die das Töten von Feinden der
buddhistischen Lehre, insbesondere
des Vajrayåna und seiner Repräsentanten,
befürworten. Das etwa im 10. Jh.
entstandene Kålacakra-tantra beschreibt
sogar ausführlich eine Art endzeitlichen
Krieg, in dem der Bodhisattva-König
von OEambhala (übrigens unterstützt
durch die hinduistischen Götter) die
den Buddhismus bedrohenden Mohammedaner
endgültig besiegt und vernichtet.
Ein anderer Grund, der nach Auffassung
mancher Mahåyåna-Texte eine
Übertretung der Norm des Nichttötens
rechtfertigen kann (und sich übrigens
mit dem zuvor genannten überschneiden
kann), ist Mitleid. Dem Vinaya der
Theravådins (III 79) zufolge hat ein
Mönch schon dann die Regel gebrochen,
wenn er einem kranken Mönch
aus Mitleid das Sterben rühmt (und
dieser tatsächlich stirbt). Im Vinaya einer
anderen Schule hingegen, dem der
Mahïoeåsakas, wird ausdrücklich erklärt,
Töten aus Mitleid sei kein Bruch der
Regel. Hier dürfte es sich aber um einen
Nachtrag handeln, vielleicht unter
Mahåyåna-Einfluß. Allerdings handelt
es sich in den Mahåyåna-Texten bei
dem befürworteten Töten aus Mitleid
nicht um Euthanasie, sondern um das
Töten eines Angreifers, etwa eines Wegelagerers,
der unschuldige Dritte aus
selbstsüchtigen Gründen umbringen
will. In einer solchen Situation darf und
soll ein Bodhisattva eingreifen und den
Angreifer aus Mitleid töten. Zumindest
unter Voraussetzung indischer Verhältnisse
dürfte bei dem Bodhisattva hier
weniger an einen Mönch gedacht sein
als vielmehr an einen angemessen bewaffneten
und kampferprobten Krieger.
Das Mitleid des Bodhisattva ist übrigens
weniger Mitleid mit den potentiellen
Opfern als vielmehr Mitleid mit
dem Täter, der sich durch seine Untat
Höllenstrafen zuziehen würde. Um
dies zu verhindern, ist der Bodhisattva
bereit, seinerseits die Norm zu übertreten
und sich selbst das schlechte
Karma des Tötens aufzuladen. Aber
weil sein Motiv lauter ist, erwirbt er
sich nach einigen Texten ganz im Gegenteil
großes Verdienst.