"Reinkarnationstheorien in Tibet"

  • Sherab Yönten:


    Von vornherein die Behauptung aufzustellen, dass die "tibetische Reinkarnationstheorie" falsch sei, weil sie schamanischen und hinduistischen Einflüssen unterliegen würde, halte ich für fragwürdig.


    Ich stimme Dir zu, was die Problematik von Übersetzungen angeht.


    Zur Frage, ob eine Aussage falsch ist macht es Sinn sich zu überlegen, was die Kriterien für eine Falsifizierbarkeit wären..


    Im Normalfall liegt die Sache doch anders. Wer eine für die meisten anderen erstaunliche Tatsache behauptet, muß diese beweisen, nicht anders herum.


    Also - ich habe halte es für unmöglich zu beweisen, daß es keine Einhörner gibt und würde keine Zeit drauf verschwenden.


    Wer behauptet, daß es welche gäbe darf gern eins vorbeibringen, sollte dann aber auch erlauben, daß ich prüfe, ob das Horn aus Pappmaché ist und nur angeklebt :angel:

  • Zitat

    Im Normalfall liegt die Sache doch anders. Wer eine für die meisten anderen erstaunliche Tatsache behauptet, muß diese beweisen, nicht anders herum.


    Das ist aber eine Sichtweise, die in der eigenen Weltsicht zentriert ist. Die Sichtweisen zu Reinkarnation und Existenz ohne Körper sind auf der ganzen Welt zu finden und erheblich älter, als das moderne wissenschaftliche Weltbild. Und auch heute ist die Wissenschaft alles andere als homogen und überall auf der Welt verankert. Es ist also vielleicht doch die Wissenschaft, die beweisen muss, dass das was von jeher geglaubt wurde, falsch ist. In diesem Prozess der Aufklärung, sofern er ergebnisoffen passiert, haben sich schon so manche erstaunliche Dinge finden lassen. Vieles wurde widerlegt oder man hat andere Ursachen für Phänomene gefunden. Nicht selten stellte sich aber eben auch heraus, dass Dinge die seit alters her überliefert wurden dann doch eine Wahrheit enthalten, die wissenschaftliche Prämissen über den Haufen geworfen haben.


    Interessant wäre es, wenn bei so einer Frage die Haltung wäre: "es wird von vielen Menschen auf der Welt seit alters her so angenommen, nun wollen wir schauen, unter welchen Umständen das wissenschaftlich belegbar wäre". Wissenschaftler, die so denken, die gibt es, sie werden aber leider oft von "Szientisten" ausgebremst, die einfach nicht wollen, dass ihre Weltsicht verändert wird. So wird aus der Aufklärung lediglich eine neue Religion, was den Fortschritt und die Möglichkeiten des Wissens unnötig beschränkt.

  • fotost:

    Zur Frage, ob eine Aussage falsch ist macht es Sinn sich zu überlegen, was die Kriterien für eine Falsifizierbarkeit wären..


    Interessant, was man alles unter "Falsifizierbarkeit" findet:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Falsifikationismus


    Zitat

    Sind alle Schwäne weiß? Die klassische Sicht der Wissenschaftstheorie war, dass es Aufgabe der Wissenschaft ist, solche Hypothesen zu „beweisen“ oder aus Beobachtungsdaten herzuleiten. Das erscheint jedoch schwer möglich, da dazu von Einzelfällen auf eine allgemeine Regel geschlossen werden müsste, was logisch nicht zulässig ist. Doch ein einziger schwarzer Schwan erlaubt den logischen Schluss, dass die Aussage, alle Schwäne seien weiß, falsch ist. Der Falsifikationismus strebt somit nach einem Hinterfragen, einer Falsifizierung von Hypothesen, statt nach dem Versuch eines Beweises


    Zitat

    Die Falsifizierbarkeit war für Popper das Kriterium, um eine Theorie der empirischen Wissenschaften (Erfahrungswissenschaften) von nicht-empirisch-wissenschaftlichen Theorien zu unterscheiden. Letztere beinhalten Metaphysik im weitesten Sinn, Pseudowissenschaft, aber auch Mathematik, Logik, Religion und Philosophie. Popper war außerdem im Gegensatz zum Wiener Kreis der Auffassung, dass es exakte Wissenschaft nicht gibt.


    Wenn Du von Falsifizierbarkeit redest, meinst Du die Falsifizierbarkeit nach Popper?


    fotost:

    Wer eine für die meisten anderen erstaunliche Tatsache behauptet, muß diese beweisen, nicht anders herum.


    Das ist so eine Sache mit den "Beweisen". Ich vermute mal, Du würdest Deinem eigenen Kind nicht glauben, wenn es Dir erzählen würde, es könnte sich an Dinge aus seinem früheren Leben erinnern. Du würdest immer noch zweifeln, selbst wenn das Kind vor Deinen eigenen Augen eindeutig Dinge und Orte aus seinem vorherigen Leben identifizieren würde. Das meinte ich oben, als ich von Offenheit gegenüber solchen Geschichten sprach.


    Dabei würden gerade mehrere Geschichten dieser Art sie zu einer empirischen Wissenschaft machen und wären somit im Sinne der obigen Definition sogar "falsifizierbar".


    fotost:

    Also - ich habe halte es für unmöglich zu beweisen, daß es keine Einhörner gibt und würde keine Zeit drauf verschwenden.


    Das hängt ganz davon ab, wie Du den Begriff Einhorn definierst, es hängt ab von seiner Benennung/ Zuschreibung. Was genau ist ein Einhorn? Soll es ein lebendes Einhorn sein? Oder vielleicht ein gemaltes Einhorn? Es gibt sogar ein Tim und Struppi Heft mit dem Titel: "Das Geheimnis des Einhorns". DAS kann ich Dir zeigen. :)

  • Sherab Yönten:

    Ich weiß nicht ob es Sinn macht, über unterschiedliche Interpretationen von Übersetzungen zu philosophieren.


    Darum geht es überhaupt nicht. Es geht darum, was im Original steht und was bei Garfield daraus wird (d.h. Nāgārjuna in den Mund gelegt wird). Irgendetwas, das mit "enters transmigration" übersetzt werden kann, steht im Original definitiv nicht (sondern saṃniviśate ... gatau). Das ist dann bei Garfield in der Tat eine Interpretation (ob eine richtige, d.h. Nāgārjunas Intention korrekt wiedergebende, ist erst einmal eine andere Frage), aber keine Übersetzung. Den Unterschied kann Dir jeder Lehrer, der Fremdsprachen unterrichtet, erklären. Gute Noten gibt es nur für korrekte Übersetzungen. Eine korrekte(!) Interpretation bringt bestenfalls ein 'ausreichend', wenn nach einer Übersetzung gefragt ist.


    Der Unterschied zwischen dem, was im Originaltext steht und dem, was bei Garfield daraus geworden ist (ob das an Garfield liegt oder seiner tibetischen Vorlage, muss ich offen lassen), illustriert btw. auch sehr anschaulich den Unterschied zwischen 'dem' Mahāyāna und dem, was eine "sehr späte, mit schamanistischen (Bön) und hinduistischen Ideen vermischte Ausprägung davon" ist. Wobei ich mit den "in (und von) Tibet verbreiteten Reinkarnationstheorien" allerdings eher das hier im Sinn hatte: https://studybuddhism.com/web/…roup.html_1394466118.html Das ist natürlich auch nicht 'das' Mahāyāna und erst recht nicht "die buddhistische" Erklärung der Wiedergeburt", sondern bestenfalls(!) eine buddhistische Erklärung.

    Sherab Yönten:

    Von vornherein die Behauptung aufzustellen, dass die "tibetische Reinkarnationstheorie" falsch sei, weil sie schamanischen und hinduistischen Einflüssen unterliegen würde, halte ich für fragwürdig.


    Das ist richtig - aber hat das denn jemand getan? Lies Dir das Zitat, mit dem Du diesen Thread eröffnet hast, noch einmal durch - meinetwegen auch das komplette Posting, dem Du das Zitat entnommen hast. Wenn Du mir aufzeigen kannst, wo ich die "tibetische Reinkarnationstheorie" für falsch erklärt habe, nehme ich das gerne zurück. Reinkarnationstheorien sind Reinkarnationstheorien - 'falsch' und 'richtig' sind keine Bewertungen, die ich darauf anwende.

    Sherab Yönten:

    Es soll hier in diesem Thread ja auch nicht um den Begriff narupa gehen, denn das "was ein Körper in diesem Leben ausmacht" erklärt eigentlich nicht die Reinkarnation.


    Es liegt mir fern, vorgeben zu wollen, worum es hier gehen soll. Aber im Zusammenhang mit dem Thema wäre es mE schon sinnvoll, sich mit pratītyasamutpāda und insbesondere dessen viertem nidāna zu beschäftigen. Wenn man allerdings nicht weiss, dass genau das nāmarūpa ist, dann sind die Voraussetzungen dafür wohl nicht optimal ...



    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sherab Yönten:
    fotost:

    Also - ich habe halte es für unmöglich zu beweisen, daß es keine Einhörner gibt und würde keine Zeit drauf verschwenden.


    Das hängt ganz davon ab, wie Du den Begriff Einhorn definierst, es hängt ab von seiner Benennung/ Zuschreibung. Was genau ist ein Einhorn? Soll es ein lebendes Einhorn sein? Oder vielleicht ein gemaltes Einhorn? Es gibt sogar ein Tim und Struppi Heft mit dem Titel: "Das Geheimnis des Einhorns". DAS kann ich Dir zeigen. :)


    Gemalte Einhörner und tibetische Reinkarnation.....


    genau das :idea:

  • fotost:
    Sherab Yönten:

    Das hängt ganz davon ab, wie Du den Begriff Einhorn definierst, es hängt ab von seiner Benennung/ Zuschreibung. Was genau ist ein Einhorn? Soll es ein lebendes Einhorn sein? Oder vielleicht ein gemaltes Einhorn? Es gibt sogar ein Tim und Struppi Heft mit dem Titel: "Das Geheimnis des Einhorns". DAS kann ich Dir zeigen. :)


    Gemalte Einhörner und tibetische Reinkarnation.....


    genau das :idea:


    Lieber fotost, nun haben wir (Kilaya und ich) so viel geschrieben und was besseres ist Dir nicht eingefallen?

    Einmal editiert, zuletzt von Lucky Luke ()

  • Sudhana:

    Es liegt mir fern, vorgeben zu wollen, worum es hier gehen soll. Aber im Zusammenhang mit dem Thema wäre es mE schon sinnvoll, sich mit pratītyasamutpāda und insbesondere dessen viertem nidāna zu beschäftigen. Wenn man allerdings nicht weiss, dass genau das nāmarūpa ist, dann sind die Voraussetzungen dafür wohl nicht optimal ...


    Da bin ich wohl in bester Gesellschaft.


    Siehe die Diskussion unter http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=1&t=16283


    Allerdings wäre es schön, wenn Du etwas Licht in die Diskussion hineinbringen könntest und die von Dir genannten Fachbegriffe erklären könntest und dann darüber hinaus darlegen könntest, was das alles mit Reinkarnation nach tibetischer Lesart zu tun haben könnte!


    Im Übrigen freut es mich, dass Du Dich hier nun doch beteiligst :)

  • Sherab Yönten:
    fotost:

    Gemalte Einhörner und tibetische Reinkarnation.....


    genau das :idea:


    Lieber fotost, nun haben wir (Kilaya und ich) so viel geschrieben und was besseres ist Dir nicht eingefallen?


    Daß Du viel schreibst bedeutet nicht, daß es klug wäre oder weise.
    Und zu tibetischer Reinkarnation fällt mir nichts ein.


    Aber wenn selbst Buddha dazu schreibt...


    Majjhima Nikāya 2 http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m002z.html
    Ich habe einige erläuternde, vertiefende, ergänzende Stellen ausgelassen (), es sollten damit keine Veränderungen des zentralen Gedankens entstanden sein.

  • fotost:

    Daß Du viel schreibst bedeutet nicht, daß es klug wäre oder weise.


    Danke für die Blumen. :badgrin:
    Es gibt überhaupt keinen Grund, persönlich (abwertend) zu werden.
    Wenn etwas nicht klug ist, was ich geschrieben habe, dann möchte ich Dich bitten, es vernünftig zu begründen. Insbesondere der Aspekt Deines Argumentes bezüglich der "Falsifizierbarkeit" interessiert mich.


    fotost:

    Und zu tibetischer Reinkarnation fällt mir nichts ein.


    Ist es dann klug und weise, Dich hier trotzdem zu beteiligen?

  • Sherab Yönten:
    Sudhana:

    Es liegt mir fern, vorgeben zu wollen, worum es hier gehen soll. Aber im Zusammenhang mit dem Thema wäre es mE schon sinnvoll, sich mit pratītyasamutpāda und insbesondere dessen viertem nidāna zu beschäftigen. Wenn man allerdings nicht weiss, dass genau das nāmarūpa ist, dann sind die Voraussetzungen dafür wohl nicht optimal ...


    Da bin ich wohl in bester Gesellschaft.


    Siehe die Diskussion unter http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=1&t=16283


    Da geht es lediglich darum, ob nāmarupa alle fünf skandhah bezeichnet oder nur vier davon (unter Ausschluss von vijñāna). Grund dafür ist eben (bzw. das wird konkret als Grund angeführt), dass in der Formel des pratītyasamutpāda vijñāna (3. nidāna) als Bedingung von nāmarupa (4. nidāna) genannt wird. Was für mich nicht schlüssig ist, da dann ja auch saṃskāra (2. nidāna) und vedanā (7. nidāna) als von nāmarupa verschieden aufgefasst werden müssten und der Begriff 'nāma' in nāmarupa sich damit inhaltlich auf den saṃjñāskandha reduzieren würde - was mE unsinnig ist.

    Sherab Yönten:

    Allerdings wäre es schön, wenn Du etwas Licht in die Diskussion hineinbringen könntest und die von Dir genannten Fachbegriffe erklären könntest und dann darüber hinaus darlegen könntest, was das alles mit Reinkarnation nach tibetischer Lesart zu tun haben könnte!


    Es ist ein wenig viel verlangt, hier ad hoc ein Online-Seminar über pratītyasamutpāda abzuhalten - zumal unter spezieller Berücksichtigung der Behandlung in Nāgārjunas Mūlamadhyamakakārikā. Diese buddhistische Kernlehre sowie das Modell der fünf upādānaskandhah sollte man kennen, wenn man über punarbhava diskutiert. Meines Erachtens gehört dazu auch, dass man sich die paar zugehörigen 'Fachbegriffe' in Sanskrit oder Pali aneignet, weil sie unterschiedlich und zum Teil irreführend bzw. missverständlich übersetzt werden. Punarbhava - wörtlich 'Wiederwerden', häufig mit 'Wiedergeburt', 'Reinkarnation' o.ä. übersetzt - ist das beste Beispiel dafür. Für den Anfang kann schon Wikipedia da bei der Zuordnung der Fachbegriffe helfen.

    Sherab Yönten:

    "Was das alles mit Reinkarnation nach tibetischer Lesart zu tun haben könnte"?

    Wenn ich richtig informiert bin, wird in allen Schulen des tibetischen Buddhismus die Sichtweise des Madhyamaka (und zumindest in der Gelug-Schule speziell dessen Prasaṅgika-Interpretation) als höchste bezeichnet. Anerkannt wichtigster Grundlagentext des Madhyamaka sind Nāgārjunas Mūlamadhyamakakārikā, die u.a. die Identität von śūnyatā und pratītyasamutpāda darlegen (vgl. MMK XXIV,18) und insbesondere in dem von mir angesprochenen Abschnitt XXVI die Madhyamaka-Sichtweise von punarbhava im Kontext pratītyasamutpāda wiedergeben. Das ist in der Tat 'das' Mahāyāna, bzw. die hermeneutische Tradition des Mahāyāna , die als Madhyamaka ab dem 4. Jahrhundert nach China, Korea und Japan kam (Sanlun zong bzw. Sanron shū). Da kann man zu Recht von einer Sichtweise 'des' Mahāyāna sprechen, weil diese Tradition sich auch weitgehend mit der tibetischen Prasaṅgika-Lesart des Madhyamaka deckt, während die anderen, erst ab dem 6. Jahrhundert entstandenen späteren exegetischen Traditionen, die dann ab dem 11. Jahrhundert in Tibet Eingang fanden, eine "sehr späte [...] Ausprägung davon" sind. Wobei Svatantrika und die diversen Svatantrika-Yogacara-Amalgame (von Entwicklungen wie Shentong ganz zu schweigen) tibetische Spezialitäten geworden sind.


    Nicht von einer Sichtweise des Mahāyāna (oder gar des Buddhismus) sprechen kann man hingegen redlicherweise bei dem, was Dr. Berzin als "Die buddhistische Erklärung der Wiedergeburt" verkauft. Solche Einvernahmungen führen dann zu solchen Irritationen. Nochmals: mir geht oder ging es nicht darum, 'tibetische' Sichtweisen herabzusetzen oder als 'falsch' zu entlarven, sondern darum, mich gegen unbegründete Vereinnahmungen des ostasiatischen Mahāyāna zu wenden - dagegen, das Mahāyāna in Gesamtheit für spezifisch tibetische Sichtweisen in 'Mithaft' zu nehmen. Und das ist hier wohl eher nicht Thema, sondern eine 'innertibetische' Diskussion. Trotzdem schien mir diesbezüglich eine Klarstellung angebracht - anscheinend wurde mein Zitat ja anders verstanden.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • fotost:

    Aber wenn selbst Buddha dazu schreibt...

    Zitat

    ... Ihr Bhikkhus, ein nicht unterrichteter Weltling ... 'Gab es mich in der Vergangenheit?...


    Das Problem in diesem Zitat ist, dass ein nicht unterrichteter Weltling hier sein Atman sieht, wie es durch die Zeiten wandert. Ich.Ich.Ich. Betrachtet ein Buddhaschüler dies durch die Perspektive des bedingten Entstehens, wie durch Tat hier, dort eine Frucht erwächst, ist es heilsam.


    Deswegen wird die rechte Ansicht auch mit der aufgehenden Sonne verglichen, die allen heilsamen Dingen vorausgeht. Und umgekehrt mit falscher Ansicht.