Das verflixte "Ich"

  • Hallo Melong,


    so, einmal muss ich Dir recht geben, denn in dem "Apfel" könnte ein Wurm sein.
    Darum schneidet man den Apfel auf, dann sieht man ob er verunreinigt ist.
    Genau so macht es ein Psychologe - er macht eine Persönlichkeit auf und zeigt die Eigenschaften (Tugenden oder Untugenden) der Person, um dann Läutern zu können.



    Auf den Punkt gebracht liegt die Kontroverse hier:

    accinca:

    Darüber hinaus gibt es entgegen dem vermeinen kein Ich, nirgends.


    melong:

    ... gibt es "ich" und "mein" ebenso wie es den "Apfel" gibt, sie erscheinen aber ebenso wie der "Apfel" trügerisch.

    [/quote]

  • Hi Freunde


    Wie glaubs jemand zuvor bereits andeutete, kann Anatta auch zur Anhaftung fuehren.


    Der Buddha hat die Anhaftung ans Nichtsein bzw. die Angst vor dem Dasein mit einem Kettenhund verglichen.


    Der Hund versucht vergebens von der Kette loszukommen, rennt dabei aber immer nur im Kreis.

    'Wenn jene lieben Asketen und Priester des lebendigen Leibes Auflösung, Zerstörung, Vernichtung darstellen, so laufen sie aus Angst vor dem Dasein, aus Abscheu vor dem Dasein eben um das Dasein herum, drehn sich herum. Gleichwie etwa ein Kettenhund an einen festen Pfahl oder Pfosten gefesselt, um eben diesen Pfahl oder Pfosten herumläuft, sich herumdreht, ebenso nun auch laufen jene lieben Asketen und Priester aus Angst vor dem Dasein, aus Abscheu vor dem Dasein eben um das Dasein herum, drehn sich herum. Aber das ist unterschiedlich, schwerfällig; und es gibt doch eine Auflösung des geistigen Gestaltens, das gibt es': In solcher Gewißheit, eingedenk dieser Entrinnung, geht der Vollendete darüber hinaus. - Brahmajala sutta


    :)

  • Da las ich gerade etwas Schönes zum Thema. (Man wird hier gesiezt ;)):


    Sogyal Rinpoche: "Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben", Erster Teil: Leben, 8. Dieses Leben: Der natürliche Bardo, S.155
    Der weise Führer
    Zwei Persönlichkeiten haben Ihr ganzes Leben lang in Ihnen gelebt. Die eine das Ich: schwatzhaft, fordernd, hysterisch und berechnend; die andere ist das verborgene, spirituelle Wesen, dessen leiser Stimme der Weisheit Sie nur selten gefolgt sind. Je mehr Sie aber den Lehren zuhören, über sie kontemplieren und sie in Ihr Leben integrieren, desto mehr wird die innere Stimme, die eingeborene Weisheit Ihres wachen Urteilsvermögens - die wir im Buddhismus "unterscheidende Weisheit" nennen - erweckt und gestärkt, und Sie lernen, zwischen ihrer Führung und den verschiedenen, lautstarken und verführerischen Stimmen des Ich zu unterscheiden. Die Erinnerung an Ihre wahre Natur beginnt zurückzukehren und Freude und Vertrauen in Ihnen zu wecken.
    Damit haben Sie tatsächlich den weisen Führer in sich selbst entdeckt. Da er Sie durch und durch kennt - schließlich ist er ja nichts anderes als Sie selbst -, kann dieser Führer Ihnen mit zunehmender Klarheit humorvoll dabei helfen, alle Schwierigkeiten, die Sie mit Gedanken und Emotionen haben, zu bewältigen. Ihr innerer Führer kann eine stets freudvolle, einfühlsame und aufmunternde Präsenz sein, die stets weiß, was das Beste für Sie ist, und die Ihnen hilft, immer neue Wege aus Ihrer Besessenheit von gewohnheitsmäßigen Reaktionen und verwirrten Emotionen zu finden. (...)
    Je öfter Sie auf diesen weisen Führer hören, desto leichter werden Sie einen verändernden Einfluss auf Ihre Emotionen gewinnen; Sie durchschauen sie und können sogar über ihre absurde Dramatik und plumpen Täuschungsmanöver lachen. (...)


    Naja, ich könnte wohl noch das ganze Buch abschreiben - es ist so toll und treffend gesagt.
    Ich kenne diese "innere Stimme" als irrsinnig leise. Kann sie nur mitten in tiefer Meditation hören und denke dann immer: "Ach was, das kann doch nicht sein. Das war ja so leise und kaum zu hören." Wenn ich mich dann aber ermutige, trotzdem einfach mal drauf zu hören und das, was mir gesagt wurde, zu machen, dann stellt sich die tiefe Weisheit dieser Worte heraus. Ich fühle mich dadurch sehr beschützt.


    (Edit: Zitatfarbe)

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


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  • Dorje Sema:

    Grüss Dich ganz recht herzlich Losang Lamo,


    http://www.scribd.com/doc/1486…sm-Us-Mind-Spirit-Deutsch


    Mit ganz lieben und herzlichen Grüssen
    Dorje Sema


    Super, Dorje Sema, genau das hab ich gesucht und nicht gefunden.
    Allerdings funktioniert die Seite bei mir nicht - ist so grottenlangsam, dass sozusagen gar nichts mehr geht.
    Naja, das hat zwei Vorteile: das Tippen hat mir ja auch gut getan und Euch ist ein ellenlanges Zitat erspart geblieben.
    Wer möchte, kann aber wohl sehr gut in diesem Link weiterlesen. :)

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Losang Lamo:

    ...
    Ich kenne diese "innere Stimme" als irrsinnig leise. Kann sie nur mitten in tiefer Meditation hören und denke dann immer: "Ach was, das kann doch nicht sein. Das war ja so leise und kaum zu hören." Wenn ich mich dann aber ermutige, trotzdem einfach mal drauf zu hören und das, was mir gesagt wurde, zu machen, dann stellt sich die tiefe Weisheit dieser Worte heraus. Ich fühle mich dadurch sehr beschützt.


    Hallo Losang Lamo,
    schönes Zitat. Darf ich da aus meiner eigenen Erfahrung etwas zu schreiben?!
    Diese "innere Stimme" zu schulen, d. h. das Ego zu ermuntern, sich in den Hintergrund zu verziehen und der inneren Stimme, dem unpersönlichen Gewahrsein, Raum zu geben, ist der einzige Weg, sie lauter vernehmen zu können. Sich ihr völlig anzuvertrauen, ist die Hingabe an die Unvermeidlichkeit des Lebens. Belohnt wird der Mut zur Hingabe und Aufgabe des eigen-sinnigen (und unwissenden) Ichs mit einem "Leben im Fluss" und dem Wegfall des Leidens am Leiden. Aufkommende Widerstände verlieren durch Ignorieren an Kraft.
    Desto stärker die "innere Stimme" zu Wort kommt, desto schwieriger wird es, sie zu ignorieren und dabei gleichzeitig zu erkennen, dass die Zuwiderhandlung unangenehme Konsequenzen hat. Und dennoch dauert es lange, ehe wahres Hören (Horchen - Ge-Horchen) stattfinden kann. Damit zu Experimentieren und den Verlauf zu beobachten, ist allein schon eine spannende Beschäftigung.
    Herzlichst Monika

  • Hallo Monika Marie,
    danke für die Darlegung Deiner eigenen Erfahrung. :) (Da werd ich noch eingehender drüber kontemplieren. Dein dickes "Unvermeidlichkeit des Lebens" versteh ich noch nicht.)


    Nur muss ich deutlich machen, dass das, was Du von mir zitiert hast, nicht mehr das Zitat von Sogyal Rinpoche ist, sondern mein eigener Senf. Das Zitat hab ich dunkelblau markiert. Vielleicht war das zu undeutlich.
    Liebe Grüße

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Losang Lamo:

    Hallo Monika Marie,
    danke für die Darlegung Deiner eigenen Erfahrung. :) (Da werd ich noch eingehender drüber kontemplieren. Dein dickes "Unvermeidlichkeit des Lebens" versteh ich noch nicht.)
    Nur muss ich deutlich machen, dass das, was Du von mir zitiert hast, nicht mehr das Zitat von Sogyal Rinpoche ist, sondern mein eigener Senf. Das Zitat hab ich dunkelblau markiert. Vielleicht war das zu undeutlich.
    Liebe Grüße


    Hallo Losang Lamo,
    ich wollte ja auch nur zu Deinem "Senf" was schreiben. :)
    Unter "Unvermeidlichkeit des Lebens" verstehe ich, das sich von Moment zu Moment entfaltende Jetzt, dem wir entweder bewusst oder unbewusst zustimmen oder das wir ablehnen. Für mich ist es das Akzeptieren dessen, was ist. Wir bilden uns ein, wir würden uns heute schon für morgen entscheiden können. Wir können Weichen stellen, aber weißt Du, ob Du morgen noch lebst oder vielleicht eine schwerwiegende Krankheit erleidest, Dein Partner Dich verlässt oder Deine Überzeugung verloren geht, was auch immer sie sein mag? Warum beschreiten wir diesen Pfad (diese Pfade)? Doch wohl um Befreiung zu finden. Und wenn wir sie nicht finden? Nach 20, 30 Jahren des Weichenstellens? Woher nehmen wir den Mut? Die Kraft? Du kannst Deinen Geist auf den erkenntnisreichen Weg ausrichten. Aber wer kann das, Deine innere Stimme? Wer oder was hat Dir diese Möglichkeit gezeigt? Und du hast auf sie ge-horcht! Hattest Du eine Wahl?
    Zu dem Text von Sogyal Rinpoche ist aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen, es bestätigt ja nur, was ich erfahre oder erfahre ich es, weil ich es gelesen habe? :lol:
    Liebe Grüße Monika

  • Möchte Euch Beiden zustimmen.


    Nur man kann nur im jetztigen Augenblick leben, und nur da entscheiden.


    Das ist wegweisend für die Zukunft.


    Der Bogenschütze spannt seinen Bogen im "Jetzt", wo der Pfeil trifft, zeigt die Zukunft.


    Wenn ich falsch liege - bitte berichtigen - .



    Grüsse an Euch Beide Anita

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()


  • Auch der Pfeil trifft im jetzt. :D
    Es gibt nur Jetzt, Jetzt, Jetzt.......


    Alles Liebe,
    Ji'un Ken


  • Aber erst wenn er trifft und wenn er zuvor abgeschossen wurde. ;)

  • anita.m4:

    Möchte Euch Beiden zustimmen.
    Nur man kann nur im jetztigen Augenblick leben, und nur da entscheiden.
    Das ist wegweisend für die Zukunft.
    Der Bogenschütze spannt seinen Bogen im "Jetzt", wo der Pfeil trifft, zeigt sie Zukunft.
    Wenn ich falsch liege - bitte berichtigen - .
    Grüsse an Euch Beide Anita


    Grüße an Dich, ganz genau so "liegst" Du richtig.
    Aber ein guter Bogenschütze, so wie ich ihn aus dem Zen kenne, ist als Schütze gar nicht vorhanden. Nur ohne sein Ich ist er perfekt. Wo ist sein Ich? Für mich ist sein Ich sein denkender Verstand, der nicht störend eingreift, um ein Ziel zu Wollen. Obwohl ein Ziel angepeilt wird, ist der Wille abwesend, er tritt in den Hintergrund. Diese ich-Losigkeit erschafft große Kunst, z. B auch bei der Kalligrafie Asiens, keine Korrektur, nur der momentane Ausdruck des durch die Hand geführten Pinsels, ohne Denken. Es ist ein Aufgehen in der Handlung, ein Freisetzen von kreativer Energie. Ich-Losigkeit - Angst-Losigkeit. Denn um so frei vom Denken und Konstruieren, Planen zu werden, muss ein großes Vertrauen vorhanden sein, Vertrauen auf das, was immer auch geschehen mag, auch das Ziel zu verfehlen. Es steckt keine Person da mehr hinter, die verächtlich mit der Zunge schnalst, wenns nicht klappt, oder weint, weils schiefgeht, oder übermäßige Freude, weils so toll war oder ist. Einfach Gleichmut - das klingt langweilig und macht Angst, deshalb warten wir so lange mit dem wirklichen Aufbruch in ein sklavenfreies Leben.
    Monika

  • Hallo monikamarie,


    ich kann Dir nur so antworten:


    Ich bin mal in einem See geschwommen, auf einmal hatte ich das Gefühl- ich gehöre zu dem Element Wasser.
    Alles habe ich aufgenommen - Flüssigkeit, Geruch, Bewegung, Ruhe, Stille, Frische, Oberfläche und Tiefe des See´s.


    Mein Eigen war nicht mehr anwesend.
    Erst als ich wieder an Land war kam ich wieder zu mir.
    War sehr erholsam, als ob die Zeit stehen geblieben wäre.


    Vielleicht drückt dieses Erlebnis das aus was Du mit Deinem Beitrag sagen möchtest?
    Das sind aber immer nur "Momente".


    Grüsse Anita


  • Hallo Ji´un Ken,


    wäre dann ja die Unendlichkeit des "Jetzt"?


    Wo ist der Unterschied zu meinem obrigen Beirag?


    Ich kann es nicht beschreiben!


    Ist das Seerlebnis nur der Augenblick, wie wenn man ein Foto macht?


    Grüsse Anita




  • Ja, das sind immer nur "Momente", aber sie als das zu erkennen, was sie zeigen, das ist dem "Individuum" vorbehalten, das entweder bereits Wissen darüber angesammelt hat oder - auch ohne Buddhist zu sein - intuitiv zu erfassen, welche Bedeutung diesen Momenten zukommt und zu beginnen, sie zu suchen bzw. zu ver-suchen , sie wieder herzustellen. Und dann stößt das eine oder andere Individuum vielleicht auf sein vorgestelltes Ich und die überaus schlauen Schachzüge des Egos, die Wurzel vor der Nase des Esels zu plazieren, ohne seinen Status aufgeben zu müssen, denn der Esel läuft und läuft bis ...
    Liebe Grüße Monika


  • Moin Anita,


      Ohne Anfang,
      ohne Ende,
      vor jeder Zeit.
      In dir ist nichts, was es nicht gibt.


    Zitat

    Wo ist der Unterschied zu meinem obrigen Beirag?


    Dort wo du ihn machst. :D


    Alles Liebe,
    Ji'un Ken