Nach dem ehrw. Nanavira Thera ist gerade diese Interpretation falsch und irreführend. In seinen "Notizen zu Dhamma" geht er an mehreren Stellen auf "akalika" ein, da gerade das oft missverstanden wird. Mit dem traditionellen Theravada (und Abhidamma) steht seine Interpretation natürlich auf Kriegsfuss, besonders mit der sogenannten Drei-Leben-Theorie. Sie soll aber doch mal erwähnt werden.
Ich zitiere nicht alles was Nanavira zu Akalika sagte, nur Auszüge. Zum Verständnis sollten die "Notizen zu Dhamma in Gänze gelesen werden.
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Cittavìthi, „Bewusstseinsprozess, Geistmomentreihe“. Visuddhimagga, Kap. XIV etc. Es ist vielleicht nicht überflüssig anzumerken, dass diese Doktrin, die im Visuddhimagga so viel Anwendung findet (und siehe auch Abhidhammatthasangaha), eine rein scholastische Erfindung ist und nicht das Geringste mit der Buddhalehre zu tun hat (oder in der Tat mit überhaupt irgendetwas). Darüber hinaus ist es eine üble Doktrin, völlig unvereinbar mit Paticcasamuppáda, die das Erscheinen von Erleben als Abfolge von Einzelbestandteilen darlegt, die jeweils zu Ende gehen, bevor der nächste erscheint (imassa nirodhá idam upajjati – vgl. EINE NOTIZ ZU PATICCASAMUPPÁDA §7). Der Verfall scheint erstmals mit dem Vibhanga und Patthána des Abhidhamma Pitaka eingesetzt zu haben.
Mit dieser Doktrin ist die irrige Vorstellung von anuloma-gotrabhu-magga-phala verbunden, die angebliche Abfolge von Momenten beim Erlangen von sotápatti. Das Wort akálika im Zusammenhang mit dem Dhamma denkt man sich manchmal so, dass dem Erlangen von magga das Erlangen von phala „ohne Zeitintervall“ nachfolgt; aber das ist völlig falsch. (A) Akálika dhamma hat eine ganz andere Bedeutung (zu dieser siehe PATICCASAMUPPÁDA). Und dann wird im Okkantika Samyutta <S.III,225> nur festgestellt, dass der dhammánusárì und der saddhánusárì (die den magga, der zu sotápatti führt, erreicht haben) dazu bestimmt sind, sotápattiphala vor ihrem Tode zu erlangen; und andere Suttas – z.B. Majjhima 65 und 70 <M.I,439 und 479> – zeigen deutlich, dass man dhammánusárì oder saddhánusárì länger als nur „einen Moment“ ist.
Anmerkung (A):
Die Vorstellung von zwei aufeinander folgenden „Momenten“, A und B, als akálika oder nicht-zeitlich ist eine Begriffsverwirrung. Entweder sind A und B gleichzeitig (wie z.B. viññána und námarúpa), dann sind sie in diesem Fall tatsächlich akálika; oder B folgt auf A und sie sind nacheinander (wie z.B. das Ein- und Ausatmen), dann sind sie in diesem Fall kálika. Auch wenn keine Zeitspanne zwischen dem Ende von A und dem Anfang von B liegt, stimmt es immer noch, dass B nach A kommt und Zeit immer noch eine Rolle spielt. Der Ursprung der Verwirrung ist die widersprüchliche Idee vom Moment als kleinstmöglichem Zeitintervall – d.h. als absolute Kürze der Zeit – und daher keine Zeit. Zwei aufeinander folgende Momente sind daher ebenfalls keine Zeit: 0+0=0. Das ist nichts weiter als eine Mystifizierung: Sie wird, wie die Vorstellung von „absoluter Kleinheit“ in der Quantentheorie (Dirac, The Principles of Quantum Mechanics, Oxford 1930, S.3-4), eingebracht, um andernorts aufgestellte, philosophisch unhaltbare Behauptungen wieder gut zu machen. (Die Quantentheorie braucht als ausgefeilte und geniale Faustregel natürlich keine philosophische Rechtfertigung; aber kraft dieser Tatsache liefert sie keine Grundlage für Philosophie.) Gegen die Idee eines „Moments“ als kürzester empirisch beobachtbarer Zeitspanne gibt es keine Einwände; aber diese markiert lediglich die Schwelle, unterhalb derer Veränderungen zu klein und zu geschwind sind, um deutlich als diskontinuierlich begriffen zu werden, und irrational und zweideutig als Flux aufgefasst werden. Was sie nicht markiert, ist die Grenze zwischen kálika und akálika.
ZitatAlles anzeigenPATICCASAMUPPÁDA
Der ehrwürdigen Tradition zum Trotz, die mit dem Patisambhidámagga (oder vielleicht dem Abhidhamma Pitaka) begann und sich durch all die Kommentare zog (siehe Anguttara V,79 <A.III,107§4>: paticcasamuppáda hat nichts mit einer zeitlichen Abfolge zu tun (Ursache-und-Wirkung). Das Vorgehen in paticcasamuppáda ist strukturell, nicht zeitlich: paticcasamuppáda ist nicht die Beschreibung eines Prozesses. Denn solange man annimmt, dass es sich bei paticcasamuppáda um einen zeitlichen Ablauf handelt (wie das unübersehbar in der traditionellen „Drei-Leben-Interpretation” der Fall ist), so lange wird es zwangsläufig als eine Art Hypothese betrachtet werden (dass es Wiedergeburt gibt und dass diese durch avijjá verursacht ist), die im Laufe der Zeit bestätigt wird (oder auch nicht, wie jede Hypothese der Naturwissenschaften), und so lange denken die Leute zwangsläufig, dass das notwendige und ausreichende Kriterium eines „Buddhisten”a das Annehmen dieser Hypothese auf Vertrauensbasis ist (denn man kann von keiner Hypothese mit Gewissheit sagen, ob sie stimmt, da sie sich bei nächster Gelegenheit als falsch herausstellen kann). Aber der Buddha sagt uns (Majjhima 38 <M.I,265>), paticcasamuppáda sei
Zitatsanditthiko akáliko ehipassiko opanayiko paccattam veditabbo viññúhi.
unmittelbar zu sehen, zeitlos, führend, von den Weisen für sich selbst zu wissen.
Welche zeitliche Abfolge ist akálika? (Siehe CITTA [A].) Für einen ariyasávaka ist paticcasamuppáda eine Angelegenheit direkter reflexiver Gewissheit: Der ariyasávaka hat direktes, zuverlässiges, reflexives Wissen von der Bedingung, von der Geburt abhängt. Er hat kein derartiges Wissen über Wieder-Geburt, was eine ganz andere Sache ist. Er weiß aus eigener Anschauung, dass avijjá die Bedingung für Geburt ist, aber er weiß nicht aus eigener Anschauung, dass es Wiedergeburt gibt, wenn es avijjá gibt. (Dass es Wiedergeburt gibt, d.h. samsára, kann selbst für den ariyasávaka weiterhin eine Frage des Vertrauens zum Buddha bleiben.) Der ariyasávaka weiß aus eigener Anschauung, dass selbst in diesem Leben der arahat in Wirklichkeit nicht zu finden ist (Vgl. Khandha Samy. 85 <S.III,109-115> und siehe PARAMATTHA SACCA [A].), und dass es falsch ist zu sagen, der arahat „wurde geboren” oder „wird sterben”. Mit sakkáyanirodha gibt es keinen „jemand” mehr (oder eine Person – sakkáya, siehe dort), auf den die Begriffe Geburt und Tod anwendbar sind. Sie sind allerdings auf den puthujjana anwendbar, der noch „jemand” ist.b Aber seine Geburt mit einer Bedingung in der Vergangenheit zu versehen – d.h. mit einer Ursache – bedeutet, diesen „jemand” für bare Münze, als ein beständiges „Selbst” zu akzeptieren; denn Aufhören von Geburt erfordert das Aufhören ihrer Bedingung, die wohlbehalten vorüber ist (im letzten Leben) und daher nicht jetzt zu Ende gebracht werden kann; und dieser „jemand” kann deshalb nicht jetzt aufhören. Diese Idee in paticcasamuppáda einzubringen, infiziert samudayasacca mit sassataditthi und nirodhasacca mit ucchedaditthi. Kein Wunder, dass das Ergebnis kaum Sinn macht. Und was die Sache noch verschlimmert, die meisten Begriffe – unübersehbar sankhára (siehe dort) – sind vom Visuddhimagga falsch aufgefasst worden.
Manchmal wird geglaubt, man könne diese Interpretation von paticcasamuppáda so modifizieren, dass seine Anwendung auf dieses Leben beschränkt wird. An Stelle einer zeitlichen Abfolge haben wir ständiges Werden, das als Flux (fließende Veränderung) begriffen wird, wobei die Wirkung nicht klar von der Ursache zu trennen ist – die Ursache wird die Wirkung. Aber so wird man das zeitliche Element nicht los, und die Vorstellung von Flux bringt ihre eigenen Schwierigkeiten mit sich.c
Das Problem liegt in der Gegenwart, die immer bei uns ist; und jeder Versuch, Vergangenheit oder Zukunft zu erwägen, ohne zuerst das gegenwärtige Problem beizulegen, kann der Frage nur ausweichen – „Selbst” wird entweder behauptet oder abgestritten, oder beides, oder beides wird abgestritten, was jeweils das „Selbst” als gegeben voraussetzt (Siehe NA CA SO). Jede Interpretation von paticcasamuppáda, die Zeit beinhaltet, ist ein Versuch, das Gegenwärtige unter Bezugnahme auf Vergangenheit oder Zukunft zu lösen, und ist daher notwendigerweise falsch. Das Argument, dass sowohl Vergangenheit wie auch Zukunft in der Gegenwart existieren (was in gewisser Weise korrekt ist), führt nicht zur Lösung des Problems.