S.12.15. Der Sproß aus dem Hause Kaccāyana - 5. Kaccānagotta Sutta

  • Zitat

    1. Ort der Begebenheit: Sāvatthī.


    2. Und es begab sich der würdige Sproß aus dem Hause Kaccāyana [27] dorthin, wo der Erhabene sich befand. Nachdem er sich dorthin begeben und den Erhabenen ehrfürchtig begrüßt hatte, setzte er sich zur Seite nieder.


    3. Zur Seite sitzend, sprach dann der würdige Sproß aus dem Hause Kaccāyana zu dem Erhabenen also: "Rechte Einsicht, rechte Einsicht, Herr, sagt man. In wie weit, Herr, gibt es nun rechte Einsicht?"


    4. "Auf zweierlei (Möglichkeit) kommt, Kaccāyana, diese Welt zumeist hinaus [28], auf Sein und auf Nichtsein.


    5. Für den nun, Kaccāyana, der den Ursprung der Welt der Wirklichkeit gemäß mit richtigem Verständnis betrachtet, gibt es das nicht, was in der Welt ,Nichtsein' (heißt); für den aber, Kaccayana, der die Aufhebung der Welt der Wirklichkeit gemäß mit richtigem Verständnis betrachtet, gibt es das nicht, was in der Welt ,Sein' (heißt).


    6. Durch Aufsuchen, Erfassen und Dabeiverbleiben [29] ist ja, Kaccāyana, diese Welt zumeist gefesselt. Wenn nun jemand [30], Kaccāyana, dieses Aufsuchen und Erfassen, das Wollen des Denkens, sein Eindringen und Darinbeharren nicht aufsucht, nicht erfaßt, nicht dazu den Willen hat in dem Gedanken: es ist in mir kein Ich [31], - und wenn er dann daran, daß Leiden alles ist, was entsteht und Leiden alles ist, was vergeht, nicht zweifelt und kein Bedenken hat und infolge seines ausschließlichen Vertrauens [32] schon das Wissen hiervon besitzt - in so weit, Kaccāyana, gibt es rechte Einsicht.


    7. ,Alles Ist', das, Kaccāyana, ist das eine Ende. ,Alles ist nicht, das ist das andere Ende. Diese beiden Enden vermeidend, verkündet in der Mitte der Tathāgata seine Lehre:


    8. Aus dem Nichtwissen als Ursache entstehen die Gestaltungen; aus den Gestaltungen als Ursache entsteht das Bewußtsein usw. usw. Auf solche Art kommt der Ursprung der ganzen Masse des Leidens zu stande. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung des Nichtwissens folgt Aufhebung der Gestaltungen; aus der Aufhebung der Gestaltungen folgt Aufhebung des Bewußtseins usw., usw. Auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zustande."

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    [27] Kaccāyanagotta ist einfach Umschreibung des Familiennamens Kaccāyana = skr. Kātyāyana.

    [28] Der Buddha will darlegen, daß die Alternative atthitā und natthitā zwei Extreme bedeutet, zwischen denen die Wahrheit liegt. Der Kommentar, II. S. 41-2 v. n. erklärt dvayam nissito durch dve kotthāse n.; unter ayamn loko yebhuyyena "diese Welt zumeist" versteht er die große Masse der Menschen, mit Ausnahme der ariyapuggalā, die der buddhistischen Lehre folgen.

    [29] Ich lese mit Buddhaghosa und einem Teil der Handschriften vinivesam statt abhinivesam. Es wird dadurch vermieden, daß im folgenden (cetaso adhitthānam abhinivesānusayam) der gleiche Ausdruck wieder gebraucht wird.

    [30] P. ayam "dieser". Der Kommentar umschreibt es mit ayam ariyasāvako "dieser Buddhajünger".

    [31] Es ist natürlich atta na me ti zu trennen. Der Herausgeber des Textes hat das nicht gesehen.

    [32] P. aparappaccayā, nämlich zu dem Buddha und zu seiner Lehre. Zu meiner Übersetzung veranlaßt mich die Wendung aparappaccayo satthu sāsane "ausschließlich sich verlassend auf (glaubend an) die Lehre des Meisters". Dīgha I.148, II.41, 43ff.; Majjhima I.491; Vinaya I.12 usw.

    Samyutta Nikaya 12.11-20


    Im ersten Schritt wäre ich dafür, den Aufbau, die Struktur des Suttas zu klären.

    • Offizieller Beitrag

    Ich sehe da folgenden Aufbau:


    Zitat

    A) räumlicher und zeitlicher Kontext der Fragestellung:

    1. Ort

    2. Kontext


    B)Fragestellung

    3. Fragestellung: "Was ist rechte Einsicht?"

    4. Normalerweise kommt man auf "Sein" und "Nichtsein"

    5. In der rechten Einsicht kommt man nicht auf "Sein und "Nichtsein"


    C) Analyse

    6. Was ist rechte Einsicht.

    7. Inwieweit folgt daraus nicht "Sein" oder "Nichtsein"


    D) Einordnung im Kontext der Lehre:

    8. In welchem Zusammenhang steht dies zur Enstehung und der Aufhebung des Leides.


    Der zentrale Punkt ist für mich 6.

  • Helmut


    Über einen Aufbau zu reden, da fängt das mit der Leerheit ja schon an. Ist diese Lehrrede nun aus Teilen aufgebaut oder nicht ;)?


    Was man gut sagen kann ist, dass die Frage nach der rechten Einsicht mitHilfe der Kennzeichnung der gemeinen (für mich: "normalsozialisierten") Sicht versucht wird zu klären. Das geht von 4 bis 6 (erster Satz nur).


    Erster Satz von 6 ist klärungswürdig. Dazu möchte ich diesen Satz aus Anguttara Nikaya IV.41-50 posten:


    Zitat

    Das aber verkünde ich, o Freund: in eben diesem klafterhohen, mit Wahrnehmung und Bewußtsein versehenen Körper, da ist die Welt enthalten, der Welt Entstehung, der Welt Ende und der zu der Welt Ende führende Pfad.«


    7 ist die Konsequenz (die überwundene normalsozialisierte Sicht)


    8 ist die Lehre mit der Konsequenz zur Bedingung

  • Rest von 6 ist zum Einen Antwort auf die Frage "in wie weit" es rechte Einsicht gäbe. Das ist einerseits die unerschütterliche Einsicht in die Vergänglichkeit aller Gestaltungen. Andererseits ein entsprechendes Bemühen. Ist beides, kann man von rechter Einsicht sprechen.


    Zum Anderen lese ich 6 auch als direktere Ansprache des Willens von Kaccāyana. Eine Art Motivation.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat

    Für den nun, Kaccāyana, der den Ursprung der Welt der Wirklichkeit gemäß mit richtigem Verständnis betrachtet, gibt es das nicht, was in der Welt ,Nichtsein' (heißt); für den aber, Kaccayana, der die Aufhebung der Welt der Wirklichkeit gemäß mit richtigem Verständnis betrachtet, gibt es das nicht, was in der Welt ,Sein' (heißt).


    Nach einer Sicht ist das nicht onotolgisch gemeint, sondern im Bezug auf die philosophischen Extreme des Essentialismus und Nihilismus:

    The notion of existence (atthita) is eternalism (sassata); the notion of nonexistence (natthita) is annihilationism (uccheda). Spk-pt: The notion of existence is eternalism because it maintains that the entire world (of personal existence) exists forever. The notion of nonexistence is annihilationism because it maintains that the entire world does not exist (forever) but is cut off.

    In view of these explanations it would be misleading to translate the two terms, atthita and natthita, simply as “existence” and “nonexistence” and then to maintain (as is sometimes done) that the Buddha rejects all ontological notions as inherently invalid.


    The Buddha’s utterances at 22:94, for example, show that he did not hesitate to make pronouncements with a clear ontological import when they were called for. In the present passage atthita and natthita are abstract nouns formed from the verbs atthi and natthi. It is thus the metaphysical assumptions implicit in such abstractions that are at fault, not the ascriptions of existence and nonexistence themselves.

    Während eben Nagārjuna es ontologisch auffasst:

    In his Counsel to Kaccāna The Lord, through understanding Both existent things and nonexistent things, Has rejected both the views: "this is" and "this is not."

    Bei ihm werden nicht zwei philosophische Positionen abgelehnt sondern unser ganz alltägliches Verständnis von Sein und Nichtsein.

  • Nach einer Sicht ist das nicht onotolgisch gemeint, sondern im Bezug auf die philosophischen Extreme des Essentialismus und Nihilismus:


    Nach meiner Sicht geht es hier auch weniger um Dinge oder Phänomene (wie schonmal geschrieben, die sind implizit mit drin) aber auch nicht in Bezug auf philopops äh philosophische Extreme, sondern reale Ansichten, die die meisten normale Menschen pflegen. Dass sie nach dem Tod Ewiges und dazu zumeist noch so gedacht himmlisches Dasein erfahren werden, oder mit dem Tod die Möglichkeit aller künftigen Erfahrung ausgelöscht ist.


    Diese Stelle:


    Zitat

    7. ,Alles Ist', das, Kaccāyana, ist das eine Ende. ,Alles ist nicht, das ist das andere Ende. Diese beiden Enden vermeidend, verkündet in der Mitte der Tathāgata seine Lehre:


    ist auf die Ansichten der einfachen Menschen, die einen entsprechend vagen Begriff von "Alles"

    Zitat

    *

    auch haben, bezogen. Es ist damit Bewusstsein gemeint, das sich seiner selbst weniger bis nicht bewusst ist (was insbesondere bei den Vorstellungen nocheinmal extremer ist, wie ich finde. Man tagträumt ja, weil man vergisst, dass es nur Vorstellungen sind). Das heisst, es wird in den Daseinserklärungen nicht der Sinneseindruck vorausgesetzt, sondern der bedingt schon interpretierte Inhalt des Sinneseindrucks. Also die so gesehene und gedachte Sache, die eben für einen ist. Und gemeinsam mit vielen anderen ist. Von denen es einige letztlich so gemacht haben, dass ein Mensch und damit Wahrnehmung und Bewusstsein so oder so abhängig und bedingt natürlich durch eine entsprechende Welt undsoweiter existieren kann.


    Von dieser Ansichtsart über "Alles" [was ist oder nicht (mehr) ist] gelöst, hierauf also nicht aufbauend, wird die Lehre präsentiert. Es wird nicht von konkreten Personen gesprochen die in untrennbarer und gesetzmässiger Abhängigkeit (zu anderem) bestehen oder auf eine andere gesetzhafte Weise bestehen. Auch wird nicht davon gesprochen, dass Personen nicht bestehen (wie auch immer man sich das denken kann, dass sie auf eine Weise sicher nicht bestehen) würden.


    Es wird nicht von einem Universum gesprochen, was etwas hervorbringen soll, es wird aber auch nicht negiert. Es wird nicht von einer Welt gesprochen, die etwas, dadurch dass sie ist (und damit allein zumeist schon "inhärent" gedacht) hervorbringen soll, sie wird aber auch nicht negiert. Die Entstehung des Leids wird nicht mitHilfe eines hervorbringenden Gottes begründet, es wird ein solcher aber auch nicht verneint.


    Sich weder auf eine Bejahung (durch Aufnahme des Begriffs schon in einer Begründung) noch auf eine Verneinung (nur) der Bewusstseinseindrücke, die der einfach gestrickte Mensch für Dinge an sich hält (und nicht erstmal für einen Sinneseindruck, und damit Bewusstsein)* stützend wird die Entstehung des Leides in Abhängigkeit erklärt. Und damit auch das Entstehen und die Wandlung von den Wesen und Lebewesen und Personen.


    Gerade in einem buddhistischen Forum ist es mir aber lieber, statt von Personen über die Entstehung von Gewohnheiten zu sprechen. Das ist noch einigermassen allgemeinerverbindlich kategorisierbar. Darüber kann man eher reden als von Personen, von denen eh jeder eine andere Ansicht hat. Vor allem auch wie und warum die so sind, wie die sind. Wer bist denn Du? Oder wer soll ich sein? Das ist doch absurd. Klar benennen kann man doch nur Vorstellungen, Erinnerungen, Wünsche, Ablehnungen, ein Gefühl, eine halbwegs konstante, ausgeglichene Palette an Gefühlen. Das Aussehen eines Körpers. Mit dem Begriff der Person kannst du nicht eine grosse Lehre begründen. Vor allem, wenn mit eben der das grundsätzliche so begründen wollen, und bedingt auch so anschauen wollen und denken erhellt werden soll.


    ----


    *Der Begriff von "Alles" für ein richtiges Verständnis meint und bezieht sich auf die Gruppen des Anhaftens. Ich hoffe die Aussage passt so, ich weiß leider nicht die Lehrredenbezeichnung wo das vorkommt. Das passiert mir immer wieder obwohl die Stelle so wichtig ist :roll:

    • Offizieller Beitrag

    Während ein Kennzeichnet der Welt ja ihre Vergänglichkeit und das Wechselspiel der Faktoren ist, versucht das Denken dies zu verdinglichen und mit Etiketten zu versehen. Und wird darin der Wirklichkeit leidhaft nicht gerecht - eben weil die Etiketten als trügerisch scheitern.


    Wenn Buddha sagt "Durch Aufsuchen, Erfassen und Dabeiverbleiben ist ja, Kaccāyana, diese Welt zumeist gefesselt" dann beschreibt er für mich diesen Prozess. Und erst in diesem Prozess erscheinen dann eben das "der Fall sein" und "Nicht der Fall sein", mit dem bestimmte Etiketten als zutreffen gesehen werden oder eben nicht. So " ich erkenne das Phänomen der Kategorie 'Hund' " oder " erkenne kein Phänomen der Kategorie 'Hund' " das dann - die eigene Wahrnehmung voraussetzten und unsichtbar machen zu einem "Da ist ein Hund" oder "Da ist kein Hund" verkürzt wird. Das ist so die Genese von Sein und Nicht-Sein als Denkkategorien. Und was Buddha sagt, ist dass es eben nur Denkkategorien sind. Und das Sein/Nicht sein hier auftaucht. Während die Wirklichkeit von der sue einen Teilaspekt durchaus funktionierende abbilden, ja viel komplexer und fließender sein kann.


    Für mich sind "Sein" und "Nicht-Sein" hier also nichts abstraktes und such nichts ontologischen sondern eine Verallgemeinerung dessen, dass jemand dich denkt "da ist X" oder "da ist X nicht".


    Von daher denken wir da glaube ich nicht so verschieden, oder?

  • Es ist gut damit sich ausführlich zu befassen.


    Es geht um "rechte Einsicht", was ja die Eingangsfrage ist. Was ist rechte Einsicht.

    Am Ende wird das nochmal zusammengefasst und als rechte Einsicht dargestellt -

    Zitat

    8. Aus dem Nichtwissen als Ursache entstehen die Gestaltungen; aus den Gestaltungen als Ursache entsteht das Bewußtsein usw. usw. Auf solche Art kommt der Ursprung der ganzen Masse des Leidens zu stande. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung des Nichtwissens folgt Aufhebung der Gestaltungen; aus der Aufhebung der Gestaltungen folgt Aufhebung des Bewußtseins usw., usw. Auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zustande."


    Es geht um Sein oder/und Nicht-Sein - wie ja schon Hamlet sich dieser Frage gestellt hatte und daran zugrunde gegangen ist.

    Von den Ursachen und dem Ursprung her betrachtet gibt es Sein - und das bezeichnet Buddha als "die ganze Masse des Leidens" und das sind auch alle Phänomene - die Gestaltungen, die aus der Unwissenheit als Ursprung in Erscheinung treten. Und dies verschwindet - ist also Nicht-Sein - wird durch die Aufhebung des Nichtwissens ausgelöscht ......


    Das Wissen bzw. Nichtwissen bedeutet das Wissen des bedingten Entstehens und Vergehens, d.h. shunyata.

    Aufgrund des bedingten Entstehens und Vergehens sind nicht nur alle Phänomen leer, sondern auch dukkha ist leer und da es nichts gibt, was davon ausgenommen ist, bedeutet es, dass "rechte Einsicht" dieses shunyata ist - ich kann über die Existenz oder Nicht-Existenz von Phänomenen nur aussagen, dass ICH die Phänomene/Gestaltungen bin, also kann ich darüber nichts aussagen.

    Die Phänomene sind gestaltlos und ihre Gestalt ist bedingt durch die Gestalt meines Bewusstseins, meiner Wahrnehmung, Gefühls etc. - insofern ist rechte Einsicht , wenn diese Einsicht "die ganze Masse des Leidens" auslöscht.

    :zen:

  • Sein und Nichtsein oder alles ist, alles ist nicht - das sind fesselnde Ansichten die entstehen durch Aufsuchen, Erfassen und Dabeiverbleiben, Wollen des Denkens, Eindringen und Darinbeharren.


    Die bedingte Entstehung ist keine Ansicht - wer sie der Wirklichkeit gemäß betrachtet hat nicht die Ansicht des Nichtseins, wer ihre Aufhebung betrachtet hat nicht die Ansicht des Seins.
    Sein hängt ab von den Bedingungen des Entstehens. Wer diese erkennt und erkennt dass es dukkha ist, hat rechte Einsicht.


    Das sagt diese Lehrrede im Allgemeinen für mich aus.

  • Während ein Kennzeichnet der Welt ja ihre Vergänglichkeit und das Wechselspiel der Faktoren ist, versucht das Denken dies zu verdinglichen und mit Etiketten zu versehen. Und wird darin der Wirklichkeit leidhaft nicht gerecht - eben weil die Etiketten als trügerisch scheitern.


    Gemeinhin nimmt man die Gegenstände (Dinge, Phänomene, Gestaltungen) eben an, und achtet dabei nicht bewusst aufs Gefühl und auch nicht bewusst auf den Gegenstand in dem Wissen darum, dass zB seine Farben geistkonstruiert sind. Man nimmt zB bei vertrauten Gegenständen das vertraute Gefühl (wenn diese Gegenstände in der Wahrnehmung auftauchen) so angewöhnt als gegeben an. Man nimmt das aufkommende Gefühl unbewusst als zum Gegenstand gehörend. So ist der Gegenstand dann mein (auch wenn er nicht sich nicht in einem rechtlichen Besitz befindet, sondern vielleicht einfach nur ein vertrauter Baum vor der Haustür ist).


    MitHilfe von Konzentration, also Vertiefung, Erwägen, Denken, ist so ein weniger bewusstes Anschauen der Gegenstände erkennbar. Auf der anderen Seite kann man den Fehler der Anschauung auch weiter denken, und zB auf die Idee kommen, dass keine Wahrnehmung wäre, gäbe es keine Sonne und auch keinen Planeten Erde. Man begründet dann so: Ich lebe ja nur deswegen, weil es die Sonne und auch einen lebensfreundlichen Planeten gibt, auf dem sich aufgrund seiner Eigenart Leben entwickelt hat.


    Solche Etiketten sind trügerisch, andere wieder hilfreich. Das kennt man vielleicht auch aus dem Alltag. Bestimmte Etikettierungen sind trügerisch und falsch. Und Denken, Reflektieren, Erwägen ist eigentlich dazu da, ein Trugbild (eine falsche Anschauung) zu durchdringen.


    Wenn Buddha sagt "Durch Aufsuchen, Erfassen und Dabeiverbleiben ist ja, Kaccāyana, diese Welt zumeist gefesselt" dann beschreibt er für mich diesen Prozess. Und erst in diesem Prozess erscheinen dann eben das "der Fall sein" und "Nicht der Fall sein", mit dem bestimmte Etiketten als zutreffen gesehen werden oder eben nicht. So " ich erkenne das Phänomen der Kategorie 'Hund' " oder " erkenne kein Phänomen der Kategorie 'Hund' " das dann - die eigene Wahrnehmung voraussetzten und unsichtbar machen zu einem "Da ist ein Hund" oder "Da ist kein Hund" verkürzt wird. Das ist so die Genese von Sein und Nicht-Sein als Denkkategorien.


    Man kann dann um die Verkürzung wissen oder davon nicht wissen. Unabhängig davon: der Bewusstseinseindruck "Hund" ist in dem Moment da. Das kann einerseits ein bewussteres Bewusstsein sein, andererseits ein unbewussteres. Im zweiten Fall versteht man "Hund" nicht eher als Begriff für ein bestimmtes Bewusstsein (eigenes oder fremdes - Hundbewusstsein), was ziemlich verschieden von anderem Bewusstsein über einen Hund sein kann, weswegen man sich dann auch erbittert darüber streiten kann, was denn nun ein Hund wäre.


    Eine Sache die man eher nicht macht, wenn einem klar ist, dass man über Bewusstsein spricht und dass damit die Welt eben grundsätzlich so vage erscheint (weswegen man nicht streiten braucht), dass man sie beständig bedeuten und neu bedeuten muss.