Dharma-chakra:
Was mir noch Kopfzerbrechen macht, ist die Gleichsetzung von Samatha-bhāvanā mit sammasamadhi. Das würde ich mich nicht trauen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Buddha aus lauter Jux und Dollerei zwei verschiedene Begriff für eine Sache benutzt.
Ja, genau, da sehe ich auch ein Problem. Beispielsweise heisst es ja hier (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m073z.html):
"Dann erhielt der Wanderasket Vacchagotta die Erlaubnis, unter dem Erhabenen in die Hauslosigkeit zu ziehen, und er erhielt die Ordination. Nicht lange nach seiner Ordination, einen halben Monat nach seiner Ordination, ging der ehrwürdige Vacchagotta zum Erhabenen, und nachdem er ihm gehuldigt hatte, setzte er sich seitlich nieder und sagte zum Erhabenen: "Ehrwürdiger Herr, ich habe erlangt, was auch immer durch das Wissen eines Schülers in höherer Schulung, durch das wahre Wissen eines Schülers in höherer Schulung, erreicht werden kann. Der Erhabene möge mich darüber hinaus das Dhamma lehren."
Nun ist anzunehmen, dass einem "Schüler in höherer Schulung" sammāsamādhi - also die Jhana-Vertiefungen - vertraut sein sollte. Dennoch lautet die Antwort:
"In diesem Fall, Vaccha, entwickle (bhāvehi) zwei Dinge weiter: Ruhe und Einsicht (samatho ca vipassanā). Wenn diese zwei Dinge weiterentwickelt werden, werden sie zur Durchdringung vieler Elemente führen."
Und es folgt eine Beschreibung, wie der Wanderasket Vacchagotta höhere Geistkraft entwickelt und Siddhis verwirklicht. Also scheint Samatha-bhāvanā nicht ganz das zu sein, was sammāsamādhi bezeichnet. Es ist auch fraglich, ob es Samatha-bhāvanā getrennt von Vipassana-bhāvanā überhaupt gibt, die beiden tauchen eigentlich immer gemeinsam auf - und zwar in dieser Reihenfolge.
Dharma-chakra:
Vielleicht beschreibt Samatha eher eine Art zur Ruhe kommen und Sammasamadhi würde noch darüber hinausgehen, indem es die Subjekt-Objekt Spaltung aufhebt. Konnte leider keine weiteren Erklärungen finden.
Mir scheint es eher umgekehrt zu sein. Hier wird beschrieben, was sammāsati gemeinsam mit sammāsamādhi bewirkt:
„Angenommen, da wäre eine Kutsche auf ebenem Untergrund an der Wegkreuzung, mit Vollblütern angespannt, und wartete mit bereitliegender Reitgerte, so daß ein geschickter Zureiter, ein Wagenlenker mit zähmbaren Pferden, die Kutsche besteigen könnte und jederzeit nach Belieben, mit den Zügeln in der linken Hand und der Reitgerte in der rechten Hand, auf beliebiger Straße ausfahren und zurückfahren könnte. Genauso, ihr Bhikkhus, wenn jemand die Achtsamkeit auf den Körper entfaltet und geübt hat, wenn er dann seinen Geist der Verwirklichung irgendeines Zustands, der durch höhere Geisteskraft verwirklicht (abhiññāsacchikaraṇīyassa) werden kann, zuneigt, dann erlangt er die Fähigkeit, jeden beliebigen Aspekt darin zu bezeugen, weil es eine geeignete Grundlage dafür gibt.“ (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m119z.html)
Und die Entwicklung höherer Geisteskraft scheint eine Voraussetzung für Samatha- und Vipassana-bhāvanā zu sein:
"Die Ansicht einer so-gewordenen Person ist Richtige Ansicht. Ihre Absicht ist Richtige Absicht, ihre Anstrengung ist Richtige Anstrengung, ihre Achtsamkeit ist Richtige Achtsamkeit, ihre Konzentration ist Richtige Konzentration. Aber ihre körperliche Handlung, ihre sprachliche Handlung und ihre Lebensweise sind bereits früher gründlich geläutert worden. Somit kommt dieser Edle Achtfache Pfad durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit.
Wenn sie diesen Edlen Achtfachen Pfad entfaltet, kommen
auch die vier Grundlagen der Achtsamkeit durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit;
auch die vier Richtigen Anstrengungen kommen durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit;
auch die vier Machtfährten kommen durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit;
auch die fünf spirituellen Fähigkeiten kommen durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit;
auch die fünf Geisteskräfte kommen durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit;
auch die sieben Erleuchtungsglieder kommen durch Entfaltung in ihr zur Vollständigkeit.
Diese beiden Dinge - Ruhe und Einsicht (samatho ca vipassanā) - treten in ihr gleichmäßig gepaart in Erscheinung.
Sie durchschaut Dinge vollständig mit höherer Geisteskraft, die vollständig mit höherer Geisteskraft durchschaut werden sollten.
Sie überwindet jene Dinge mit höherer Geisteskraft, die mit höherer Geisteskraft überwunden werden sollten.
Sie entfaltet jene Dinge mit höherer Geisteskraft, die mit höherer Geisteskraft entfaltet werden sollten.
Sie verwirklicht jene Dinge mit höherer Geisteskraft, die mit höherer Geisteskraft verwirklicht werden sollten."
- "Und welche Dinge sollten vollständig mit höherer Geisteskraft durchschaut werden? Die Antwort darauf ist: die fünf Daseinsgruppen, an denen angehaftet wird, nämlich die Daseinsgruppe der Form, an der angehaftet wird, die Daseinsgruppe des Gefühls, an der angehaftet wird, die Daseinsgruppe der Wahrnehmung, an der angehaftet wird, die Daseinsgruppe der Gestaltungen, an der angehaftet wird, die Daseinsgruppe des Bewußtseins, an der angehaftet wird. Dies sind die Dinge, die vollständig mit höherer Geisteskraft durchschaut werden sollten."
- "Und welche Dinge sollten mit höherer Geisteskraft überwunden werden? Unwissenheit und Begehren nach Werden. Dies sind die Dinge, die mit höherer Geisteskraft überwunden werden sollten."
- "Und welche Dinge sollten mit höherer Geisteskraft (abhiññā) entfaltet (bhāvetabbā) werden? Ruhe und Einsicht (samatho ca vipassanā). Dies sind die Dinge, die mit höherer Geisteskraft entfaltet werden sollten."
- "Und welche Dinge sollten mit höherer Geisteskraft verwirklicht werden? Wahres Wissen und Befreiung. Dies sind die Dinge, die mit höherer Geisteskraft verwirklicht werden sollten."
(http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m149z.html)
Dharma-chakra:
Ja, so habe ich das auch gelernt. Vipassana entsteht aus Samatha. Weil der Geist zur Ruhe gekommen ist, entstehen, blitzartig auftauchende intuitive Einsichten. Aber das ist die Sicht der kontemplativen Schulen.
Ja, diese Erlebnisse scheinen nach Vertiefungspraxis beinahe unvermeidbar zu sein. Hier ist auch noch einmal die Verbindung von Jhana-Praxis mit Vipassana beschrieben:
"Einen Halbmonat lang, ihr Bhikkhus, praktizierte Sāriputta Einsicht (vipassati) in (verschiedene) Zustände (anupadadhammavipassanaṃ), einen nach dem anderen. Sāriputtas Einsicht in (verschiedene) Zustände, einen nach dem anderen (anupadadhammavipassanāya), war diese:
"Da, ihr Bhikkhus, trat Sāriputta ganz abgeschieden von Sinnesvergnügen, abgeschieden von unheilsamen Geisteszuständen, in die erste Vertiefung ein, die von anfänglicher und anhaltender Hinwendung des Geistes begleitet ist, und verweilte darin, mit Verzückung und Glückseligkeit, die aus der Abgeschiedenheit entstanden sind."
"Und die Zustände in der ersten Vertiefung - die anfängliche Hinwendung des Geistes, die anhaltende Hinwendung des Geistes, die Verzückung, die Glückseligkeit und die Einspitzigkeit des Geistes; der Kontakt, das Gefühl, die Wahrnehmung, der Wille und Geist; der Eifer, der Entschluß, die Energie, die Achtsamkeit, der Gleichmut und das Aufmerken - diese Zustände wurden von ihm umgrenzt, einer nach dem anderen;
jene Zustände entstanden, und er hatte Kenntnis davon,
sie waren gegenwärtig, und er hatte Kenntnis davon,
sie verschwanden, und er hatte Kenntnis davon.
Er verstand: 'Diese Zustände treten also tatsächlich in Erscheinung, nachdem sie vorher nicht vorhanden waren;
nach ihrem Vorhandensein zerfallen sie.'
In Bezug auf jene Zustände verweilte er, ohne angezogen zu werden, ohne abgestoßen zu werden, unabhängig, ungebunden, frei, losgelöst, mit einem unbeschränkten Herzen. Er verstand: 'Es gibt ein Entkommen jenseits davon', und mit der Pflege jenes Erreichungszustands bestätigte er, daß es das gibt ."
... (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m111z.html)
Dharma-chakra:
Da gibt es auch noch andere Herangehensweisen, die mehr intellektuell arbeiten. Allgemein betrachtet, könnte man jede intellektuelle Betrachtung des Dharma bereits als Vipassana bezeichnen.
Ja, das könnte das sein, was hier mit paññā-bhāvanā bezeichent wird: http://www.palikanon.com/wtb/bhavana.html
Andererseits schliesst sich mit Samatha und Vipassana auch der achtfache Pfad zu einem Kreis:
"Freund, Richtige Ansicht (sammādiṭṭhi) wird von fünf Faktoren unterstützt, wenn sie die Herzensbefreiung als Frucht, die Herzensbefreiung als Frucht und Nutzen hat, wenn sie die Befreiung durch Weisheit als Frucht, die Befreiung durch Weisheit als Frucht und Nutzen hat. Freund, Richtige Ansicht (sammādiṭṭhi) wird hier von Sittlichkeit, Lernen, Erörterung, Ruhe (samathā) und Einsicht (vipassanā) unterstützt. Richtige Ansicht (sammādiṭṭhi), die von diesen fünf Faktoren unterstützt wird, hat die Herzensbefreiung als Frucht, die Herzensbefreiung als Frucht und Nutzen, hat die Befreiung durch Weisheit als Frucht, die Befreiung durch Weisheit als Frucht und Nutzen." (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m043z.html)
Dharma-chakra:
- Sammāsamādhi bedeutet rechte oder vollkommen Vertiefung, Sammlung oder Einsgerichtetsein. Er ist das achte Element des achtfachen Pfades und wird mit Hilfe von Samasati verwirklicht. Eine Übung zur Verwirklichung des Sammasamadhi ist die Praxis der ersten vier Jhana-Vertiefungen.
Da würde ich nicht ganz zustimmen. Für Dich scheint sammāsamādhi eher einen Zustand zu bezeichnen, der durch Vertiefungspraxis erreicht werden kann, ich verstehe sammāsamādhi als Kurzwort für die Jhana-Vertiefungspraxis beschränkt auf die ersten vier Jhanas. Und ich verstehe es auch so, dass im achtfachen Pfad diese Vertiefungspraxis der ersten vier Jhanas nicht einfach durch eine andere Konzentrations- oder Samadhipraxis ersetzt werden könnte. Jedenfalls nicht, ohne dass es eben ein anderer Pfad wird. Das gilt auch für die anderen sieben Pfadelemente.
Viele Grüße
Elliot