Karma und "Vererbung"

  • Hallo liebe Forum Mitglieder,
    bin zwar schon länger Mitglied hier aber habe Pause gemacht.
    Vor kurzem war ich einige Tage in einem Buddh. Zentrum und habe dort zum 1. Mal das Klosterleben miterleben können, es war sehr beeindruckend.
    In einem Dharma Vortrag ging es um Transformation, um, zum Beispiel, Trauma aus der Kindheit.
    Ich hab da eine Aussage vom Dharma Lehrer gehört die ich nicht akzeptieren kann, habe das auch gesagt.
    Wie denkt ihr über Folgendes:
    - Alle, die in der Kindheit traumatisiert wurden (schlimme Kindheit sozusagen) werden, wenn sie das nicht rechtzeitig durch Praktizieren transformieren können, unweigerlich später auch Gewalt anwenden, sie werden das Gleiche ihren Kindern... antun, ALLE! -


    Da habe ich protestiert. Diese Aussage hat mich sehr betroffen gemacht.
    Ich kenne in meinem Umfeld genügend Eltern die in der Kindheit wirklich sehr gelitten hatten, die aber die fürsorglichsten und liebevollsten Eltern sind/waren die man sich nur wünschen kann (ich eingeschlossen).


    Die Aussage des Dharma Lehrer war, ich hätte das womöglich vorher bereits transformiert ehe ich Mutter wurde.
    Ich habe das nicht, ich bin sehr früh Mutter geworden.


    Es stimmt, fast alle Gewalttäter etc. sind in der Kindheit traumatisiert worden. Das lässt aber doch nicht den Umkehrschluß zu, dass automatisch dann auch alle traumatisierte Kinder folglich Gewalttäter werden, da braucht es doch mehr Faktoren als nur diese, oder?
    Ferner sagte er, dass unsere Kinder und auch unsere Enkelkinder zu Gewalttäter werden wenn es nicht transformiert wird.
    Stimmt das? Stimmt das mit der Lehre Buddhas überein?

  • Ich bin einigermaßen sicher, daß es Zusammenhänge zwischen negativen Erfahrungen und eigenen sozial nicht wünschenswerten Verhaltem gibt. Man kann das jetzt weiter aufdröseln und vernünftige Definitionen dieser Beziehung schreiben und die dann als psychologischen Determinismus oder unter anderm Aspekt Karma bezeichnen.


    So weit so gut. Das jetzt als 100% Abhängigkeit zu sehen geht an meinem Menschenbild genauso vorbei wie an Deinem.


    Als gutes Gegenbeispiel kommt mir die Generation in den Sinn, die ihre prägenden Kindheitsjahre im zweiten Weltkrieg verbracht hat. Egal, ob in Deutschland oder in den am schlimmsten zerstörten Gebieten in Polen oder Russland. Im Prinzip eine Generation in der mindestens jeder zweite traumatisiert wurde durch frühe Verluste naher Angehöriger, Not, Elend. Das sind Leute, die heute um die 80 sind. Ihre Kinder sind also zwischen 40 und 60. Mir ist nicht aufgefallen, das ausgerechnet die Gruppe der 40-60 jährigen extrem asozial oder gewaltbereit wäre.


    Wenn Dir der zweite Weltkrieg zu kurz zur Prägung war, nimm den 30jährigen Krieg. Danach kam die eher prächtige Periode des Barock mit erheblichem zivilisatorischem Aufschwung.


    Wie gesagt, ich akzeptiere grundsätzlich die Karma Idee. Für mich bedeutet das aber eher, daß meine eigenen Taten Auswirkungen auf mich haben. Außerdem können sich Menschen durch Einsicht teilweise aus ihrem Karmaverlauf befreien, auch ohne die Lehre.

  • Kommt mir so vor, als ob Ihr nicht genau geklärt hättet, was unter so einer "Transformation" zu verstehen ist?


    Als Mutter fiel es mir sehr schwer, die Gewalt, die ich selbst erlebt habe, nicht an meine Kinder weiter zu geben. Das war ein Kampf, aber von Therapeuten bekam ich da keine Hilfe, weil sie meinten, meine kleinen Ausraster seien pillepalle gewesen. Man sah das halt als Ausdruck meiner Persönlichkeit an. An diesem Mist hab ich dann viel meditiert und gelernt. Es ist jetzt etwas besser, aber meine Kinder sind auch nicht mehr in der Trotzphase und lachen mich heute nur aus, wenn ich wütend werde. Wut ist nun kein wirksames Mittel mehr.


    Friede:

    ...
    - Alle, die in der Kindheit traumatisiert wurden (schlimme Kindheit sozusagen) werden, wenn sie das nicht rechtzeitig durch Praktizieren transformieren können, unweigerlich später auch Gewalt anwenden, sie werden das Gleiche ihren Kindern... antun, ALLE! - ...


    Dieser Satz ist ja widersprüchlich - da diejenigen, die es transformieren, eine Ausnahme bilden, kann von ALLEN schon mal nicht die Rede sein...
    Ich würde sagen, alle haben die Anlage dazu, ihr Trauma weiterzugeben, den Stempel im Hirn - aber das sagt ja noch lange nichts über weitere zusätzliche karmische Anlagen aus. Wenn man vom Karmagedanken ausgeht, ist ja ein kleines Kind eben nicht wie ein weißes Blatt Papier, sondern bringt individuell schon so einiges mit. Es werden somit unterschiedliche Menschen individuell verschieden mit einer traumatischen Prägung umgehen.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


    2 Mal editiert, zuletzt von Lirum Larum ()

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Friede,


    wenn man zwei verschiedene Bereiche mischt, dann entstehen Missverständnisse und Unklarheiten. So passiert das natürlich auch, wenn man buddhitisches und psychlogisches Vokabular mischt. Das was du hier schreibst, kommt mir wie so eine Begriffsverirrung vor.


    Der zentrale Punkt hier ist, was bedeutet "Transformieren"? Bedeutet transformieren praktizieren? Da kann nicht sein, weil dir der Lehrer sagt du hast bereits früher "transformiert".


    Ich nehme an, mit dem komischen Wort "Tranformieren" ist ganz trivial die Fähigkeit gemeit, auf Gewalt nicht mit Hass und Gewalt zu antworten. Also das was man ganz einfach als "Geduld" bezeichnet. Während das einige Leute lernen müssen, ist es bei anderen angeboren. Weil man beim Meditieren ganz auf sich selbst und seine Impulse zurückgeworfen ist, ist Meditation eine Schulung in "Geduld".


    Diesen einfachen Sachverhalt, wird erkompliziert wenn man so ein schwammiges Wort wie "Transformieren" verwendet. Aber wenn "Transformieren" lediglich bedeutet, aus Hass nicht Hass zu machen, dann ist die Aussage doch trivial, oder? Jeder der Gewalt erlebt hat und dann keine Gewalt mehr anwendet muss die Gewalt transformiert haben, sonst wäre sie ja nicht weg. Und jeder bei dem sie noch da ist, bei dem ist sie noch da. Oder kurz: alles was nicht weg ist ist noch da. Klingt aber irgendwie weniger wie die grosser spirituelle Weisheit.

    Friede:

    Ferner sagte er, dass unsere Kinder und auch unsere Enkelkinder zu Gewalttäter werden wenn es nicht transformiert wird.?


    Das kommt mir nicht sehr sinnig vor. Menschen sind doch keine Dominosteine. In machen buddhitischen Schulen gibt es sehr didaktische Lehrauslegungen, die mir allen möglichen und rhetorischen Kniffen die Vorteile der Geduld herausstellen und ihre Nachteile drastisch schildern. Der Zweck ist ein didaktischer: Also zu zeigen wie wichtig Geduld ist und das das ganze Umfeld davon profitiert, wenn man allen Hass in sich "transformiert." Für diesen hehre Ziel ist jedes Argument recht. Da die Drohung möglicherweise in einem Krieggebiet wiedergeboren zu werden, bei heutigen Reinkarnationsskepikern wenig zieht, kann wohl die Angst vor bösen Enkeln motivieren?

  • Hi Friede,


    dieser "Dharma Lehrer" hat unrecht. In welchem "Kloster" warts du ?
    Dr.Galuska hat mal gesagt: Es ist nie zu spät eine glückliche Kindheit gehabt zu haben.
    Das allerdings stimmt.

  • Ich kann der Aussage nicht so einfach eine Absage erteilen.
    Dazu sind Menschen, meine ich, viel zu komplex und die Einflüsse unzählig. Als Arbeitshypothese lasse ich das auf alle Fälle stehen.


    Gewalt muss nicht unbedingt 1:1 überliefert werden. Man kann auch ein "gebrochener Mensch" deshalb werden. Auch hierbei wird an die folgenden Generationen was weitergegeben. Kinder traumatisierter Eltern können ein Lied davon singen. Ich denke, dass Menschen, die Gewalterfahrungen nicht als Gewalt überliefern, und auch nicht als "gebrochene Gewalt", dass diese Menschen tatsächlich einiges in ganz besonderer Weise verarbeitet haben. Das kann übrigens auch in jungen Jahren schon so sein. Jeder ist anders und unterliegt anderen Einflüssen, darum sind die Ergebnisse immer andere. Aber verloren geht nix. So wie auch kein positiver Einfluss verloren geht. Ich kann mich an einige Kleinigkeiten erinnern, die mir "den Tag" gerettet haben, meinem Leben Weichen gestellt haben. Ein Lächeln, eine wohlwollende Bemerkung an einem bestimmten Punkt, hat mich schon vor so manchem bewahrt. Warum soll das nicht auch umgekehrt so sein?


    Ich kann mir vorstellen, dass es erst mal heftig ist, so eine pauschale Aussage wie die des Lehrers zu hören. Das ist verunsichernd und verstörend. Aber ich sehe darin keinen Angriff, sondern einen drängenden Appell, sich seiner Wunden anzunehmen und sie sehr genau zu untersuchen. Also, kein schlechtes Gewissen, kein Vorwurf, sondern eine Veranschaulichung der Dringlichkeit im Alltag bewusst und achtsam sein.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Danke euch allen, das sind sehr viele gute Denkanstöße, das muss ich mir jetzt einige Male durchlesen und genau darüber nachdenken. Alles ist stimmig auf seine Weise.
    Dass ich mich verletzt gefühlt habe, das stimmt, ich war schockiert. Obwohl ich sicher bin, er hat das nicht gewollt, er hat nur die Lehre seines Ordensgründers weitergegeben denn ich habe einen Dharmavortrag von diesem angesehen da sagte er das auch so.
    Für mich war das, als würden die Menschen mit Kindheitstrauma stigmatisiert mit dieser Aussage, einmal schlechtes Karma immer schlechtes Karma. „Transformieren“ wurde nicht erklärt, ich verstehe es als Neutralisieren gewissermaßen, mir meine Leiden bewusst machen, die Ursache erkennen dann den Weg daraus finden (genau so wie der Buddha sagt).
    Ich bin nicht gewalttätig geworden weil ich mir bereits als kleines Kind ganz bewusst war, dass das was in der Familie abgeht Unrecht ist und falsch. Ich habe meine Kinder völlig gewaltfrei erzogen, nicht mal verbale Gewalt. (antiautoritär :lol: ) Es sind beide Kinder ganz prächtige Erwachsene geworden, selbstbewußt, zufrieden und fröhlich. Wie kann ich denn meine Kinder leiden lassen wenn ich selbst weiß wie furchtbar unglücklich man sich fühlt? Das war mir immer schon bewußt und das kann ich auch jetzt noch nicht.
    Es ist in der Tat so, dass Gewalttäter das genetisch in ihren Genen festschreiben, das betrifft aber erst Kinder die nach der Gewalt gezeugt werden, das ist sogar wissenschaftlich nachgewiesen. Gene konnten identifiziert werden. Aber die Wissenschaftler sagen ganz klar, das Gen ist bei den Nachkommen vorhanden aber sie werden deshalb noch lange nicht gewalttätig, dazu gehören viel mehr Faktoren, Umfeld., Erfahrungen etc.
    Wenn es um Karma geht, wieso sollten dann die Kinder und Enkel büßen wenn es um mein eigenes Karma geht? Was ich meine ist, wenn ich als Kind karmamäßig das erleiden muss dann ist es doch meine „Strafe“ warum dann alle weiteren Nachkommen? Das passt doch nicht?
    Wobei ich Karma sowieso ganz anders empfinde, nicht als Buße oder Strafe, eher als eine Lernaufgabe. Gewalt erleiden fällt für mein Empfinden nicht unter Karma. Meine Veranlagungen, das sehe ich als Karma. Ist aber nur meine private Meinung.
    Danke noch mal, jetzt studiere ich die Antworten noch genauer

  • Hallo fotost, das mit dem Krieg, darüber habe ich auch schon nachgedacht, war auch mit ein Grund warum ich meiner Familie so gut verzeihen konnte, hab mir mal vorgestellt was die da als Kinder erst für furchtbare Trauma erlebt haben.
    Lirum Larum, du sagst: "Es werden somit unterschiedliche Menschen individuell verschieden mit einer traumatischen Prägung umgehen."
    genau das ist es! Wie kann man denn pauschal eine Aussage treffen die ALLE betrifft, da haben sich Lehrer es doch ein bisschen zu einfach gemacht, jede Erfahrung ist individuell und ruft auch individuell die Gegenreaktion hervor, das kann man gar nicht pauschal vorhersagen.
    void ich hatte den Eindruck, dass Transformieren als ein sehr weiter Begriff angewendet wurde. In erster Linie ging es in dem Seminar um Blockaden die sich durch negative traumatische Erlebnisse in einem festsetzen. Das kann ich so akzeptieren. Diese Blockaden kann man mittels einer speziellen Energie-Meditaion auflösen, transformieren halt. Auch das hat mir sehr gut gefallen, die Mediation praktiziere ich auch weiterhin.
    Das Seminar im großen Ganzen war hilfreich für mich, nur will ich ja immer allem bis auf den Grund gehen und alles vollkommen verstehen (so eine Marotte von mir)
    @Jikjisa bitte verstehe mich, ich möchte nicht öffentlich hier sagen wo das Seminar war. PM wenn du willst?
    Doris es stimmt, transformieren kann man vielleicht aber die Tatsache bleibt. Nur mit dem Gegensatz, dass nach der Transformation für einen das Geschehene wie ein Film erscheint, es ist ein Abstand zwischen mir und der Vergangenheit, es tut nicht mehr weh, das ist befreiend und öffnet einem eine ganz neue Sicht auf die Dinge.

  • ist schon deshalb bullshit, weil erziehung auch ein bewusstes verhalten ist. wären wir alle primaten, würde ich vielleicht zustimmen.
    richtig lächerlich finde ich, dass dieser dhamma lehrer auch noch darauf wert legt, dass es immer allen passieren soll. :roll:
    der sollte lieber beim dhamma bleiben, als so krude abgeleitete psychologische theorien in die welt zu werfen..

  • Na, wenn das ein Seminar war, dann mag die Aussage auf einer Marketing-Strategie beruhen.
    Das Wort "transformieren" kommt auch meistens nur in der Esoterik vor. Sonst sagt man transzendieren.

  • Zitat

    … weil erziehung auch ein bewusstes verhalten ist. wären wir alle primaten, würde ich vielleicht zustimmen.


    Viele Eltern schlagen ihre Kinder ganz bewusst. Nicht weil sie Wut empfinden oder so, sondern weil man ihnen gesagt hat, dass es sich so gehört.
    Da gibt es den schönen Film "Das weiße Band" …
    Bewusstseinsinhalte sind eine Sache der Gewohnheit.


    Wir sind Primaten. Primaten, die über andere Primaten nachdenken.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • @ Friede:
    Grundsätzlich finde ich es wichtig, den spirituellen Pfad so vorsichtig zu beschreiten, als ob man barfuß läuft. Wenn das Gelände unübersichtlich wird (bzw. wenn Lehrinhalte aufgestellt werden, die nicht nachvollziehbar sind, oder Praktiken vermittelt werden, die sich nicht richtig hilfreich anfühlen), dann tastet man sich vorsichtig voran oder sucht sich sogar andere Lehrer, wenn es zu dolle ist.
    Ich bin äußerst skeptisch gegen Inhalte, die irgendwelche Wesen ausschließen oder ein schlechtes Gewissen machen. Da muss man gucken, ob die Gruppe sonst noch weitere sektenartige Kriterien aufweist.
    Wobei: es gibt ja auch noch das Phänomen, dass man etwas in den falschen Hals bekommt.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Losang Lamo:

    @ Friede:
    Grundsätzlich finde ich es wichtig, den spirituellen Pfad so vorsichtig zu beschreiten, als ob man barfuß läuft. Wenn das Gelände unübersichtlich wird (bzw. wenn Lehrinhalte aufgestellt werden, die nicht nachvollziehbar sind, oder Praktiken vermittelt werden, die sich nicht richtig hilfreich anfühlen), dann tastet man sich vorsichtig voran oder sucht sich sogar andere Lehrer, wenn es zu dolle ist.
    Ich bin äußerst skeptisch gegen Inhalte, die irgendwelche Wesen ausschließen oder ein schlechtes Gewissen machen. Da muss man gucken, ob die Gruppe sonst noch weitere sektenartige Kriterien aufweist.
    Wobei: es gibt ja auch noch das Phänomen, dass man etwas in den falschen Hals bekommt.


    das ist auf jeden Fall richtig, danke für deinen Hinweis, ich war vorher einige Male in einem Sangha einer anderen Buddh. Richtung hier in der Stadt, habe da auch festgestellt, dass ich mit meinen inneren Einstellungen nicht zu dieser Richtung passe.
    Alkohol, Fleisch essen etc. auch noch Varianten in der Lehre die nicht so richtig zu mir passen.
    Jeder Mensch auf der Suche muss sorgfältig prüfen auf was er sich einläßt.


    Das mit dem falschen Hals bekommen :lol: will mal so sagen, ich weiß ja, dass es nicht wahr ist was er da gesagt hat weil ich es ja selbst anders erlebt habe und immer noch erlebe.
    Ich kenne einige Eltern die traumatisiert wurden, die absolut liebevolle und fürsorgliche Eltern sind. Und nicht weil sie was transformiert haben, die meditieren nicht und wissen auch nichts über Buddha. (unterbewußt wohl schon, der Buddha in mir, ist bei jedem Menschen vorhanden)
    Wegen dem falschen Hals, darum habe ich den Lehrer ja sofort angesprochen, ihm gesagt was er da behauptet stimmt nicht.
    (hatte den Eindruck er war leicht stinkig auf mich lol ) Er hat sich aber nicht auf eine Diskussion darüber eingelassen, das ist normal, es war ja ein Dharmavortrag und keine Diskussionsrunde.
    Was ich vermute ist, dass der Ordensgründer (der wirklich sehr gebildet ist) Forschungsberichte über die Ursache von Gewalt und Mißbrauch studiert hat, dort wird immer auch Bezug auf die Kindheit genommen und auch, dass sich erlebte Gewalt später im Verhalten fortsetzen kann, es ist ja auch oft so, das bestreite ich ja nicht.
    Die anderen Forschungsberichte in denen detailliert aufgezeigt wird, dass dazu aber in der Regel noch eine Reihe anderer Faktoren mitspielen müssen, die hat der Ordensgründer vielleicht nicht gelesen und darum falsche Schlüsse gezogen.
    Im Grunde ist er seiner eigenen Lehre in die Falle gelaufen lol fällt mir gerade auf.
    Er legt großen Wert darauf, dass man immer darauf achtet, nicht Schlüsse zu ziehen weil so wie man es sieht meist ein Trugbild ist, dass man das, was man sieht und erlebt nicht mit einer Bewertung beurteilen soll.
    Aber mit dieser These vom "Gewalt weitergeben" hat er ja selbst eine Bewertung angestellt???
    Was sagt das mir? Buddhistische Lehrer sind auch Menschen wie du und ich und keineswegs von Ego und Bewertung frei :) (jetzt wird es philosophisch, jetzt hör ich besser auf)
    Liebe Grüße und einen schönen Herbsttag wünsche euch allen hier

  • Zitat

    Was ich vermute ist


    daß der Typ keine Kinder hat-oder sich nicht drum kümmert. Eins von beiden.

  • Jikjisa:
    Zitat

    Was ich vermute ist


    daß der Typ keine Kinder hat-oder sich nicht drum kümmert. Eins von beiden.



    Hihihi, das ist lustig, er hat keine, das ist der Abt vom Kloster lol

  • Hallo Friede,

    Friede:

    Wie denkt ihr über Folgendes:
    - Alle, die in der Kindheit traumatisiert wurden (schlimme Kindheit sozusagen) werden, wenn sie das nicht rechtzeitig durch Praktizieren transformieren können, unweigerlich später auch Gewalt anwenden, sie werden das Gleiche ihren Kindern... antun, ALLE! -
    Da habe ich protestiert. Diese Aussage hat mich sehr betroffen gemacht.
    Ich kenne in meinem Umfeld genügend Eltern die in der Kindheit wirklich sehr gelitten hatten, die aber die fürsorglichsten und liebevollsten Eltern sind/waren die man sich nur wünschen kann (ich eingeschlossen).


    Zu der Aussage des Lehrers
    kann ich nichts sagen, denn ich kenne die Quelle seines Wissens nicht.


    Zu Deiner Behauptung möchte ich fragen
    bist und warst Du jederzeit bei den Dir bekannten „fürsorglichsten und liebevollsten Eltern” dabei?
    Wer weiß schon, was einem in unbeobachteten Momenten überkommt, wenn man doch mal die Nerven verliert.
    Ich kenne auch genau solche Eltern, die in sehr vertrauensvollen Momenten auch über andere Seiten von sich berichtet haben.



    Dann möchte ich anmerken,
    es muß nicht die selbe Form der Gewalt sein, welche eventuell zum Ausdruck kommt.
    Wer Körperliche Gewalt erfahren hat, könnte das Ausagieren dieser Überwunden haben aber z.B. seelisch/pychisch/geistige Gewalt anwenden. Ebenso umgekehrt und was weis ich noch alles.



    Herzliche Grüße,
    Mirco

  • Ich stimme Dir da zu, Mirco.


    Die Folgen müssen sich ja nicht in offensichtlicher Gewalt ausdrücken. Die Mechanismen sind meist äußerst subtil. Das können z.B. auch Depressionen sein, Psychospielchen ganz subtiler Art, Unachtsamkeiten, Verunsicherungen, Double Binds, Wutanfälle (auch unterdrückte), Krankheitsanfälligkeit, Überforderung, Überängstlichkeit, Überangepasstheit, Verzärtelung, Ehrgeiz, Isolation. Das muss gar nicht wild wirken von außen betrachtet.


    Ich kann natürlich sagen, das sind Peanuts im Vergleich zu offensichtlicher Gewaltanwendung und es dabei belassen. Für die Kinder sind das aber keine Peanuts. Wer das Leid eines Kindes erlebt hat, dass z.B. überängstliche Eltern gehabt hat, wird seine Meinung womöglich ändern. Das Schlimme ist, dass dieses Leid auch nicht offensichtlich an irgendwas festzumachen ist und das Kind damit dann ganz allein da steht ("Was willst Du? Deine Eltern sind doch soooo lieb und kümmern sich um Dich. Du wirst nicht geschlagen, sie verwöhnen Dich…").


    Woher ich das weiß? Ich bin so ein Kind traumatisierter Eltern. Wobei ich noch das Glück hatte, dass die Folgen so offensichtlich waren, dass es die Umwelt auch sehen konnte und ich wenigstens nicht komplett unverstanden da stand. Meine Eltern haben Großartiges geleistet und ihre Verletzungen recht gut bewältigt und uns unbedingte Liebe vermittelt – in einer Zeit, in der es keine Therapien und Hilfsangebote gab und man einfach nur froh war, überlebt zu haben. Ich bin ihnen dafür unendlich dankbar und voller Bewunderung. Das hindert mich aber nicht daran, das zu benennen, was da übrig blieb, die verborgenen Kanäle zu sehen, mit Hilfe derer sich das erfahrene Leid Luft machte. Daher sage ich, es ist eine großartige Leistung, Gewalterfahrungen nicht durch Gewalt an seine Kinder weiterzugeben. Aber ich bezweifle, ob das genug ist.


    Das ist kein Versuch ein schlechtes Gewissen zu machen, keine verspätete Rache, kein Streben nach dem absoluten Ideal … Für mich ist es die Aufgabe, genau hinzusehen. Da gilt auch für mich, denn ich tradiere aus dieser Situation auch etwas weiter, auch ich trage nun die Verantwortung. Und das kann ich nur durch Ehrlichkeit und mit einem liebevollen Blick auf mich selbst und meine Vorfahren schaffen.
    Für mich ist es so: Ich habe mir geschworen, selbst die subtilsten Mechanismen zu untersuchen und nichts auszulassen, mich nicht mit der Beseitigung von Offensichtlichkeiten zufrieden zu geben. Das ist das Ziel meiner Praxis.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Dhamma zum Gruße, Doris,


    Doris Rasevic-Benz:

    [siehe oben]... Das ist das Ziel meiner Praxis.


    vielen Dank für Offenheit und Vertrauen. Da freue ich mich. Auch über ein Wesen so voller Bereitschaft zur Veränderung und Verantwortung. Meine Geschichte ist eine andere und trotzdem kann ich mich im meisten wieder erkennen.


    Eine Kleinigkeit möchte ich aufgreifen:

    Zitat

    Ich kann natürlich sagen, das sind Peanuts im Vergleich zu offensichtlicher Gewaltanwendung und es dabei belassen. Für die Kinder sind das aber keine Peanuts. Wer das Leid eines Kindes erlebt hat, dass z.B. überängstliche Eltern gehabt hat, wird seine Meinung womöglich ändern. Das Schlimme ist, dass dieses Leid auch nicht offensichtlich an irgendwas festzumachen ist und das Kind damit dann ganz allein da steht ("Was willst Du? Deine Eltern sind doch soooo lieb und kümmern sich um Dich. Du wirst nicht geschlagen, sie verwöhnen Dich…").


    Die psychologische Forschung hat längst bestätigt, dass Menschen, die jahrzehnte lang emotionale/psychische Gewalt erfahren mussten, oft viel stärker traumatisiert sind und Leiden, als solche, welche eindeutige physische Gewalt erlebt haben. Das soll kein Persilschein zum Jammern werden, sondern nur erzählen, dass auch von der wissenschaftlichen Seite her Licht in die Sache gebracht wird.


    Ich selbst bin als Kind und Jugendlicher fünfzehn Jahre Opfer lang emotionalen Misbrauchs und psychischer Gewalt gewesen und weiß, wie schwierig es sein kann, dass die Traumatisierung zu verstehen, eben weil es so subtil ist. Meine Lage bessert sich und ich, weil ich daran arbeite, aber bis heute habe ich trotz einiger Therapien einen starken Minderwert bis hin zu Regelmässig ungefragt wiederkehrenden Suizidphantasien. Das scheint in Stein gemeißelt - ist es aber nicht. Die positive Veränderung durch meine fortwährenden Bemühungen geschieht bloß viel langsamer, als meine Erwartungen mir Vorgaukeln,das es sich verändern müsste - auch ein Teil des Realitätsverlustes durch das Trauma. Na ja, so könnte ich hier noch ewig weitermachen. Ich wollte bloß auf die Psychoforschung hinweisen.



    Liebe Grüße,
    Mirco

    • Offizieller Beitrag
    Mirco:

    bist und warst Du jederzeit bei den Dir bekannten „fürsorglichsten und liebevollsten Eltern” dabei?
    Wer weiß schon, was einem in unbeobachteten Momenten überkommt, wenn man doch mal die Nerven verliert.
    Ich kenne auch genau solche Eltern, die in sehr vertrauensvollen Momenten auch über andere Seiten von sich berichtet haben.


    Das Wort Trauma, bedeutet ja eigentlich Wunde - also seelische Narbe. Dabei muss ich an David Lynch Film Lost Highway denken. Da kam eine Person vorkam, die von einer Seite ganz normal aussah, während sie von der anderen Seite so eine Fratze hatte. Je nachdem, von welcher Seite gefilmt wurde, sah man das eine oder das andere. So kann auch ein Trauma eine Narbe sein, die nur in ganz bestimmten Situationen auftaucht. So können wir selber ja auch ganz nette und fürsorgliche menschen sein, aber in unserer Liebesfähigkeit an bestimmten Stellen hässliche Narben haben. Und wenn wir diese Stelle anderen Menschen zuwenden fühlen wir sie nicht und sie uns nicht. Und gerade weil wir da nichts fühlen, können wir uns gut vormachen wir hätten keine solchen Stellen. Dabei hat jeder, der nicht heilig ist, kleinere oder größere. Zu leugnen, man hätte überhaupt solche Stelle und sei stets lieb und fürsorglich wäre für mich eher ein Alarmsignal.

  • Lieber Mirco,


    ich sehe mich in der Tradition meine Eltern. Sie haben so viel getan, um diese Dinge nicht weiterzutragen und uns so sehr geliebt. Meine Eltern haben ihr Päckchen auf sich genommen und so gut es ihnen möglich war getragen. Für mich ist es ein Wunder, dass sie derart liebesfähig waren. Würde ich nicht da weitermachen, wo sie aufhören mussten, wäre ich eine schlechte Tochter. Ich weiß, wie merkwürdig für einige das klingen mag. Aber das ist Ausdruck meiner Liebe und Dankbarkeit.

    Nicht nur das, es ist das, was mir dabei hilft, mit den Schwierigkeiten des Lebens klar zu kommen. Zu wissen, dass ich eine Aufgabe übernommen habe, die letztendlich auch mir nutzt, ist eine große Motivation und sogar ein Grund für Heiterkeit und Entspannung. Denn es impliziert, dass ich an einigen Punkten scheitern könnte, ohne dass es mich beunruhigen müsste. Vor allem befreit das von Vorwürfen und Selbstvorwürfen. Scheitern ist so kein Makel, sondern einfach ein Fehlversuch … auf ein Neues!


    Ich möchte noch anfügen, dass ich nicht möchte, dass das jetzt so gelesen wird, dass statt körperlicher Misshandlung psychische Folter gemeint ist, also Sadismus usw. An dieses Extrem denk ich nicht. Mir geht es um die Übertragung all dieser "kleinen und größeren Ungereimtheiten", Neuröslein, unangemessener Ängste usw. anhand derer die Übertragung von Gewalterfahrung stattfinden kann. Auch das ist wiederum kein Makel, kein Vorwurf, kein Grund für schlechtes Gewissen, kein Versagen o.ä., sondern immer nur als Ansporn gemeint die Wunden zu betrachten und zu heilen. So wie ein gut genährtes Huhn auf einer Wiese herumläuft und nach Körnern und Würmern Ausschau hält – entspannt und froh, wenn eines gefunden wird.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • doris:


    mirco hat dich angesprochen, du ihn nicht.
    muss ja auch nicht.
    aber ist es dein thema: gewalt ? trauma. therapie.scheitern.mut.hoffnung.aufrichtigkeit.suizid-wünsche.all das...
    wenn nicht...


    nun gut---ist ja nur ein forum :roll:


    warum steigerst du dich da immer so rein, doris ?

  • Liebe Doris, ich nenne diese Motivation den Teufelskreis nicht weitertragen "das Karma durchbrechen" :D
    Ich verstehe und fühle das alles was du beschreibst, stimme dir auch zu. Es ist ein leben lang "innerer Schweinehund bändigen".


    Aber
    sind Eltern mit glücklicher Kindheit besser? Sind die nicht auch schon mal wütend, depressiv, genervt....
    wir sind alle nur Menschen mit unseren Fehlern und Stärken und auch das erkennt ein Kind.
    Darf man uns "verletzte Kinder" darum als potentielle Gewalttäter bezeichnen?
    Ist der entscheidende Wandel im Teufelskreis nicht doch die Erkenntnis?
    Hab ich das Leiden erkannt dann finde ich auch den Weg aus dem Leiden heraus ;) sagt der Buddha. Intersein, alles ist abhängig vom Anderen und mit dem Anderen verbunden.
    Stelle ich fest ich leide dann kann ich es bereits benennen und die Ursache vom Leiden finden. Kenne ich die Ursache dann sehe ich den Weg aus dem Teufelskreis heraus.
    Dazu braucht es noch nicht mal einen buddhistischen Lehrer, das macht bereits der Buddha in mir.
    Ich habe sehr früh erkannt was abgeht, ich erinnere mich sehr weit zurück in meine Kindheit. Und ich habe schon sehr früh damit begonnen, dieses Muster zu durchbrechen.
    Natürlich ist das nicht weg, das wird nie weg sein. Das haben wir erlebt und darum gehört das zu uns. Nur kann man damit anders umgehen ohne das weiterzugeben. Das haben deine Eltern sehr gut gemacht.
    Auch Menschen mit glücklicher Kindheit, mit glücklichen Eltern, geraten schon mal auf die schiefe Bahn, die sind nicht besser als wir.

  • lieber Mirco,
    ich kenne diese Eltern von denen ich sprach sehr gut, sie sind total offen, 'tragen ihr Herz nach außen' könnte man sagen.
    Sie brüllen schon mal rum wenn die Rasselbande zu doll tobt und nervt aber sogar das Rumbrüllen klingt bei denen herzlich.
    Da geschieht nichts hinter der verschlossenen Tür, ganz sicher nicht, die Kinder sind fröhlich und rotzfrech aber auch voll Mitleid mit anderen Lebewesen und sehr hilfsbereit.
    Am Verhalten der Kinder erkennen wir schnell ob was nicht stimmt in der Familie, gerade weil unsere Sinne geschärft sind.

  • Lieber Friede,


    bestimmt haben Eltern mit glücklichem Hintergrund auch so ihre Macken. :D
    Vielleicht ist ihre Basis aber sicher, so dass diese Dinge weniger verunsichernd auf die Kinder wirken? Ihre Klarheit ist sichtbar. Die Unklarheit, die Unsicherheit von Eltern, die nicht in so sicheren Verhältnissen aufgewachsen sind, drückt sich aus – wobei die Ausdrucksmittel dieselben sein können, ein Wutausbruch z.B. Das ist subtil. Ich kenne die Erfahrung, dass ein und dieselbe Reaktion bei zwei Menschen ganz unterschiedlich rüberkommen kann (natürlich impliziere ich auch, dass es meine Rezeption sein könnte, die jeweils unterschiedlich sein mag) – beim einen empfinde ich sie als "geerdet", beim anderen habe ich den Einruck, dass da noch was anderes dahinter steckt. Drück ich mich im Vagen klar aus?


    Ich schrieb ja, dass ich die Aussage des Lehrers eher als Appel der Dringlichkeit denn als differenzierte Feststellung lese. Der ist sicher kein Psychologe, Pädagoge oder so was, sondern ein buddhistischer Lehrer und geht damit von seinen Lehren aus. Deshalb würde mich seine Aussage nicht treffen oder verstören. Es gibt da etwas, das ich auch schon oft gehört und gelesen habe, von dem ich früher auch neigte das als maßlos übertrieben einzuordnen: "Ein Moment des Zorns kann ein ganzes Leben der Übung vernichten." Das klingt so unrealisitsch, drohend, diskriminierend … Bei genauer Betrachtung muss ich jedoch sagen, dass es stimmt.


    Jetzt sagst Du, dass Du die Muster schon sehr früh erkannt hast. Genau das meinte ich auch in den obigen Posts, dass da schon früh eine innere Auseinandersetzung geschehen ist. Und sicher gab es Einflüsse von außen, die das bestärkt haben, Menschenkinder haben für gewöhnlich nicht nur ihre Eltern als Kontaktpersonen. Auch reagiert jeder Mensch anders auf äußere Einflüsse, wir sind Individuen. Meine Schwester ist ein ganz anderer Typ als ich.


    Wie was durch was und welche Faktoren beeinflusst wurde, ist für mich bis in die letzten Ecken nicht erkennbar. Kann ich nicht bei mir und schon gar nicht bei anderen. Ich gehe aber davon aus, dass kaum ein Einfluss über die Generationen hinweg verloren geht. Manche Kleinigkeiten sicher, z.B. wenn sie keine Regelmäßigkeit erfahren oder nicht auf fruchtbaren Boden fallen, wie es so schön heißt. Nennt TNH das nicht "Samen"? Manche Kleinigkeiten brauchen Jahre bis sie keimen. Manche großen Dinge fallen auch auf unfruchtbaren Boden, manche keinem erst später, wenn andere Bedingungen hinzukommen. Manches was keimt, verblüht ohne sich weiter zu vermehren, manchen samt aus. Da ich mich und mein Leben als etwas betrachte, das Samen empfängt und zum keimen bringen kann, aber auch Samen ausstreut, die heute oder erst in hundert Jahren keimen mögen, ist es für mich wichtig, die kleinen Dinge genau zu betrachten, da ich heute nicht weiß, was ihre Wirkung morgen sein wird. Um zu wiederholen: Meine Eltern haben mit dem Schaufelbagger die großen Hindernisse beseitigt, einen Boden geschaffen, auf dem ich sicher aufwachsen konnte. Mein Job ist es nun, die kleinen Steinchen und Unkrautsamen herauszupicken (ein pathetisches Bild, zugegeben :D )


    Aus diesem Grund habe ich überhaupt kein schlechtes Gewissen, und fühle mich nicht angegriffen, wenn ich so was höre. Die Dinge haben sich in unzähligen Generationen aufgebaut, und jede Generation kann nur so viel wegschaffen, wie es ihre Lebenszeit, ihre Kraft und ihre Umstände zulassen. Kein Grund für niemanden sich Vorwürfe zu machen, zu grollen u. Ä. Aber viel Grund um sich mit Verve in die Arbeit zu stürzen, also einfach machen und sich nicht irritieren lassen. Also, kein schlechtes Gewissen, sondern die eigene Lebensleistung erkennen und den Weg weitergehen. Bei mir führt das immer mehr dazu, dass ich Achtung bekomme vor dem, was jeder Mensch so zu leisten vermag, selbst in grandiosem Scheitern.


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.