Tja, lieber mukti, wie ich schon sagte, diese spitzfindige Metaphysik ist der konkreten Praxis eher abträglich.
Dann geht es also um eine konkrete Praxis, die zu einer unmittelbaren Erfahrung führt, was das Ich ist.
Da ist zunächst die Anatta-Lehre, die besagt dass Körper und Geist kein Ich sind und dass außerhalb von Körper und Geist auch kein Ich oder Selbst ist. Das lässt sich auf verschiedene Weise theoretisch nachvollziehen, z.B.: Körper und Geist sind Objekte der Wahrnehmung, was ich wahrnehme, kann ich nicht sein. Das was wahrnimmt ist das was wahrnimmt, ebenfalls kein Ich. Das Ich kann also nur eine geistige Gestaltung sein.
So ergibt sich ein Verständnis, ein Konzept, eine rechte Ansicht, die aber wiederum nur eine geistige Gestaltung ist. Da lässt sich weiterdenken, abwägen, vergleichen, logische Schlüsse ziehen, assoziieren, differenzieren und diskutieren, aber das sind alles geistige Tätigkeiten, keine unmittelbare Erfahrung des Ich, nur die Erfahrung des Verstehens. Das Ich, die primäre geistige Gestaltung, müsste doch direkt der Wahrnehmung zugänglich sein?
Tatsächlich wird das Ich auf vielfältige Weise wahrgenommen. Es gibt verschiedene Vorstellungen davon, was man ist und darstellt. Etwa in Bezug zur Stellung in der Gesellschaft, da ist das Ich vielleicht ein Straßenkehrer oder ein Bundespräsident, in Bezug zur Verwandtschaft ist vielleicht ein Vater, eine Mutter, ein Onkel, in Bezug zu einer geliebten Person ein Liebhaber. Es ist stark, schwach, groß, klein, gut angezogen, reich, arm, faul, fleißig, intelligent, dumm, unzählige, direkt wahrgenommene, sekundäre Ich-Manifestationen, die alle aus einer primären Ich-Manifestation entstehen: 'Ich bin der Körper, ein menschliches Wesen.'
Da mag gleich wieder der Verstand rattern: Natürlich bin ich ein Mensch, das Ich existiert, aber bedingt und nicht unabhängig, das Individuum bleibt nach dem Erwachen bestehen, so und so ist die Lehre zu verstehen... die direkte Wahrnehmung geht verloren. Die ist aber ganz einfach:
Ich bin Körper/Geist, das ist ein geistiger Eindruck, Objekt der Wahrnehmung. Mit dem Verständnis, der rechten Ansicht, dass Körper und Geist kein Ich sind und dass außerhalb von Körper und Geist auch kein Ich ist, lässt sich dieser geistige Eindruck nun wahrnehmen: Da sind diese körperlichen und geistigen Phänomene, zusammengesetzt zu einem Menschen. Und da ist etwas, das diese Phänomene zu einem Ich macht. Was ist das für eine Kraft, lässt sie sich wahrnehmen?
Das ist bereits ein ziemlich langer Text, also nur mehr die kurze Antwort auf diese Frage: Unwissenheit und Begehren. Wie sie das Ich entstehen lassen ist wahrnehmbar und die vollständige, unmittelbare Erfahrung stellt sich am Ende des achtfachen Pfades ein.