Beiträge von Keine Ahnung im Thema „Diskussion zu "Was ist säk. Buddhismus"“

    Ich bin in meiner Sicht auf Schriften da sehr nahe an Zhuangzi:

    Zitat

    Was alle Welt am Dao wertvoll findet, steht in Büchern; Bücher bestehen aus nichts als Wörtern; Wörter haben ihren Wert. Der Wert der Wörter liegt in ihrer Bedeutung; die Bedeutung entsteht, indem sie sich auf etwas bezieht. Worauf sich die Bedeutung bezieht, das kann nicht mit Sprache ausgedrückt werden, und dennoch findet alle Welt das Gesagte wertvoll, das in Büchern geschrieben steht.

    Obwohl alle Welt dies wertvoll findet, finde ich es nicht besonders wertvoll, denn was darin als wertvoll erachtet wird, ist nicht wertvoll. Daher siehst du, wenn du dich umblickst, Formen und Farben; hörst du, wenn du dich umhörst, Bezeichnungen und Laute. Wie traurig! In aller Welt glauben die Menschen, dass Formen und Farben, Bezeichnungen und Laute ausreichen, um die Natur der Dinge zu verstehen. Doch Formen, Farben, Bezeichnungen und Laute reichen in Wirklichkeit nicht aus, um die Natur der Dinge zu verstehen; wer das weiß, spricht nicht, wer spricht, weiß nicht; doch wie soll alle Welt das begreifen?


    Einst las Fürst Huan (Mächtig) [von Qi] oben im Saal ein Buch; Radmacher Bian (Inschrift) baute ein Rad in der Halle darunter, legte Hammer und

    Stemmeisen nieder, ging hinauf und fragte Fürst Huan: »Darf ich Hoheit fragen, was du liest?«

    Der Fürst sprach: »Die Sprüche eines Weisen.«

    Bian fragte: »Lebt dieser Weise noch?«

    Der Fürst sprach: »Er ist schon gestorben.«

    Bian sprach: »Wenn das stimmt, dann liest Hoheit Überbleibsel und Seelenkram der Menschen des Altertums! (andere Übersetzung: "der von den Alten hinterlassene Bodensatz")«

    Fürst Huan sprach: »Wenn meine Wenigkeit ein Buch liest, wie kommt der Radmacher dazu, mit mir zu streiten! Sage mir einen Grund, dann sei es direrlaubt, wenn nicht, musst du sterben.«

    Radmacher Bian sprach: »Dein Diener betrachtet die Sache mit den Augen eines Dieners. Wenn ich, um ein Rad zu bauen, langsam vorgehe und nur leicht hämmere, dann wird es nicht fest; gehe ich schnell voran und hämmere zu stark, dann passen sie nicht hinein. Weder zu langsam noch zu schnell – ob es gelingt, liegt in meiner Hand, und ob es meiner Vorstellung entspricht; doch mit dem Mund kann ich es nicht in Worte fassen, das Geheimnis liegt irgendwo dazwischen. Ich kann es nicht einmal meinem Sohn erklären, mein Sohn kann es von mir nicht erlernen; so bin ich nun 70 Jahre alt geworden und baue in meinem Alter immer noch Räder. Auch im Altertum konnten die Menschen das Wesentliche nicht weitergeben, wenn sie starben; so liest du, Hoheit, Überbleibsel und Seelenkram der Menschen des Altertums!«

    Mir scheint, der moderne Mensch, eigentlich, lebt so wie ent-wurzelt, also innerlich.

    Er fühlt sich einfach geschleudert ins fremde kalte Iniversum ( M. Heidegger), das keinen Sinn mehr für ihn darstellt ( repräsentiert).

    wenn man das ganze durchgeht, man kann sich auf nichts verlassen.

    Der Mensch hat aber nicht nur Fremdheitserfahrungen, sondern auch Resonanzerfahrungen, er fühlt sich geborgen in der Welt, im Fluss des Lebens.
    Das Verlangen nach Sinn ist freilich der Irrtum eines anthropozentrischen Denkens, darin ruht ein Irrtum, der einen der Welt entfremdet. (So gesehen ist auch Selbsterfahrung ein Irrweg, ist nicht Leben die Erfahrung der fließenden Welt?)


    Zitat

    "Menschen sagen, was wir alle suchen, ist der Sinn des Lebens. Ich glaube nicht, daß es das ist, was wir wirklich suchen. Ich glaube, was wir wirklich suchen ist eine Erfahrung von ... dem Zauber des lebendig seins."

    Joseph Campbell



    Zitat

    Jede neue Generation fragt: "Was ist der Sinn des Lebens?". Ein fruchtbarerer Weg diese Frage zu stellen, wäre: "Warum braucht der Mensch
    einen Sinn des Lebens?"

    Peter Wessel Zapffe

    Für "Sinn und Zweck" ist sie schlicht nicht zuständig.


    Davon abgesehen könnte man fragen: Ein Wissenszweig, der weder sinn- noch zweckdienlich ist - wozu ist der überhaupt nutze?

    Sinn und Zweck sind nur Kategorien des Verstandes. Leben ist etwas anderes. Es funktioniert auch nicht nach einer Nutzenrechnung, auch wenn der kapitalistische Glaube das nahelegt.
    Letztlich geht es darum, zu leben. Das heißt auch, sich von Sinn- und Zweckdenken zu befreien.

    Das Projekt des sB scheint mir ein Buddhismus auf Grundlage der Aufklärung und des Rationalismus zu sein. Allerdings wird beides selbst in der Philosophie durchaus hinterfragt. Ob der Mensch ein primär rationales Wesen ist, würde ich auch infrage stellen.

    Kann man so sehen. Aber bezieht sich der mittlere Pfad auf die Praxis? Ich dachte eher auf die Mitte zwischen Nihilismus und Ewigkeitsglaube. Aber es war nichts im Buddhismus unübliches. Mönch werden, 2-monatliches Sesshin, 3-jähriges Retreat, 100000 Niederwerfungen etc.. Sprach nicht Buddha von Bemühen unter Unterlass? Das wäre doch auch nicht die Mitte.

    Und ich muss mich ein wenig korrigieren, es waren nicht nur Inkonsistenz in der Lehre, sondern auch zwischen Lehre und Leben. Es ist also ein kruder Mix.

    - etwas Bedingtes (jede Übung, jedes Tun ist bedingt) kann nicht zum Unbedingten (nirvana) führen, denn dann wäre es bedingt, auch bedingt entstanden und somit vergänglich, somit nicht nirvana.
    - es gibt kein Ich, aber dieses hat einen freien Willen, soll sich bemühen
    - die Basis des Buddhismus sei falsch ("ich erkannte, dass ich seine Dukkhaphobie nicht teilte").
    - die Karmalehre würde der Wirklichkeit nicht entsprechen (guten Menschen geht es schlecht, schlechten gut)
    - Meditation und Praxis verstärkten die Ich Tendenz, lösten sie nicht auf (Ein achtsames Ich sei eben kein Nicht-Ich) Auch Shinrans "All mein Tun (all meine Praxis) führt mich nur in die Hölle" weist in die Richtung.
    - Buddhas Mitgefühl sei kein Mitgefühl, sondern lediglich das Verkünden seiner Lehre
    - sein Vinaya sei diskriminierend
    - Kensho sei nicht Produkt der Praxis
    - Kritik an einer willentlichen normativen Ethik, die Welt sei nicht durch Regeln zu fassen, Wille sei Ich
    - negative Tendenzen in der Lehre (man spricht von Vergänglichkeit, statt von Wandel)
    - Abwendung von der Welt
    - Annahme von etwas hinter den Dingen (Dharmadhatu, Buddhabereiche, ewiger Buddha, Dharmakaya), aus dem da ist kein Ich wird wieder etwas
    - Unwirksamkeit der Bemühungen - ("Ich hatte den Eindruck, dass mir eine Rolfing-(Tiefengewebs)Massage) mehr gebracht hat, als die 3 Jahre Retreat)".
    - die Erkenntnis, dass viele Lehrer ethisch schlechter handeln als der Ottonormalbürger, die Praxis also eher verschlechternd wirke
    - das Erleben von buddh. Strukturen als sektenartig (beim Diamantweg, NKT, Thich Nhat Hanh), eben als nicht befreiend
    - dem Weg eines anderen zu folgen, statt dem eigenen Weg, seine Erfahrung zu verallgemeinern
    - Verlust der spielerischen Dimension des Seins
    - Intoleranz zu anderen (auch zu anderen buddhistischen) Wegen
    - widersprüchliche Aussagen Nirvana beendet Samsara, vs. Samsara und Nirvana sind eins
    - Konstruktion von mehreren Wahrheitsebenen (etwas ist entweder wahr oder falsch, so etwas wie relative Wahrheit kann es also nicht geben)
    - ein Festhalten an Buddhas Lehre (obwohl doch an nichts festgehalten werden soll)
    - Erschaffung einer Metaebene in der Meditation (ein Ich, dass ein anderes Ich beobachtet, also auf einmal zwei Ichs)
    - Buddha verkünde einen Pfad, den er erst nach seinem Erwachen konstruiert habe, selber nie gegangen sei
    Ich hab bestimmt noch einiges vergessen.

    Ich kenne aber auch viele andersherum liegende Fälle: Leute, die intensiv (bis intensivst) praktiziert haben, und dann nach Jahren eine Inkonsistenz in der buddhistischen Lehre empfanden, und ihn daher verließen. (oder wie im Falle des säk. Buddhismus oder auch des Shin ihn modifizierten).

    Diese Stelle ist eigentlich ein guter Punkt. Ich sehe darin nur eben kein Alleinstellungsmerkmal des Buddhismus. Dass alles mit allem verbunden ist, sagt ja auch der Daoismus, die schamanistischen Traditionen, Pantheismus, einige Richtungen der Esoterik. Die Frage ist eher: Wie sieht man den Fluss des Lebens, das dynamische Lebensgewebe. Will man mit dem Fluss fliesen oder an ein anderes Ufer gelangen? Oder im Buddhistsprech: ist dieses Lebensgewebe Samsara, dukkha? Oder nur sich getrennt von diesem dynamischen Gewebe zu sehen? Da sehe ich im Daoismus eine viel positiveren Blick darauf als ich ihn im Buddhismus vermute. Zudem seh ich dann noch Unterschiede, ob es da noch etwas hinter dem Daseinsgewebe gibt (für manche Gott, für andere Dharmadhatu). Hier zieht der säk. Buddhismus (aber auch z.T. das frühe Ch'an und der Daoismus) eine deutliche Grenze. (Zu Fazhang: Es gibt eine sehr ähnliche Schilderung im Daoismus, ich weiß allerdings nicht, welche älter ist - und meine Verwunderung, dass es im Westen keinen Huayan zong/Kegon-Buddhismus gibt, weil er gerade in der Umweltkrise doch am passendsten wäre).

    Was ist Determinismus? Ein Wörterbuch klärt uns auf: "Lehre, Auffassung von der kausalen [Vor]bestimmtheit allen Geschehens bzw. Handelns".

    "Die Unterscheidung zwischen Determinismus und Freiheit soll insofern überwunden werden, als ein lebendes System von seinen Organisationsmustern und seiner Struktur determiniert sei. Diese Struktur sieht er als ein Produkt früherer struktureller Übergänge, die durch Interaktion mit der Umwelt durch strukturelle Kopplung ausgelöst wurden. Auf welche Umweltreize in welcher Form der Organismus reagiert, entscheide er selbst, wodurch er selbst seine Struktur bestimme und auf diese Weise frei sei. Strukturelle Determiniertheit heißt demzufolge nur, dass die Struktur den Rahmen vorgibt, innerhalb dessen sich das System bewegen kann."
    Aus dem Wiki Artikel zu F. Capra
    Zudem ist aus meiner Sicht auch die Leugnung eines freien Willens z.B. nicht Determiniertheit voraus. Es muss ja nicht alles vorbestimmt sein, es kann sich ja auch ohne Vorbestimmung einfach so ereignen.
    In einem wichtigen buddh. Text (Xin Xin Ming) heisst es zudem:
    "Der höchste Weg ist nicht schwer, nur ohne Wahl."

    Dieselbe Argumentation kenn ich auch von Taoisten, Esoterikern (z.B. The secret), Oshoanhängern, Satsangleuten etc. Ich habe nicht den Eindruck, dass es so ist. Selbst die Intelligent Design-Leute sehen durch die Wissenschaft ihre Gotteslehre bestätigt.
    Dass sich alles wandelt, alles keinen Kern hat etc. muss ja nicht zu einer Nirvana-Lehre führen. Man kann ja genauso gut Leiden und Freude als wichtigen Teil des Lebens sehen (So wie es Sonne und Regen braucht). Oder sieh dir H. Rosas Resonanztheorie an, der ja gerade Unterschiede zum Buddhismus und der Achtsamkeitsbewegung betont. (Capras Buch heisst ja auch nicht Dharma der Physik, er weist ja da schon vom Namen her eher Ähnlichkeiten zum Taoismus auf, und gilt eher als Urvater des New Age, was er aber nicht will - und hat zudem später ein Buch geschrieben Wendezeit im Christentum). Ich sehe nicht, wo die Wissenschaft auf eine Samsara-, Nirvana- oder 8-fachen Pfad-Lehre hinweist.
    Wenn Buddhas Lehre so unschlagbar ist, warum folgt ihr dann in Deutschland kaum jemand? (Meines Wissens sind die Zahlen eher rückläufig und auf recht geringem Niveau (0,33 %) und die meisten mit asiatischem Background).
    Bei Fearn werden ja auch die Ansätze der Neurowissenschaft, dass es vielleicht keinen freien Willen gibt, mit dem viele Buddhisten da eher ihre Schwierigkeiten haben, diskutiert. (Ich kenn da aus der säk. Buddhisten-Ecke eigentlich nur Glenn Wallis, der das vertritt)

    Der Hauptstreitpunkt müsste aus meiner Sicht nicht so sehr sein, ob es Karma und Wiedergeburt gibt, sondern eher, ob Buddhas Erwachen etwas transzendentes, überweltliches, oder etwas Immanentes, säkulares ist. Christoph Kleine scheint mir in seinem Vortrag

    Ganz richtig. Was ist Erwachen, Nirvana? Das ist Befreiung von Dukkha. Was ist Dukkha, die Irritationen die unsere Existenz mit sich bringen. Mit ihnen lernen wir durch Geistestraining klar zu kommen und erreichen immer mehr Momente ohne Dukkha. Daran ist nichts überweltliches.


    Keine Ahnung: An anderer Stelle schriebst Du noch, dass Du von einem sB eine konsequentere Dekonstruktion des Buddhismus erwartest. Was hast Du damit gemeint?

    Ich sehe es schon so, dass für Buddha Samsara, die Welt, die er überwinden wollte, als Kreislauf der Wiedergeburten gedacht war. Wenn es diesen nicht gibt, da muss ich Samsara auch nicht entkommen. Aber letztlich wurde das ja auch schon im Buddhismus kritisiert. Das Samsara und Nirvana eins sind, war dann eine Antwort darauf. Auch das frühe Ch'an geht in eine ganz andere Richtung.
    Buddhas "Es gibt aber etwas ungeborenes" könnte man schon in Richtung Überweltliches interpretieren.

    Ich denke, eine konsequentere Dekonstruktion darf der säkulare Buddhismus nicht leisten, wird mehr geleugnet (wie man z.B. bei Dietrich Roloff, der sie ja vollzieht schön sehen kann, dann hat man eben keinen Buddhismus mehr). So gesehen geht er halt so weit, wie er gehen kann. Auch seh ich im Buddhismus ganz andere Wege als den des Geistestrainings. Zazen, Nembutsu etc. Auch eine ganz andere Sicht auf den achtfachen Pfad, Ethik etc.
    Ich weiß auch nicht, ob Buddhas Analyse von Leben ist Dukkha einer wissenschaftlichen Analyse standhält.
    Letztlich hab ich so einen ähnlichen Eindruck, wie Ellviral zu Batchelors "Buddhismus für Ungläubige" schrieb: "Der säkulare Buddhismus ist noch viel zu viel Traditioneller Buddhismus und schmeißt mit Begriffen und Erklärungen um sich, damit der grundlegende Glaube nicht untergraben wird."

    Der Hauptstreitpunkt müsste aus meiner Sicht nicht so sehr sein, ob es Karma und Wiedergeburt gibt, sondern eher, ob Buddhas Erwachen etwas transzendentes, überweltliches, oder etwas Immanentes, säkulares ist. Christoph Kleine scheint mir in seinem Vortrag

    Zur Universalität der Unterscheidung religiös/säkular: Eine systemtheoretische Betrachtung dem Buddhismus gerade diese transzendente Ebene zuzusprechen, er sieht sie sogar überhöht, dass alles, was in anderen Religionen transzendent ist (Götter, Geister) für ihn immanent, säkular ist.
    Zum Bezug auf Wissenschaft schreibt er:

    Zitat

    Die Unterscheidung laukika/lokottara hat dem Buddhismus dabei einen Anpassungsvorteil an die Modeme gebracht. Allgemein kann man wohl folgende These formulieren: Je mehr eine Religion einen Bereich absoluter Transzendenz markiert, desto immuner wird sie gegen die fortschreitenden Erfolge der Kontingenzbearbeitung in anderen sozialen Systemen, namentlich der Wissenschaft. Die Wissenschaft mag vieles, was bislang als unbestimmbar galt, bestimmbar machen und damit scheinbar zu einem Bedeutungsverlust der Religion beitragen. Hat eine Religion sich jedoch einmal auf letzte Fragen, auf die Eschatologie, eingestimmt und einen absoluten Transzendenzbegriff entwickelt, der eine prinzipielle Unverfügbarkeit voraussetzt, wird sie unangreifbar, denn die absolute Transzendenz bleibt per Definition auch für die Wissenschaft unverfügbar. Man kann dann von religiöser Seite her behaupten, dass eine grundlegende und endgültige Lösung des Kontingenzproblems nur von der Religion angeboten wird, Religion und Wissenschaft sich aber nicht widersprechen.


    Aber für mich hieße säkularer Buddhismus in letzter Konsequenz gerade die Leugnung des Transzendenten, und die Schaffung einer immanenten Religion (so etwas Ähnliches sehe ich auch bei Laozi und Zhuangzi). Religion als Rückkehr zum Immanenten. (So verstehe ich das, was sie als Ablehnung der Metaphysik meinen - auch im Zen seh ich eine steten Hinweis auf das Immanente).

    Ob Buddhas Wahrheit auch meine Wahrheit sein muss, kann man ja auch hinterfragen. (Der Begriff Wahrheit ist sowieso eher schwierig).

    Hinterfragen kann man so ziemlich alles, das bleibt ja jedem unbenommen. Ob die Lehre - so wie sie ist - wahr ist oder nicht, kann man ganz einfach selbst herausfinden, nämlich indem man dem gezeigten Weg folgt.

    Mal abgesehen, dass ich den Spruch ein wenig fraglich finde, weil ich ihn schon von Osho-Anhängern und Scientologen gehört hab, und auch Jesus "Komm und sieh" in die Richtung weist. (Zumal ich nicht von dem Buddhismus reden würde, sondern von vielen buddhistischen Wegen. Also müsste ich selbst da eine Vorauswahl treffen). Meist ist aber eh keine rationale Wahl.
    Aber es soll ja um sB gehen. Das sind Leute, die den gezeigten Weg ja lange gegangen sind. Stephen Batchelor war meines Wissens mehr als 10 Jahre buddhistischer Mönch. Und dann haben sie rausgefunden: das mit Karma und Reinkarnation ist Bullshit. Aber die anderen Sachen sind für uns hilfreich. Würden sie mehr Infragestellen (Dukkha und Erwachen z.B.) würden sie sicher sich was Neues suchen oder die Suche einstellen. Aber so, da es sich ja auch nur um Nebenschauplätze handelt, passen sie das Ganze an ihr Leben an. Vielleicht trifft es einer seiner Buchtitel ganz gut: After Buddhism: Rethinking the Dharma for a Secular Age. Also müsste es konsequenterweise sD säkulares Dharma heißen. ;)
    Fraglicher finde ich dann den missionarischen Aspekt: Es gibt soviel Leute, die meditieren, aber an so etwas wie Karma und Wiedergeburt nicht glauben. Die könnten wir dann doch mit unserer frohen Botschaft erreichen, weil Meditation ist doch die Hauptkompetenz des Buddhismus. (So verstand ich Hendrik). Ich glaube nicht, dass das aufgeht. Zumal es viele nichtbuddh. Meditationskompetenzen gibt. Aber ich würde denken, dass die meisten der säkular Meditierenden eh nicht an der buddh. Lehre und Erwachen interessiert sind.

    Vielleicht sollte man einfach einen anderen Namen als sB finden. Man hätte so keine Abgrenzungsbedürfnisse und entsprechende Diskussionen oder auch verletzte Gefühle. Zum anderen vermeidet man die Unterstellung dass andere Buddhismen nicht auch säkulär also, nicht auch auf ihre Weise Aufklärung anstreben - gleichwohl so ein Denken und Sprechen über Buddhismen als wären das lebendige Wesen anzeigt, wie verträumt so ein Erklärenwollen (ähnlich vielem Weiteren Erklären in dieser Art) im Kern doch ist.

    Naja, der Begriff säkular (zudem ein Fremdwort, mit dem viele nichts anfangen können) ist sicher ein schwieriger Begriff, weil weltlich man auch als Samsara verstehen kann, das ja Buddha gerade überwinden wollte, somit ein Widerspruch in sich. Er meint aber es sicher eher in Richtung zeitgemäß und nichtüberweltlich vs. ewig.
    Solange sie den 4 Siegeln entspricht, ist sie eine buddhistische Lehre. Hat aber einen ständigen Erklärnotstand.
    Es gab ja auch andere Versuche wie Buddhismus 23.0 (Oder wie hoch man inzwischen sein mag). klingt zu sehr nach Technik und Computerreligion. (Und eine ihre einen Wurzeln sind ja eher die Aufklärung als die Moderne, so hab ich den Eindruck).
    Und beim Non-Buddhismus ist aus Sicht vieler säkularer Buddhisten schon eine zu große Abgrenzung zum Buddhismus da.
    Naturalistischer Buddhismus finde ich auch schwierig, wenn es von der Wortbedeutung sicher passt, aber "naturalistisch" klingt durch das "Natur" im Namen für mich eher nach schamanistisch oder daoistisch als nach buddhistisch.
    Da man keine Gruppe sein will, sondern eine Haltung, hat man sicher auch nicht die Möglichkeit, einen neutralen Namen zu wählen und dann zusagen, wir sind eine Bewegung, die durch buddhistische Lehren, Aufklärung und Wissenschaft inspiriert ist. Außerdem entspricht das aus meiner Sicht nicht dem Bild der sB von sich als gleichberechtigte Buddhisten, wär aber sicher entspannter, weil man erspart sich halt viele Diskussionen mit Traditionalisten.
    Da es eine etablierte Marke ist, wird man wohl bei sB bleiben, und ab irgendwann werden andere wissen, was damit gemeint ist.

    "eine Wahrheit bei sich selbst erfahren" kann auch eine Tautologie sein im Kontext eines Dialogs zwischen zwei Personen. So kann man es auch sehen. Ganz ohne Bewusstsein oder Vedana ;)


    Seh ich ja so. Eine (unnötige) Tautologie. Aber ich dachte mir, keine Ahnung schreibt da eher aus Vorsicht oder Unsicherheit in der Art. Es war keine Kritik, eher ein Bestärkenwollen des normalen Sprechens: Wahrheiten sind erkennbar/Einsichten sind machbar (wo auch immer).

    Ist nicht Wahrheit (so man sie nicht nur aus stilistischen Gründen verwendet, oder um der eigenen Behauptung Nachdruck zu verleihen) nur die Übereinstimmung einer Erfahrung/Erkenntnis mit der Wirklichkeit (aber gibt es das überhaupt? Weil Sprache ist doch stets ein symbolischer Akt.)? Es geht also um einen erkenntnistheoretischen Akt, nicht um einen existentiellen. Erkenntnis (und somit auch Wahrheit) ist ja nur Erkenntnis über das Leben, aber nicht das Leben selbst.

    Ist jetzt off-topic von mir:


    Ob Buddhas Wahrheit auch meine Wahrheit sein muss, kann man ja auch hinterfragen.


    Aber nimmt man dann überhaupt Zuflucht zum Buddha und seiner Wahrheit?

    Nö. Nicht, wenn man (den frühen) Buddha eher als rolemodel sieht. Der hat ja auch keine Zuflucht zu irgendjemand genommen (und hat sich von seinen Lehrern letztlich abgewendet). Das ist sicher dann als Gründer einer seltsamen Gemeinschaft anders. Dem sollte man auch nicht nachstreben, finde ich.

    Er machte eine Erfahrung, vielleicht war es auch eine Entfahrung, die er selbst für nichtlehrbar erkannte. Und dann lehrte er sie. Anhand seines Kontextes und seiner Zeit. Oder wie es im Zen heisst: "In der Absicht, Blinde anzuziehen, ließ Buddha seinem goldenen Munde spielerische Worte entspringen; seitdem sind Himmel und Erde überwuchert mit dichtem Dornengebüsch."
    Deiner Beschreibung nach würde ich ja eher vermuten, man sollte den Palikanon (oder den Mahayanakanon) ganz beiseite lassen, und seinen eigenen Weg gehen. Ob Buddhas Wahrheit auch meine Wahrheit sein muss, kann man ja auch hinterfragen. (Der Begriff Wahrheit ist sowieso eher schwierig). Aber dann wär man radikaler als der sB.

    Ich seh das eher so: So wie Chan die Verschmelzung von verschiedenen buddh. Strömungen und Daoismus war, so ist sB die Verschmelzung von Buddhismus, Aufklärung und wissenschaftlichen Denken. Ich glaube schon, dass Buddha an Wiedergeburt und Karma glaubte, das heißt doch aber nicht, falls es so war (was wir nicht wissen können, schon nach dem ersten Konzil bestritten Mönche, dass darin Buddhas Lehre wiedergegeben wird), dass wir es tun müssen. Buddha lebte in seiner Zeit, und an seinem Ort, wir an unserem. Ich denke, dass es heutzutage manche Dinge auch besser erklärbar sind (wir haben Prozessphilosophie und Systemtheorie) als zu Buddhas Zeit, der Zeit der frühen Upanischaden. Ich kann also dogmatisch an Buddhas Wort festhalten, oder schaun, was ist für uns hier noch glaubhaft/stimmig. Das versucht der sB auf seine Art, wie ich finde. Andere tun es anders. Ich finde, das ist ein normaler Prozess bei Aneignung einer Religion. Es geht aus meiner Sicht da weniger um "Wahrheiten", als um Benutzen religiöser Ressourcen (frei nach Jullien). Das ist doch im Yoga ähnlich, da glaubt doch auch nicht jeder an Ishwara. Zudem scheint sB mir nicht von den 4 Siegeln des Buddhismus abzuweichen, Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit, Nicht-Ich, Befreiung.

    Ich wunderte mich nur, dass er hier unter "Buddhistische Schulen/Linien" formiert, wenn es doch eher eine Haltung ist.
    Da nahm ich an, dass sie sich auch so langsam als Schule sieht. Daher auch die Nachfrage.
    Mein "Oder sieht man sich eher als einen losen Verbund von Leuten, die nicht an Karma und Reinkarnation glauben, dennoch an einigen Aspekten des Buddhismus festhalten wollen?" sollte sie nicht herabsetzen, sondern wies ja genau in die Richtung "Haltung". Sicher entspricht sie den 4 Siegeln des Buddhismus. Aber ich hab halt einen kritischen Blick darauf, so wie ich ihn auch auf den Altbuddhismus, Theravada, Vajrayana, Shin, Zen, Nichirenbuddh. oder den Buddhismus samt Buddha überhaupt habe. An vielen Punkten seh ich ihn sogar positiver, als traditionelle Ansätze (obwohl ich den sozusagen Gegenentwurf von Masefield nicht dumm finde, der auch gut auf deinen letzten Abschnitt antwortet). Bzw. will erstmal die Sichtweisen des sB insgesamt kennenlernen.

    Wie steht der sB (coole Abkürzung, meint ja sonst Selbstbedienung ;)) eigentlich zu Lehrern einerseits und Orden andererseits. Spielen Lehrer eine Rolle, wenn ja welche, bildet man sie aus, oder ist man eh erst mal in der Phase, wo die Lehrer aus anderen Schulen sB werden. Gibt es dazu Überlegungen, auch welche Wichtigkeit sie haben, oder ob man ganz ohne auskommt.
    Sieht man sich als Laienorganisation, benötigt des Buddhismus aus eurer Sicht einen Orden? (Ich kann mich an ein Zitat des Dalai Lama erinnern, der meinte, dass man erst von westlichen Buddhismus reden kann, wenn es eine stabile monastische Gemeinschaft gäbe). Sieht man da in der Tradition auch Ansätze eines reinen Laienbuddhismus oder ist das Neuland? Buddhismus war ja meist monastisch geprägt, und selbst da, wo er es nicht ist, im Shin, gibt es zumindest eine Priesterschaft (Auch wenn das ein führender deutscher Priester relativiert: der Priester sei der, der den Raum aufschließt und die Blumen arrangiert, aber mir scheint er auch anleitende Funktionen im Ritus zu haben). (Soka Gakkai klammer ich mal aus, weil das aus meiner Sicht ein Sonderfall ist). Beschäftigt man sich überhaupt mit einem institutionellen Aspekt? Oder sieht man sich eher als einen losen Verbund von Leuten, die nicht an Karma und Reinkarnation glauben, dennoch an einigen Aspekten des Buddhismus festhalten wollen?

    Sagen wir so: Ich beobachte schon (auch bei deinem Vortrag) eine große Vipassana-Affinität und (textkritische) Beschäftigung mit den Palikanon (mehr als mit dem Mahayana-Kanon) und eine Betonung der Ethik.
    Frühes Ch'an hatte auf jeden Fall eine ähnliche kritische antimetaphysische Tendenz, die ich auch im sB sehe, war aber aus meiner Sicht in Teilen viel radikaler. (Andrerer Blick auf Ethik und infragestellung von Meditation und eh der ganze Nirvana und Samsara sind eins-Ansatz)
    Ansonsten Shinran seh ich auch so ähnlich, auch sein: "Amida ist kein Wesen, und das reine Land kein Ort, sondern Nirvana" kann man metaphysikkritisch deuten, muss es aber freilich nicht. Er hat dann noch andere spannende Punkte: Eine Hinterfragung der Ethik als Tun des Ichs (dagegen setzt er Jinen, von selbst so) und seine fast aktuelle Hinterfragung eines freien Willens. Daher ist die Rückbesinnung der Independent-Shin-Leute auf Shinran für mich auch ein interessanter Schritt.
    Im tib. Buddhismus könnten manche Dzogchen-Ansätze machbar sein, auch ein Tarthang Tulkus "Raum, Zeit und Erkenntnis" könnte in so eine Richtung weisen.
    Nur bei den Independent Nichiren-Leuten bin ich mir noch nicht so sicher, ob es da wirklich raus aus der Metaphysik geht, oder nicht eher erstmal um unabhängig von Soka Gakkai. Das käme drauf an, wie symbolisch man das Lotussutra und den Gohonzon sieht. Bei den Neo-Tientai- Ansätzen von Brook Ziporyn seh ich das schon eher. Da muss ich aber noch mehr lesen, eh ich da ein klares Bild bekomme.

    Trotzdem fände ich die Frage, ob die sB-Leute Buddhanatur als metaphysisches Konzept ablehnen interessant (so man da überhaupt von einer einheitlichen Bewegung sprechen kann).
    Was mich sonst noch interessiert: bindet man auch Ansätze der Prozessphilosophie und Systemtheorie mit ein, dadurch könnte man vieles an Denken, dass bei Buddhisten dann doch wieder in Richtung Substanzontologie geht, klären?

    Ich les gerade ein Buch von Dietrich Roloff. Da bezeichnet er auch die Buddhanatur als reine Metaphysik (und beruft sich da auch auf frühe Zenmeister, die die Idee auch ablehnten). Sicher, die meisten säk. Buddhisten sind ja eher Theravadis, Buddhanatur aber ein Mahayana-Konzept, aber würdet ihr da auch so weit gehen?

    Aus meiner Sicht beginnt der säkulare Buddhismus eine durchaus notwendige Dekunstruktion des Buddhismus. Nur bricht er sie irgendwo in der Hälfte ab. Da waren Leute in der Vergangenenheit - Nagarjuna, Farong, Wuzhu, Shinran z.B. - in ihrer je eigenen Weise durchaus radikaler.
    Die andere Frage ist, ob ein eher rationaler Buddhismus die Menschen erreicht. Georg Grimm hat ja mit seiner altbuddhistischen Gemeinde schon mal das Projekt gestartet, und hatte auf Dauer damit keinen Erfolg. Der Mensch ist nun mal nicht nur ein rationales Wesen.
    Außerdem glaub ich, müsste es viele verschiedene säkulare Buddhismen geben. Oder man könnte einige Gruppen wie die Independent Nichiren, Independent Shin, Graswurzel-Zengruppen als so etwas verstehen.