Sie beschreiben "Geist" wie wir ihn im Alltag erleben. Als "Mittelpunkt der persönlichen
Erfahrung, als das Subjekt von Gedanken, Willenskraft und Emotion.“ Schaut man aber genauer hin, dann gibt es ja da keine einheitliche Instanz und es löst sich in ein Zusammenspiel von Komponenten auf.
Das stimmt, und genau das ist die Schwachstelle aller Begriffe: Sie decken die vielschichtige Komplexität des inneren Erlebens oder Erfahrens nicht vollständig ab. Sie sind nur Stützen, aber wenn man sich zu sehr an sie klammert, wird das, was ursprünglich als Hilfe gedacht war, zum dogmatischen Lehrgebäude. Das lässt sich gut mit dem Gleichnis vom Floß im Pali-Kanon vergleichen. Eine sehr interessante Stelle dazu habe ich wieder bei Anālayo gefunden. Ich markiere, was meiner Meinung nach hier wichtig ist:
Im gegenwärtigen Kontext steht „Geist“ (mano) hauptsächlich für die
Denkaktivität (maììati).4 Während die fünf körperlichen Sinne nicht am
jeweiligen Wirkungsfeld der anderen teilhaben, stehen alle in Bezug zum
Geist als dem sechsten Sinn.5 Das bedeutet: Alle Wahrnehmungsprozesse
stützen sich zu einem gewissen Grad auf die interpretierende Funktion des
Geistes, da es der Geist ist, der aus den anderen sechs Sinnen „Sinn macht“.
Hieraus geht hervor, dass in dem aus dem frühen Buddhismus stammenden
Schema der sechs Sinnesbereiche nicht die reine Sinneswahrnehmung der
begriffsbildenden Aktivität des Geistes gegenübergestellt wird, sondern dass
beide als in einer Wechselbeziehung stehende Prozesse betrachtet werden,
die gemeinsam die subjektive Erfahrung der Welt hervorbringen.
Besonders faszinierend ist, dass im frühen Buddhismus der Geist ebenso
wie die anderen Sinnesorgane behandelt wird. Mit dem Denken, dem logischen
Schließen, der Erinnerung und der Reflexion geht man genau so um
wie mit den Sinnesdaten jedes der anderen Sinnestore. Auf diese Weise hat
die Denkaktivität des Geistes teil an dem unpersönlichen Status der durch
die fünf Sinne wahrgenommenen äußerlichen Phänomene.
Eine sehr fein nuancierte Balance, scheint mir.