuprobieren, und diese Person die Anweisungen verstanden hat. Die einzige Ausnahme besteht dann, wenn eine ausgesprochene Notwendigkeit für eindeutige Erklärungen besteht, zum Beispiel wenn dies hilft, Fehlinformationen und verzerrte, antagonistische Ansichten über Tantra zu beseitigen. Auch wenn allgemeine tantrische Theorie wissenschaftlich, aber unzureichend für Praxis, erklärt wird, ist dies keine Übertretung der Wurzelgelübde. Dennoch schwächt dies die Effektivität unserer tantrischen Praxis. Es liegt allerdings kein Fehler darin, vertrauliche Lehren interessierten Beobachtern während einer tantrischen Ermächtigung zu enthüllen.


    http://www.berzinarchives.com/…root_tantric_pledges.html

  • Onyx9:

    Alles andere ist Yogi-Sache, aber Yoga hat Buddha nicht
    gelehrt. Er hat sich davon abgewandt und den mittleren Weg gelehrt.


    oh nein, bitte nicht sowas hier. nicht zum 1000sten male. :x


    hinterher verscheuchst du VOOM108 noch, was schade wäre ;)

  • Zitat

    Der Kommentar von Herrn Poller gefällt mir nicht. (dessen Seite inzwischen offline ist)


    Besser und korrekter finde ich Herrn Berzin


    Ja ich weiss, dass Poller seine Aktivitäten als Lehrer in der bisherigen Form kürzlich zurückgenommen hat. Wird sicher auch seine Gründe haben.... Weil die Seite nicht mehr online ist, habe ich ja auch dazu geschrieben, wann das da so stand... Der geneigte Googler wird die Poller-Fassung aller 14 tantrischen Samayas bei Interesse aber noch irgendwo finden ;)


    Den Text von Berzin finde ich allerdings auch besser, zumal ausführlicher und auf bestimmte Ausnahmen eingehend. Überhaupt empfinde ich Berzin immer wieder als eine der besten authentischen Quellen für klare Informationen zum Buddhismus. Ein Text den ich sehr schätze in dieser Zeit ist auch dieser hier: http://www.tibet.de/tib/tibu/2002/tibu60/60berzin.html