Blaue, weiße, grüne Buddhas... Gibt es einen Katalog?

  • "Grundlagen Tibetischer Mystik" habe ich vor kurzem erst antiquarisch recht günstig erstanden, aber noch nicht gelesen. Will nur sagen: man kann es aus irgend einer der vielen Auflagen durchaus günstig bekommen.


    Ein "prominentes" Beispiel für die Zuordnung Dhyani-Buddhas / Keimsilben: der rote Buddha Amithaba hat die Keimsilbe "HRIH" (SHRI gesprochen) - ebenso Chenrezig, der Mitgefühlsbuddha. Beide gehören zur "Lotus-Familie". Entsprechend sieht man oft über dem Kopf von Chenrezig seinen "Vater" Amithaba in Rot.


    Wo man am Anfang eine sehr strukturierte Logik zu finden glaubt, kann sich diese aber bisweilen auch wieder auflösen. Das dient - so habe ich es jedenfalls immer gesehen - dazu keine zu festen Strukturen im Verstand zuuzulassen, da es ein System von Symbolen und Zuschreibungen ist, man könnte das auch ganz anders machen. Und so verwandeln sich Buddhas in den Meditationen gerne mal in andere Buddhas (Buddhas sind ohnehin "wesensgleich" - d.h. egal wie verschieden sie von Aussen erscheinen mögen, im Wesen sind sie alle gleich, Ausdruck der gleichen Erleuchtung / Buddhanatur) - oder Aspekte gehören zu zwei oder mehr Familien usw. Auch die Zuordnung von Farben zu Chakren und Eigenschaften des Geistes sollte man nicht als "so ist das und nicht anders" lesen sondern als sinnhaftes Lehrsystem.


    Das ist auch einer der Gründe, warum empfohlen wird, nicht zu viele Systeme zu mischen. Solange man geneigt ist, die Dinge als "fest und gegeben" zu erleben, kommt man sonst womöglich durcheinander.


    kilaya

  • Amdap:
    Zitat

    "...wird man in den meisten Fällen gar keine Yidam-Praxis (Yi-Dam - mit einem D!) bekommen,..."


    Vielen Dank, Kilaya!!!
    Das habe ich Turmalin vor längerer Zeit auch schon mal geschrieben, aber sie wollte es mir wohl nicht glauben.


    A.


    es ist nicht so, dass ich etwas nicht glauben will, sondern ich kann es mir nicht merken.

  • Ich tendiere mittlerweile dazu, dass es für mich wichtig ist, einen Lehrer zu haben, der mich nach und nach in all die vielen Sachen einweist, die den tibetischen Buddhismus begründen. Hier im Forum gibt es viele einsame Wölfe, die sich nächtelang alleine Schriften nähern. Meine Richtung ist das nicht. Ich brauche den Austausch mit jemandem, der ein Stückerl weiter auf dem selben Weg ist und mich praktisch nachholt. Aber was ich ja schon mal machen, kann ist, mich dem ganzen Themenbereich respektvoll zu öffnen und mir alles aufmerksam anzusehen.


    Dass ich aber jetzt im Forum jemanden nach Ritualen frage, so ganz anonym und unverbindlich... um die dann hier zuhause alleine auszuführen... Das steht eigentlich im Widerspruch zu Kagyü, wo ja gerade die persönliche Unterweisung doch recht zentral ist bzw. vermutlich in allen anderen Linien ebenfalls zentral ist, also die Lehrer-Schüler Beziehung.


    Oder bin ich da auf dem Holzweg und man braucht gar keine Gemeinschaft?

  • Für die Tibeter ist der Lehrer immer sehr wichtig und eine Sangha kann auch sehr hilfreich sein, um zu sehen wo man steht. Zuhause alleine kann es schnell passieren, dass man sich in den eigenen Gehirnwindungen verirrt. Wenn man eine gewisse Grundlage gelegt hat und zu ehrlicher Selbstkritik fähig ist, kann man meiner Meinung nach irgendwann auch - zumindest streckenweise - als "einsamer Yogi" ohne Gemeinschaft weiterkommen. Wobei man dann bei einem tibetisch geprägten Weg ja immer noch Zuflucht nimmt zu den Buddhas, die als Vorbild dienen, den Bodhisattvas als "hohe Sangha" und zu den Gottheiten und Schützern usw. In gewisser Weise schaltet man also von dem "äußeren Lehrer" auf den "inneren Lehrer" um bis man den "geheimen Lehrer" verwirklicht hat. Der ist nicht geheim im Sinne von geheimzuhalten, sondern damit ist die Buddhanatur in einem selbst gemeint, während der "innere Lehrer" das innere Abbild des äußeren Lehrers ist, also eine Ebene, die noch eine mehr oder weniger subtile Trennung zwischen Innen und Aussen kennt.


    kilaya

  • Zitat

    während der "innere Lehrer" das innere Abbild des äußeren Lehrers ist, also eine Ebene, die noch eine mehr oder weniger subtile Trennung zwischen Innen und Aussen kennt.


    Ah, ich glaube ich weiß, was das ist! Ich singe nämlich - und wenn man eine Weile unter einem Dirigenten gesungen hat, dann weiß man nach einiger Zeit, was er sagen würde, selbst wenn man Daheme die Noten durchsieht, weil er sich in vielen anderen ähnlichen musikalischen Situationen immer gleich geäußert hat. Man kann innerlich genau hören, was er zu bestimmten Stellen sagt. Und wenn man dann nachher probt, dann sagt er es tatsächlich so. :D Das geht aber nur dann, wenn man den Lehrer wirklich aufnimmt und sein Wesen annimmt.

  • Zitat

    Dass Vairocana sich "vermutlich von einem iranischen Sonnengott ableiten soll", halte ich doch für sehr weit hergeholt


    Hmm ... auf religionswissenschaftlichem Level verstehe ich von tibetischem Tantrismus nicht viel und von japanischem Shingon (Vajrayana) kaum mehr. Ist nicht so mein Beritt. Aber Dainichi Nyorai (Skt. Mahavairocana Tathagatha) steht im großen Mandala des Shingon für den 'Körper des Prinzips' (rishin) - während der frühvedische Varuna (den wir nicht nur im Veda sondern auch im iranischen Avesta finden) ebenfalls Ausdruck eines kosmischen Prinzips ist, der Ordnung (rta). Noch offensichtlicher überschneiden sich die Mytheme beider in dem Punkt, dass Varuna wie auch Vairocana im Zentrum der Welt vorgestellt werden. Etymologisch sind beide wohl auch verwandt, ich weiss jetzt aber nicht mehr, wie und wo ich das mal gelesen habe. Deswegen mit Vorbehalt. Wie gesagt, ist nicht wirklich meine Spielwiese.


    Der Texter der Webseite hat wohl Varuna mit Mithra verwechselt - beide treten im Avesta als Paar auf, und Mithra ist tatsächlich ein Sonnengott, während Varuna im Avesta eher abstrakt, als personifizierte Ordnung und Wahrheit, aufgefasst wurde.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Das kann ich mir gut vorstellen. In den 90er Jahren war ich etliche Male am Karakoram Highway. Dort hat die Universität Heidelberg unter Prof. Hauptmann die uralten Zeichen erforscht, die die Handelsfahrer über Jahrtausende in die Steine gekratzt haben, die durch die UV Strahlung eine Patina besitzen, die ganz schwarz ist. http://www.uni-heidelberg.de/i…nst/adw/kara/welcome.html


    Die Reisenden haben dort u.a. auch Bilder ihrer (Schutz)Götter, deren und ihre Namen und andere, teilweise ihnen wichtige Nachrichten hinterlassen. Ist es nicht denkbar, dass die Götter einer Kultur, wenn nicht bewußt, so doch später in einer Meditation oder in einem Traum, wohl Eingang in eine andere Religion gefunden haben? Das muss nicht unbedingt ein direkter Austausch gewesen sein, sondern ganz fließend als "selber erkannt".

  • Ich glaube wir neigen dazu, den Austausch der Völker in frühen Zeiten zu unterschätzen. Auch spirituell / religiös. Es gibt etliche Gleichungen und Weisheitsgeschichten, die in verschiedensten mystischen Traditionen erzählt werden und einfach einem anderen Weisen zugeschrieben werden. Es gibt Geschichten der Sufis, die man fast im gleichen Wortlaut bei den Hindus oder auch im Buddhismus wiederfindet usw.


    kilaya

  • kilaya:

    Ich glaube wir neigen dazu, den Austausch der Völker in frühen Zeiten zu unterschätzen. Auch spirituell / religiös. Es gibt etliche Gleichungen und Weisheitsgeschichten, die in verschiedensten mystischen Traditionen erzählt werden und einfach einem anderen Weisen zugeschrieben werden. Es gibt Geschichten der Sufis, die man fast im gleichen Wortlaut bei den Hindus oder auch im Buddhismus wiederfindet usw.


    kilaya


    Das mag ja sein wobei aber die Bedeutungen doch entscheidend sind und da gibt es entsprechende Unterschiede.
    Im Buddhismus ist die Sonne ein Symbol für Leerheit. Der "Sonnengott Vairocana" steht demnach für Leerheit.

  • Klar verändern sich i.d.R. die Bedeutungen und es wird an die eigenen Vorstellungen angepasst. Bei den Weisheitsgeschichten, die ich meine, ist aber sogar oft die Bedeutung fast identisch.


    kilaya

  • Zitat

    Zitat von Kilaya:
    "Grundlagen Tibetischer Mystik" habe ich vor kurzem erst antiquarisch recht günstig erstanden, aber noch nicht gelesen. Will nur sagen: man kann es aus irgend einer der vielen Auflagen durchaus günstig bekommen.
    Ein "prominentes" Beispiel für die Zuordnung Dhyani-Buddhas / Keimsilben: der rote Buddha Amithaba hat die Keimsilbe "HRIH" (SHRI gesprochen) - ebenso Chenrezig, der Mitgefühlsbuddha. Beide gehören zur "Lotus-Familie". Entsprechend sieht man oft über dem Kopf von Chenrezig seinen "Vater" Amithaba in Rot.
    Wo man am Anfang eine sehr strukturierte Logik zu finden glaubt, kann sich diese aber bisweilen auch wieder auflösen. Das dient - so habe ich es jedenfalls immer gesehen - dazu keine zu festen Strukturen im Verstand zuuzulassen, da es ein System von Symbolen und Zuschreibungen ist, man könnte das auch ganz anders machen. Und so verwandeln sich Buddhas in den Meditationen gerne mal in andere Buddhas (Buddhas sind ohnehin "wesensgleich" - d.h. egal wie verschieden sie von Aussen erscheinen mögen, im Wesen sind sie alle gleich, Ausdruck der gleichen Erleuchtung / Buddhanatur) - oder Aspekte gehören zu zwei oder mehr Familien usw. Auch die Zuordnung von Farben zu Chakren und Eigenschaften des Geistes sollte man nicht als "so ist das und nicht anders" lesen sondern als sinnhaftes Lehrsystem.
    Das ist auch einer der Gründe, warum empfohlen wird, nicht zu viele Systeme zu mischen. Solange man geneigt ist, die Dinge als "fest und gegeben" zu erleben, kommt man sonst womöglich durcheinander.
    kilaya



    Antwort:


    Beim ersten Durchlesen meiner gebundenen Ausgabe von „Grundlagen Tibetischer Mystik“ fielen mir damals haarsträubende Fehler auf, insbesondere betreffs der Kommasetzung. Lama A. Govinda hat einen sehr anspruchsvollen Stil, und wenn da die Satzzeichen an den falschen Stellen sitzen, wird es sehr schwierig zu lesen. Beim zweiten Mal habe ich das Buch nur wegen der Korrektur gelesen, mit dem Bleistift in der Hand, damit ich ab dem dritten Mal das Buch wirklich flüssig lesen konnte, ohne manche unverständlich erscheinende Sätze zwangsläufig drei Mal lesen zu müssen. Da muss wohl kurz vor dem Druck leider ein dilettantischer Korrektor am Werk gewesen sein, oder gar keiner! Und das beim O. W. Barth Verlag, Oo.Wee.!


    Es ist ein Irrtum, dass die Keimsilbe HRIH wie „SHRI“ gesprochen wird!
    Nur, weil vielleicht die Tibeter mit dem HRIH Ausspracheschwierigkeiten haben, bedeutet das noch lange nicht, dass wir Westler, obwohl wir das HRIH korrekt aussprechen könnten, trotzdem die Tibeter nachahmen sollen! Es ist nicht sinnvoll, eine falsche Aussprache nachzuahmen. Wir sind keine Papageien!

    Zitat

    Es ist durchaus von Wichtigkeit, das HRIH, mit seinem ausgeprägten Hauchlaut am Anfang, korrekt zu artikulieren. Es setzt sich zusammen aus dem pranischen Hauchlaut „H“, dem feurigen „R“ (RAM ist die Keimsilbe des Elements „Feuer“) und dem hohen i-Laut, der Aufwärtsbewegung, Intensität und dergleichen ausdrückt -

    Zitat von Lama A. Govinda, der größten Wert auf die richtige Aussprache legte. Lama A. Govinda bemerkt außerdem:

    Zitat

    „Im HRIH weihen wir die Gesamtheit unserer zum Vajrakaya gewordenen Persönlichkeit dem Dienste Amitabhas. Dies aber bedeutet die Verwirklichung des Bodhisattva-Ideals, wie es in der Gestalt Avalokiteshvaras versinnbildlicht ist.“


    (Anmerkung für Engelbert: Chenrezig ist identisch mit Avalokiteshvara. Wir haben hier einmal den tibetischen, einmal den Sanskrit-Namen)


    Lieber Kilaya, es ist schon wichtig, einen inneren Reiseführer zu haben, ohne diesen gleich mit einer verstandesmäßigen, „fest strukturierten Logik“ verwechseln zu müssen.
    Da wir schon einmal beim Beispiel Amitabha und seinen Emanationen sind: Amitabha versinnbildlicht eine bestimmte Weisheitsformation; Avalokiteshvara, als seine Emanation, die Umsetzung seiner. Man könnte auch sagen, dass Amitabha daher auf einer sehr viel subtileren Ebene anzusiedeln ist als das umgesetzte Bodhisattva-Ideal, dass ja, um zum Tragen zu kommen, in die Welt der Erscheinungen treten muss. Das ist sehr wichtig. Denn nur auf der Ebene der Erscheinungswelt sind gleichzeitig auch die subtileren Ebenen enthalten, nicht umgekehrt.


    Dieses kann man in der spirituellen Praxis wohl schlecht andersherum machen.
    Denn Amitabha stellt sich in der Meditationsgeste dar, im Zustand der Kontemplation. In diesem Zustand allein ist die Welt der Erscheinungen für den Adepten „nur“ eine „virtuelle“. Wie soll er da handeln und allen fühlenden Wesen, die mit ihm auf dem Wege zur Erleuchtung sind, Stütze und Begleiter sein? Daher stellt Avalokiteshvara/Chenrezig die wirkende Kraft Amitabhas auf der Ebene menschlichen Erlebens und Handelns dar. (Für Engelbert: es gibt verschiedene Darstellungen Avalokiteshvaras, die vierarmige, sechsarmige oder achtarmige Form, in seiner „vollsten“ Ausprägung auch die Form mit tausend Armen, deren jede Hand ein Auge besitzt. Und obwohl eine Emanation des roten Amitabhas, ist Avalokiteshvara in Weiß dargestellt, um wiederum seine Universalität zum Ausdruck zu bringen – die jede Ebene beinhaltet).


    Also, Kilaya, anhand dieses Beispiels ist somit klar, dass sich in der Meditation Amitabha nicht einfach in Avalokiteshvara verwandeln kann oder umgekehrt, dass Grenzen verschwimmen oder dass man einfach subtile gegen gröbere Ebenen austauscht. Wenn sich in der Meditation eine Buddhagestalt in eine andere „verwandelt“, dann verwandelt sie sich nicht wirklich, denn es verwandelt sich ja auch nicht eine Bedeutung in eine andere, das wäre ja absurd. Doch durchaus wandelt sich während der meditativen Praxis der Fokus der Betrachtungsweise des Adepten. Schließlich sind die Buddhagestalten ja nicht irgendwelche äußeren Objekte, die erscheinen, sondern Widerspiegelungen innerer Betrachtungen.
    Jetzt könntest Du zum Beispiel einwenden: Ha, Amdap, du siehst es doch zu starr, denn Avalokiteshvara erscheint ja auch in unterschiedlicher Gestalt und Farbe in den jeweiligen sechs Daseinsbereichen. – Nun, hier haben wir ein ganz anderes Thema, nämlich die Betrachtung der inneren Zustände, die während des Sterbevorgangs, aufgrund der Auflösung des materiellen Körpers, besonders intensiv aufscheinen. Hier treten vor allem die Neigungen des Sterbenden hervor, die ausschlaggebend sind für die künftige Daseinsform. Und so können wir in Zuversicht sein, dass kein fühlendes Wesen verloren ist, da Chenrezig durch die Kraft seiner großen Barmherzigkeit jede beliebige wahrnehmbare Form annehmen kann in der Weise, wie es das betreffende Wesen versteht, so dass kein Wesen jemals ohne Chance auf Erleuchtung ist. Es ist einfach eine ganz andere Übung mit anderen Inhalten, eine andere Betrachtungsweise als die, (siehe oben) über die Entfaltung der eigenen Bodhisattvakräfte zu meditieren.


    Mir ist es wichtig, dass Engelbert nicht verwirrt wird durch eine Fülle von Gestalten und ohne inneren Reiseführer. Es ist für ihn sicher auch nicht besonders hilfreich, dieses zu lesen:


    Zitat

    "Wo man am Anfang eine sehr strukturierte Logik zu finden glaubt, kann sich diese aber bisweilen auch wieder auflösen. Das dient - so habe ich es jedenfalls immer gesehen - dazu keine zu festen Strukturen im Verstand zuuzulassen, da es ein System von Symbolen und Zuschreibungen ist, man könnte das auch ganz anders machen. Und so verwandeln sich Buddhas in den Meditationen gerne mal in andere Buddhas (Buddhas sind ohnehin "wesensgleich" - d.h. egal wie verschieden sie von Aussen erscheinen mögen, im Wesen sind sie alle gleich, Ausdruck der gleichen Erleuchtung / Buddhanatur) - oder Aspekte gehören zu zwei oder mehr Familien usw. Auch die Zuordnung von Farben zu Chakren und Eigenschaften des Geistes sollte man nicht als "so ist das und nicht anders" lesen sondern als sinnhaftes Lehrsystem."


    Diese Antwort kann die Verwirrung sicher nicht zerstreuen.


    Nach meiner Erfahrung bleibt einem nichts anderes übrig, als zunächst mal die Systeme zu lernen und danach zu entspannen.
    Schließlich bewegen wir uns hier nicht auf einem Feld der Beliebigkeit. Wäre es so, dann wären sämtliche Gestalten und Symbole überflüssiger Ballast oder eine kreative Spielerei, und sonst nichts.
    Und dann versteht man auch, warum man, wie Du sagst, Kilaya, die Systeme nicht vermischen soll.


    Wem das alles zu viel ist, der sollte sich einer Zen-Gemeinschaft anschließen oder sich ins Dzogchen einweisen lassen.
    Es hat jedoch seinen tiefen Sinn, sich dem Absoluten mithilfe der Werkzeuge der Schaubildentfaltung zu nähern – schließlich ist es wohl „ziemlich schwierig, eine Suppe ohne Wasser zu kochen“ (tibetisches Sprichwort).


    Liebe Grüße, Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

    2 Mal editiert, zuletzt von kilaya () aus folgendem Grund: quotes

  • Engelbert:

    Ich tendiere mittlerweile dazu, dass es für mich wichtig ist, einen Lehrer zu haben, der mich nach und nach in all die vielen Sachen einweist, die den tibetischen Buddhismus begründen. Hier im Forum gibt es viele einsame Wölfe, die sich nächtelang alleine Schriften nähern. Meine Richtung ist das nicht. Ich brauche den Austausch mit jemandem, der ein Stückerl weiter auf dem selben Weg ist und mich praktisch nachholt. Aber was ich ja schon mal machen, kann ist, mich dem ganzen Themenbereich respektvoll zu öffnen und mir alles aufmerksam anzusehen.


    Dass ich aber jetzt im Forum jemanden nach Ritualen frage, so ganz anonym und unverbindlich... um die dann hier zuhause alleine auszuführen... Das steht eigentlich im Widerspruch zu Kagyü, wo ja gerade die persönliche Unterweisung doch recht zentral ist bzw. vermutlich in allen anderen Linien ebenfalls zentral ist, also die Lehrer-Schüler Beziehung.


    Oder bin ich da auf dem Holzweg und man braucht gar keine Gemeinschaft?



    Hallo Engelbert,


    ich war früher in einer anderen Gemeinschaft als bei den Karma-Kagyüs, dort bin ich vor ca. 12 Jahren aus verschiedenen Gründen ausgetreten (was aber nicht zu diesem Thema passt).
    Wenn Du aber erwartest, dass Du bei den Karma-Kagyüs wirklich eine präzise Aufklärung erhältst über die ganzen Systeme der Gestalten, der Farben, der komplizierten verschiedenen Mandalas undsoweiter, dann bist Du wirklich auf dem Holzweg.
    Ich habe inzwischen viele Kagyü-Mitglieder kennengelernt, die kaum oder nur wenig Ahnung haben von diesem umfangreichen Pantheon. Diese Erfahrung war für mich anfangs haarsträubend, wenn ich es auch inzwischen gelassen sehe.
    Und so bin ich nachträglich froh, dass ich in meiner früheren Gemeinschaft eine ganze Menge gelernt habe, was mir einen gründlichen Durchblick verschafft hat.


    Ich denke, es lässt sich nicht vermeiden, ein "Einsamer Wolf" zu sein.
    Mit vielem, was man sich anlesen kann, ist man ganz allein auf weiter Flur.
    Aber verzage nicht, auch so kann man sich Durchblick verschaffen.


    Bei den tibetischen Traditionen spielen Vertrauen, Glaube, Hingabe - aber auch Magie - eine so starke Rolle, dass die hinter dem ganzen Pantheon steckende "Wissenschaft" ins Hintertreffen gerät - leider.
    Es ist jedoch wichtig, dass wir mit beiden Aspekten ein ausgewogenes Zusammenspiel erreichen.


    Es ist ja auch in der persönlichen Meditation so, dass man während der Praxis wechselt zwischen analytischer und kontemplativer Betrachtung. Und die Praxis sollte ja die Quintessenz sein dessen, was man wahrnimmt und lernt.


    Ich saß einmal mit meinem Lama im Zentrumscafé und fragte ihn, von welcher Bedeutung dieses komplizierte Mandala dort an der Wand sei, und welche Praxis es denn beinhalte - ich vermute mit der zentralen Gestalt soundso...?. Er antwortete, das müsse ich nicht wissen, das sei nicht wichtig.
    Gut, nun könnte man denken: wenn der Lama das sagt, dann muss ich mich danach richten, denn der Lama steht ja über mir (dieses ist in der tibetischen Tradition sehr wichtig). Wenn man dann aber immer "klein beigibt", dann verdummt man. Das ist sicher nicht das, was der Buddha seine Jünger gelehrt hat. Der wollte nicht, dass seine Jünger verdummen.


    Trotzdem habe ich großen Respekt vor dem Lama und ich habe nicht die Absicht, noch einmal zu wechseln.
    Der reale Lama ist für mich so etwas wie ein guter Bruder auf dem Weg.
    Der innere Lama hat da schon ein ganz anderes Gewicht.
    Übrigens, ich hatte meinem Lama auch erzählt, dass ich von meiner früheren Gemeinschaft noch eine ganze Menge Aufzeichnungen und Skripten in meinem Archiv habe, und es noch nicht geschafft habe, das alles zu lesen. Er antwortete, ich solle mich da durcharbeiten und es unbedingt lesen!


    Im Großen und Ganzen ist es schon besser, sich einer Gemeinschaft anzuschließen, aber man muss sich nicht abhängig machen.


    Liebe Grüße, Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Hallo :) Erstmal: ich empfinde Deinen Beitrag als Ergänzung, nicht als Korrektur, ich finde darin kaum etwas, wo ich grundsätzlich anderer Meinung wäre. Nur dass ich ein paar Sachen nicht so gemeint habe, wie Du sie verstanden hast. Das ist eher der Kürze meiner Darstellung geschuldet, von daher bin ich für die zusätzliche Klarheit Deiner Darstellung dankbar!


    Zitat

    Beim ersten Durchlesen meiner gebundenen Ausgabe von „Grundlagen Tibetischer Mystik“ fielen mir damals haarsträubende Fehler auf, insbesondere betreffs der Kommasetzung.


    Sicher, dass das jeder Auflage so ist? Ich werde wohl doch mal nachschauen müssen. (Meine ist Hardcover, O.W.Barth 1999) In Deinem Beitrag musste ich übrigens erstmal die Quotes setzen, um Zitate und Deine Antworten richtig auseinander halten zu können. Ich hoffe, es ist jetzt so richtig, schau vielleicht nochmal nach.


    Zitat

    Es ist ein Irrtum, dass die Keimsilbe HRIH wie „SHRI“ gesprochen wird!
    Nur, weil vielleicht die Tibeter mit dem HRIH Ausspracheschwierigkeiten haben, bedeutet das noch lange nicht, dass wir Westler, obwohl wir das HRIH korrekt aussprechen könnten, trotzdem die Tibeter nachahmen sollen! Es ist nicht sinnvoll, eine falsche Aussprache nachzuahmen. Wir sind keine Papageien!


    Das habe ich mich auch immer gefragt, warum es mal so und mal so geschrieben wird, ich habe den "Anlaut" "H" immer als eine bestimmte Aussprache interpretiert, die wesentlich weicher ist als ein "Sch", aber aus der Beschreibung von Govinda werde ich jetzt auch nicht wirklich schlauer. Schade, dass man zu seiner Zeit noch keine Tondateien an Bücher hängen konnte ;)


    Zitat

    Also, Kilaya, anhand dieses Beispiels ist somit klar, dass sich in der Meditation Amitabha nicht einfach in Avalokiteshvara verwandeln kann oder umgekehrt, dass Grenzen verschwimmen oder dass man einfach subtile gegen gröbere Ebenen austauscht.


    Das stand da auch nicht :)


    Zitat

    Wenn sich in der Meditation eine Buddhagestalt in eine andere „verwandelt“, dann verwandelt sie sich nicht wirklich, denn es verwandelt sich ja auch nicht eine Bedeutung in eine andere, das wäre ja absurd.


    Ein Beispiel wo sich sogar die Bedeutung verändert wären Amithaba und Amitayus. Wobei man sagen könnte, dass Amitayus zwischen einem Buddha und einem Bodhisattva angesiedelt ist.


    Zitat

    Und so können wir in Zuversicht sein, dass kein fühlendes Wesen verloren ist, da Chenrezig durch die Kraft seiner großen Barmherzigkeit jede beliebige wahrnehmbare Form annehmen kann in der Weise, wie es das betreffende Wesen versteht, so dass kein Wesen jemals ohne Chance auf Erleuchtung ist.


    Das ist auf jeden Fall gerade bei Chenrezig ein wichtiger Aspekt. Allerdings fällt mir jetzt auf Anhieb kein Bodhisattva ein, von dem es nicht verschiedene Formen gibt. Man könnte fast sagen: je weniger subtil die Ebene wird, umso vielfältiger die Ausdrucksformen. (Das passt übrigens - rein formal betrachtet - zu den Darstellungen der Engelshierarchien oder auch zu den Sephirot in der Kaballah)


    Zitat

    Mir ist es wichtig, dass Engelbert nicht verwirrt wird durch eine Fülle von Gestalten und ohne inneren Reiseführer. Es ist für ihn sicher auch nicht besonders hilfreich, dieses zu lesen:
    Diese Antwort kann die Verwirrung sicher nicht zerstreuen.


    Das kommt darauf an. Wenn man den Zugang so hat, dass man sich auf ein System einlässt und dann dabei bleibt, dann kann es weniger verwirrend sein, die Relativität dieses Systems nicht anzuzweifeln. Wenn man aber alle möglichen Webseiten, Bücher und Texte aus verschiedenen Systemen liest, jedoch dabei eine Festigkeit oder "unveränderliche Wahrheit" dieser Systeme erwartet, dann kann es mehr verwirren, wenn man nicht weiss, dass es auch anders dargestellt werden kann und auch innerhalb des Buddhismus, sogar innerhalb des tibetischen Buddhismus, dargestellt wird.


    Zitat

    Schließlich bewegen wir uns hier nicht auf einem Feld der Beliebigkeit.


    Absolut richtig, beliebig ist das alles nicht. Aber so wie Farben oder Handgesten in verschiedenen Ländern andere Bedeutungen haben können, und Menschen daher verschieden darauf reagieren, ist die mögliche Ausdrucksform für eine dahinter liegende Bedeutung vielfältig. Das ist auch der Grund, warum ich so sehr darauf herumhacke im Forum nicht über die Ausdrucksformen / Begriffe usw. zu streiten, sondern auf die Bedeutung dahinter zu schauen und dann zu entscheiden, ob man damit was anfangen kann.


    Zitat

    Wem das alles zu viel ist, der sollte sich einer Zen-Gemeinschaft anschließen oder sich ins Dzogchen einweisen lassen.


    Genau, deswegen gibt es ja die Vielfalt der Wege. :)


    kilaya

  • Zitat
    Zitat

    Es ist ein Irrtum, dass die Keimsilbe HRIH wie „SHRI“ gesprochen wird!
    Nur, weil vielleicht die Tibeter mit dem HRIH Ausspracheschwierigkeiten haben, bedeutet das noch lange nicht, dass wir Westler, obwohl wir das HRIH korrekt aussprechen könnten, trotzdem die Tibeter nachahmen sollen! Es ist nicht sinnvoll, eine falsche Aussprache nachzuahmen. Wir sind keine Papageien!


    Das habe ich mich auch immer gefragt, warum es mal so und mal so geschrieben wird, ich habe den "Anlaut" "H" immer als eine bestimmte Aussprache interpretiert, die wesentlich weicher ist als ein "Sch", aber aus der Beschreibung von Govinda werde ich jetzt auch nicht wirklich schlauer. Schade, dass man zu seiner Zeit noch keine Tondateien an Bücher hängen konnte ;)


    Hallo Kilaya,


    mit der Aussprache des HRIH ist es sehr einfach:
    Man spricht es genau so, wie es geschrieben wird, wobei zu beachten ist, das "R" wie englisch auszusprechen.
    Also, der deutliche H-Laut (wie ein kurzes, stimmloses Husten) und dann das RIH mit rollendem "R": "H-RIH".
    Dazu brauchst Du keine Tondatei, das geht auch so.
    Versuche es mal, es ist wirklich einfach!
    Und so habe ich es korrekterweise gelernt in dem Orden von Lama A. Govinda, denn das war tatsächlich meine frühere Gemeinschaft. Habe den Ordensgründer aber nicht mehr kennengelernt, der starb 1985 und ich kam später dazu.


    Sehr interessant ist, dass ich diese Kritik an der falschen Aussprache des HRIH mal im Hamburger Kagyü-Zentrum (in der Pause zwischen zwei Unterweisungen) geäußert habe: HRIH versus SHRI.
    Da waren die Leute doch relativ vergrätzt.
    Ich sehe, dass unter den Anhängern blindes, also negatives Vertrauen üblich ist, hinterfragensloses Vertrauen, das in meinen Augen falsch ist.
    Schließlich hatte Lama A. Govinda selbst einen hochrangigen Lehrer, Tomo Geshe Rinpoche, bei dem er mit Sicherheit die Mantras korrekt gelernt hat.


    (Wenn es hier auch nicht dazugehört, so fällt mir noch etwas ein zu eingefahrenen Schienen und Unbelehrbarkeit:
    Dort hatte ich ebenfalls mal geäußert, dass mein Lama mich angewiesen hatte, das Ngöndro abzubrechen. Da starrten sie mich mit großen, entsetzten Augen an. - Nach einer kurzen Schockpause fragten sie mich dann: "Welcher Lama war denn das?" -
    Hähä, das war eben dieser von ihnen so hochgeschätzte Lama, den sie so gerne bei sich als Lehrer zu Gast haben!)


    Naja, aufgrund dieser Erfahrungen bin ich nun schlauer, und, wie schon an anderer Stelle geschrieben, bei Differenzen lächle ich nur noch und schweige.


    Ohje, da bin ich wohl ein schwerer Brocken, wer weiß, wo ich nach dem Großen Bardo mal lande!


    Liebe Grüße, Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Also ich kann nicht behaupten, dass ich das einfach auszusprechen finde, wie Du es beschreibst. Das treibt mich aber auch nicht weiter um, weil ich das nicht so eng sehe wie Lama Govinda ;) Immerhin gibt es für einige Mantras schon deutliche Unterschiede zwischen Sanskrit und Tibetisch und man kann für jede Aussprache und Schreibweise gute Gründe finden und anführen. Meine Ansicht dazu sieht so aus: ein Mantra ist ein einzigartiges, unverwechselbares Klangmuster, und mit diesem Klangmuster ist das Energiefeld verbunden, das damit erweckt wird. Dabei darf es ruhig etwas unscharf sein, solange es unverwechselbar bleibt. In diesem Konzept liegt die Kraft nicht in den Klängen selbst, sondern wird darüber lediglich aktiviert. Die Absicht ist dann wichtiger, als die präzise Ausführung. In gleicher Weise sehe ich das auch mit den Visualisierungen nicht so eng. Belehrungen über die Notwendigkeit der präzisen Visualisierung jedes Details sehe ich mehr im Kontext einer Geistesschulung für mehr Konzentration, nicht weil es per se notwendig wäre, um die Kraft zu erwecken, mit der man sich verbinden will.


    kilaya

  • Zitat

    Wenn sich in der Meditation eine Buddhagestalt in eine andere „verwandelt“, dann verwandelt sie sich nicht wirklich, denn es verwandelt sich ja auch nicht eine Bedeutung in eine andere, das wäre ja absurd. (Zitat Amdap).


    Zitat

    "Ein Beispiel wo sich sogar die Bedeutung verändert wären Amithaba und Amitayus. Wobei man sagen könnte, dass Amitayus zwischen einem Buddha und einem Bodhisattva angesiedelt ist." (Zitat kilaya).


    - Nein, eine Bedeutung verändert sich nicht. Eine Bedeutung ist eine Bedeutung ist eine Bedeutung.
    Wenn aber in der Schaubildentfaltung zuerst Amitabha und dann Amitayus in den Vordergrund tritt, dann hat sich nicht die Bedeutung verändert, sondern der Adept hat seine Sicht und seinen Fokus während der Kontemplation verändert, so dass im Verlauf es stimmiger ist, wenn Amitayus erscheint, obwohl er die Übung mit Amitabha angefangen hat.
    An diesem Beispiel kannst Du besser erkennen, wie ich es gemeint habe.
    Wir sollten immer daran denken, und das ist auch wichtig für Engelbert, dass alle Bilder, die erscheinen, Formationen unseres Geistes sind. Darum übrigens ist es auch von größter Wichtigkeit, die Bilder am Ende wieder aufzulösen, zum Beispiel einfach in den Raum hinein, oder in einen einzigen Punkt, der als Letztes dann auch aufgelöst wird. Die Gestalten und Symbole sind keine eigenständigen, unabhängigen Erscheinungen, die ein Eigenleben führen - ganz im Gegenteil.


    Auf diese Weise hilft es uns zu verstehen, dass sämtliche Erscheinungen, egal ob grobstoffliche Körper und Wahrnehmungen, oder nur Vorstellungen, frei von inhärenter Existenz sind. So üben wir diese Erkenntnis mithilfe der Schaubildentfaltung und Wiederauflösung.
    Wenn wir nämlich zutiefst verstehen, dass nichts von eigenständiger Existenz ist, dann haben wir den Schlüssel dazu, zu verinnerlichen, dass alle Dinge voneinander abhängig sind. Das ist etwas ganz anderes, als es nur rational zu lernen und nachzuplappern.


    Darum sind die Übungsformen der Visualisation von so großer Bedeutung. Wie ich schon das tibetische Sprichwort zitierte: "Es ist wohl etwas schwierig, eine Suppe ohne Wasser zu kochen".


    Liebe Grüße, Amdap.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Zitat

    - Nein, eine Bedeutung verändert sich nicht. Eine Bedeutung ist eine Bedeutung ist eine Bedeutung.


    Die Aussage ist für mich nicht generell logisch. Da alle Buddhas ohnehin wesensgleich sind, und die Ausdrucksformen ohne inhärente Eigennatur, warum sollten nicht Ausdrucksformen in einander übergehen? Und sich dabei Bedeutungsnuancen verändern, oder eine gespiegelte Energie, sozusagen die anderen Seite der gleichen Medaille in den Vordergrund treten? "eine Bedeutung verändert sich nicht" klingt für mich nach: es hat eine inhärente Eigennatur, die unveränderlich ist.


    Zitat

    Wenn aber in der Schaubildentfaltung zuerst Amitabha und dann Amitayus in den Vordergrund tritt, dann hat sich nicht die Bedeutung verändert, sondern der Adept hat seine Sicht und seinen Fokus während der Kontemplation verändert, so dass im Verlauf es stimmiger ist, wenn Amitayus erscheint, obwohl er die Übung mit Amitabha angefangen hat.


    In der Praxis die ich meine wird - wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, denn das wird nur mündlich beschrieben und steht nicht im Text - an einem bestimmten Punkt wirklich Amithaba zu Amitayus, aus dem Buddha des Grenzenlosen Lichtes der Buddha des Grenzenlosen Lebens. Falls jemand die Praxis kennt und mich korrigieren kann - gerne.


    kilaya


  • Mit der Bedeutung meine ich es ganz einfach:
    Wenn die Ampel Rot zeigt, heißt das: Anhalten.
    Wenn die Ampel aber auf Grün wechselt, heißt das: Losfahren.
    Würde man es immer umgekehrt machen, so würde man bald Schwierigkeiten bekommen und es würde nicht lange dauern, dass der Führerschein weg wäre.


    Hinsichtlich des Beispiels Amitabha - Amitayus meinen wir beide dasgleiche.


    Liebe Grüße, Amdap.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Im Fall der Ampel wäre meine Sichtweise: da ist eine Ampel (wesensgleichheit) die verschiedene Lichter zeigen kann, die verschiedene - sogar gegensätzliche - Bedeutungen haben. Die gleiche Ampel kann also verschiedene Zustände einnehmen - verschiedenen Bedeutungen transportieren. Ich vermute: während Du Dich mehr auf die verschiedenen Lichter bezogen hast - da ist Grün Grün und Rot Rot und wir wissen was es bedeutet - habe ich mich mehr auf die Ampel bezogen, die verschiedene Lichter aussenden kann.


    kilaya

  • kilaya:

    Also ich kann nicht behaupten, dass ich das einfach auszusprechen finde, wie Du es beschreibst. Das treibt mich aber auch nicht weiter um, weil ich das nicht so eng sehe wie Lama Govinda ;) Immerhin gibt es für einige Mantras schon deutliche Unterschiede zwischen Sanskrit und Tibetisch und man kann für jede Aussprache und Schreibweise gute Gründe finden und anführen. Meine Ansicht dazu sieht so aus: ein Mantra ist ein einzigartiges, unverwechselbares Klangmuster, und mit diesem Klangmuster ist das Energiefeld verbunden, das damit erweckt wird. Dabei darf es ruhig etwas unscharf sein, solange es unverwechselbar bleibt. In diesem Konzept liegt die Kraft nicht in den Klängen selbst, sondern wird darüber lediglich aktiviert. Die Absicht ist dann wichtiger, als die präzise Ausführung. In gleicher Weise sehe ich das auch mit den Visualisierungen nicht so eng. Belehrungen über die Notwendigkeit der präzisen Visualisierung jedes Details sehe ich mehr im Kontext einer Geistesschulung für mehr Konzentration, nicht weil es per se notwendig wäre, um die Kraft zu erwecken, mit der man sich verbinden will.


    kilaya


    Lama A. Govinda soll selbst einmal gesagt haben, dass, wenn man es schon lange gewohnt sei, ein Mantra wie die Tibeter auszusprechen, man auch dabei bleiben solle. Dann sei es nicht sinnvoll, es plötzlich anders auszusprechen.
    (Ich denke dabei an die Thesen von Rupert Sheldrake in seinem Buch: "Das Gedächtnis der Natur").
    Lerne man aber ein Mantra neu, dann solle man, wenn es üblicherweise von Sanskrit-Ursprung sei, die Sanskrit-Version bevorzugen.
    Das ist interessant und ich empfinde es auch so.
    So kommt es, dass ich zum Beispiel das Padmasambhava-Mantra in Sanskrit ausspreche, beim Medizinbuddha-Mantra aber die tibetische Aussprache bevorzuge. Letzteres trat bei mir erst später ein, als ich schon aus meinem früheren Orden ausgetreten war, wo der Medizinbuddha kaum von Bedeutung ist (so hatte ich das Medizinbuddha-Mantra in meiner früheren Ordenszeit gar nicht gekannt). - Desweiteren war ich aber schon jahrelang gewohnt, das 100-Silben-Mantra des Vajrasattva in Sanskrit-Version auszusprechen. Zu diesem Hintergrund wies mich mein späterer Kagyü-Lama ausdrücklich an, bei der Sanskrit-Version zu bleiben. Lustigerweise muss ich immer verstummen, wenn ich mich in der Kagyü-Gruppe befinde und das 100-Silben-Mantra laut rezitiert wird. Das liegt nicht nur an den abweichend ausgesprochenen Silben, sondern auch an dem ganz andersartigen Rhythmus. Interessant ist außerdem, dass die tibetische Version gar nicht 100, sondern 102 Silben hat - nur deswegen, damit der Rhythmus gewahrt bleibt. In der tibetischen Version befinden sich also zwei fremde Silben, die nur als Füllsilben fungieren.


    LG - Amdap

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Tolles Thema!


    Hier ist auch eine gute Übersicht über das tibetische Pantheon.
    Dort wird auch ein weiteres Buch zum Thema erwähnt: Schick, Jürgen (2006). Bilder aus einer anderen Welt: Die Götterwelt des tibetischen Buddhismus. Kathmandu: Meister Verlag.
    Und hier kann man sich auch einen Überblick verschaffen über die zahlreichen Gottheiten: https://de.wikipedia.org/wiki/…_und_zornvolle_Gottheiten
    Ein ausführlicher Beitrag über indische Gottheiten im Buddhismus aus einem anderen Forum: hier


    Ich wüsste ja gerne wie man diese hochkomplexe Systematik in buddhistischer Praxis anwendet!
    Im Verlauf dieses Threads wurde u.a. die Chenrezig-Praxis erwähnt und sog. Keimsilben.. mag mir das jemand mal näher erklären und gibt es da einen guten Link wo man diese zB Yidam-Praxis mal genau erläutert bekommt um das selbst umsetzen zu können?


    Womit steigt man punkto Gottheiten-Meditation am besten ein? Ich las des öfteren das die meisten Praktiken erst für Fortgeschrittene geeignet seien.

  • Thomas23:

    Ich wüsste ja gerne wie man diese hochkomplexe Systematik in buddhistischer Praxis anwendet!


    Es gibt einen Einweihungszyklus genannt "Eines erkannt, alles verwirklicht" wo in über hundert Gottheiten eingeweiht wird. Aber in "Eines erkannt, alles verwirklicht" steckt schon ein entscheidender Hinweis: eigentlich braucht man nur einen einzigen Aspekt, um alles zu verwirklichen, was man erreichen kann.


    Zitat

    Im Verlauf dieses Threads wurde u.a. die Chenrezig-Praxis erwähnt und sog. Keimsilben.. mag mir das jemand mal näher erklären und gibt es da einen guten Link wo man diese zB Yidam-Praxis mal genau erläutert bekommt um das selbst umsetzen zu können?


    Eine einfache Chenrezig-Praxis findest auf jeden Fall im Netz. z.B. hier: http://www.sonamgyatso.com/pag…zes-sadhana-chenrezig.php
    Zumindest für einen ersten Eindruck.


    Zitat

    Womit steigt man punkto Gottheiten-Meditation am besten ein? Ich las des öfteren das die meisten Praktiken erst für Fortgeschrittene geeignet seien.


    In den meisten Fällen wäre es sicher am besten, die Praxis von einem Lehrer oder in einem Zentrum zu bekommen, idealerweise mit einer Einweihung. Aber einfache Versionen, wo man sich nicht selbst als Gottheit visualisiert, kann man im Fall von Chenrezig durchaus auch so ausprobieren. Wenn man überhaupt von "Fortgeschrittenen" reden kann, ich würde eher sagen: jemand mit Meditationserfahrung, dann ist die Frage um was für eine Praxis es geht. Es gibt - auch vom gleichen Buddhaaspekt - meist einfache(re) und kompliziertere Texte.


    kilaya

  • Thomas23:

    Womit steigt man punkto Gottheiten-Meditation am besten ein?


    Viele Zentren lassen gerne alle an Einweihungen teilnehmen, die Interesse am Dharma haben. Selbst wenn man nicht gleich so gut praktizieren kann wie man gerne möchte oder nicht so viel von der Theorie weiß, sind Unterweisungen m. W. in etwa wie Samen zu verstehen, die in der Erde auf günstige Bedingungen warten. Den Einweihungen folgen dann Klausuren, in denen man sich in engeren Kreisen und über mehrere Tage mit der Ausübung der jeweiligen Sadhanas unter der Anleitung der Lehrer beschäftigt. Welche Voraussetzungen für eine Einweihung notwendig sind, kann man entweder dem Programm im Internet entnehmen, oder man ruft im Zentrum an, wobei man sicher eine gute Beratung und Angebote zwecks der Teilnahme an Veranstaltungen bekommt. So weit ich weiß, ist dort jeder neue Teilnehmer herzlich willkommen.


    Grüße

  • @kilyay: Danke! Werde mir den Link mal in Ruhe durchlesen.
    Schön wäre es wenn es vorgesprochene Visualisierungen im Internet gäbe.
    Ich habe bereits an Diamantweg-Meditationen der Kagyü-Linie teilgenommen. Die Meditationen sind aber immer die gleichen: 16. Karmapa-Meditation.
    Dort wurde der 16. Karmapa visualisiert und mit einem Mantra wie sagt man "angerufen"?.
    Ich fand die ruhige, aber bestimmende Stimme des Anleiters wie der Karmapa erscheint und was er tut sehr hilfreich.
    So etwas meine ich mit Audio-Visualisierungen.


    Yofi: Danke! Ich habe mich bereits erkundigt. Punkto Gottheiten-Meditation habe ich nur einen Kurs zur Praxis der Taras finden können.. und auch noch recht teuer dazu :?
    Ich muss noch mal genauer nachsehen bzw auch mal die Leute vor Ort ansprechen punkto Einweihung.

  • Beim Diamantweg gibt es Einweihungen meistens bei Kursen, in den Zentren werden einige wenige Meditationen angeboten, aber nicht nur 16. Karmapa. Die Meditationen, u.a. Chenrezig ("Liebevolle Augen") gibt es auch als Audioversion, frag einfach mal nach.


    Was die Kosten für Einweihungen, Kurse usw. angeht so gibt es zwischen den verschiedenen Linien und Lehrern grosse Unterschiede. Kurse und Retreats sind natürlich eine gute Möglichkeit, die Praxis zu vertiefen; andere wiederum bieten eine gute Basis für einen Einstieg.


    Allgemeine Sachen können die Foren teilweise beantworten, ansonsten am besten immer direkt bei den Anbietern nachfragen, wenn etwas unklar ist. So bekommt man auch einen ersten Eindruck, ob das was für einen sein könnte. (Wie reagieren die auf Fragen usw.)


    kilaya