Auch meinen Dank, pamokkha, für die anregende Antwort.
pamokkha:
ich verstehe dich jetzt besser. Aber ich denke auch, du weißt, dass ich dir dahin nicht folgen kann.
Ich denke, wenn wir uns verstehen - anders: wenn wir uns über Heilsames verständigen können - ist schon viel gewonnen. Es ist ein Verdienst, den wir uns gegenseitig schenken können. Da ist keine Notwendigkeit, zu missionieren.
pamokkha:
Elliot hat ja schon die Lehrrede von der rechten Ansicht zitiert. Da sieht man recht gut, das upadana nur mit Unheisamen verbunden ist und mit dem Verschwinden von tanha untergeht.
Du greifst da ein interessantes Detailproblem auf, nämlich den etwas vagen Begriff 'Upādāna'. Er steht hinsichtlich seiner wenig exakten Bestimmtheit auf einer begriffsgeschichtlich relativ alten Stufe und wird zur Bezeichnung eines Sachverhaltes benutzt, bei dem die etwas differenziertere Begriffsbildung modernerer Sprachen zwischen zwei - wenn auch verwandten - Sachverhalten unterscheidet: 'Ergreifen' und 'Anhaften', 'grasping' und 'clinging' usw. usf. In dem von Elliot zitierten Sutta geht es offenbar - wenn man den Kontext betrachtet - um 'Upādāna' im Sinn von Anhaften. Das gibt auch den Schlüssel, wie mit solchen begrifflichen Unschärfen umzugehen ist: der Kontext erhellt den Bedeutungsraum der Begriffe.
Aus dem Gesagten lassen sich zwei Folgerungen ziehen, die sich jedoch gegenseitig ausschließen. Entweder werden in den Sutten 'Ergreifen' und 'Anhaften' als einander notwendig einschließende Sachverhalte verstanden, die deswegen auch nur mit einem, gemeinsamen Begriff bezeichnet werden oder es sind zwei nicht notwendig aufeinander folgende Stadien eines Sachverhaltes. Man kann diese Hypothesen einer Prüfung unterziehen, indem man z.B. für den Begriff 'Upādāna' durchgängig nur eine Übersetzung benutzt - also entweder 'Ergreifen' oder 'Anhaften' - und schaut, ob die jeweiligen Aussagen der Suttentexte dadurch sinnvoller werden oder nicht. In einem nun erweiterten Kontext - der nächsten Drehung der hermeneutischen Spirale - müsste man dann natürlich auf prüfen, ob der so 'verengte' Upādāna-Begriff dann im Kontext anderer buddhistischer Doktrinen noch Sinn macht.
Vorrangig wäre hier natürlich die Frage zu stellen, was eigentlich die karmische Qualität von Upādāna bestimmt, von der Du sagst, sie sei per definitionem akuśala, unheilsam. Ich persönlich finde Buddhas oft zitierte Gleichsetzung von cetanā (Wille, Absicht) und karma (Wirken, Handeln) hier hilfreich und bin - es wurde schon gesagt - mit der Klassifikation von cetanā als eines karmisch neutralen Geistesphänomens, das erst durch das Hinzutreten weiterer Geistesfaktoren eine karmische 'Färbung' erhält, durch den Abhidhamma des Palikanon völlig d'accord. Beiläufig erinnert: meinst Du, die Autoren des Abhidhamma hätten ekkagatā und cetanā derselben Gruppe der Geistfaktoren (den sechs sabbacittasādhāraṇa cetasikā) zugeordnet, wenn der Eine notwendig mit unheilsamen Geistfaktoren verbunden wäre, der andere ebenso notwendig nicht? Letzteres hattest Du ja in Bezug auf ekkagatā nachdrücklich vertreten.
Dies gesetzt - und in meiner persönlichen, durch Achtsamkeit kontrollierten Erfahrung spricht nichts dagegen - drängen sich einige logische Schlussfolgerungen auf. Insbesondere die, dass ein Ergreifen ohne einen durch karmisch wirksame Geistesfaktoren gelenkten Willen nicht dukkhatā (leidhaft) ist. Dem könnte man nun entgegensetzen - so verstehe ich Dich jedenfalls - dass Ergreifen notwendig mit Unheilsamem verbunden ist. Das wirft allerdings die Frage auf: wieso eigentlich? Was weiter zur Frage führt, was denn nun der Unterschied zwischen anupādhiśeṣa und sopādhiśeṣa nirvāņa, 'Nirvana ohne Reste' und 'Nirvana mit Resten' ist. Das ist durchaus keine müßige Spekulation, sondern von hoher soteriologischer Bedeutsamkeit. Was hat den Erwachten bewegt, kein pratyekabuddha zu bleiben, sondern zu lehren, den Dharma zu übertragen. Was ist der entscheidende Unterschied zwischen dem Erwachen eines pratyekabuddhas und dem samyaksaṃbodhi Śakyamuni Buddhas? Das wäre die erste Frage - die zweite wäre: wie hat er das gemacht? Unstrittig, dass er dies ohne Anhaftung tat. Aber ohne zu ergreifen? Sicherlich nicht Ergreifen mit der Motivation der Stillung von tanha, Durst, im gewöhnlichen Sinn. Aber ist mahākaruṇa, das Große Mitgefühl, nicht genau das, was nach Auslöschung des Geistfaktors moha, also von avidya, als Antrieb an die Stelle von tanha tritt? Sicher, man könnte mahākaruṇa einen durch Erwachen sublimierten Durst nennen, den Durst, alle fühlenden Wesen zu retten. Wenn dies dazu führt, mahākaruṇa zu verwerfen, nenne ich das Hīnayāna. Aber ist denn da 'Durst' überhaupt noch ein angemessener Begriff?
Nebenbei bemerkt - die Übung der pāramitā ohne Anhaftung an Objekten oder Subjekten der pāramitā ist das Thema des Vajracchedikāprajñāpāramitāsūtra oder Diamantsutra, eines im Zen ziemlich zentralen Textes.
pamokkha:
Sudhana:
Konzentration (Śamatha) ist jedoch nicht identisch mit Ekāgratā
Du hattest schon in einem vorhergehenden Post samatha mit Konzentration übersetzt. Samatha verstehe ich als Gemütsruhe oder Geistesruhe. Konzentration oder Sammlung ist für mich samadhi.
Dein Einwand ist berechtigt. Hier haben wir - anders als bei Upādāna - tatsächlich zwei Begriffe für zwei verschiedene Stadien eines Prozesses (wobei im Chinesischen 定 und 止 oft austauschbar sind). Śamatha ist nach meinem Verständnis ein 'Produkt' von Samādhi, ist die wechselseitige Absorption von Konzentrationsobjekt und -subjekt, wenn Samādhi den 'Brennpunkt' oder Fokus der Konzentration bis zum Extrem im Ekāgratā verengt und dann durchbricht. Wobei hinzuzufügen ist, dass das Verständnis von Samādhi (Zanmai) im Chan / Zen ein anderes ist. Da ist Samādhi / Zanmai kein konzentrativer Akt, kein Verengen des Fokus, sondern vielmehr das gerade Gegenteil: Öffnung des Fokus bis zu seinem Verschwinden und damit (da ohne Upādāna) Spiegelung dessen, was ist wie es ist - Tathatā, 'Soheit'. Auch hier kann man sicherlich von einer Absorption sprechen - aber es ist keine Absorption durch ein Objekt, sondern durch die Gesamtheit aller potentiellen Objekte und Subjekte.
In dem Wort Jōriki (定力, etwa: Samādhi-Kraft, d.h. die durch Samādhi entwickelte Kraft) hat das für Samādhi verwendete 定 in der Tat die Grundbedeutung 'fixieren', 'festmachen'. Nur hat, wie schon angedeutet, im Chan eine Bedeutungsverschiebung hinsichtlich des Begriffs Samādhi stattgefunden, der zur wörtlichen Grundbedeutung von 定 (und, btw, auch Samādhi) nicht mehr passt. Nichtsdestotrotz wurde 定 als eingeführter Fachbegriff beibehalten. In der Praxis des Zazen ist das Samādhi - wie schon angedeutet - im Sinne einer Öffnung des Aufmerksamkeits-/Achtsamkeitsfokus und der Spiegelung dessen, was sich ihm darbietet, zu verstehen, nicht einer (konzentrischen) Verengung. Insofern wäre es auch unzutreffend, von Jōriki (so, wie es im Zen verstanden wird) als "Konzentrationskraft" zu sprechen.
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