Die Geschichte des frühen Buddhismus muss neu geschrieben werden

  • In den 1990iger Jahren fand man in Pakistan und Afganistan Birkenrinde-Schriftrollen, die sog. Gandhari-Rollen, mit sehr alten buddhistischen Texten. Aus ihnen ergibt sich zwingend eine neue Deutung des frühen Buddhismus.


    Die Hauptthesen des verlinkten Artikles sind:

    • Die überlieferten Reden im Pali-Kanon gelten vielen als von Buddha selbst stammend. (Das zeigt sich auch immer wieder in den Diskussionen hier im Forum und in der ganzen bud. Community. Da heißt es dann: "Buddha habe dies oder jenes gesagt...". ) "Diese Reden sind in großen Sammlungen überliefert, und sie erheben durchaus den Anspruch, vom Buddha selbst zu stammen, fast als wären sie Mitschnitte seiner Gespräche. Ist das denkbar und wahrscheinlich? Diese Frage ist leicht zu beantworten, und zwar mit einem ganz klaren Nein. (...) Wenn man die Handschriften vergleichend studiert, sieht man sehr schnell, dass sie das Ergebnis einer langen Redaktionsgeschichte darstellen. Die Reden des Buddha sind im Laufe der Verbreitung in Indien ständig in die Lokalsprachen und später dann auch ins Sanskrit, die Gelehrtensprache des alten Indiens, übertragen worden. (...) Damit war aber von Anfang an die Festlegung auf eine für alle Anhängerinnen und Anhänger verbindliche Fassung verhindert. Gleichzeitig haben gelehrte Mönche die Texte ständig überarbeitet und an die Bedürfnisse der jeweiligen Zeit angepasst." (Eine Randnotiz: Letzeres ist ein interesanter Fakt, der allen Kritikern eines säkularen Buddhismus zu denken geben sollte.)
    • "Aus diesen Schriften tritt uns das Bild einer lebendigen Gelehrtengemeinschaft entgegen (...). Zugleich sehen wir eine erstaunliche Vielfalt bereits zu diesem relativ frühen Zeitpunkt. Plötzlich ist die Pali-Tradition nicht mehr der einzige Repräsentant des frühen Buddhismus, sondern nur noch einer unter vielen anderen, von denen aber fast alle untergegangen sind.
    • Theravada ist gegenüber dem Mahayana wohl NICHT die jüngere, also ursprünglichere Schule. Beide werden etwa zu gleicher Zeit entstanden sein.


    Buddhistische Handschriften: Sensation auf Birkenrinde
    Bis vor zwanzig Jahren klafften für die Buddhismusforschung 600 Jahre zwischen den frühesten sicheren Spuren des Buddha und den ersten Schriftzeugnissen. Dann…
    buddhismus-aktuell.de

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Jetzt bin ich etwas angefixt und würde gerne genaueres wissen bzw. Beispiele für Parallelen und diskrepanzen.

  • Klasse! :rose: der Artikel, danke sehr, Hendrik .

    Ich erinnere vage, dass ich irgendwo aufgeschnappt hatte, dass der Buddha auf dem Dialekt gesprochen hatte, aber dieser Dialekt ist so wie mit dem Pali-Sprache für die Hochadelige verwandt war, also der Buddha benutzte die Sprache, die nichts für die einfache Leute vorgesehen wurde. Und der war von der Abstammung auch vom sehr höhem Zustand in damaligen Indien. Der Autor schlussfolgert daraus, dass man in dem ganzen Pali-Kanon wie den gemeinsamen Sprach-Stil erkennen kann, so wie den Sprach-Kode. Aber war es wirklich das, was der historische Buddha sprach, man kann nichts eindeutig bestimmen.

    LG.

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • In diesem Text von 1996 steht dass die genannten Schriften aus Gandhara 1996 vom British Museum gekauft wurden, dass sie ungefähr 600 Jahre nach Buddha entstanden und dass es sich zB um den Kanon der Sarvastivadins handelt.

    Sarvāstivāda (Sanskrit सर्वास्तिवाद sarvāstivāda; tibetisch in Umschrift nach Wylie: thams cad yod par smra ba) ist der Name einer dem Zweig der Sthaviravāda zugehörigen Schule des frühen indischen Buddhismus, die sich nach dem 3. Konzil von Pataliputta (heute Patna) ca. 253 v. Chr. aufgrund von Meinungsverschiedenheiten u. a. über das Verständnis des Abhidhamma/Abhidharma von der Schule der Vibhajjavada trennte. Der Sarvāstivāda war die bedeutendste der sogenannten Hinayana-Schulen des frühen Buddhismus und vor allem in Zentral- und Nordwestindien (heute Pakistan) verbreitet, wobei sich seine Wirkung auch auf Indonesien, China, Tibet und Japan erstreckte. Einen wesentlichen Beitrag leistete er auch zur Entstehung und Entwicklung des Mahayana.

    Und genau diesen Entwicklung sieht man da. In dem Text ist versteckt ein Link, der zu der Projektseite der LMU führt.


    Da gibt es auch was zu den Publikationen:


    Zitat

    Harry Falk und Seishi Karashima. 2012. „A First‐Century Prajñāpāramitā Manuscript from Gandhāra – parivarta 1 (Texts from the Split Collection 1).“ 創価大学国際仏教学高等研究所年報 (Annual Report of The International Research Institute for Advanced Buddhology at Soka University) 15: 19–61. Online

    Harry Falk und Seishi Karashima. 2013. „A First-Century Prajñāpāramitā Manuscript from Gandhāra – parivarta 5 (Texts from the Split Collection 2).“ 創価大学国際仏教学高等研究所年報 (Annual Report of The International Research Institute for Advanced Buddhology at Soka University) 16: 97–169. Online


    Die Prajñāpāramitā Sutras sind ja so eine ganze Gattung - von denen das Herzsutra sicher das bekannteste ist.

    In der englischen Wikipedia, dass das eine bedeutende Entdeckung ist, dass die Entstehung der Prajñāpāramitā Literatur ein ganzes Stück nach vorne verlagerte:

    In 2012, Harry Falk and Seishi Karashima published a damaged and partial Kharoṣṭhī manuscript of the Aṣṭasāhasrikā Prajñāpāramitā.[13] It is radiocarbon dated to ca. 75 CE, making it one of the oldest Buddhist texts in existence.

    Das Sutra mir nicht, aber es gibt auch dazu einen Eintrag in der Wikipedia:

    The Aṣṭasāhasrikā Prajñāpāramitā Sūtra (Sanskrit: अष्टसाहस्रिका प्रज्ञापारमिता सूत्र; English: The Perfection of Wisdom in Eight Thousand [Lines]) is a Mahāyāna Buddhist sūtra in the category of Prajñāpāramitā sūtra literature. The sūtra's manuscript witnesses date to at least ca. 50 CE, making it among the oldest Buddhist manuscripts in existence.[2][3] The sūtra forms the basis for the expansion and development of the Prajñāpāramitā sūtra literature.[4] In terms of its influence in the development of Buddhist philosophical thought, P.L. Vaidya writes that "all Buddhist writers from Nāgārjuna, Āryadeva, Maitreyanātha, Asaṅga, Vasubandhu, Dignāga, down to Haribhadra concentrated their energies in interpreting Aṣṭasāhasrikā only,"[5] making it of great significance in the development of Madhyāmaka and Yogācāra thought.

    Das wußte ich nicht. Ich hatte mir eher so gedacht, dass Nāgārjuna der Philosoph war und die Prajñāpāramitā Sutras dann

    eher dann auf ihn aufbaut, als dass er umgekehrt auf einem Prajñāpāramitā Sutra aufbaute.



    Hier noch die anderen Publikationen:


    Zitat

    Harry Falk. 2015. „A New Gāndhārī Dharmapada (Texts from the Split Collection 3).“ 創価大学国際仏教学高等研究所年報 (Annual Report of The International Research Institute for Advanced Buddhology at Soka University) 18: 23–62. Online

    Stefan Baums, Jens Braarvig, Timothy Lenz, Fredrik Liland, Kazunobu Matsuda und Richard Salomon. 2016. „The Bodhisattvapiṭakasūtra in Gāndhārī.“ In: Jens Braarvig, Hg., Buddhist Manuscripts, Volume IV, Oslo: Hermes Publishing (Manuscripts in the Schøyen Collection), S. 267–282.

    Stefan Baums, Andrew Glass und Kazunobu Matsuda. 2016. “Fragments of a Gāndhārī version of the Bhadrakalpikasūtra.” In: Jens Braarvig, Hg., Buddhist Manuscripts, Volume IV, Oslo: Hermes Publishing (Manuscripts in the Schøyen Collection), S. 183–266.

    Andrea Schlosser. 2016. On the Bodhisattva Path in Gandhāra: Edition of Fragment 4 and 11 from the Bajaur Collection of Kharoṣṭhī Manuscripts. Dissertation, Freie Universität Berlin. Online

    Harry Falk und Elisabeth Steinbrückner. 2020. “A Metrical Version from Gandhāra of the ‘Miracle at Śrāvastī’ (Texts from the Split Collection 4).” 創価大学国際仏教学高等研究所年報 (Annual Report of The International Research Institute for Advanced Buddhology at Soka University) 23: 3–42.

    Andrea Schlosser. 2022. Three Early Mahāyāna Treatises from Gandhāra: Bajaur Kharoṣṭhī Fragments 4, 6, and 11. Gandhāran Buddhist Texts, Volume 7. Seattle: University of Washington Press.

    Stefan Baums. Two Gāndhārī Commentaries on Early Buddhist Verses: British Library Kharoṣṭhī Fragments 4 and 13: Text, Translation and Glossary. (2017-05-17) Online

    Stefan Baums. A Gāndhārī Commentary on the Saṃgītisūtra: British Library Kharoṣṭhī Fragment 15: Text, Translation, Parallels and Glossary. (2018; aktualisiert 2021) Online

    Stefan Baums. Gāndhārī Stotras: British Library Kharoṣṭhī Fragment BL 5C and Bajaur Collection Kharoṣṭhī Fragment 8: Text, Translation and Glossary. (2019; aktualisiert 2020) Online

    Kelsey Martini. British Library Kharoṣṭhī Fragment 10: Description, Images, Transliteration, and Glossary. (April 2022) Online

    Gudrun Melzer. A Loan Contract from Gandhāra: Bajaur Collection Kharoṣṭhī Fragment 15. (Juni 2020) Online

    Gudrun Melzer. An Acrostic Poem Based on the Arapacana Alphabet from Gandhāra: Bajaur Collection Kharoṣṭhī Fragment 5. (2018; aktualisiert Juli 2020) Online


    Auf der Seite von Stefan Baums, der da anscheinend der Projektleiter ist, gibt es sogar einen Link wo die Texte als eBook  herausgegeben werden.

  • void . Das ist echt schwer zu sagen, was war zuerst, denn es alles ist sehr tief miteinander verflochten.



    Zitat

    Theravada

    In dem Werk „Der Weg zur Reinheit“ (Pali: „Visuddhimagga“), das Buddhaghosa im frühen fünften Jahrhundert verfasste, wird erläutert, dass Bodhisattvas, indem sie die vier unermesslichen Geisteshaltungen entwickeln, gleichzeitig die zehn weitreichenden Geisteshaltungen kultivieren können.

    Die Grundlage für die zehn weitreichenden Geisteshaltungen ist, um es mit anderen Worten zu sagen, (a) allen anderen zu wünschen, dass sie glücklich sein mögen und nicht unglücklich, indem sie frie von Feindseligkeit werden, so wie frie von Aggression und Angst, (b) ihnen zu wünschen, dass sie frei sein mögen von Leid, (c) sich an ihrem höheren Glück zu erfreuen und ihnen zu wünschen, dass es anhalten möge, (d) allen anderen gegenüber ausgeglichen zu sein, in dem Sinne, dass man nicht verwickelt oder gleichgültig wird, wenn man anderen hilft. Auf dieser Grundlage entwickeln die Bodhisattvas die zehn weitreichenden Geisteshaltungen--------

    Die 10 Vollkommenheiten in Theravada, Mahayana und Bön
    Die zehn weitreichenden Geisteshaltungen sind Geisteszustände, die Bodhisattvas zur Erleuchtung bringen. Obwohl Shravakas ebenfalls diese Geisteshaltungen…
    studybuddhism.com

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates