Wir erschaffen unsere Wirklichkeit Werner Vogd im Gespräch mit Peter Riedl

  • Wir erschaffen unsere Wirklichkeit
    Der Soziologe Werner Vogd (Autor des Buches 'Welten ohne Grund. Buddhismus, Sinn und Konstruktion') findet im neurobiologischen Konstruktivismus und im…
    www.ursachewirkung.com

    Zitat

    Was versteht man unter neurobiologischem Konstruktivismus?

    Wir sind biologische Wesen, die im Leib verkörpert sind. Es wurde herausgefunden, dass wir mit jedem Gedanken und jeder Handlung unseren Körper und unsere körperlichen Prozesse selbst verändern.


    Wie verändern wir uns durch unsere Gedanken und wie wurde dies herausgefunden?

    In den Forschungen von der neuronalen Plastizität. Wenn ich ein bestimmtes Verhalten und ein bestimmtes Begehren habe – da sind wir gleich beim Buddhismus –, dann schafft das Begehren eine Bahnung in unseren neuronalen Strukturen.

    Wie wirkt sich diese Bahnung aus?


    Eine materielle Bahnung sedimentiert sich in den Synapsen, den Kontaktstellen zwischen den Nervenzellen. Es entsteht ein bestimmtes Erleben, wie etwa die Gier, die sich dann so weiter bahnt, dass ich immer gieriger werde.


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    :zen:

  • Das Problem ist, dass wir glauben, dass die Wirklichkeit, die wir aufgebaut haben, die Realität ist.

    Verzweiflung erscheint, weil wir nicht mehr erkennen, dass unsere Wirklichkeiten nicht die Realität ist. Wir wenden ungeheure Energien dafür auf, um die Realitäten an unsere Wirklichkeiten anzupassen und zerstören damit die Grundlagen unserer Realität.


    Wenn wir erkennen, dass unsere Wirklichkeit nicht die Realität ist, kann das Verhängnis der Vernichtung der Realität, die unser Leben ermöglicht, auch die scheinbar private, nicht mehr aufgehalten werden.


    Das Leben vergeht nie wieder auf der Erde, egal was wir machen, Algen, Bakterien, Vieren, Pilze sind auch Leben. Doch die Erde kann sehr gut ohne uns klarkommen, hat sie schließlich einige Milliarden Jahre gemacht. Das Universum ist dermaßen leer von Leben, dass Leben sowieso KEINE Rolle im Universum spielt. Bewusstsein, Geist und Götter wohl noch weniger als keine, damit haben Menschen ja auch nur ein Minimum im Verhältnis zu allen fühlenden Wesen.


    Der Mensch sollte viel mehr auf die Realität achten und seine Wirklichkeiten dieser anpassen.

    3 Mal editiert, zuletzt von Noreply ()

  • Das ist verdammt gut erfasst! Von kurzem genau das es wurde mir gesagt.

    Ich nehme an, ohne sehr tiefes samadhi , also wie man im Theravada sagt, die "Welt-Überwindung" es geht nichts. Man kann es anders betrachten, im Sinne frei ( auf immer? ) von allen möglichen Identifikationen und den Konzepten. ( nichts zu Er-greifen, an nichts an-zu-haften, usw.. mit dem ganzem Kram..)

    Im Interwiew der Autor spricht eher über die "Besesseneheit-Phänomene". Man kann sehr klare Parallelllen im Bezug zum Pali-Kanon finden. In einigen Sutras ( "höhe Geister-Welten", so etwas) der Buddha spricht sehr deutlich darüber. Auf Anhieb ich finde diese Stellen nichts sofort in 8 Bändern. Sorry.

    Aber im TB , wie ich ihn ein wenig verstanden hatte, man kann es erfahren, auch man spricht über die "Schädel-Ecke- ?-- "Eröffnung".. ( im Buch).

    Also, die Erfahrunen sind absolut real, die andere Frage wäre, dass es alles absolut nichts in das Paradigma ( von der Dritten Person-Perspektive) passt, denn die ganze Mystik man kann nur von dem Innerem Erfahen, also er-leben, aber(er)- messen kann man es nichts.

    Als ich das ganze geselen hatte, das erinnerte mir seltsamerweise das Buch von Dr. Wickland : " Dreissig Jahre unter den Toten". So auch man findet bestimme Hinweise in der Zeitschrift "Wissen und Wandel", 1976. 11/12 . Der Prinzip , meine ich.

    So steht im Text von "U/W":


    Zitat

    Die Erkenntnisse sind im realen Leben anwendbar. Etwa darauf zu achten, dass das, was vermeintlich das Ich ist – auch Gefühle oder Denkweisen –, möglicherweise nicht ‚ich‘, sondern die Gesellschaft ist. In der westlichen Welt haben wir die Intuition verloren, dass wir ‚besessen‘ sein können. Im tibetischen Kontext ist es einfach klar, wenn Menschen depressiv sind, dann sind sie von Geistern besessen. ‚Geister‘ sind Informationen, die in den Leib hineingehen und dort bleiben. Ein Beispiel: Ich höre Nachrichten, die mich deprimieren. Ich vergesse aber, dass es die Nachrichten waren, die mich depressiv gemacht haben. Diese Information, die mein Körper unbewusst aufgenommen hat, bezeichne ich als Geist. Geister dringen in einen ein und führen dann ein Eigenleben. Das Problem unserer Gesellschaft ist, dass man nicht weiß, dass es Geister sind, man verwechselt sie mit dem Ich.


    Das passt sehr gut , was man über die "Besessenheit " in allen Religionen mehr als genung weiss ( Wikipedia).

    Klar, das ganze wirft wieder die dringende Frage auf, über die Struktur der Realität, also wie sie beschaffen ist?

    Der Autor trifft wieder den Nagel auf den Kopf:


    Zitat

    Die Materie, das, was wir als Struktur sehen, ist die Sedimentation, also die Ablagerung von geistigen Prozessen, nämlich von Information. Wenn wir bei Lebewesen die Prozesse der Information organisieren würden, dann würde der Leib sehr schnell auseinanderfallen und wäre kein fester Block.


    „Ich bin als Leib eine Flussstruktur.“

    Ich folgere daraus, dass der "Geist " kreiert den Körper, aber nichts umgekehrt. Und mit dem Tod ( des "Fleisch-Leibes" ) es sollte weiter gehen.

    Sehr lehrreich, das Buch kann man in Netz herunterladen. Um die Kohle zu sparen. *lach*.. Die ist, bestimmt, nichts geister-haft( Ironie).

    Sehr interesant und inspirerend, bricht alle mögliche dogmen.

    Tja, am ende ge-merk-t, ich kann meine Depressionen als die "Besesseneit " von den fremden Geisten betrachten. Weiss ich nichts, sollte ich mich an den Exorziten anwenden? ( Ironie), um von denen befreit zu werden?

    So der Autor:


    Zitat

    Das Problem unserer Gesellschaft ist, dass man nicht weiß, dass es Geister sind, man verwechselt sie mit dem Ich.

    Wie kann ich mich von diesen Geistern befreien?

    Die erste therapeutische Einsicht ist, erstmals die Geister zu erkennen. Zu begreifen, dass diese Geister in die leibliche Struktur hineingekommen sind, ohne dass man es gemerkt hat. Die zweite Einsicht ist, dass es eine Form des ‚Selbst‘ gibt, die nicht mit dem ‚Ich‘ verwechselt werden sollte. In der Meditationspraxis, bei der Reflexion der Empfindungen, merkt man: Ich bin durch die Nachrichten depressiv geworden. Plötzlich sieht man, ich brauche keine Angst zu haben oder depressiv zu sein. Es entsteht plötzlich ein Moment der Freiheit.

    Das ist aber eins zu eins die "Besessenheit", wie die geschidert ist.

    Ok, Leonie , darf ich dich, bitte , fragen, was hältst du von dem allem ? Das ist doch entweder das Mittelalter mit den "Hexen-Verbrennung" oder das Neue Modell ( ach, die Auslegung) von dem "Leib-Seele"-Problem im Sinne

    Die Geister beherrschen wie mich, wie die ganze Welt , Tja... (: :) (: :angel: :roll:

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Verzweiflung erscheint, weil wir nicht mehr erkennen, dass unsere Wirklichkeiten nicht die Realität ist. Wir wenden ungeheure Energien dafür auf, um die Realitäten an unsere Wirklichkeiten anzupassen und zerstören damit die Grundlagen unserer Realität.

    Sorry, es gibt doch keine "Grundlegende " Realität, wie es mehr als genug Quanten-Physik nachgeweisen hat. "Real " ist nur mein "Ich-Wahn", wie es Paul Debes oder FS ausdrücken.

    Was auf mich wirkt, eher "ein-wirkt", das ist "real".

    Die "Realität " ist demzufolge nur der Konstrukt in ( als ob ) "unserer " Wahr-nehmung".

    Die nimmt die Er-schein-ung der Dinge für die bare Münze. So ist Dukkha.


    Jacob Libermann formulierte hierzu:

    "Die Quantenphysiker unserer Zeit haben entdeckt, daß das Leben sicher nicht unseren stofflichen

    Vorstellungen entspricht. Die Dinge sind nicht aus fester Substanz gemacht. Alles, was

    wir erfahren, ist naturgemäß schwingungsgebunden - die Materie insgesamt ist in Wirklichkeit

    Lichtenergie, die lediglich auf Grund einer durch den Verstand erzeugten Täuschung solide erscheint.


    Wenn man den Artikel von "U/W" echt sehr aufmerksam liest, man kann nur dem zustimmen.

    P.S. Noreply , meine Argumentation ist genug kostruktiv, ich bitte dich sehr, die Forum -Regeln ( "keine persönliche Verletzungen") zu beachten. Danke sehr!

    Ein Leben ohne Selbsterforschung verdiente gar nicht gelebt zu werden.

    Sokrates

  • Noreply kann dich nicht persönlich verletzen und auch nicht widerlegen. Der Beitrag war nicht für dich gedacht.

    MfG

    Noreply

  • Ich fand das bereits Watzlawicks Werke zum Konstruktivismus eine große Nähe zu den Pali Texten aufweisen. Aber einen Systemtheoretiker, der die Ideen des Konstruktivismus mit neurobiologischen Erkenntnissen verknüpft, ist ja wirklich spannend. Insbesondere an dem Begriff der „autopoietischen Systeme“ fand ich den Transfer in eine buddhistische Fragestellung bzgl. dukkha nicht leicht umzuformulieren.

    "Ein autopoietisches System bringt Prozesse hervor, die rekursiv das System produzieren, aus denen sie hervorgebracht wurden" (mit meinen eigenen Worten wiedergegeben)

    Die Deklaration im Pali-Kanon, wann man von einem „Wesen“ (satta) spricht findet sich in S23.2:


    Zitat

    Was da Wille, Gier, Lust und Begehren zur Form/Gefühl/Wahrnehmung/Gestaltungen/Bewusstsein ist, da hängt man (satto), da hängt man fest (visatto); daher heißt es (Lebe-) Wesen (satto)


    Im Buddh. Kontext kann man „Wesen“ daher als ein System betrachten. Und da sich das System durch Prozesse (Ergreifen, Begehren) rekursiv selbst produziert, ist es ein autopoietisches System. Die Prozesse, die das System hervorbringt könnte man auch mit kamma bezeichnen. Die Reproduzierung des Systems, dass es nährt, vipāka.


    Die Frage, die sich mir aufdrängt: Bis zu welchem Punkt kann ein solches autopoietisches System „Wesen“ durch eigene Prozesse zur Selbstauflösung beitragen? Meine vorgreifende Vermutung: Gar nicht. Das System unterliegt einer autopoietischen Gesetzmäßigkeit, die es nicht auflösen kann, da jeglicher Versuch zur Auflösung ein weiteren Prozess darstellt der das System aufrecht erhält. Damit ist es nicht möglich, sich aus dem Beziehungsnetzwerk zu befreien, in dem man sich hineingeworfen vorfindet. Man kann sich aber das Wissen über das (autopoietische) Beziehungsnetzwerk zunutze machen, um es geschickt anzuwenden, indem man es 1) durchschaut (z.B. durch anattā-sañña ) und 2) mit heilsamen Prozessen nährt, wie z. B. Metta-bhavana oder grundsätzlich die Vier Brahmaviharas und eine Sila-Praxis, um zumindest aus dem Erleben eine Komponente rauszuziehen: dukkha.

  • Zitat

    Die Frage, die sich mir aufdrängt: Bis zu welchem Punkt kann ein solches autopoietisches System „Wesen“ durch eigene Prozesse zur Selbstauflösung beitragen? Meine vorgreifende Vermutung: Gar nicht.

    Nach systemtheoretischen Verständnis tatsächlich gar nicht. Luhmann hat die Existenz eines Systems daran festgemacht, dass es im Ergebnis das produziert, was es für neue Runden des Daseins braucht. Er nannte diese Verbindung von Prozess-Ende mit einem erneuten Anfang die operative Schließung. Ohne die Schließung würden die dem Prozess zur Verfügung stehenden Ressourcen in kürzester Zeit zerfasern und sich in Reibereien verbrauchen. Zu fordern, dass das System sich auflöst, ist so absurd, als verlangte man von einer Behörde, sich selbst abzuschaffen. Was systemtheoretisch aber gut machbar ist, ist, dass das System sich der Bedingungen seiner Existenz selbst bewusst wird. Es kann sich dann mäßigen, statt alles kontrollieren zu wollen. Sich ganz abzuschaffen entspräche im buddh. Sinne wohl auch einem Verfallen ins negative Extrem, statt dem mittleren Weg zu folgen. Schließlich haben sich die meisten Erwachten/Erleuchteten auch nicht vorzeitig aufgelöst, sondern ihr irdisches Leben bis zum Ende zum Wohle der Wesen weitergelebt.

  • Was systemtheoretisch aber gut machbar ist, ist, dass das System sich der Bedingungen seiner Existenz selbst bewusst wird. Es kann sich dann mäßigen, statt alles kontrollieren zu wollen.

    Was im buddh. Kontext bedeuten würde, dass der soteriologische Anspruch des Tranzendenten (z.B. Kensho, Satori, die Vier Früchte oder welchen Begriff man dafür auch verwenden möchte) schlicht in der Rückkehr zum Immanten liegt: Man übernimmt die großtmöglichste Verantwortung für sein tun (=Absichten) auf eine heilsame Weise innerhalb seines wechselseitig konditionierten Netzwerkes (=Alltag) über die Systemgrenzen (z.B. Kommunikation).

    Und geht einfach den Weg.

  • So könnte man folgern. Das heißt aber noch nicht, dass das in der Realität tatsächlich alles ist. Es ist lediglich der Output einer Theorie. Luhmann hatte mit sich selbst eine Wette abgeschlossen: dass es ihm gelingt, fast alles in der Soziologie als System zu beschreiben. Diese Wette hat er nach Auffassung vieler Wissenschaftler bis zu seinem Tod wohl gewonnen. Pro und Contra: Mit der Systemtheorie konnte er vieles erklären, woran andere Ansätze ( wie z.B. behavioristische Theorien) scheiterten (die Großartigste: Warum kreisen Behörden und Ämter im Wesentlichen um sich selbst, und wir als Antragsteller stören dort eigentlich nur?). Jedoch gibt es in der Gesellschaft auch andere Aspekte, die seine Systemtheorie nicht so recht erklären kann. Das muss man im Hinterkopf behalten, bevor man aus Theorien Schlussfolgerungen zieht, wie die Dinge sind und wie man sich verhalten soll.