Trauer und Wut beim Meditieren

  • Ich praktiziere seit ca. einem Jahr die Aufmerksamkeitsmeditation. Erlernt habe ich diese Art Meditation im Rahmen meiner Psychotherapie.
    Bisher tat mir das meditieren auch sehr gut. Es half mir ruhiger und entspannter zu werden.
    Jetzt hab ich das "Problem", das ich seit Tagen beim meditieren Trauer und Wut verspüre. Es kommt so mit übermächtiger Macht, das ich es nicht unter kontrolle bringen kann. Ich bin danach auch sehr erschöpft und verzweifelt.
    Jetzt weiß ich nicht, ob ich das meditieren weiter praktizieren soll oder es für eine Weile ausetzten.
    Hat jemand damitErfahrung oder kann mir einen Rat geben?


    Liebe Grüße Floh

    Nicht außerhalb, nur in sich selbst soll man den Frieden suchen.
    Wer die innere Stille gefunden hat, der greift nach nichts,
    und er verwirft auch nichts.
    ( Buddha
    )

  • Moin Floh,


    Bei mir war es zu Anfang meiner Meditationspraxis genau so. Auch ich war in Therapie und auch bei mir kam plötzlich das eine oder andere hoch, mit dem ich so nicht gerechnet hatte. Ich hatte das dann mit meinem Therapeuten besprochen.
    Ob du mit dem Meditieren weiter machen sollst oder nicht, kannst du auch mit deinem Therapeuten besprechen. Er müsste ganz gut einschätzen können, was du zur Zeit verträgst und ab wann es zuviel wird. Ansonsten verlass dich auf dein Bauchgefühl. Und im Zweifel machst du einfach eine Pause. :D Da bricht die Welt schon nicht von zusammen.


    LG
    Ji'un Ken

  • Hi Floh,


    die Worte Ji'un Kens' klingen vernünftig und dem würde ich kurzfristig gesehen nichts hinzufügen.


    Langfristig gesehen hab ich in einer ähnlichen Situation die Frage etwas weiter gefasst: was macht Meditation eigentlich? Warum kann mir das helfen? Welchen Sinn haben die Emotionen, die dabei bewusst werden? Was mache ich damit?


    Als ich anfing zu meditieren dachte ich, es handele sich um eine Methode zur Beruhigung. So wie Progressive Muskelentspannung oder Autogenes Training. Oft hat es ja diesen Effekt. Das allein ist aber nicht der Grund, warum der Buddha der Meditation so eine Bedeutung beigemessen hat. Einige neuere, westliche Therapieformen haben die Achtsamkeit ja auch entdeckt, und soweit ich gelesen habe, ist auch hier das "zur-Ruhe-Kommen" längst nicht der einzige Grund dafür.


    Vielmehr bietet die Meditation eine Möglichkeit Abstand zu unseren Gedanken und Gefühle zu bekommen, weil wir bemerken, dass sie nicht die einzige Wahrheit sind. Dass wir noch etwas anderes in uns finden. Der Dalai Lama wurde mal von einer Journalistin gefragt, wie mit Emotionen umzugehen sei. Angeblich soll er, wie es seine Art ist, freundlich gelacht und zurück gefragt haben: "glauben sie, dass die Emotionen echt sind?"


    Wir Westler denken bei so einer Aussagen schnell: "ja dann soll ich meine Gefühle unterdrücken? So tun, als wären sie nicht da?"


    Aber das Gegenteil ist gemeint. Der Buddha empfahl, unsere Gedanken und Gefühle bewusst wahrzunehmen. Das tun wir im Westen ja idR gar nicht. Stattdessen finden wir ständig Wege, unangenehmen Gefühlen aus dem Weg zu gehen: Fernsehen, Telefonieren, Schwätzchen halten, Saubermachen, Arbeiten, über das unmögliche Verhalten von (Foren-) Kollegen aufregen, über die Affairen von Promis, den Politikbetriebs-Klatsch in den Medien nachdenken. Oder wir geben dem Druck nach und agieren es aus, verlieren uns in depressiven Gedanken oder benutzen die anderen als Boxsack.


    Damit halten wir Emotionen unter der Decke, wo sie langfristig starken Einfluss auf uns haben. Buddha, und mancher Therapeut, sagen stattdessen: nimm sie bewusst wahr als etwas, dass in dir ist. Aber ohne zu bewerten. Keine Geschichte daraus machen, sich nicht zu neuen Gedanken forttragen lassen. Nur innehalten und bemerken: was ist da?


    Wenn man das länger praktiziert, so die Idee (vielfach erprobt :) ), verlieren die Emotionen erstens an Stärke. Und zweitens kann man erkennen, dass sie selbst erschaffene Illusionen sind (s. Ausspruch des Dalai Lama oben). Sie sind nicht unser eigentliches Selbst. Sie entstehen aus bewussten und unbewussten Vorstellungen in uns, wie diese Welt zu sein hat. Wie sie aber oft nicht ist.


    Hinter dem ganzen liegt eine andere Wahrheit, die sich laut Buddha zu finden lohnt. Deswegen lohnt sich auch der Weg der Meditation, und das Wahrnehmen der Emotionen.

  • Floh1471:

    Hat jemand damitErfahrung oder kann mir einen Rat geben?


    Hi Floh


    Was Ji'un Ken sagte.


    Ich fühle deine Verzweiflung. Meditation ist nicht nur bewusste Entspannung, auch wenn wir das manchmal am dringendsten brauchen. Es kann ähnlich einer Psychotherapie die Arbeit mit einem Berg von Erinnerungen und Gefühlen sein.


    Das ist nicht immer einfach und geschieht nicht über Nacht, da es sich über lange Jahre angehäuft hat. Daher ist es wichtig, dass wir etwas Nachsicht mit uns walten lassen und nicht zu streng zu uns sind.


    Außerdem ist es ratsam die aufsteigenden unangenehmen Gefühle wie Trauer und Wut als nicht 'ich', nicht 'mein' betrachten und ihnen nicht nachgehen. Dann erhält man neue Kraft und verzweifelt nicht an Wut und Trauer. Bis anschließend Wut und Trauer und deren Ursachen durchschaut werden und sich selbst erschöpfen.


    Viel Glück

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Vielen Dank für die Antworten.


    In mir ist jede Menge an unterdrückten Gefühlen und Ereignissen aus meinem Leben. Und ich denke durch die Tiefen- und Traumatherapie kommt alles etwas mächtiger an die Oberfläche.
    Aber ich möchte keine Angst vor meinen Gefühlen haben, deshalb möchte ich ja auch mehr über mich erfahren.
    Trauer und Wut haben mit meinem Leben zu tun. Trauer um meine Kinder die ich verloren habe und Wut auf die Menschen die mir mein ganzes Leben übel mitgespielt haben.
    Ich denke auch das mir der Weg Buddhas helfen wird, klarer zu sehen und Frieden mit mir und meinen Peinigern zu schließen. Obwohl ich nicht weiß, ob ich es jemals übers Herz bringen kann, meinen Peinigern zu verzeihen.


    Liebe Grüße Floh


    Liebe

    Nicht außerhalb, nur in sich selbst soll man den Frieden suchen.
    Wer die innere Stille gefunden hat, der greift nach nichts,
    und er verwirft auch nichts.
    ( Buddha
    )

  • Floh1471:

    ...und Frieden mit mir und meinen Peinigern zu schließen. Obwohl ich nicht weiß, ob ich es jemals übers Herz bringen kann, meinen Peinigern zu verzeihen.
    Liebe Grüße Floh


    Das verlangt niemand von Dir- wenn Du es tust, tust Du es, weil Du es selbst willst und dann auch kannst.


    _()_ c.d.

    Tag für Tag ein guter Tag

  • Hallo Floh,

    Floh1471:

    Ich praktiziere seit ca. einem Jahr die Aufmerksamkeitsmeditation. Erlernt habe ich diese Art Meditation im Rahmen meiner Psychotherapie. Bisher tat mir das meditieren auch sehr gut. Es half mir ruhiger und entspannter zu werden. Jetzt hab ich das "Problem", das ich seit Tagen beim meditieren Trauer und Wut verspüre. Es kommt so mit übermächtiger Macht, das ich es nicht unter kontrolle bringen kann. Ich bin danach auch sehr erschöpft und verzweifelt. Jetzt weiß ich nicht, ob ich das meditieren weiter praktizieren soll oder es für eine Weile ausetzten. Hat jemand damit Erfahrung oder kann mir einen Rat geben?


    Ich schreibe aus eigener Erfahrung:


    sei froh, das die Gefühle da sind, das ist die Wahrheit (dhamma)
    Es ist ein Teil von Dir. An diesen Gefühle ist nichts falsches. Sie sind einfach.
    Lass sie sein, versuche nicht sie zu verändern, zerre nicht daran herum.
    Gefühle dauern so lange sie Dauern.
    Jeder Versuch, sie zu verändern, weg zu machen, zieht es in die Länge.
    Einfach fließen lasse und immer wieder mit der Aufmerksamkeit zum Meditationsobjekt zurückkehren.
    Was ist Dein Meditationsobjekt?


    Herzlich,
    Mirco

  • Hi Mirco!


    Ich mache Atemmeditation. Die hilft mir auch bei Panikattacken. Damit komme ich zur Zeit ganz gut zurecht.
    Bis halt diese Gefühle ausgebrochen sind.
    Aber ich werde weiter machen. Ich weiß jetzt das es gut ist. Und es gehört zur Verarbeitung dazu.
    Ich muß auch lernen meine Gefühle zu zu lassen. Das war bisher ein Zeichen von schwäche, wenn du Gefühle zeigst.


    Liebe Grüße Floh

    Nicht außerhalb, nur in sich selbst soll man den Frieden suchen.
    Wer die innere Stille gefunden hat, der greift nach nichts,
    und er verwirft auch nichts.
    ( Buddha
    )

  • Hallo Floh,


    wenn es dir zu viel wird, hilft es, den Blick etwas anzuheben und / oder den Fokus mehr auf die Ausatmung zu legen.


    ...

  • Hi Tashili,


    danke für den Tipp. Werd es mal ausprobieren. :)


    Liebe Grüße Floh

    Nicht außerhalb, nur in sich selbst soll man den Frieden suchen.
    Wer die innere Stille gefunden hat, der greift nach nichts,
    und er verwirft auch nichts.
    ( Buddha
    )

  • Floh1471:

    Hi Mirco!
    Aber ich werde weiter machen. Ich weiß jetzt das es gut ist. Und es gehört zur Verarbeitung dazu.
    Ich muß auch lernen meine Gefühle zu zu lassen. Das war bisher ein Zeichen von schwäche, wenn du Gefühle zeigst.


    Im Buchladen bin ich gestern auf Pema Chödrön gestossen, eine amerikanische, buddhistische Nonne tibetischer Tradition. Sie setzt sich in ihren Büchern viel mit dem Thema unangenehmer Gefühle auseinander. In ihrer Arbeit mit Strafgefangenen wird das vermutlich auch wichtig sein.


    Jedenfalls bestätigt auch sie deinen letzten Eintrag. Die eigentliche Schwäche liege im Ablenken und Wegschauen. Weil wir befürchten, dass wir das Anschauen unangenehmer Emotionen nicht ertragen könnten. Das stimme aber nicht. Das betrachten unserer Emotionen sei vielmehr wie eine Entgiftungskur; zu Beginn unangenehm, aber danach befreiend. Sie empfiehlt, das zunächst mit Gefühlen zu üben, die uns nicht so überwältigend erscheinen. Eine beschrieben Herangehensweise, die mir noch im Kopf ist, und die sich auch an Menschen richtet, die in Meditation gar nicht geübt sind: drei mal bewusst tief ein- und Ausatmen. Und dann in das betreffende Gefühl eintauchen: wie fühlt es sich an? Hat es einen Geschmack? Wo nehme ich es wahr?