Dharmapraxis im Alltag

  • Dharmapraxis im Alltag:


    Etwas weniger wie eine Stunde war ich eben unterwegs:


    1. Ein Mann kam plötzlich etwas aggressiv auf mich zu und sagte plötzlich laut und unfreundlich: "Hallo!" . Ich stoppte, in der Annahme, er wollte nach dem Weg fragen.

    Stattdessen: Haben Sie etwas Kleingeld. Ich verneinte.


    2. Meine Frau hat bei einem Laden, der sich noch vor kurzem "Intersport" nannte, heute morgen 2 Therabänder bestellt.

    Ich war irritiert. Denn den Laden gab es unter dieser Firmierung nicht mehr. Stattdessen stand dort: "Sportgreen".

    Ich fragte nach, ob ich hier richtig sei. Die Verkäuferin: "Ja, das sind sie. Wir haben wegen der Nachhaltigkeit nur unseren

    Namen geändert. Alles andere ist gleich geblieben." Ich überlegte noch ob ich fragen sollte, was diese Namensänderung

    mit Nachhaltigkeit zu tun hätte, aber auf eine Diskussion wollte ich mich nicht einlassen". Auch weil die Verkäuferin

    wohl nicht die Eigentümerin des Ladens war.


    3. Eine Joggerin kam mir auf einem engen Fußweg neben der Straße entgegen. Ich machte Platz und sie schenkte mir dafür

    ein Lächeln.


    4. Beim Supermarkt an der Kasse, die nächste Gelegenheit, "Dharma zu praktizieren". Eine ältere Frau hatte nur zwei

    Gegenstände in ihrem Korb. Mein Korb war voll. Ich fragte sie, ob sie vor mir bedient werden möchte. Sie bedankte sich

    und war sichtlich erfreut. Nachdem sie alles eingepackt hatte bedankte sie sich nochmal und sagte zur Verkäuferin

    "Der junge Mann da hat mich gerade vorgelassen!". Antwort der Verkäuferin: "Aha!" :grinsen:


    Bei all diesen Gelegenheiten habe ich meine Achtsamkeit (im Nachhinein) auf meinen Geist gerichtet: "War dort nicht doch etwas zu

    viel Ego im Spiel?" Hätte ich doch die Geldbörse rausholen sollen und dem Mann was geben sollen? Oder eine

    Diskussion über Nachhaltigkeit beginnen sollen?


    Es ist immer wieder spannend, welche Möglichkeiten der Alltag bietet, Dharma zu praktizieren (auch wenn jeder hier

    darunter wahrscheinlich etwas anderes versteht) aber ich möchte bitte keine theoretischen Diskussionen über Definitionen in diesem Thread.


    Wenn ihr möchtet könnt ihr gerne von Eurer Dharmapraxis m Alltag berichten, so wie ihr es versteht. Interessant wäre es, wenn

    ihr Eure Berichte auf den heutigen Tag beschränken würdet, weil die Erinnerung daran noch ganz frisch ist. :)

  • Lieber Sherab, das ist ein schönes Thema.


    Heute früh begegnete mir ein normal aussehender junger Mann, der mir "Hallo" nachrief. Ich sagte auch "Hallo" und dachte er wolle nach dem Weg fragen. Er sagte "ich habe kein Geld, ich habe Hunger". Sah auch nicht so aus als wäre er auf Drogen. Ich habe ihm 5 Euro gegeben und er dampfte mit vielen Glücks- und Dankenswünschen (ich glaube auf polnisch) ab in Richtung Schnellimbiss. Ich denke er hatte wirklich Hunger und kein Geld.


    Im Supermarkt lasse ich sowieso immer alle vor die es eilig haben oder mit quengelnden Kindern unterwegs sind, und meistens bedanken sie sich auch dafür.


    Heute habe ich in Immowelt nach einer neuen Wohnung in meiner Stadt gesucht und gefunden, dass überall neue Wohnungen gebaut wurden. Ein reiches Angebot von Neubauwohnungen zwischen 12 und 16 Euro pro Quadratmeter. Jetzt muss ich erstmal lange meditieren. :eek: So viel zur Praxis.

    Wer kann sich mit normalem Gehalt und Familie noch eine Wohnung leisten?


    Greenwhashing hat sich hier zum Glück noch nicht als Marketingstrategie durchgesetzt. Hier leben ganz einfache Familien. Mal sehen wie lange noch.


    Seufz!!! Liebe Grüsse. minestrone

    :)

  • Heute früh begegnete mir ein normal aussehender junger Mann, der mir "Hallo" nachrief. Ich sagte auch "Hallo" und dachte er wolle nach dem Weg fragen. Er sagte "ich habe kein Geld, ich habe Hunger". Sah auch nicht so aus als wäre er auf Drogen. Ich habe ihm 5 Euro gegeben und er dampfte mit vielen Glücks- und Dankenswünschen (ich glaube auf polnisch) ab in Richtung Schnellimbiss. Ich denke er hatte wirklich Hunger und kein Geld.


    Im Supermarkt lasse ich sowieso immer alle vor die es eilig haben oder mit quengelnden Kindern unterwegs sind, und meistens bedanken sie sich auch dafür.

    Das ist für mich auch normales sinnvolles Leben. So wie mkha' das auch schreibt.

    Dharmapraxis ist für uns das ganze Leben - beginnend mit dem Denken, und der Manifestation im Reden und Handeln, ...

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Erst vor zwei Wochen hatte ich eine ähnliche Anpump-Begegnung.

    Dazu sollte iche rwähnen, dass ich in Anbindung an eine kleine Stadt lebe, wo so etwas eher selten vorkommt.

    Ein junger Kerl mit Raster-Look bar mich um Geld, weil er sich eine Fahrkarte für den Zug kaufen musste, er sei nicht von hier, er hatte seinen Geldbeutel angeblich verloren und brauchte das Geld um nach Hause zu fahren.

    Der Betrag von 12 Euronen kam mir etwas hochgegriffen vor. Ausserdem meinte ich schon einmal gesehen zu haben hier in der Gegend. Er sprach mich vor meinem Auto an, welches noch das Kennzeichen meines letzten Wohnortes hatte. Das Kerlchen musste glauben, ich sei nicht von hier.

    Meine erste Empfingung war Verärgerung, weil er mich abzocken wollte. Meine zweite war Ärger über mich selbst, weil ich offensichtlich wie ein leichtes Opfer wirken musste. Dann noch einmal Verärgerung über meinen empfunden Ärger. Ja, habe ich denn so gar nichts gelernt?

    Da ich fast imer nur bargeldlos zahle, habe ich etwas in meinem Auto suchen müssen, bis ich ein 2-Euro-Stück und etwas Kupfregeld fand.

    Ich gab es ihm mit den Worten: "Ich hoffe, Du weißt, was Du tust!"

    Keine Ahnung ob er begriffen hatte, was ich meinte.

    Ich muss ziemlich hart arbeiten, um mich und meine Tiere zu erhalten, besonders, seitdem ich all meinen Besitz 2016 durch eine Umweltkatastrophe verloren habe. Ich habe nichts zu verschenken, aber ich empfinde mich auch nicht auf der Welt, um andere erziehen zu müssen.

    Es ist ja nur Geld. Ich wollte dem Kerlchen nur einen Denkanstoß geben.

    Tatsächlich sah ich ihn einige Tage später vor einem anderen Supermarkt. Ich schenkte ihm ein wissendes Lächeln.

    Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen, Vermutlich treibt er sein Unwesen in einem anderen Ort. Oder auch nicht.

    Ich bereue es nicht, so gehandelt zu haben, Diese 2 Euro plus Kupfer habe ich inzwischen mehr als 100fach durch unerwartete Großzügigkeiten anderer wettgemacht.

    Ich glaube, ich würde wieder so handeln.

    Und letztlich...es ist ja nur Geld.

    Der Horizont existiert nur im Auge des Betrachters, nicht in der Wirklichkeit

  • Hach, der Alltag. Jeden Tag nehme ich mir vor, bei der Arbeit ganz im Moment zu sein und freundlich zu allen Leuten. Klappt nur nie, ich fauche am Telefon jeden an, der die Frechheit besitzt, mich anzurufen.... leicht ist es ja, die Menschheit zu lieben, sauschwer aber, die ganzen Typen rings um mich herum...

  • Hach, der Alltag. Jeden Tag nehme ich mir vor, bei der Arbeit ganz im Moment zu sein und freundlich zu allen Leuten. Klappt nur nie, ich fauche am Telefon jeden an, der die Frechheit besitzt, mich anzurufen.... leicht ist es ja, die Menschheit zu lieben, sauschwer aber, die ganzen Typen rings um mich herum...

    Ja, auch das kann ich verstehen. Solche Phasen hatte ich auch. Bis zu dem Moment, in dem jemand am Telefon mir das vor Augen führte. Die Worte begannen mit "Meine Dame ..."

    :erleichtert:

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Wenn `meine Dame` kommt werde ich ganz ganz Achtsam....:rofl:;)_()_

  • Danke für diesen Thread, Sherry, denn er hat mir klar gemacht, dass bei mir da sehr viel Nachholbedarf in Sachen Dharmapraxis im Alltag besteht. Ich habe einen sehr stressigen und körperlich anstrengenden Job und grade während der Pandemie hat sich bei mir wohl ein gewisser "Reibeisen"-Charme gegenüber schwierigen Kunden entwickelt, vor allem jenen, die die geltenden Corona-Schutzmaßnahmen umgehen oder aufweichen wollen. Ich bin froh, dass ich nicht mit irgendwelchen buddhistischen "Insignien" rumlaufe, denn ich wäre kein gutes Aushängeschild für den Buddhismus. :nosee:


    Ich bin wohl pandemiegeschädigt und vor allem genervt, weil ich nicht verstehe, warum man sich nicht an die Regeln halten kann. In Bayern haben wir immer noch FFP2-Pflicht und ich bin angewiesen, Kunden mit FFP1-Masken - von jenen, die schon wieder mit kramphaft vors Gesicht gezogenem Hemdkragen aufkreuzen ganz zu schweigen :roll:- darauf hinzuweisen, dass sie eine FFP2 tragen müssen. Wir bieten sogar um 1,50 € FFP2-Masken an, um ihnen entgegenzukommen, wenn sie behaupten, dass sie die Maske im Auto oder zuhause vergessen hätten, aber mindestens die Hälfte lehnt beleidigt ab und das kann ich einfach nicht verstehen. Und wenn wir dann angepflaumt werden, dann rutschen mir schon Sachen raus wie "Beschweren Sie sich beim Markus (Söder) und nicht bei mir" oder "Ist es denn so schwer, die richtige Maske zu tragen? Schauen Sie sich um, Sie sind der Einzige, der es nicht schafft" :nospeak: Und auch das oben zitierte "Meine Dame..." kommt mir über die Lippen: "Meine Dame - so geht's nun wirklich nicht" (Hand statt Maske)

    Hinzu kommt noch, dass meine Kollegen und ich uns da in eine Rolle gedrängt fühlen, die wir nicht einnehmen wollen. Ich bin schließlich kein Feldwebel oder Blockwart, aber manchmal fühle ich mich so und dann werde ich noch stinkiger auf den "Verursacher". :x


    Es fällt mir da echt schwer, höflich und freundlich zu bleiben und ich weiß, dass ich da dran arbeiten muss und ich werde ab sofort verstärkt darauf achten.

  • Danke für Eure Beiträge :):hug:


    Seitdem ich auf eine Hantel getreten bin und auf dem Allerwertesten gelandet bin, spüre ich Verspannungen auf der ganzen rechten Seite, Schulter und Arm. Die üblichen konventionellen Mittelchen habe ich alle ausprobiert (kühlende Salbe, Massage u.s.w.) bzw. bin noch dabei.

    Meine Bewegungsfreiheit war so eingeschränkt, dass ich mich gestern und heute krank gemeldet habe. Meditation ging gar nicht.


    Die Herausforderungen der Dharmapraxis im Alltag zeigt sich, wenn der Alltag mal nicht so "rund" läuft, wie gewohnt. Dann bietet der Alltag auch Chancen, daran (spirituell) zu wachsen. Trotz eines schwierigen Kunden, geduldig und gelassen zu reagieren oder trotz körperlicher Probleme nicht gleich in ein negatives Gedankenkarussel zu rutschen.


    Meine Dharmatutorin gibt dazu passenderweise Ende Oktober einen Kurs zum Thema "Die Erfahrung von Schwierigkeiten als Königsweg zum Mitgefühl" (Herausforderungen als notwendiger Aspekt der Bodhicitta-Praxis).