Wiedergeburt im Zen

  • Das sesshin letztens in Japan begann mit "kanzen ni shinu"


    Dies bedeutet "Stirb vollständig"
    Und nu?

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • ja, mein ich ja @ Ellviral


    Da fällt mir grad noch eine Geschichte aus dem Sutra des Sechsten Patriarchen ein, irgendwo gegen Ende geschrieben, da geht es grob darum, dass Hui-neng alias Daikan Eno von irgendeinem Enkel eines verstorbenen Kaisers gebeten wird, sowas wie ne Totenmesse abzuhalten. Und das tut er sogar und spricht dann am Ende vom "Kaiser, der im Himmel ist". Keine Verweigerung von Seiten des Patriarchen also (die gegenüber dem Kaiserhaus ja schon fast Tradition war), nein, sogar die Bestätigung, dass "der Kaiser" (Individuum!) im "Himmel" ist (Zuordnung zu einem Daseinsbereich ohne diese Zuordnung in Frage zu stellen).


    Der Enkel will dem Patriarchen dann bißchen Gold als Dankeschön zukommen lassen, was dieser aber ablehnt; und weil der Enkel nun nicht weiß, wohin mit dem Gold, denn spenden / schenken will er's, sagt der alte Mönch, er solle den "toten Kaiser" entscheiden lassen, wohin damit.


    Ohne diese kleine, sehr aufschlußreiche Episode jetzt auseinanderklamüsern zu wollen, geht es doch eher um ein intuitives Verstehen der damit gegebenen Lehre, fällt mir dazu unter anderem ein Spruch aus den Evangelien ein, wonach Jesus Christus sagt "Lasst die Toten ihre Toten begraben".


    Der Tathagata ist der So Gekommene. Buddha stirbt nicht, weil Buddha nicht geboren ist. Und doch - hat Buddha die Stadt der Illusionen für uns Menschen gebaut. Und in dieser Stadt gibt's auch nen Club, der sich mit Wiedergeburtslehren beschäftigt.


    Es ist nicht so, dass ich selbst mich nie mit der Idee von Wiedergeburt beschäftigt hätte oder dass es nicht irgendwann einmal von großer Wichtigkeit für mich war, diese Frage für mich zu klären - eben deshalb halte ich es hier und heute lieber mit Jesus, der ja demnächst auch wieder Geburtstag hat. :)

  • Als ich das erste Mal von Wiedergeburt gehört habe kam sofort der Gedanke: "Ich werde nicht wieder geboren!!!" Das hab Ich natürlich und selbstverständlich nicht geglaubt. Heute sagt dieser Idiot zu mir: "Ich hab's doch gesagt!" Vierzig Jahre hab ich versucht durch alle möglichen Religionen diesen "Wisssenden???" zu widerlegen. Keine Chance!

  • Ja, denn die eine Matrjoschka hat mit der anderen Matrjoschka nichts zu tun und beide mit der dritten nichts und so fort. Entspannten zweiten Advent wünsch ich. Und neulich las ich einen Spruch in der UBahn, im Fahrgastfernsehen, der ging sinngemäß so: "Der Advent ist die Ankunftszeit des Lichts, nur die Erleuchtung bleibt meistens aus." LG

  • Djuvec:

    Da fällt mir grad noch eine Geschichte aus dem Sutra des Sechsten Patriarchen ein,


    Und da dachte ich, ich würde das Plattform-Sutra kennen ... Wärest Du so freundlich, anzugeben, wo genau sich diese Geschichte findet?


    Was auch immer Huineng irgendwelchen Hofschranzen erzählte, seinen Mönchen erzählte er so etwas:

    Zitat

    Was sind die tausend Milliarden Nirmāṇakāyas? Wenn ihr die Myridaden von dharmas nicht denkt, ist die Natur von Grund auf wie leerer Raum. Ein einziger Gedankenmoment wird Transformation genannt. Schlechtes Denken bedeutet Transformation in die Höllen. Gutes Denken bedeutet Transformation in die Himmel. Gift und Verletzung werden in Drachen und Schlangen transformiert. Mitgefühl wird in Bodhisattvas transformiert. Weisheit wird in die oberen Reiche transformiert. Dummheit wird in die niederen Reiche transformiert. Die Transformationen der Selbstnatur sind extrem zahlreich. Die verblendete Person kann dies nicht verstehen und aktiviert in jedem Moment des Denkens Übel, fortgesetzt die üblen Wege praktizierend. Doch wenn sie einen einzigen Gedanken der Güte hat, wird Weisheit erzeugt: dies nennt man den Nirmāṇakāya-Buddha der Selbstnatur.


    Findet sich im 'Reue'-Abschnitt, Seite 52 der Übersetzung McRaes von T.48.2008


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    OM MONEY PAYME HUNG

  • Zitat

    Was sind die tausend Milliarden Nirmāṇakāyas? Wenn ihr die Myridaden von dharmas nicht denkt, ist die Natur von Grund auf wie leerer Raum. Ein einziger Gedankenmoment wird Transformation genannt. Schlechtes Denken bedeutet Transformation in die Höllen. Gutes Denken bedeutet Transformation in die Himmel. Gift und Verletzung werden in Drachen und Schlangen transformiert. Mitgefühl wird in Bodhisattvas transformiert. Weisheit wird in die oberen Reiche transformiert. Dummheit wird in die niederen Reiche transformiert. Die Transformationen der Selbstnatur sind extrem zahlreich. Die verblendete Person kann dies nicht verstehen und aktiviert in jedem Moment des Denkens Übel, fortgesetzt die üblen Wege praktizierend. Doch wenn sie einen einzigen Gedanken der Güte hat, wird Weisheit erzeugt: dies nennt man den Nirmāṇakāya-Buddha der Selbstnatur.


    Zur Erläuterung: Die "Wiedergeburt" (hier weniger irreführend mit "Transformation" bezeichnet) ist etwas, das nur mittelbar mit Sterben oder Geburt zu tun hat. Transformation bezeichnet die Dynamik des gegenwärtigen (Gedanken-)Moments, der zum einen Zeit und zum anderen einen 'Eigner' des Gedankenmoments (die "verblendete Person") konstituiert. Anders gesagt: einen der "tausend Milliarden nirmāṇakāyas", der sich permanent (in einen anderen nirmāṇakāya) transformiert. Die Dynamik der nirmāṇakāyas (ihr 'Merkmal' anitya) zeigt sich der "verblendeten Person" in dualistischer Form als Leben-und-Tod, saṃsāra. In diesem saṃsāra "wandert" nichts - es wandelt sich lediglich. Das Wandeln, die Transformation, personal zu interpretieren ist ātmadṛșṭi - falsche, verblendete Sicht.


    Anmerkung: grundsätzlich gibt es eine gewisse Verwandtschaft mit Meister Eckarts etliche Jahrhunderte jüngerem Begriff der 'ewigen Geburt' im 'ewigen Nun'. Deutlich ist aber auch der Unterschied, vor allem der radikale Dualismus Mensch-Gott im Gegensatz zur Identität dharmakāya / nirmāṇakāya, wobei letzterer lediglich durch hinzukommende 'Befleckungen' (kleśa, das "Denken der Myriaden von dharmas") der Selbstwahrnehmung entzogen ist.


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    OM MONEY PAYME HUNG


  • Die Episode findet sich tatsächlich NICHT im besagten Sutra, sondern im zweiten Teil der Abhandlung über Das Bewahren der Reinen Praxis (Gyoji) von Dogen Zenji / Shobogenzo Bd.II (Kristkeitz Vlg, S.195) und es agiert darin auch nicht Hui-neng, sondern Tendo Nyojo als Patriarch. Vermutlich habe ich beides in der Erinnerung zusammengebracht, weil ich zu der Zeit auch das besagte Sutra las.


    Jaja, das menschliche Hirn. Kann viel ansammeln, kann viel durcheinanderbringen, aber nach einem Schlag auf den Kopf kann auch plötzlich alles weg sein. Was dann? :)