Absichtslosigkeit

  • Bin gerade über folgendes Posting gestolpert:

    Matthias65:


    Die buddhistische Praxis (Meditation etc.) ist für mich ein Mittel, um zu irgendeinem Zeitpunkt mal "Buddhaschaft" (Nirvana) zu erreichen. Warum sonst praktizieren wir ? Just for fun ?


    Im Zen gibt es das Konzept der "Absichtslosigkeit". Der Praktizierende versucht, Zweckdenken hinter sich zu lassen. Er denkt nicht "Ich praktiziere, um x zu erreichen". Geht das aber: etwas tun, ohne dabei ein Ziel zu verfolgen? Sich ohne Absicht hinsetzen? Ohne Absicht meditieren? Die Absicht hegen, keine Absicht zu hegen? Ist da nicht doch irgendwo in einem stillen Winkel des Dachstübchens, ganz versteckt: eine Absicht? Anders gefragt: Lügt der Praktizierende, der wähnt, ohne Absicht zu praktizieren, sich nicht selbst in die Tasche?


    Charlie

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • +

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Absichtslosigkeit im Zen ist kein ( philosophisches, spirituelles ) Konzept. Sondern eine Notwendigkeit.
    Während der Meditation spielt Absicht keine Rolle, sie schließt sich von selbst aus,
    da das diskursive Denken sich ja legt, bis es ganz aufhört. Trotzdem korrigiert man die Körper,-und die Bewußtseinshaltung
    immer mal wieder. Das ist so, wie wenn ein Handwerker immer wieder ein gleiches Werkstück herstellt.
    Sein Ziel ist ihm klar, aber er denkt nicht mehr an das Ziel. Er tut jeden Handgriff bewusst und geübt,
    aber er analysiert sein tun nicht ( mehr ).
    Natürlich muß der Handwerker vorher eine Vorstellung haben, er muß vorher wissen wo die Fehlerquellen auftreten können,
    eben dafür studiert man ja die Lehre und rekapituliert auch seine Praxis danach.
    Das perfekte Werkstück aber liegt garnicht in seiner Macht, so wie die Buddhaschaft
    oder die Erleuchtung nicht durch Ziel und Absicht erlangt werden kann. Man legt ja etwas frei durch die Praxis- den unbefleckten Geist.
    Man gestaltet ihn aber nicht, man kann ihn nicht durch Willen und Absicht erlangen- sondern das perfekte Werkstück
    ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Kräfte oder in der Stille des Bewussseins, eben ohne Wirken und Wollen.
    Wir schaffen in der Praxis nur die Bedingungen für dieses selbsttätige sich-freilegen.

  • Ich denke, bevor man sich "hinsetzt" steht sicherlich noch eine Absicht bzw ein Ziel dahinter (selbst wenn es nur das hinsetzen ist).
    Aber währenddessen sollte halt keine Absicht auftreten "jetzt" irgendetwas erreichen zu wollen/müssen... Und das klappt nach m.E. ganz gut.

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Charlie:

    Geht das aber: etwas tun, ohne dabei ein Ziel zu verfolgen? Sich ohne Absicht hinsetzen? Ohne Absicht meditieren?


    Ja


    Charlie:

    Geht das aber: ...Die Absicht hegen, keine Absicht zu hegen?


    Nein


    Charlie:

    Anders gefragt: Lügt der Praktizierende, der wähnt, ohne Absicht zu praktizieren, sich nicht selbst in die Tasche?


    Mal ja, mal nein.


    So nehme ich es bei mir wahr.
    Wie nimmst du es bei dir wahr?


    LG
    Ji'un Ken

  • du siehst das zu intelektuell, im kampfsport hebt der meister das bein, er macht es locker ohne sich gross anzustrengen, das ist damit gemeint, man bleibt entspannt, doch mit der steten wiederholung kommt die brillianz.


    wenn sich zwei schwertkämpfer gegenüberstehen ist es dasselbe, man lässt den geist frei und ist völlig entspannt, so kriegt man alles mit, spart kraft und handelt intuitiv.
    ich finde das übrigens einigermassen tragisch das du das fragen musst... :shock:


    buddhismus ist nicht nur hirnakrobatik, es ist physisches tun, erlebbar.und das ist kein witz, und auch nicht nur ein spruch.


    gruss zenbo

  • darkwave:

    im kampfsport hebt der meister das bein, er macht es locker ohne sich gross anzustrengen, das ist damit gemeint, man bleibt entspannt, doch mit der steten wiederholung kommt die brillianz.


    dieses Bild erinnert mich an die Aussage meines Qi Gong Lehres, bezüglich der Hand-Bewegung:
    "die Hand folgt dem Ellenbogen wie der Schwanz des Drachen im Wind".
    die bewegung geschiet ohne die absicht die hand zu bewegen, die hand tut also nichst!
    ob dies allerdings auf die "Absichtlosigkeit" wie sie im Zen geachtet wird übertragbar ist? ....als Bild denke ich schon.....darüber muss ich noch nachdenken.
    danke zenbo :)


    _()_
    .

  • das absichtslose handeln wird dadurch erreicht, das man die form, die stellvertretend für das ganze leben stehen kann , übt bis man sie beherscht, dadurch wird man locker, man braucht den geist nicht ständig auszurichten, es ist alles da, man handelt intuitiv ohne absicht...


    die techniken des dharma wurden in fernost auf diese weise oft in physische wahrheit umgesetzt.


    so seh ich das auf jeden fall.


    gruss zenbo


  • ja im qi gong ist es dasselbe, übe eine bewegung intensiv, später wirst du sie ohne anstrengung abrufen können, so erwirbt man ki.


    gruss zenbo

  • Was schon richtig gesagt wurde - der ganze Körper lernt das. Zwar gibt des Vorderhirn den Befehl - Setz Dich !, dann wird das Sitzen durch Zwischenhirn, ANS und Körper allein ausgeführt. Andererseits: Zazen schöpft sich nicht in diesem Sitzen, man es deshalb nicht trainieren - weil es kein Abschließen nach Außen gibt (geben sollte), es ist daher immer wieder neu - egal was man vorher für ne Absicht gehabt hat, sie erweist sich als Illusion. Für mich ist Zazen fortwährende Ernüchterung.


    _()_

  • Hallo,



    wenn man eine Absicht verfolgt,
    kann man sich selbst behindern.
    Ich versteife mich so sehr auf das Ziel,
    dass ich vergesse achtsam im Augenblick zu sein.


    Wenn ich meditiere hege ich die Absicht achtsam zu sein
    und mich auf meinen Atem zu konzentrieren.
    Dabei versuche ich mich eben nicht zu verkrampfen.
    Wenn ich unachtsam bin, dann ist es halt so.
    Sobald ich es merke, kann ich mich daran erinnern achtsam zu sein.


    Es ist wohl so wie die Saite eines Instruments;
    spannt man sie zu sehr reißt sie,
    spannt man sie zu wenig, dann kommt kein Ton.
    Man muß selbst die goldene Mitte finden.


    Ansonsten:
    "Die buddhistische Praxis (Meditation etc.) ist für mich ein Mittel, um zu irgendeinem Zeitpunkt mal "Buddhaschaft" (Nirvana) zu erreichen. Warum sonst praktizieren wir ? Just for fun ?"


    Jeder verfolgt sein eigenes Ziel mit seiner Praxis.
    Ich beabsichtige nicht aus Samsara auszusteigen.
    Mir reicht es vollkommen aus, wenn ich den Moment bewußter und friedlicher gestalten kann
    und es endlich schaffe das zu sähen was ich ernten will.
    Dieses Ziel ist für mich wesentlich einfacher zu erreichen als Nirwana und
    weil es einfacher ist, macht es mir Spass mich hierzu immer wieder zu motivieren.
    Wenn ich dieses Ziel erreicht habe, dann denke ich über neue Ziele nach.


    So arbeite ich mich von Meilenstein zu Meilenstein.
    Mal sehen wohin es führt :)


    Liebe Grüße


    Stefan

    Egal wie Dein Weg auch sein mag.
    Laß Dich stets von Achtsamkeit, Liebe und Mitgefühl führen.
    Denn ohne diese 3 Weisen, wird kein Weg von Erfolg sein.

  • Wahrscheinlich unterscheiden sich in diesem Punkt (mal wieder) die verschiedenen Schulen.
    Im tibetischen Buddhismus spielt die Motivation eine wichtige Rolle beim "Praktizieren".
    Wenn dem so ist, kann man nicht von "Absichtslosigkeit" sprechen.


    LG
    Matthias

  • Matthias65:

    Wahrscheinlich unterscheiden sich in diesem Punkt (mal wieder) die verschiedenen Schulen.
    Im tibetischen Buddhismus spielt die Motivation eine wichtige Rolle beim "Praktizieren".
    Wenn dem so ist, kann man nicht von "Absichtslosigkeit" sprechen.
    LG
    Matthias


    Die "Absicht" wird im Zen wahrscheinlich deshalb so kritisch gesehen, da sie mit dem wollenden Ich verknüpft wird: wo Absicht ist, da ist ein ICH, das etwas für sich erreichen will. Da die Ich-Bezogenheit überwunden werden soll, wird gleich bei den Motiven angesetzt.


    Ohne Zielorientierung wird aber auch der überzeugteste Zen-Anhänger nicht auskommen. Absichtslosigkeit ist eben auch nur ein Konzept. Eine Eigenschaften von Konzepten ist es, dass man sich früher oder später in Widersprüchen verheddert. Die Absichtslosigkeit des Zen: Ich habe zwar ein Ziel, aber ich will nicht (immer) dran denken. Ich habe zwar ein Ziel, aber ich tu so, als hätt' ich keins.


    Charlie

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  • darkwave:

    du siehst das zu intelektuell,....
    ich finde das übrigens einigermassen tragisch das du das fragen musst...


    Ich finde es immer wieder "tragisch" (na ja eher: traurig), wie schnell die Bewertungsmaschine hier ihre Urteile ausspuckt.


    Hätte man nur dieses Forum, um sich ein Bild von "den Buddhisten" zu machen, dann könnte man auf die Idee kommen, dass Spekulieren und das Beurteilen anderer auf der Liste ihrer Lieblingstätigkeiten ganz oben stehen.


    C.

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    Einmal editiert, zuletzt von Onda ()

  • Ji'un Ken:


    So nehme ich es bei mir wahr.
    Wie nimmst du es bei dir wahr?
    LG
    Ji'un Ken


    Bei mir gibt es mehrere Ebenen der Praxis. Auf einer Ebene ist Zielorientierung.
    Beim Meditieren selbst fehlt sie. Da wird nur beobachtet.


    C.

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  • Eventuell, wäre es vielleicht erst einmal interessant zu klären was der jeweilige User unter Absicht bzw. Absichtslosigkeit individuell versteht, hm ?
    Z.B. ›Einen bei - zulaufenden thread‹ -Was bzw. was verstehe ›ich‹ unter was ist Absichtlos// absichtslos- wo der einzelne User erst einmal seine Position hierzu erläutern kann ?


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema


  • Vielleicht ist die Idee der 'Absichtslosigkeit' das größte Koan von allen. Wenn ja auch die Absichtslosigkeit absichtslos sein soll, kommen wir in eine endlose Regression, vor der das Denken irgendwann kapitulieren muss. Alles unterliegt dem Gesetz von Ursache und Wirkung, dem bedingten Entstehen, und auch die 'Absichtslosigkeit' macht da keine Ausnahme.


    Übrigens führen meiner Meinung nach die Analogien von Kampfkunst oder Qi Gong hier etwas in die Irre, weil es hier erstmal, nicht anders als beim Fahrrad fahren, um die Automatisierung von Bewegungsabläufen geht. Natürlich folge ich einer 'Absicht', wenn ich, sobald sich das Fahrrad in eine Richtung neigt, mit dem Lenker korrigiere - nämlich der 'Absicht', nicht auf die Fresse zu fallen. Intuitiv mache ich mit dem Lenker aber eine gegenläufige Bewegung, und es braucht bewusste Übung, damit der Körper diese Reaktion verlernt.

  • Charlie:

    hne Zielorientierung wird aber auch der überzeugteste Zen-Anhänger nicht auskommen. Absichtslosigkeit ist eben auch nur ein Konzept. Eine Eigenschaften von Konzepten ist es, dass man sich früher oder später in Widersprüchen verheddert. Die Absichtslosigkeit des Zen: Ich habe zwar ein Ziel, aber ich will nicht (immer) dran denken. Ich habe zwar ein Ziel, aber ich tu so, als hätt' ich keins.


    Dieser Eindruck entsteht, wenn das was als Zenpraxis ausgegeben wird, keine ist - trifft auch bei Unvollständigkeit zu.
    Normalerweise hat man dabei ziemlich wenig Zeit, darüber überhaupt nachzudenken. Man ist einfach mit dem was man gerade tut, vollkommen abgefüllt. Dann hatte ich schon genannt: Zen sollte einen an seine Grenzen führen. Das führt zur Ernüchterung, der Einsicht, daß die meisten Zielvorstellungen nur Illusionen ist. Das kann dann - sollte auch - zu ausgesprochenen Krisen führen, "daigijo", den Großen Zweifel. Kann man dann nicht Entschlossenheit aufbringen, ist das wohl nicht die passende Praxis.
    Entschlossenheit braucht übrigens keine Rechtfertigung, es braucht einfach nur das Vertrauen in das was man gerade tut (vice versa).


    _()_

  • Axel Benz:


    Übrigens führen meiner Meinung nach die Analogien von Kampfkunst oder Qi Gong hier etwas in die Irre, weil es hier erstmal, nicht anders als beim Fahrrad fahren, um die Automatisierung von Bewegungsabläufen geht. Natürlich folge ich einer 'Absicht', wenn ich, sobald sich das Fahrrad in eine Richtung neigt, mit dem Lenker korrigiere - nämlich der 'Absicht', nicht auf die Fresse zu fallen. Intuitiv mache ich mit dem Lenker aber eine gegenläufige Bewegung, und es braucht bewusste Übung, damit der Körper diese Reaktion verlernt.


    Sehr gut!
    Hier geht es nämlich zum einen um: Automatismen
    Und zum anderen: um Intuition


    Auch eine intuitive Handlung ist nicht frei von Absicht.
    Sie ist bloß nicht rational gesteuert.


    C.

    "Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es." (Erich Kästner)
    "Dharma books and tapes are valuable, but the true dharma is revealed through our life and practice." (Thich Nhat Hanh)

  • Zitat

    bel: Entschlossenheit braucht übrigens keine Rechtfertigung, es braucht einfach nur das Vertrauen in das was man gerade tut (vice versa).


    Lieber bel,


    entschuldige folgendes konnte, mochte und wollte ich mir dazu (vice versa) nicht verkneifen, bitte sieh es mir nach wenn möglich ?
    Merklich oder unmerklich ?


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema


  • Habe ich eben im Anfänger-Thread gefunden.
    Dies war genau das, was ich meinte, als ich weiter oben von Motivation schrieb:


    "Karma beschreibt das Gesetz von Ursache und Wirkung. Bei Handlungen spielt nicht nur die Handlung selbst eine Rolle, sondern auch die Absicht mit der die Handlung ausgeführt wird. Karma sagt also, das was du tust hat eine Wirkung und das was du nicht tust aber tun willst oder denkst, die Absicht hinter einer Tat hat auch eine Wirkung."


    Da steckt soviel "Absicht" dahinter. Kein Wort von "Absichtslosigkeit".


    P.S. Ich hoffe, der Verfasser der drei Sätze verzeiht mir, wenn ich sie hier mal übertrage. Es hätten meine Worte sein können ;)

  • Moin Matthias,


    einfacher ist es, das ganze Posting zu verlinken, da dann der Zusammenhang ersichtlich wird. :)
    http://www.buddhaland.de/viewt…2&t=9096&p=159444#p159183


    So lange ich noch zwischen Absichtslosigkeit und Absicht hin und her eiere, gibt es für mich noch viel zu tun. Allein wenn ich mir die Frage nach absichtsvoll und/oder absichtslos stelle ist das für mich ein Zeichen, dass da noch was im Argen liegt bei mir.


    LG
    Ji'un Ken

  • Matthias65:

    "Karma beschreibt das Gesetz von Ursache und Wirkung. Bei Handlungen spielt nicht nur die Handlung selbst eine Rolle, sondern auch die Absicht mit der die Handlung ausgeführt wird. Karma sagt also, das was du tust hat eine Wirkung und das was du nicht tust aber tun willst oder denkst, die Absicht hinter einer Tat hat auch eine Wirkung."


    Ja, Absicht produziert Karma, keine Absicht kein Karma - wie beim Buddha selbst.
    Das Problem ist nämlich, daß uns unsere Absichten keinesfalls so klar sind, wie wir meinen - es sind üblicherweise nur Vorstellungen und zwar falsche - hinter denen sich unsere wahren Absichten zu verstecken pflegen, das ist auch das, was "Verblendung" auszudrücken sucht.


    _()_