Zum einen sind es nicht die Empfindungen, die Leiden sind, sondern es sind die Empfindungen, die Leiden hervorbringen
Da die Empfindungen zu Leiden führen, sind Empfindungen Leiden. Sagte Dogen.
Das Problem ist, dass angenehme Empfindungen, die Freude und Glück bereiten, ungern als Illusion gesehen werden und es schwerer fällt, die Ich-Identifikation aufzugeben. Daher erkennt man kaum, dass gerade diese angenehmen Seiten des Lebens ebenso leidvoll sind, weil vergänglich und nicht-Ich.
Die Auffassung, Freude oder Glück seien eigentlich Leid, führt nur zu Argwohn den positiven Empfindungen gegenüber, die unser Leben reich machen. Zudem stimmt diese Auffassung auch nicht. Freude ist Freude und nicht Leid.
Unser Leben ist aber nicht unser Leben - weder ist der Reichtum noch die Armut etwas, dass zu dir gehört.
Im übrigen gelten Leiden als besonders lehrreich. Das bringt einen Reichtum an Erfahrung.
Sätze wie "Empfinden ist Leiden" oder "Alle Empfindungen führen zum Leiden" entwerten genau diese Kraft der Suche nach dauerhaftem Glück. Wir brauchen positive Empfindungen, um weiterzumachen. Wir brauchen Empfindungen als Kompass für den Weg.
Der Kompass des Weges ist die Erfahrung des Leidens - ohne diese Erfahrung bewegt sich kein Mensch. Selbst Buddha braucht die Begegnung mit dem Leiden.
Der Weg des Buddha ist ein Weg aus dem Leiden heraus zu immer subtileren, tieferen und beständigeren Formen der Lebensfreude und des Glücks. Leute, die Lebensfreude empfinden, sind nicht nur potenziell netter zu ihren Mitmenschen, freundlicher und sorgender zu allen Wesen, sie entwickeln auch deutlich mehr Vertrauen in die Lehre, einfach deshalb, weil sie an sich selbst erleben, dass die Lehre heilsam ist und guttut. Lebensfreude, die Freude an den unzähligen kleinen Kostbarkeiten des Augenblicks ist der Schlüssel zu noch tieferem, intensiverem und dauerhafterem Glück. Und genau darum ist es destruktiv, Gefühle von Freude und Glück als Leiden zu bezeichnen.
Das hast du dir hübsch zurecht gelegt. Aber der Weg des Buddha führt zur Einsicht des Buddha - und die hat Dogen sehr gut formuliert. Und Buddha war nicht nur "nett" - a nice guy - vor allem hat er sich keine Sorgen gemacht.
Wenn ich Zeit habe, dann finde ich noch die Lehrrede, in der Buddha davon spricht, dass angenehme Gefühle Leiden sind. Alle Gefühle sind leidvoll, vergänglich und nicht-selbst.
Im Gegenteil: Es lohnt sich, der buddhistischen Lehre zu folgen, das muss doch die Botschaft sein.
Ich verstehe dein Anliegen und auch deine Kritik an dem, was Dogen zu dem Zusammenhang von Empfindung und Leiden gesagt hat.
Im Zen ist das nun aber so, dass "Zen für nix gut ist", also da gibt es keinen Lohn. Allerdings kann man ein friedliches, zufriedenes Leben mit Alter, Krankheit und Sterben/Tod durchaus als "Lohn" ansehen, wenn man das will. Aber mehr als das ist da nicht drin - .
Die "Beobachtung, daß Empfindung zu Leiden führt" bedeutet, Leiden ist Empfindung, hat Dogen ja als eines der 37 günstigen Bedingungen für die Erleuchtung angeführt und sicherlich ist das kein Text für jeden Geschmack. Das war vielmehr an seine Wegübenden gerichtet und diese wussten, dass jegliches Glück, jegliche Freude vergänglich ist und wenn man dann mal so einen Moment erfahren konnte, nach einem schweißtreibenden Tag auf dem Tempelacker, dann genoß man den ganz sicher. Aber das war es dann auch.
Vertrauen in die Lehre kommt durch Weggefährten, mit denen man gemeinsam Leiden und Freude teilt.
Es wäre für viele, die sich Glück und Freude durch den Buddhismus oder durch den Weg erhoffen, eine schwere Enttäuschung, wenn das Leben dieses für sie nicht vorhält, sondern sie sich durch Leiden in ihre unglücklichen Lebensumstände einfinden müssen. Die Erkenntnis, dass Leiden ein Daseinsmerkmal ist, finden sie in ihrem Leben vollauf bestätigt und es tröstet, dass es auch noch Vergänglichkeit gibt. Was aber entscheidender ist, dass ist anatta - das bin nicht ich, das ist nicht mein, das ist ohne Selbst - und das gilt eben für Empfindung, für Leiden, für Glück, Freude, Erleuchtung, Erfahrung - letztlich trifft das zu, was im Herz-Sutra ausgesagt wird über die Wirklichkeit. Und wenn es überhaupt ein Ziel im Buddhismus gibt, dann ist es diese Erkenntnis. Wenn man zu dieser Erkenntnis kommt, geht es einfach weiter mit der täglichen Arbeit und man interessiert sich nicht für eine Suche - nach was für einem Glück auch immer - es gibt nichts Dauerhaftes. Diese Erkenntnis hat allerdings eine Wirkung und zeigt sich auch in einer entspannten Haltung, entspannten Gesichtszügen und einer sorglosen, aufmerksamen Zuwendung. Und das auch, wenn man unter einer schweren Krankheit leidet.