
Über die Vergänglichkeit des Lebens.
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Aber: es muss heißen: ... wie quälend der Prozess des Sterbens sein kann (oft: ist, aber nicht immer: ist).
Ach ja, das Sterben ist wirklich quälend. Ich lese gerade ein neues Buch über das Leben des historischen Buddha. Er hatte enorme Schmerzen – aber ich frage mich immer wieder: Hat er darunter gelitten?
Das ist der Haken mit der Sprache. Denn der Schmerz des Körpers ist nicht dasselbe wie das Leiden. Der Geist (Citta) muss nicht notwendigerweise mit dem Körper leiden. Ich denke, das ist möglich. Denn – was gehört mir eigentlich? Nichts. Alles ist nur ein Prozess des Wandels.
Wir alle sind verfangen in unseren mentalen Karten, Schablonen und Modellen. Unsere Sprache ist dualistisch: Subjekt gegen Objekt, Schwarz gegen Weiß, Leben gegen Tod, Samsara gegen Nirvana ...
Aber die Realität, wie sie ist, gleicht Indras Netz – einem holografischen Universum, in dem alles mit allem verbunden ist.
Ich habe sehr viel über dieses Thema reflektiert – praktisch rund um die Uhr –, als mein Vater im Sterben lag. Er war blind, dement, bettlägerig und sehr alt. Der Tod kann auch als Erlösung gesehen werden, selbst wenn das zynisch klingt. Er war 97. So alt werde ich wohl nie.
Und trotzdem hat mir das sehr viel Angst gemacht. Wie soll ich das alles aushalten? Aber ich wusste, dass ich ihn begleiten muss. Ich hätte es mir nie verziehen, wenn ich es nicht getan hätte.
Also las ich alles Mögliche, was der Buddhismus über Vergänglichkeit sagt. Das ist doch das zentrale Thema überhaupt – oder?
Niemand von uns kann dem Alter, der Krankheit und dem Tod entkommen.
Ich denke oft darüber nach, wie ich sterben werde. Werde ich am Ende alles loslassen können? Werde ich mich an nichts mehr klammern? Ich weiß es nicht. Vielleicht will ich es gar nicht wissen. Aber fliehen kann ich nicht.
Zitat10. Es sah, ihr Mönche, der Prinz Vipassī, als er zum Park fuhr, eine Menschenmenge, die eine Bahre aus verschieden gefärbten Stoffen anfertigte. Dies gesehen, sprach er den Wagenlenker an: 'Warum, lieber Wagenlenker, fertigt diese Menschenmenge eine Bahre aus verschieden gefärbten Stoffen an?' - 'Da ist, Herr, ein Toter.' - 'Dahin, lieber Wagenlenker, wo der Tote ist, lenke den Wagen.' - 'So sei es, Herr.' Nachdem, ihr Mönche, dies der Wagenlenker dem Prinzen Vipassī geantwortet hatte, lenkte er den Wagen zu dem Toten. Es sah, ihr Mönche, der Prinz Vipassī den Verstorbenen. Dies gesehen sprach er den Wagenlenker an: 'Warum, lieber Wagenlenker, nennt man dies einen Toten?' - 'Das ist eben, Herr, ein Toter, nicht mehr können ihn Vater, Mutter und andere Blutsverwandte sehen und auch er kann nicht mehr Vater, Mutter und andere Blutsverwandte sehen.' - 'Habe auch ich, lieber Wagenlenker, die Eigenschaft des Sterbens, bin auch ich dem Sterben unterworfen? Werden auch mich der König, die Königin und andere Blutsverwandte nicht mehr sehen, und werde auch ich den König, die Königin und andere Blutsverwandte nicht mehr sehen?' - 'Auch du, Herr, und auch ich, wir alle haben die Eigenschaft des Sterbens, sind dem Sterben unterworfen. Dich werden der König, die Königin und andere Blutsverwandte nicht mehr sehen, und auch du wirst den König, die Königin und andere Blutsverwandte nicht mehr sehen.' - 'Dann, lieber Wagenlenker, genug für heute mit dem Park, lass uns zum Palastzentrum zurückkehren.' - 'So sei es, Herr.' Nachdem, ihr Mönche, der Wagenlenker dies dem Prinzen Vipassī geantwortet hatte, kehrte er zum Palastzentrum zurück. Dort im Palastzentrum, ihr Mönche, grübelte der Prinz Vipassī traurig und niedergeschlagen: Schrecklich ist Geburt, weil für den Geborenen unweigerlich Alter, Krankheit und Sterben entstehen.
Und wenn ich diesen Abschnitt wieder und wieder lese, stelle ich mir immer die Frage: Warum fühlte sich für den Prinz Vipassī alles so schrecklich an? Er war doch jung und kerngesund.
Was wir alle als selbstverständlich hinnehmen, war für ihn nicht so.
In der modernen Konsum- und Leistungsgesellschaft ist es besser, über den Tod nicht zu sprechen. Das Sterben wie auch der Tod gehören ins Krankenhaus, Hospiz oder ins Pflegeheim.
Aber mit jedem Augenblick rückt der Tod näher. Die Uhr tickt. Immer lauter. Ich höre sie.
Wenn jeder von uns das hören würde, dann würden wir nicht mehr über den Dhamma sprechen( und so viele Begriffe ) – wir würden ihn am eigenen Leib erleben. „Durch-Leib-leid-en“. „Er-leid-en“. Und dieser Leib wird mit Sicherheit eines Tages zur Leiche. Tod-sicher. Die Sprache lügt nicht.
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Indras Netz, wie ich es verstanden habe. Unzählbar viele Punkte sind nur darum von mir, als ein Netz zu erkennen, weil ich Linien/Fäden zwischen den Punkten zu erkennen glaube.
Kunststricken: Mit einem Faden erschaffe ist etwas, das scheinbar an Punkten befestigt ist.
Weil ich Fäden erkenne, erkenne ich auch Knoten. Weil ich ein Netz erkenne, vergesse ich, dass es nur ein Faden ist.
Ich weiß nur, dass es Punkte gibt und keine Fäden oder ich weiß, dass es ein Netz ist, also keine Punkte gibt, sondern Knoten.
Wenn ich den Faden sehe und seine Knoten, dann glaube ich, alles ist miteinander verbunden, doch das ist unwirklich, weil ich meinen Faden sehe und nicht mehr die Punkte, die ich mit meinem Faden verblendet habe.
Ich glaube an meine Meinung und leide an ihr, weil ich meine Fäden sehe, doch nicht, dass ein anderer ein anderes Netz hat.
Oder ich sehe meine Meinung als Netz, das ich geknüpft habe und weiß, dass es nur eine Verblendung der Realität ist, dann leide ich nicht durch meine Meinung.
Meinung steht gegenüber einer Meinung. Wir können uns über unsere Knüpf-/ Stricktechnik unterhalten, doch, wenn beide auf ihr Richtig bestehen, kommt es zu Konflikten.
Wenn einer weiß, die Meinungen sind nur Modelle, kann es zu Konflikten kommen, doch mindestens einer wird nicht darunter leiden, er löst einfach seine Meinung auf.
Wissen beide, die Meinungen sind nur Modelle, können sie mit Freude vollkommen verwirrend für andere ihre Meinungen austauschen und immer Freunde sein. Sie knüpfen tatsächlich kurzzeitig eine gemeinsame Meinung.
Die habe ich mal vor 22 Jahren gemacht, 1,80 Durchmesser. Für das abhäkeln brauchte es 2 Std.
Damit wurde mir Indras Netz klar, mein Fadenknüpfen. Ziehe ich diesen Faden, löst sich mein Netz auf und von ehemaligem Fadennetz bleibt nur eine Einbildung. Vergänglichkeit in Perfektion.
Bitte melde dich an, um diesen Anhang zu sehen.
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Meinung steht gegenüber einer Meinung. Wir können uns über unsere Knüpf-/ Stricktechnik unterhalten, doch, wenn beide auf ihr Richtig bestehen, kommt es zu Konflikten.
Qualia , mein Lieber,
Wir alle leben in Modellen, aber der Hinweis auf den Mond ist nicht der Mond selbst.
In diesem Zusammenhang erinnere ich an den dritten Fall aus dem Mumonkan: „Guteis Finger“.
Das Erleben geschieht in mir – nicht da draußen.
Ansonsten wäre es wohl besser, den Finger abzuschneiden.
Tja, ironisch gemeint.
Auch Qualia lässt sich nicht vermitteln. Sie ist subjektiv – und dennoch real. In diesem Sinne: Sie wirkt. Bestimmt! -
Was mit den Seelen geschieht ist eine überflüssige Frage, da es keine Seelen gibt, die irgendwo hingehen. Seelen sind nur unsere Einbildungen. Was mit der Energie geschieht, erklärt die Physik mit dem Energieerhaltungsgesetz.
Fragen sind nie überflüssig.
Seelen sind auch keine Einbildungen,sondern Vorstellungen.
Du hast andere Vorstellungen,das ist alles.
Die Vorstellung,das es so etwas wie eine Seele gibt,ist uralt und und hat noch ein langes Leben vor sich.
Nur weil die Vorstellung von einer Seele uralt ist, bedeutet dies ja nicht, dass es sie auch der Realität entspricht. Der Begriff Seele hat keine Benennungsgrundlage in der Realität. Genauso wie die Vorstellung, die Erde sei eine Scheibe. Auch diese Vorstellung gab es über einen sehr langen Zeitraum, obwohl die Erde nie eine Scheibe war. Sie war auch zu den Zeiten, als man dachte, die Erde sei eine Scheibe, immer schon eine Kugel.
So wie man nicht aufzeigen kann, dass die Erde eine Scheibe ist, so hat auch bisher keiner aufzeigen können, was denn die Seele sein soll. Das ist genauso wie den Hasenhörnern. Man hat eine Vorstellung von ihnen, aber gibt sie nicht.
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Du bist sehr eifrig,wenn es gilt,jemanden von Vorstellungen abzubringen,die,nach deiner Vorstellung,unsinnig,überholt,wissenschaftlich nicht haltbar sind.Ich habe nichts erwähnt von Erde als Scheibe oder Hasenhörnern.Du unterstellst mir einfach etwas.Es lohnt sich,glaube ich,auch nie zu vergessen,daß die Maßstäbe,mit denen man in der Welt herumläuft,in den allermeisten Fällen nicht die eigenen sind,daß man,gerade im wissenschaftlichen Bereich,mehr als Handelsvertreter übernommener Sichtweisen unterwegs ist.
Wissenschaft ist nur ein Deutungs- und Erfahrungskollektiv unter vielen anderen,allerdings das mit Ressourcen am besten ausgestattete und zentral in der Wahrnehmung der Interessen des Staates und seiner angeschlossenen Organe.
Dieser Großstruktur steht der kleine einzelne Mensch gegenüber,und muss für sich die Bilanz über das ziehen,was er sehen,mittragen und erdulden muss.
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Der Liebe Helmut ist auf jedenfall kein engstirniger Wissenschaftsfanatiker oder Naturalist. Diese Rolle fällt hier eher mir zu und ich schätze Helmut für seine buddhistische religiöse Perspektive von der ich viel lernen kann (auch wenn mein Pfad ein anderer ist so mag ich die Begegnungen wenn sich unsere Pfade kreuzen).
Manchmal rasseln Helmut und ich aneinander (wenn ich mal wieder Nagarjuna unorthodox auslege zum Beispiel). Aber ich finde das eigentlich stets wertvoll.
Es macht schon Sinn zu erwähnen wenn eine Vorstellung orthodoxer buddhistischer Lehre widerspricht. Das heißt nicht dass man beim lesen verpflichtet ist die orthodoxe Sicht anzunehmen, aber niemand sollte sich rechtfertigen müssen Kernlehren wie anatmen zu referenzieren.
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Du redest an meinem Beitrag vorbei.
Genauso wie die Vorstellung eines Hasenhorns und die Vorstellung, die Erde sei eine Scheibe, keine Grundlage in der Realität haben, so hat auch die Vorstellung einer Seele keine Grundlage in der Realität. Egal wie bisher Seele definiert wurde, niemand hat ein Phänomen benennen können, das die Definition der Seele erfüllt. Also gibt es dann auch keine Seele. Das ist 1.Klasse Logik.
Aber wir erleben eben, dass Menschen über lange Zeit an Vorstellungen festhalten, die kein Äquivalent in der Realität haben. Diese Vorstellungen sind natürlich auch eine Realität, aber sie sind inhaltlich sinnlos. Für die Menschen, die an solchen Vorstellungen, die keine Grundlage in der Realität haben, festhalten, haben sie natürlich eine Bedeutung. Sonst würden sie nicht daran anhaften. Sie haften an Illusionen an.
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Du redest an meinem Beitrag vorbei.
Genauso wie die Vorstellung eines Hasenhorns und die Vorstellung, die Erde sei eine Scheibe, keine Grundlage in der Realität haben, so hat auch die Vorstellung einer Seele keine Grundlage in der Realität. Egal wie bisher Seele definiert wurde, niemand hat ein Phänomen benennen können, das die Definition der Seele erfüllt. Also gibt es dann auch keine Seele. Das ist 1.Klasse Logik.
Aber wir erleben eben, dass Menschen über lange Zeit an Vorstellungen festhalten, die kein Äquivalent in der Realität haben. Diese Vorstellungen sind natürlich auch eine Realität, aber sie sind inhaltlich sinnlos. Für die Menschen, die an solchen Vorstellungen, die keine Grundlage in der Realität haben, festhalten, haben sie natürlich eine Bedeutung. Sonst würden sie nicht daran anhaften. Sie haften an Illusionen an.
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Das ist 1.Klasse Logik....
Aber wir erleben eben,...
Für die Menschen, die an solchen....
Sonst würden sie nicht daran anhaften. Sie haften an Illusionen an
Du gehst auf meine Antwort gar nicht ein.
Ziehst meine Fähigkeit,logisch zu denken in
Zweifel(..1.Klasse Logik).
Vermeidest es,mich als der,der ich bin,direkt anzusprechen, begibst dich stattdessen in die Wir-Perspektive(Aber wir erleben eben,...)packst mich damit in eine Schublade,entpersonalisierst mich,problematisierst mich.
Wirklich getroffen hat mich diese Sentenz:
"Für die Menschen, die an solchen Vorstellungen, die keine Grundlage in der Realität haben, festhalten, haben sie natürlich eine Bedeutung. Sonst würden sie nicht daran anhaften. Sie haften an Illusionen an."
Der Mensch als Anhaftung.
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Welche seltsame Diskussion. Hier sind nur zwei Beispiele aus dem Pali-Kanon – es geht bestimmt um die persönliche Identität. Das scheint mir absolut logisch, wenn ich nur aufmerksam lese. Heißt es die Seele oder anders, sei dahingestellt.
Sechsmal aber, Anando, weiß ich, ist es gewesen, daß ich an diesem Orte den Leib abgelegt habe,
und zwar als ein König, als Erderoberer, als gerechter und wahrer Herrscher, ein Sieger bis zur
Mark der See, der seinem Reiche Sicherheit schuf, mit den sieben Juwelen begabt war; diesmal leg’
ich zum siebentenmal den Leib ab.
(Digha Nikaya 17 – Übersetzung: Karl Eugen Neumann)
Du möchtest nun wohl denken, Hausvater, daß der Brahmane Velāma, der damals solch große
Gabe spendete, irgendein fremder Mensch gewesen war. Doch das sollst du nicht denken; denn der
Brahmane Velāma, der damals jene große Gabe spendete, der war ich.
(Anguttara Nikaya 9,20 – Übersetzung: Nyanatiloka/Nyanaponika)
Das ist bitte schön die reine Reinkarnation, also kein Anatta.
Ich zitiere abschließend das buddhistische Wörterbuch:
ZitatIm höchsten Sinne (paramattha) nämlich, so lehrt der Buddhismus, ist das sog. Dasein ein bloßer Prozess von beständig wechselnden körperlichen und geistigen Phänomenen, und weder innerhalb noch außerhalb dieses Werdeprozesses ist irgend eine beharrende Ich-Einheit oder Persönlichkeit anzutreffen.
Wenn also in den Texten von einem Wesen, einer Person, einem Selbst oder gar von der Wiedergeburt eines Wesens die Rede ist, so ist das selbstverständlich nicht im absoluten und höchsten Sinne (paramattha) gesagt, sondern als bloße 'konventionelle Ausdrucksweise' (vohāra-vacana) aufzufassen.
Die einzigen, wenn auch nur jedes Mal bloß für einen Moment aufblitzenden und dann sofort wieder für immer verschwindenden Realitäten (paramattha-dhamma) sind eben die 5 Daseinsgruppen oder, in ihrer Dreiergruppierung, Bewußtsein, Geistesfaktoren und Körperlichkeit. Vgl. anattā.
Zum Dessert:
Ihr mögt nun glauben, o Mönche, daß jener Wagenbauer von damals irgendein Fremder gewesen
war. Doch dem ist nicht so, ihr Mönche, denn jener Wagenbauer von damals war ich. Damals nun,
ihr Mönche, verstand ich mich auf die Unebenheiten, Fehler und Mängel des Holzes. Jetzt aber als
Heiliger, vollkommen Erleuchteter verstehe ich mich auf die Unebenheiten, Fehler und Mängel in
Werken, Worten und Gedanken.
(Anguttara Nikaya 3,15 – Übersetzung: Nyanatiloka/Nyanaponika)