Daseinsbegehren - die Begierde (da) zu SEIN....

  • Hallo, ihr Lieben, :)


    dieses Thema beschäftigt mich schon lange, aber in den letzten Monaten vermehrt, weil ich Anfang des Jahres mit einer ziemlich schlimmen Diagnose konfrontiert wurde und bald darauf gerade noch "dem Tod von der Schippe sprang", wie man so sagt... :erleichtert:


    (Direkt nach der Diagnosestellung hatte ich geglaubt, die beste Lösung sei es, nichts zu tun und den Dingen ihren natürlichen Lauf zu lassen (u.a., wegen vorhandener Arzt- und Krankenhaus-Phobie) , aber als die Symptome immer unangenehmer und bedrohlicher wurden, regte sich plötzlich ein starker Überlebenswille in mir, sowie der übermächtige Wunsch, (weiter) dazusein, weiterzuleben, notfalls auch eingeschränkt und mit leidhaften Zuständen...

    Zugrunde lagen die Angst vor dem Sterben und - für mich überraschend - dem Tod und diese übertrafen schlussendlich die phobischen Ängste und Bedenken bzgl. der ärztlichen Behandlung.

    Zur Erleichterung meines panischen Hausarztes ließ ich mich dann also doch in die Uniklinik einweisen, wo es gerade noch gelang, mein Leben zu retten - zumindest fürs Erste.....)



    Laut dem Buddha ist das Daseinsbegehren (Bhava-tanha) eine von drei Arten des Begehrens, die (für Nibbana/Nirvana) zu überwinden seien:


    Zitat

    A.VI.106 Das Leidensende II - 11. Taṇhā Sutta

    Dreifaches Begehren, ihr Mönche, hat man zu überwinden und dreifachen Dünkel. Welches dreifache Begehren aber hat man zu überwinden?

    • Das Sinnlichkeitsbegehren,
    • das Daseinsbegehren und
    • das Selbstvernichtungsbegehren.

    ....


    https://www.palikanon.com/angutt/a06_088-140.html#a_vi106

    Tatsächlich geht bhava-tanha jedoch über den kreatürlichen Überlebenswillen noch hinaus und impliziert:


    - Verlangen nach günstigen/angenehmen Lebensbedingungen (Ablehnung widriger Lebensumstände...)


    - Verlangen nach fortgesetzter, womöglich ewiger, Existenz (Wiedergeburt, Wiederauferstehung,...), verbunden mit Anhaftung an Identitätsvorstellungen

    -> Festhalten an "Ich" und "Mein"

    -> Streben nach Unsterblichkeit

    -> Angst vor dem Verlöschen


    Dies kann auch den buddhistisch Praktizierenden letztlich zu den subtileren Arten des Daseinsbegehrens führen

    (Teile der "5 höheren Fesseln" - siehe: https://www.palikanon.com/wtb/samyojana.html)


    - Begehren nach Feinkörperlichkeit (rupa-raga)

    = Verlangen nach verfeinerten materiellen Existenzformen, Erhalt von Schönheit/Reinheit, Anhaftung an Jhana-Zuständen der Formsphäre


    - Begehren nach dem Unkörperlichen (arupa-raga)

    = Verlangen nach rein-geistigen Existenzformen, Festhalten an subtilen meditativen Erfahrungen, Anhaftung an formlose Jhanas




    Den Dichter, Humorist und Zeichner Wilhelm Busch beschäftigten übrigens in diesem Kontext auch die Themen Wiedergeburt/Reinkarnation....

    Aber dies nur am Rande... ;) :erleichtert:




    Wichtig ist es wohl noch, zu betonen, dass das "Begehren nach Nicht-Existenz/ Vernichtung" (vibhava-tanha) vom Buddha als genauso leiderzeugend, wie die anderen Arten des Begehrens gesehen wurden.


    Es kann also auch nicht darum gehen, das Leben als wertlos (sinnlos) zu ächten und demzufolge wegwerfen/loswerden zu wollen.


    Der von Buddha gelehrte "mittlere Weg" bedeutet entsprechend : weder Lebensgier, noch Lebensverneinung... :shrug:



    Was fällt euch zu diesem Thema ein?...


    - Spürt ihr (noch) ein starkes Daseinsbegehren?

    - Wenn ja, versucht ihr, dem entgegenzuwirken ?

    - Wenn nein, warum nicht?

    - Führt fortgeschrittene buddhist. Praxis zur fühlbaren Abmilderung der Daseinsbegierde?

    - Wie kann man "spirituelles Anhaften" verhindern, das sich auf "Begehren nach feinkörperlichen Zuständen" und "Begehren nach Unkörperlichem" bezieht?


    .....



    Liebe Grüße, Anna _()_ :heart: :)

    (paticca-samuppanna = bedingt entstanden / paticca-maranta = bedingt sterbend...)

    "...Dieser edle achtfache Pfad aber ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg..." (AN.VI.63)


    "In dieser Stunde hörte Siddhartha auf, mit dem Schicksal zu kämpfen, hörte auf zu leiden. Auf seinem Gesicht blühte die Heiterkeit des Wissens, dem kein Wille mehr entgegensteht, das die Vollendung kennt, das einverstanden ist, mit dem Fluss des Geschehens, mit dem Strom des Lebens, voll Mitleid, voll Mitlust, dem Strömen hingegeben, der Einheit zugehörig." (H.Hesse)

  • Dieser Körper, den ich meinen nenne, wird sich niemals dem Geist ergeben. Er will mit allen
    Mitteln leben und da kann ich nur etwas machen, wenn ich mich umbringe,. Da muss ich so gut sein, dass es auch wirklich gelingt. Keine winzige Möglichkeit, dass dieser Körper doch noch lebend bleibt, darf ich vernachlässigen. Er wird jede Gelegenheit ergreifen, um zu leben, egal wie. Dem sind meine Halluzinationen vollkommen unwichtig.


  • Durch die buddhistische Praxis ist mein Daseinsbegehren weniger geworden, aber wahrscheinlich werde ich zur Zeit des Sterbens nicht vollkommen loslassen können und das Dasein wird sich fortsetzen.

    Anhaften an feinkörperlichen und unkörperlichen Zuständen lässt sich wohl auf dieselbe Weise auflösen wie das Anhaften an grobkörperlichen Zuständen, eben durch die Besinnung auf die drei Daseinsmerkmale dukkha, anicca und anatta.

  • ... aber als die Symptome immer unangenehmer und bedrohlicher wurden, regte sich plötzlich ein starker Überlebenswille in mir, sowie der übermächtige Wunsch, (weiter) dazusein ...


    Das finde ich gut, ich hätte dich hier sonst sehr vermisst. :)

    DON'T HATE, MEDITATE.