Welche Sprache sprach Bodhidharma?

  • Ich habe eine sehr spezielle Frage zu Bodhidharma. Vielleicht weiß ja einer der Foren-Freunde Rat.


    In welcher Sprache haben sich wohl Bodhidharma und Kaiser Wu in dem legendären Dialog unterhalten, als der Satz viel „Offene Weite - Nichts von heilig“?


    Das klingt merkwürdig, mich interessiert dieses Detail aber tatsächlich.



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    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Tja, da gibt es wohl keinen Lebenden, der damals dabei war ...


    Aber ich traue sowohl Bodhidharma wie auch dem Kaiser zu, das sie mehrsprachig waren ...

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Ich denke, dass es auf jeden Fall die Sprache des Kaisers war. Der wird sich nicht dazu herabgelassen haben, an seinem eigenen Hof mit Besuchern in einer fremden Sprache zu reden.


    Das ist übrigens auch heute so. Es gab mal einen kleinen Aufruhr weil ein Minister (Gutenberg?) in einer BPK einem englischen Journalisten auf Englisch statt auf Deutsch geantwortet hat.


    Was damals bei Wu die Sprache am Hofe war, sollte relativ leicht recherchierbar sein.

  • John McRae schildert in seinem Buch gut, wie die Chan Tradition sich immer wieder selbst erfand und dabei neue Ideen nicht als neue verkündete sondern ihren Gründern zuschrieb.


    Zitat

    The following chronological assertions can be made with reasonable confidence about the earliest hagiographical image of Bodhidharma. According to sources from the mid-seventh century and earlier, it was thought that he (a) arrived in south China by sea sometime in or before 479; (b) moved to north China before 495, perhaps by 480 or so; (c) was in Luoyang sometime during the years 516–26; and (d) died around 530 (i.e., sometime during the years 524–34).

    ...

    Also, given the time frame suggested by the evidence, the story involving Bodhidharma and Emperor Wu of the Liang dynasty is clearly anachronistic, given the latter’s reign dates of 502–49.


    Kaiser Wu förderte aber wirklich den Buddhismus und würde dann später eben als Modell eines prototypischer Buddhismus freundlicher Herrscher gesehen.


    The emperor is probably best known for being one of the co-authors of a major scripture in Chinese Buddhism. A major Buddhist repentance service is named after the emperor. Titled the Emperor Liang Jeweled Repentance(梁皇寶懺), the repentance records and details the reasons behind his wife's transformation, examples of people affected by karma, stories about people receiving retribution, and what one can do to prevent it. The repentance also involves prostrations to a number of Buddhas.

    Historically, Emperor Liang initiated this ceremony approximately 1500 years ago. His wife, Chi Hui, died aged thirty after leading a life marked by jealousy and anger. After her death, she turned into a giant snake and purgatory . She came to recognize that she needed prayers from the sangha to expiate her sins and release her from the lower realms. Through great generosity, Emperor Liang requested Ch'an Master Bao Zhi and other high monastics to write ten chapters of the repentance. As a result of performing this ceremony, his wife was indeed released from its suffering.

    It is a popular text amongst many Chinese Buddhists, the text itself is recited and performed annually in many temples, usually during the Qingming Festival or the Ghost Festival.

    Der "Zen Meister" Bao Zhi ist ebenfalls eine sehr legendäre Person aber hat noch viel mehr von dem was man zu so einem ner frühen Zeit des Buddhismus in China - wo viele Texte noch nicht übersetzt sind - erwarten würde.


    .Kaiser Wu hatte also vielleicht einen exzentrischen Meister, der ihm vielleicht respektlose Sache sagte. Aber sehr andere.


    Ich nehme an, dass man damals ebenfalls eine "chinesische Amtssprache" hatte, in der man sprach.

  • Aus heutiger Sicht würde man es als Verfälschung ansehen, wenn man"alte Geschichten" ändert.


    Aber in traditionellen Gesellschaften sind ja"alte Geschichten" seltener dazu da die Vergangenheit festzuhalten, sondern die Tradition gilt häufig als Norm -als ein Präzedenzfall. Der, wenn man eine

    neue Norm etablieren will, ausgehebelt und "umeditiert" wird.


    Und da gilt Kaiser Wu in Indien als der Prototype "der Chravartin" der mit dem "dem buddhistischen Meister" den Wechselkurs zwischen materieller Förderung und spirituellen Verdienst auskaspert. Für Indien hätte man vielleicht Ashoka genommen und für Japan Shōtoku Taishi.


    Und von daher macht es ja für die spätere Chance Tradition an den "Ort des Verbrechens" zurückzukehren. Diesmal eben nicht mit einem Thaumaturg wie Bao Zhi wo man für so und so viel Förderung dann so und so viel Verdienst bekommt das man sich dann in aus der Unterwelt Gerettete umrechnen kann.


    Sondern mit einem Bodhidharma, der den ganzen Deal in Frage stellt.

  • Jedenfalls hat er nicht mal Mu gesagt ...

    "Ein Mönch, der Fragen stellt und sich unsicher ist, wie er den Geist eines anderen einschätzen mag, soll einen 'Buddha' genau untersuchen, um festzustellen, ob dieser tatsächlich erwacht ist." (Vivamsaka Sutta)

  • Jedenfalls hat er nicht mal Mu gesagt ...

    Dazu fehlten ihm halt noch ein paar Jahre Studium der Wand - nach Shaolin kam er ja erst nach der Audienz bei Wu.


    Okay - die Bodhidharma-Überlieferung ist schon beim ersten (spätestens zweiten) Hinschauen zu inkonsistent, um nicht in großem Umfang frei erfunden zu sein. Und das vermutlich von unterschiedlichen Erzählern. Das ergibt aber trotzdem eine schöne Geschichte für die nicht allzu Kritischen, Leute, denen man auch erzählen kann, der Tee, den man ihnen verkaufen will, sei direkt aus Bodhidharmas abgeschnittenen Augenlidern gewachsen. Wenn ich es recht erinnere (ist schon ein paar Jahre her ...) gab es wohl mindestens zwei verschiedene historische Personen als 'Kerne' der Überlieferung, die sich im Laufe der Jahrhunderte entwickelte - wobei sich die 'Anwachsungen' der Legende historisch recht gut nachverfolgen lassen.


    Allerdings nicht bis auf ihren tatsächlichen geschichtlichen Kern. Irgendwann kommt man da nur noch mit Hypothesen weiter, womit man dann selbst an der Legende weiterstrickt, indem man sie dekonstruiert. Da ist es dann durchaus plausibel - um nicht zu sagen glaubhaft - dass Bodhidharma nicht aus (bzw. über) Zentralasien kam. Nicht aus dem Westen, wie das Gerücht besagt, sondern aus dem Süden. Was ja auch mehr Sinn macht, wenn dieser Bodhidharma sein Debut als erster chinesischer Patriarch des Zen am Hof des Kaisers Wu gab, um anschließend zur nördlichen Konkurrenz zu gehen. Seidenstraße ja - aber die des Meeres. Der Dharma sickerte über beide Handelsrouten ein (wenn auch die nördliche die wichtigere war) - und so gibt es auch einen Bodhidharma, der aus Sri Lanka kam, wo er (natürlich) aus königlicher Familie stammte. Was - wenn die Audienz bei Kaiser Wu historisch ist - wohl eher ihr Grund war, als sein spirituelles Renommée. Ob er sich da tatsächlich so respektlos geäußert hat, ist noch einmal eine andere Frage und auch (falls diese Frage bejaht wird) wieso er damit davonkam. Ob Wu Di einfach dermaßen verblüfft über diese Frechheit war, dass der komische Heilige entwischen konnte, bevor er seine Sprache wiederfand oder ob der hingebungsvolle Buddhist Wu Di vielleicht schon zumindest eine Ahnung hatte, was "offene Weite, nichts von heilig" (um Gundert zu bemühen) sein könnte. Mer waaß es net, mer stickt net drin, wie man hierzulande sagt.


    Der Teil der Legende, der Bodhidharma zum 'Überbringer' des Lankavatarasutra macht, verweist auf jenen speziellen historischen Kern der Legende, der tatsächlich von Interesse ist: die sog. Lankavatara-Schule, auf die sich die spätere Chan- / Zen-Schule als 'Vorläufer' beruft. Zumindest ist das Sutra etwas Aufmerksamkeit wert, wenn auch nicht so viel wie Yuanwus erster Präzedenzfall.


    Jedenfalls - auch wenn zu Wu Dis Ausbildung die Erlernung von Sanskrit (eine wichtige Handelssprache) gehört hätte - die Hofetikette hätte für Bodhidharma, falls der sich auf sein Reiseziel nicht sinnvollerweise mit dem Erlernen der Sprache vorbereitet hatte, allenfalls einen Dolmetscher zugelassen. An denen hat es nie gefehlt.

    OM MONEY PAYME HUNG