tiefgehende buddhistische Fachliteratur gesucht

  • Moin,


    ich interessiere mich seit vielen Jahren für den Buddhismus und habe u. a. das Buch "Mit Buddha das Leben meistern: Buddhismus für Praktiker" von Volker Zotz gelesen. Wie der Name schon sagt, ist es eher praxisorientiert, was ich aber gut finde, da man für den Einstieg noch nicht tiefer gehen möchte.
    Nachdem ich der Meinung bin, dass der (Mahayana)-Buddhismus sehr gut zu mir passt, überlege ich beizutreten. Das auch, weil man dann "offiziell" Buddhist ist – und sich von den normalen "ich bin in der Kirche, gehe aber nicht hin"-Christen absetzt, für die es "normal" ist, Christ zu sein und gleichzeitig normal, dass die Religion dabei nur "vererbt" ist.
    Ich trete aber nicht offiziell zu einer Religion bei, ohne tiefgehende Fachliteratur zu lesen, um es dann daraufhin überprüfen zu können, ob ich diese Lehre wirklich für schlüssig, sinnvoll und richtig halte. Ich interessiere mich also für tiefer gehende Fachliteratur, die Buddhas Lehre näher darstellt. Das können heilige Schriften sein (sowas gibt es ja soweit ich weiß, den Pali, habe aber dazu nicht wirklich was gefunden), aber diese heiligen Schriften sollten kein 2.500 Seiten-Wälzer wie die Bibel sein*. Also eine kompakte, aber doch tiefgehende Zusammenfassung.


    Ich betrachte Religion dabei also als einen Ratgeber zum ethisch korrekten Leben. Einen Rat muss man dabei nicht annehmen, es ist ein Vorschlag.
    Dabei stellen sich mir insbesondere folgende Fragen:

    • ist es ethisch korrekt, Insekten zu essen, wenn man annimmt, dass sie keinen Schmerz empfinden (und ihnen somit kein Leid angetan wird?)?
    • was ist davon zu halten, wenn man mit Weihnachten zwangsbeglückt wird? Sollte man Geschenke ablehnen, auch unter dem Gesichtspunkt, dass es für die Schenkenden eine Tradition ist, und sie sich sonst evtl. gekränkt fühlen könnten (letzteres insbesondere bei Senioren, die es oft nicht verstehen können, wenn man es ablehnt)? Zu berücksichtigen ist auch, dass man sich etwas dumm fühlt, wenn andere etwas schenken, und man selber nicht.
    • wie findet eine buddhistische Bestattungsfeier statt, welche Möglichkeiten gibt es, warum ist eine Möglichkeit "besser" als eine andere? Und was trägt man, wenn jemand anders (z. B. ein Christ) beerdigt wird? Dies auch wieder unter dem Gesichtspunkt, sich von den Christen abzusetzen, bei denen die Religion "vererbt" wurde. Andererseits kommt es komisch rüber, wenn man nicht "typisch deutsch" in schwarz erscheint.


    Es wäre natürlich auch möglich, diese Fragen im Forum zu klären, aber ich glaube, dass das zu ausführlich würde, weil ich ja nicht nur die Antworten darauf wissen will, sondern auch die Gründe bzw. die detaillierte Erläuterung dafür, um es daraufhin überprüfen zu können, ob ich diese Lehre für richtig halte.


    LG,
    ticav


    --
    *wie dick sind die denn, und wie schwer sind sie zu lesen bzw. wie lange dauert es? – wenn es leicht zu lesen ist, geht es schon eher mit der Länge, davon gehe ich aber nicht aus

  • Hi & willkommen ticav.

    ticav:

    für die es "normal" ist, Christ zu sein und gleichzeitig normal, dass die Religion dabei nur "vererbt" ist.


    Auch für die meisten buddhistischen Traditionen ist es normal, Buddhist zu sein und gleichzeitig normal, dass die Religion dabei nur vererbt ist. Oder stattdessen unkritisch (mit blindem Glauben und von äußeren Eindrücken ausgehend) angenommen wurde.


    Zitat

    Ich interessiere mich also für tiefer gehende Fachliteratur, die Buddhas Lehre näher darstellt.


    Wer könnte es besser erklären als der erhabene Buddha selbst?


    Grüße

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • tobias:

    Nun gibt es aber auch noch andere Sichtweisen und andere erleuchtete Meister wie Padmasambhava


    Hi tobias. Sicher gibt es die. Jede Sichtweise hat ihre Berechtigung, dass man sie auch äußert, wenn einem danach ist. Aber etwas anderes ist, wenn man eine 'andere' oder zusätzliche Sichtweise als der Buddha annimmt und vertritt, sie jedoch als Lehre des Buddha ausgibt oder anführt, wenn nach letzterer gefragt ist. Das gilt in der Lehre des Erhabenen als Highway zu den Abgründen. Die Sichtweise eines Buddha ist hingegen im edlen achtfachen Pfad an erster Stelle enthalten und entspricht der Einsicht in die vier edlen Wahrheiten und bedingtes Entstehen & Vergehen.


    Grüße

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Hallo ticav,


    zuerst einmal ein ganz herzliches Willkommen hier im Forum :)
    Mir gefällt Dein Ansatz sehr. Die Kombination von ganz praktischen Dingen mit einer Theorie.




    Zitat

    "Auftragen, rechte Hand. Polieren, linke Hand. Auftragen, polieren. Einatmen durch Nase, ausatmen durch Mund. Auftragen, polieren."

  • Oh je, es gibt so viele tiefer gehende Bücher. :) Da muss man gucken, was einem über den Weg läuft.
    Geshe Rabten hat viele solcher Bücher geschrieben, die tiefgreifend, korrekt und verständlich gleichzeitig sind.
    Hier ist z.B. eine Liste:
    http://www.weltbild.de/9/Geshe…tml?fc=400000&wea=8001220


    Aber selber angelesen hab ich nur dieses:
    http://www.amazon.de/Mahamudra…irklichkeit/dp/3905497425

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • ticav:

    Dabei stellen sich mir insbesondere folgende Fragen:


    Die Fragen sind derartig speziell :), daß Du wohl für diese kaum ne Antwort in "tiefergehenden" Büchern finden wirst.
    Kannst Du hier klären, und den Gründen dann nachgehen, das kann aber dauern.
    Es ist wirklich schwer, qualitativ gute schulübergreifende oder schulunabhängige Literatur zu finden, mir fällt eigentlich nix anders als Michael von Brück, "Buddhismus" oder "Einführung in den Buddhismus" ein. Nicht ganz billig, aber verständlich und überwiegend verläßlich.
    Ansonsten fallen die Antworten, die in den einzelnen Richtungen gegeben werden, schon mal grob unterschiedlich aus - da braucht man sich nix vorzumachen, wenn Dir Mahayana "liegt", läuft es meistens zunächst auf Tibetisch oder Zen raus, die haben jeweils ihre Einführungs-"Standards", im Zen z.B. (sehr praxisorientiert) Shunryu Suzuki "Zen-Geist, Anfänger-Geist".
    Den Pali-Kanon kannst Du natürlich immer heranziehen, gibts ja im Netz, kaufen nicht notwendig.

  • ticav:


    ...
    Nachdem ich der Meinung bin, dass der (Mahayana)-Buddhismus sehr gut zu mir passt, überlege ich beizutreten. Das auch, weil man dann "offiziell" Buddhist ist – und sich von den normalen "ich bin in der Kirche, gehe aber nicht hin"-Christen absetzt, für die es "normal" ist, Christ zu sein und gleichzeitig normal, dass die Religion dabei nur "vererbt" ist.
    Ich trete aber nicht offiziell zu einer Religion bei, ohne tiefgehende Fachliteratur zu lesen, um es dann daraufhin überprüfen zu können, ob ich diese Lehre wirklich für schlüssig, sinnvoll und richtig halte.


    Herzlich Willkommen ticav,
    zunächst einmal: ich bin der Auffassung, dass Buddhismus weder eine Religion im üblichen Sinne ist - außer in den Ländern, in denen dies als Glaube genau so vererbt wurde wie bei uns das Christentum - noch eine Organisation, der Du beitreten musst.


    Richtig ist, wenn du das, was Du liest und intellektuell erkennst, auch überprüfst. Dann wird sich ganz von alleine einstellen, was für Dich richtig ist.


    Zitat

    Ich interessiere mich also für tiefer gehende Fachliteratur, die Buddhas Lehre näher darstellt. Das können heilige Schriften sein (sowas gibt es ja soweit ich weiß, den Pali, habe aber dazu nicht wirklich was gefunden), aber diese heiligen Schriften sollten kein 2.500 Seiten-Wälzer wie die Bibel sein*. Also eine kompakte, aber doch tiefgehende Zusammenfassung.


    Mir gefallen die Bände von Paul Debes "Meisterung der Existenz durch die Lehre Buddhas" am besten. Sie sind auf Spendenbasis per Anruf beim Beyerlein Verlag zu erhalten. Da werden alle Begriffe stufenweise umfangreich und gut erklärt. Und sie sind leicht zu lesen.


    http://www.buddhareden.de/fr-katalog.htm


    "Buddhistisches Seminar 95463 Bindlach"


    Zitat
    • ist es ethisch korrekt, Insekten zu essen, wenn man annimmt, dass sie keinen Schmerz empfinden (und ihnen somit kein Leid angetan wird?)?

    • Viele Buddhisten essen noch Fleisch, selbst der Dalai Lama. Wo willst Du da ansetzen? Ich esse noch Fleisch, aber keine Insekten, bin ich da ethisch korrekt?


    • Zitat

      was ist davon zu halten, wenn man mit Weihnachten zwangsbeglückt wird? Sollte man Geschenke ablehnen, auch unter dem Gesichtspunkt, dass es für die Schenkenden eine Tradition ist, und sie sich sonst evtl. gekränkt fühlen könnten (letzteres insbesondere bei Senioren, die es oft nicht verstehen können, wenn man es ablehnt)? Zu berücksichtigen ist auch, dass man sich etwas dumm fühlt, wenn andere etwas schenken, und man selber nicht.



      Willst Du Mönch/Nonne werden? Als Haushälter hat das keine Bedeutung für mich. Ich grenze mich nicht (mehr) durch derartige Glaubensvorstellungen ab. Da gibt es ganz andere Herausforderungen. Ob "man" sich dumm fühlt oder nicht, ist eines der Hindernisse, die Du bearbeiten kannst, wenn Du Dich intensiv mit der Lehre befasst hast.


    • Zitat

      wie findet eine buddhistische Bestattungsfeier statt, welche Möglichkeiten gibt es, warum ist eine Möglichkeit "besser" als eine andere? Und was trägt man, wenn jemand anders (z. B. ein Christ) beerdigt wird? Dies auch wieder unter dem Gesichtspunkt, sich von den Christen abzusetzen, bei denen die Religion "vererbt" wurde. Andererseits kommt es komisch rüber, wenn man nicht "typisch deutsch" in schwarz erscheint.

    Zitat


    Warum musst Du Dich unbedingt von Christen absetzen. Es geht nicht um Trennung. Es geht um die Aufhebung von Trennung, also um die Aufhebung von Leid. Geht es Dir darum, nicht als "typisch deutscher Christ" zu erscheinen oder geht es Dir um die Verinnerlichung von Einsicht in die Lehre Buddhas? Was bedeuten da die Äußerlichkeiten bei einer Beerdigung? Respekt und Achtung vor denen, die Dich großzogen, gehören genau so dazu wie alle anderen Silas.


    _()_ Monika

  • Hallo,
    Die Bibel der Buddhisten ist der Pali-Kanon.
    Auf Deutsch gibt es verschiedene Übersetzer. Meiner Meinung nach ist Neumann der 'Beste, weil erüber ausreichende Kenntnisse und Erfahrung verfügt, den Text richtig zu übersetzen.
    Der Pali-Kanon besteht ausdrei Bänden. Dabei würde ich die Längere Sammlung empfehlen. Das ist eine geistige Atombombe.
    Neumann, Karl-Eugen: die Reden Gotamo Buddhos, Längere Sammlung, Zürich, Wien, 1957.

  • Zur Frage, Weihnachten betreffend: Man kann es ablehnen, beschenkt zu werden. Mit der Begründung, dass die Erde bald eventuell wegen unseres Konsumrausches zusammenbricht. Falls ältere Leute das nicht verstehen, dient es trotzdem dem Umweltschutz. Und dieser ist wichtiger!

  • Turmalin:

    Zur Frage, Weihnachten betreffend: Man kann es ablehnen, beschenkt zu werden. Mit der Begründung, dass die Erde bald eventuell wegen unseres Konsumrausches zusammenbricht. Falls ältere Leute das nicht verstehen, dient es trotzdem dem Umweltschutz. Und dieser ist wichtiger!


    Und wenn Du selbst beschenkt wirst und nicht ohne Gegengabe dastehen möchtest, gibt es ausreichend viele nette Buddhafiguren für jeden Geschmack :lol::lol:


    Das beruhigt sowohl das bürgerliche wie das buddhistische Gewissen

  • ticav:

    Sollte man (Weihnachts-)Geschenke ablehnen, auch unter dem Gesichtspunkt, dass es für die Schenkenden eine Tradition ist, und sie sich sonst evtl. gekränkt fühlen könnten (letzteres insbesondere bei Senioren, die es oft nicht verstehen können, wenn man es ablehnt)?


    Tradition? Vielleicht möchte Dir einfach jemand eine Freude machen?
    Was kann die/der dafür, das Du innerlich gerade so abgehst.


    Lächeln, danke sagen und weitermachen.



    Herzlich,
    Mirco

  • Mirco:
    ticav:

    Sollte man (Weihnachts-)Geschenke ablehnen, auch unter dem Gesichtspunkt, dass es für die Schenkenden eine Tradition ist, und sie sich sonst evtl. gekränkt fühlen könnten (letzteres insbesondere bei Senioren, die es oft nicht verstehen können, wenn man es ablehnt)?


    Tradition? Vielleicht möchte Dir einfach jemand eine Freude machen?
    Was kann die/der dafür, das Du innerlich gerade so abgehst.


    Sicherlich, das weiß ich, dass mir die Person eine Freude machen möchte, nur dennoch bringt es mich (seit längerer Zeit) auf die Palme, wenn man mit christlichen Traditionen zwangsbeglückt wird, so als wenn es allgemeiner Standard wäre, christlich zu sein. Ich würde mir ja auch dumm vorkommen, wenn ich anderen zu Buddhas Geburtstag etwas schenken würde (wenn es solche Traditionen gibt), ebenso wie die Person sich (berechtigterweise) dumm vorkommen würde. Spätestens dann, wenn ich Kinder habe, werde ich wohl solche christlichen Traditionen verbieten, wenn mein Mann dann auch damit einverstanden ist (aber neutral, also auch keine entsprechenden buddh. Traditionen).
    Ob es vom Ursprung her eine christliche Tradition ist - habe mal gehört, davon geht diese Tradition gar nicht aus -, ist mir dabei egal, weil es allgemein als solche angesehen wird und damit ist es quasi so.


    Der Anstoß kommt bei mir auch daher, dass ich mal gelesen habe, dass es in anderen (buddhistischen und muslimischen) Familien in christlichen Ländern ähnlich gehandhabt wird. Wobei diese damals (glaube ich) nicht gemischt religiös waren.
    Ich bin halt sehr charakterstark, wenn es um meine individuelle Lebenseinstellung geht, und diese zu betonen. Dies betone ich, indem ich deutlich darauf hinweise, wenn es missachtet wird oder jemand es gar nicht weiß. Aufgrund dessen grenze ich mich dann ab.
    Aber ich bin mir eben noch etwas unschlüssig darin, wie genau und ob ich das überhaupt je nach Anlass mache.


    Bei einer Beerdigung ist es z. B. nicht dem Anlass angemessen, sich irgendwie selbst zu inszenieren. Zumal ich gewissermaßen auch selbst daran Schuld bin, dass jeder mich für christlich hält, weil ich damals zur Konfirmation zugestimmt habe (war damals aber auch skeptisch – fand damals meine Mutter auch gut, sich selbst Gedanken darüber zu machen; hatte damals überlegt, zum Islam zu konvertieren).
    Bei Weihnachten habe ich es schon die letzten Jahre so gemacht, dass ich Geschenke abgelehnt habe, viele das jedoch nicht interessiert hat und ich es letztlich nicht (so) durchgesetzt habe, wie ich es könnte.


    Weil ich mir in diesen Dingen noch unschlüssig bin, würde mich Literatur dazu interessieren, wie es andere in interreligiösen Familien handhaben, die aber von hauptsächlich einer Religion geprägt sind, und was der Buddhismus zum interreligiösen Umgang sagt.

  • ticav:


    ... bringt es mich (seit längerer Zeit) auf die Palme, wenn ...
    ... ich würde mir ja auch dumm vorkommen, wenn ...


    Das ist allein Deine Entscheidung.
    Du kannst andere Leute nicht für etwas verantwortlich machen, zu dem Du Dich entschieden hast.
    Du könntest auf all das auch mit Loslassen, Freundlichkeit, Wohlwollen und Gleichmut antworten.



    Zitat

    Bei einer Beerdigung ist es z. B. nicht dem Anlass angemessen, sich irgendwie selbst zu inszenieren.


    Ist das die Wahrheit? Nein. Das ist Deine Meinung. Davon gibt es viele.
    Dürfen neben Dir mit Deiner Einstellung auch noch andere Menschen mit anderen Meinungen existieren, oder bringt Dich das wieder auf die Palme?



    Zitat

    Bei Weihnachten habe ich es schon die letzten Jahre so gemacht, dass ich Geschenke abgelehnt habe, viele das jedoch nicht interessiert hat und ich es letztlich nicht (so) durchgesetzt habe, wie ich es könnte.


    Gewöhn' Dich schonmal dran. Das Leben ist anders, als Du es willst. Immer.



    Zitat

    ... dass ich mal gelesen habe ... Weil ich mir in diesen Dingen noch unschlüssig bin, würde mich Literatur dazu interessieren ...


    Was willst/brauchst Du denn, was sich nur in Literatur findet?
    Wo ist Dein Gefühl dazu? Was steht in Büchern, was Du nicht weißt?



    Herzlich,
    Mirco

  • Nicht das ich mich dafür verteidigen wollen würde. Kann dir ja eh egal sein, hast ja nichts damit zu tun. Dennoch will ich dir meine Sicht darlegen, auch weil du da sowas wie ein neutraler Berater bist.


    Mirco:
    ticav:


    ... bringt es mich (seit längerer Zeit) auf die Palme, wenn ...
    ... ich würde mir ja auch dumm vorkommen, wenn ...


    Das ist allein Deine Entscheidung.
    Du kannst andere Leute nicht für etwas verantwortlich machen, zu dem Du Dich entschieden hast.
    Du könntest auf all das auch mit Loslassen, Freundlichkeit, Wohlwollen und Gleichmut antworten.


    Klar ist das allein meine Entscheidung. Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehe, da bin ich mir noch unschlüssig.
    Klar mach ich keine anderen verantwortlich dafür, wofür ich mich entscheide oder ihnen Vorwürfe daraus, wenn sie mir gegenüber an ihren Traditionen (Weihnachtsgeschenken) festhalten.
    Aber wenn ich mich sich entscheide, dann lehne ich sie eben ab. Das sollte man dann so akzeptieren.
    Andere sind davon ja gar nicht betroffen (negativ oder sonstwie), nur ich (negativ), da ich aus Geschenken nur Vorteile ziehe. Ich sehe auch keinen Sinn mit jemand über etwas zu diskutieren oder darüber Streit mit ihnen anzufangen, wenn es so entschieden ist. Wenn man nur allein davon betroffen ist, schon dreimal. Weil dann macht diskutieren einfach keinen Sinn (dann dreht man sich nur im Kreis, kommt am Ende eh dasselbe bei raus), nur wenn man sich darin noch nicht sicher ist.


    Mirco:
    Zitat

    Bei einer Beerdigung ist es z. B. nicht dem Anlass angemessen, sich irgendwie selbst zu inszenieren.


    Ist das die Wahrheit? Nein. Das ist Deine Meinung. Davon gibt es viele.
    Dürfen neben Dir mit Deiner Einstellung auch noch andere Menschen mit anderen Meinungen existieren, oder bringt Dich das wieder auf die Palme?


    Da hast du mich missverstanden: Ich meinte, dass es nicht angemessen wäre, wenn ich mich selbst inszenieren würde, z. B. durch unpassende Kleidung von anderen (Standarddeutschen) abzugrenzen – worüber ich durchaus nachgedacht habe, oder in anderer Weise das zu tun, hielt es aber für unpassend bzw. habe keine passende, unauffällige Art und Weise hierfür gefunden.
    Man kann aber natürlich aber auch der Meinung sein, dass genau das angemessen wäre ;)


    Mirco:
    Zitat

    Bei Weihnachten habe ich es schon die letzten Jahre so gemacht, dass ich Geschenke abgelehnt habe, viele das jedoch nicht interessiert hat und ich es letztlich nicht (so) durchgesetzt habe, wie ich es könnte.


    Gewöhn' Dich schonmal dran. Das Leben ist anders, als Du es willst. Immer.


    S. o.: wenn man allein von etwas betroffen ist, sind keine Interessen anderer zu berücksichtigen. Daher verstehe ich nicht, weshalb das dann von diesen kritisiert wird bzw. es von ihnen nicht akzeptiert wird. (nachvollziehen kann ich es, an Traditionen festhalten, verstehen aber nicht, weil ihre Interessen nicht betroffen sind – dies als Ausdruck dessen, dass die Religions- und in diesem Fall besonders die Handlungsfreiheit eines Menschen bei mir allgemein (auch politisch) sehr hochgehängt wird, was bei vielen sicher nicht so der Fall ist, jedenfalls nicht so stark).



    Zitat

    ... dass ich mal gelesen habe ... Weil ich mir in diesen Dingen noch unschlüssig bin, würde mich Literatur dazu interessieren ...


    Was willst/brauchst Du denn, was sich nur in Literatur findet?
    Wo ist Dein Gefühl dazu? Was steht in Büchern, was Du nicht weißt?[/quote]
    Meine Gefühl dazu ist sehr klar, allerdings bilde ich mir auch durch andere Menschen(, die in einer ähnlichen Situation stecken – wobei die nichtmal buddhistisch sein müssen, sondern auch z. B. muslimisch sein können), und ihr Handeln und vor allem ihre Gründe dafür, meine Meinung.
    Das war auch bei dem Buch "Buddhismus für Praktiker" so, wobei das allgemein gehalten und nicht auf eine ähnliche Situation bezogen war, aber dennoch einen Bezug dazu hatte, und die Gründe meine Sicht geändert haben. Ein gutes Beispiel für den Wert solcher Bücher.
    Das liegt einfach daran, dass Dritte Personen nichts damit zu tun haben, daher neutral "beraten" können, und deshalb nicht unbedingt ihren Standpunkt durchsetzen möchten. Vor allem wenn jemand in einer ähnlichen Situation ist, ist das interessant für mich.
    Wer unbedingt seinen Standpunkt durchsetzen möchte, kann nicht neutral beraten und nennt oft keine guten Gründe, weil er nur sein Ziel verfolgt. Deshalb kommt dabei meistens nur Streit ohne Ergebnis raus und macht daher nicht viel Sinn.
    Ich breche so ein Im-Kreis-drehen daher oft ab.

  • Im Bezug auf die Literaturfrage kann ich von meiner Empfindung und Erfahrung heraus klar sagen, dass ich (m)einen "roten Faden" im Sutta Pitaka gefunden habe.
    Sekundärliteratur ist jetzt nicht ganz so mein Ding.
    Es gibt aber wenige Ausnahmen - was ich ergänzend gut zum Sutta Pitaka lesen (oder als Audioaufzeichnung hören) kann, sind z.B. Darlegungen von Fritz Schäfer, teilweise auch Ajahn Maha Boowa, teilweise Ayya Khema.
    Aber da habe ich dennoch den "roten Faden" Sutta Pitaka mit dabei im Hinterkopf.


    Das kann und muss aber jeder für sich herausfinden.
    Was ich als hilfreich empfinde, muss noch lange nicht ein anderer als hilfreich empfinden.


    Was unseren christlichen Kulturkreis betrifft, einfach mal ein paar Gedanken und Erfahrungen von mir:
    ich kann den Kulturkreis, in dem ich lebe, sehr gut akzeptieren und ich achte, respektiere und wertschätze meine christlichen Mitmenschen.


    Weihnachten feiern wir sehr "abgespeckt" mit meinen Schwiegereltern (wir haben zudem auch Kinder) und es macht mir Freude, meinen wirklich sehr toleranten und liebenswerten Schwiegereltern diese Freude zu machen.
    Ich kann Geschenke, die von Herzen kommen, auch mit dem Herzen annehmen und: ich stelle mich nicht "über" meine christlichen Mitmenschen.


    Vor einigen Jahren hatte ich ein sehr bewegendes Erlebnis an Weihnachten:
    ich hatte ehrenamtlich über die Flüchtlingsbegleitung einen jungen Mann aus Afrika begleitet, der von Abschiebung bedroht war.
    Wir haben um ihn und seinen Aufenthalt gekämpft, eines der mitentscheidenden Gespräch fand dann mit ihm gemeinsam auf lokalpolitischer Ebene in den "höchsten Reihen" statt.
    Letztendlich haben wir ihn "durchgeboxt".


    Als dann Weihnachten vor der Türe stand, klingelte es mal an einem Abend und -ich glaube es hatte ziemlich geschneit- der junge Mann stand vor unserer Tür.
    Er drückte mir ein Weihnachtsgeschenk in die Hand: "Die Lehrreden des Buddha".


    Ich habe noch Gänsehaut, wenn ich nur dran denke.
    Da ich für eine christliche Organisation "ehrenamtle", hatte ich mich auch diplomatisch zurückgehalten mit meiner Weltanschauung.


    Der junge Mann hat dann angefangen, sich für Buddhismus zu interessieren, hat dann auch mal an einem Vortragstag teilgenommen, als ich einen Vortrag über einige Lehrreden, die im Sutta Pitake zu finden sind, gehalten hatte.
    Wir haben sporadisch Kontakt.


    Ansonsten erlebe ich z.B. den christlichen Träger, bei dem ich "ehrenamtle" als vorbildlich in interkultureller und interreligiöser Kompetenz:
    vor zwei Jahren gab es einen katholischen Open-Air-Gottesdienst, bei dem aber Menschen aller Religionen ein Gebet ihrer Religion vortragen durften.


    Ich habe damals das Metta Sutta (einfach mal googeln, am besten nach "Metta Sutta"+ Übersetzung + Salzberg) rezitiert, ein kath. Priester hat mir das Mikrofon gehalten.


    Ich würde mich selbst als überheblich empfinden, wenn ich Geschenke von meinen christlichen Mitmenschen an Weihnachten ablehne.
    Weihnachten hat für mich keine religiöse Bedeutung, aber ich wertschätze den Glauben meiner Mitmenschen sehr.


    Meine Schwiegereltern sind so offen, warum sollte ich nicht auch offen sein?
    Meine Schwiema ist schon mit ins Wat (Tempel) gegangen, die Türen meiner Schwiegereltern standen offen, als mein erster buddh. Lehrer bei uns Gast war und wir bei ihnen "Zwischenstation" gemacht haben...ich kann mein Herz da nicht "eng" machen (will ich auch gar nicht).


    Mein Weg ist für mich klar und was ich gemerkt habe: je gefestigter man mit seiner Religion/Weltanschauung in sich ruht, desto geschmeidiger und wohlwollender ist auch der Umgang mit Menschen anderer Glaubensrichtungen/Weltanschauungen.

    Herzliche Grüße von der


    Kirschblüte



    Der vielleicht größte Vorteil des Ruhms besteht darin, daß man ungestraft die größten Dummheiten sagen darf.


    André Gide

  • Hallo 'ticav',


    ticav:

    Klar ist das allein meine Entscheidung. Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehe, da bin ich mir noch unschlüssig.
    Klar mach ich keine anderen verantwortlich dafür, wofür ich mich entscheide oder ihnen Vorwürfe daraus, wenn sie mir gegenüber an ihren Traditionen (Weihnachtsgeschenken) festhalten. Aber wenn ich mich sich entscheide, dann lehne ich sie eben ab. Das sollte man dann so akzeptieren. Andere sind davon ja gar nicht betroffen (negativ oder sonstwie), nur ich (negativ), da ich aus Geschenken nur Vorteile ziehe. Ich sehe auch keinen Sinn mit jemand über etwas zu diskutieren oder darüber Streit mit ihnen anzufangen, wenn es so entschieden ist. Wenn man nur allein davon betroffen ist, schon dreimal. Weil dann macht diskutieren einfach keinen Sinn (dann dreht man sich nur im Kreis, kommt am Ende eh dasselbe bei raus), nur wenn man sich darin noch nicht sicher ist.


    Neben all dem, was Du schreibst, fällt mir eins besonders ins Auge:
    Du scheinst Dich als getrennt von Deiner Umwelt wahrzunehmen.
    Alles, was Dich betrifft, betrifft doch auch die Menschen, mit denen Du zusammen lebst.
    (Sonst würde es Dich ja auch nicht betreffen.)



    ticav:

    Daher verstehe ich nicht, weshalb das dann von diesen kritisiert wird [...] bzw. es von ihnen nicht akzeptiert wird.


    Hast Du niemals jemanden für etwas kritisiert, wovon Du augenscheinlich nicht betroffen bist?
    Lehnst Du niemals etwas ab, das weit weg von Dir ist?
    Wenn ja, o.k., wenn nein, schau hin wie es bei Dir abläuft: es ist bei allen gleich.
    Und ich glaube nicht mal, dass die Leute, um die es hier geht, weit weg von Dir sind



    Zitat

    nachvollziehen kann ich es, an Traditionen festhalten, verstehen aber nicht, weil ihre Interessen nicht betroffen sind – dies als Ausdruck dessen, dass die Religions- und in diesem Fall besonders die Handlungsfreiheit eines Menschen bei mir allgemein (auch politisch) sehr hoch gehängt wird


    Du redest irgendwie rationalisierend-verallgemeinernd über Deine Erlebnisse. Was'n da los konkret?



    Herzlich,
    Mirco

  • ticav:


    Aber wenn ich mich sich entscheide, dann lehne ich sie eben ab. Das sollte man dann so akzeptieren.
    Andere sind davon ja gar nicht betroffen (negativ oder sonstwie), nur ich (negativ), da ich aus Geschenken nur Vorteile ziehe.


    Nun ja, du "raubst" deinen Mitmenschen die Gelegenheit, an dich zu spenden (dana). Damit können sie etwas heilsames nicht tun, weil du sie aus eigensüchtigen Bedürfnissen nicht läßt. Damit sind sie schon irgendwie negativ durch deine Entscheidung betroffen.


    Gruß
    Florian

  • Liebe Grüße ticav,


    auch für mich driften Deine letzten Beiträge etwas ins Abstrakte, Distanzierte ab. Das ist schade, weil es so schwerer wird auf Dich einzugehen.


    Ich hatte (1/4 scherzhaft) den Vorschlag gemacht, als Gegengeschenke Buddhafiguren zu verteilen. Nun ja, das ist vielleicht nicht jedermanns Sache.


    Andere Idee: wie wäre es, wenn Du Ende November die üblichen Verdächtigen bitten würdest, wenn sie Dir zu ihrem Fest etwas schenken möchten, statt dessen eine Spende an einen gemeinnützigen Verein zu leisten? Damit hättest Du persönlich nichts vom gut gemeinten Geschenk, jemand, der es braucht, hat einen Nutzen und die Spender haben Dir und noch einem Dritten etwas im besten Sinne der Weihnachten Gutes getan.


    Außerdem kommt damit vielleicht ein produktives Gespräch in Gange, das Du irgendwie zu vermissen scheinst. Gespräche, auf denen über längere Zeit floskelhaft immer wieder ähnliche 'Argumente' ausgetauscht werden sind wirklich zermürbend.

  • Kirschbluete: guter Beitrag! Hm, wenn mir jemand etwas schenken wollte, der mir eine Freude machen will (nicht, das andere das nicht wollen!) und dabei nichts davon weiß, dass ich das so nicht prall finde, würde das ich vermutlich auch annehmen. Vor allem bei so einem bestimmten Anlass, also das man ihn vor der Abschiebung bewahrt hat…
    weil es dann besonders von Herzen kommt, IMHO im Gegensatz zum alljährlichen Geschenkeverteilen ohne bestimmten Grund, einfach weil grad der 24.12. ist.
    Andere (Angehörige, die alljährlich Geschenke ohne bestimmten Anlass verteilen) wissen das ja bei mir schon lange und es interessiert sie nicht, da komm ich mir schon dumm vor.


    Komme mir dann auch deshalb dumm vor, weil ich selbst das nicht tue, jedenfalls nicht ohne vernünftigen Anlass ("einfach mal danke sagen" ist auch einer) und schon gar nicht, nur weil grad wieder Weihnachten ansteht. Wer selbst beschenkt wird, aber es nicht selbst tut, kommt sich dann eben etwas blöd vor.


    Mirco und fotost:
    ich antworte morgen darauf, weil das ziemlich ausführlich wird, denn das, was ich oben ziemlich abstrakt beschrieben habe, hat ein paar andere Dinge als Hintergrund, die damit zusammenhängen (mit den Geschenken). Habe diese Zusammenhänge nicht genauer beschrieben, weil ich es für weitgehend irrelevant hielt, und daher keine unnötig langen Romane schreiben wollte.
    Muss jetzt ins Bett.

  • Hallo ticav,


    "Geben" (so wie es auch Mirco geschrieben hat) ist für uns Praktizierende eine der grundlegenden Übungen.
    Aus dem Grund schenke ich auch sehr gerne und übe mich darin, den "Geschenke-Anlass" zumindest nicht überzubewerten.


    Was ich für mich auch entschieden ablehne, ist der Konsumrausch-Hype im Dezember, aber dem kann ich mich auch entziehen, ohne dass ich lieben Menschen "eines vor den Latz knallen" muss.
    Aus dem Grund beschenke ich meine mir nahestehenden Angehörigen von Herzen gerne an Weihnachten, weil ich weiß, dass sie sich darüber freuen.


    Es ist auch manchmal ganz wunderbar, was sich so ergeben kann, wenn man sich darin übt, das Herz offen zu halten.
    So wie ich meiner Familie signalisiere, dass ich mich nicht verschließe, so kommt sie mir aber auch entgegen.


    Ein für mich sehr bewegendes Ereignis war die (christliche) Beerdigung meiner "Schwiegertante".
    Die hatte den letzten Wunsch geäußert, dass beim Leichenschmaus alle einen "Ouzo" auf sie trinken.
    Da ich mich aber in den 5 Sials übe, trinke ich keinen Alk (was mir auch nicht schwer fällt - ich mochte Alk noch nie, von daher ist das ein Sila, das mir absolut nicht schwer fällt einzuhalten. Es fällt mir genauso leicht wie wenn ich darauf verzichten müsste, gegrillte Grashüpfer zu verspeisen).


    Gegenüber von mir sind Leute gesessen, die schon gemurmelt haben, dass man ja zumindest diesen letzten Wunsch erfüllen könnte, und "man soll sich doch nicht so haben...." ---


    und was haben meine Schwiegereltern und mein Ehemann gemacht?


    Sie haben klar signalisiert, dass auch sie auf den Ouzo danach verzichten.
    Und sie haben nicht die 5 Silas auf sich genommen.
    Meine Schwiema trinkt genauso wenig wie ich, aber mein Schwiepa war der Bruder der Verstorbenen und lebt auch nicht immer abstinent.


    Dass das, was man "aussendet" auch zurückkommt, erlebe ich nicht nur als Floskel - von daher liegt es mir sehr am Herzen, solche Begebenheiten weiterzugeben.

    Herzliche Grüße von der


    Kirschblüte



    Der vielleicht größte Vorteil des Ruhms besteht darin, daß man ungestraft die größten Dummheiten sagen darf.


    André Gide

  • Mirco:

    Hallo 'ticav',
    Neben all dem, was Du schreibst, fällt mir eins besonders ins Auge:
    Du scheinst Dich als getrennt von Deiner Umwelt wahrzunehmen.
    Alles, was Dich betrifft, betrifft doch auch die Menschen, mit denen Du zusammen lebst.
    (Sonst würde es Dich ja auch nicht betreffen.)


    Ja, in bestimmten Dingen bin ich der Ansicht, dass das, was mich betrifft, nicht automatisch andere betrifft. Wieso das in diesem Fall auch andere betreffen soll, verstehe ich nicht ganz. Hmm, obwohl…
    weil die Schenkenden davon gekränkt sind/sein könnten, wenn man etwas ablehnt? Das ist natürlich richtig, wenn man genau darüber nachdenkt… reicht aber aber für mich nicht als Grund, es anzunehmen, Gründe siehe bei Antwort auf Kirschblüte


    ticav:
    Mirco:

    Daher verstehe ich nicht, weshalb das dann von diesen kritisiert wird [...] bzw. es von ihnen nicht akzeptiert wird.


    Hast Du niemals jemanden für etwas kritisiert, wovon Du augenscheinlich nicht betroffen bist?
    Lehnst Du niemals etwas ab, das weit weg von Dir ist?
    Wenn ja, o.k., wenn nein, schau hin wie es bei Dir abläuft: es ist bei allen gleich.
    Und ich glaube nicht mal, dass die Leute, um die es hier geht, weit weg von Dir sind


    Hm so betrachtet ja, ich kritisiere oft und gerne Dinge, die mich nicht betreffen… ethische Dinge z. B.


    ticav:
    Zitat

    nachvollziehen kann ich es, an Traditionen festhalten, verstehen aber nicht, weil ihre Interessen nicht betroffen sind – dies als Ausdruck dessen, dass die Religions- und in diesem Fall besonders die Handlungsfreiheit eines Menschen bei mir allgemein (auch politisch) sehr hoch gehängt wird


    Du redest irgendwie rationalisierend-verallgemeinernd über Deine Erlebnisse. Was'n da los konkret?


    Das stimmt, das liegt wohl daran, dass ich das im Internet häufig tue, um meine Anonymität zu bewahren (sicher auch, weil ich vor vielen Jahren schlechte Erfahrungen machte). Ist aber hier eigentlich Unsinn, weil hier nirgends mein realer Name steht.
    Und liegt auch daran, dass die Personen, um die es geht, hier für dieses Thema weitgehend irrelevant sind (Familie, WG-Partner) – nicht für mich –, und es dieses Thema sehr stark aufblähen würde, diese Zusammenhänge zu beschreiben. Zumal auch weitgehend draus hervorgeht, welche meiner Mitmenschen betroffen sind. Relevant ist, dass diese Sachverhalte so sind, wie ich sie hier beschreibe.


    Dennoch will ich was dazu sagen, ist vielleicht ganz sinnvoll. Wird lang, das wollte ich vermeiden.
    Dazu muss ich meinen vorigen Beitrag erstmal in eine einzelne Selbstzitate zerpflücken:


    Zitat

    Klar ist das allein meine Entscheidung. Ich weiß noch nicht, wie ich damit umgehe, da bin ich mir noch unschlüssig.
    Klar mach ich keine anderen verantwortlich dafür, wofür ich mich entscheide oder ihnen Vorwürfe daraus, wenn sie mir gegenüber an ihren Traditionen (Weihnachtsgeschenken) festhalten.
    Aber wenn ich mich sich entscheide, dann lehne ich sie eben ab. Das sollte man dann so akzeptieren.
    Andere sind davon ja gar nicht betroffen (negativ oder sonstwie), nur ich (negativ), da ich aus Geschenken nur Vorteile ziehe. Ich sehe auch keinen Sinn mit jemand über etwas zu diskutieren oder darüber Streit mit ihnen anzufangen, wenn es so entschieden ist. Wenn man nur allein davon betroffen ist, schon dreimal. Weil dann macht diskutieren einfach keinen Sinn (dann dreht man sich nur im Kreis, kommt am Ende eh dasselbe bei raus), nur wenn man sich darin noch nicht sicher ist.


    Also: ich werde jedes Jahr zu Weihnachten und zum Geburtstag von meinen Omas, meiner Mutter + ihrem Mann beschenkt. Gerade zu Weihnachten gibt es alljährlich viel Gestreite mit meiner Mutter drum. Habe ihr schon oft gesagt, dass ich darauf lieber verzichten würde, und das man doch bitte schön an gemeinnützige Organisationen spenden soll. Habe darüber auch mal direkt mit der einen Oma, die schon fast 90 Jahre ist, gesprochen, die aber meinte, es wäre ihr egal, wofür ihre Enkelkinder das verwenden, und sie hätte nichts dagegen, wenn ich das spende, fände das sogar toll. Meine Mutter meint, meine Oma würde das nicht mehr mit ihren 90 Jahren verstehen, und eigentlich nicht wollen. Ich denke mal, wenn das so ist, wie meine Mutter sagt, ist das so, weil sie das seit x Jahrzehnten so macht und nicht damit klarkommt, wenn einer jetzt diese diese Traditionen ablehnt (ist aber IMHO nur ne Vermutung von ihr).
    Und ja, das ist auch, weil ich dieses alljährliche Geschenkeverteilen, diesen Konsumrausch ohne Grund kritisch siehe (vernünftiger Grund ist für mich z. B. einfach mal danke sagen, s. o., aber nicht jedes Jahr und auch nicht nur dann wenn grade Weihnachten ist, sondern einfach mal so – wenn das so ritual ist, ist das für mich nicht “einfach mal danke sagen” bzw. nur nebensächlich; oder eben aus einem besonderen Grund, wie wenn man jemand bei einer Abschiebung geholfen hat).
    Kritisch sehe ich auch, jemand Geld in den Arsch reinzuschieben – 50 €, bei 11 Enkelkindern, zu Weihnachten und Geburtstag – , ohne das man dafür was tut. Andere haben es wesentlich nötiger als ich, auch wenn ich selbst sicherlich immer eine Verwendung dafür finde.

    So, das ist das eine. Dazu kommt noch, dass ich zu dem Mann meiner Mutter, den ich aber emotional nicht als Vater ansehe, vor 7 Jahren bis vor einem Jahr den Kontakt abgebrochen habe, kein gutes Verhältnis habe, u. a. aufgrund von starker körperlicher Gewalt (ich hatte wirklich einmal- oder zweimal Todesangst vor ihm, was nicht der Auslöser dafür war, aber ein Grund, dass ich es lange Zeit dabei gelassen hatte, den Kontakt abzubrechen) und verbaler Gewalt (keine dauernden Beschimpfungen, nur manchmal, aber permanente dumme Sprüche in Bezug auf alles mögliche, von ihm als Witze angesehen). Das ist der Sohn von meiner fast 90-jährigen Oma.
    Meine Mutter wirft mir vor, dass ich etwaige Weihnachtsgeschenke von der Oma aus diesem Grund ablehnen würde, also weil es ihr Sohn ist.
    Ich verleihe diese Geschenke als Mikrokredit an bedürftige Menschen in Entwicklungsländern (im Namen meiner Oma, so dass ich sie nicht als angenommen betrachte), auch wenn das meiner Mutter nicht passt. Ich hatte letztes Jahr mal überlegt, diese zunächst zu behalten, als "Kredit an mich selbst" zu betrachten und später zu spenden/verleihen, weil der Oma es angeblich nicht recht sei, s. o. (obwohl sie mir selbst gesagt hat, dass es ihr recht ist), das werde ich aber (nicht mehr/doch nicht) tun. Das entspräche auch nicht meiner Philosophie vom wegen dem "Geld in den Arsch schieben", denn dann wird es einem doch in den Arsch geschoben, weil man in dem Moment, wo man es kriegt, nichts dafür tut (im Unterschied zum Kredit, wo man Sicherheiten dafür hat und den wirklich zurückzahlen muss).
    Ich muss auch sagen, dass ich damit nachlässig geworden bin, das für gemeinnützige Zwecke zu verwenden. Eben weil ich es in der Vergangenheit zunächst selbst verwendet habe, und dann schon gar nicht mehr weiß, ob ich es dann später gespendet habe oder nicht; werde da genau nachschauen und -rechnen müssen, wieviel ich jetzt als Mikrokredit verliehen habe. Da hab ich schon ein schlechtes Gewissen vor mir selber und habe vor, da in Zukunft nicht so schlampig zu sein, auch weil ich mich sonst einfach schlecht fühle.
    Tatsache ist auch, dass ich vor 5,5 Jahren entschieden habe, sämtliche Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke von beliebigen Verwandten zu spenden. Ich hatte damals ein ¾-Jahr vorher auch den Kontakt zu allen anderen Verwandten inkl. meiner Mutter abgebrochen.
    Ich sah damals durch eine Kontaktaufnahme zu meiner Mutter meine persönliche Sicherheit gefährdet, da ich der Ansicht war, dass sie nicht in der Lage ist, diese Gefahr durch Gewalt für mich und vor allem die Intensität dieser zu erkennen.
    Die Entscheidung, alle Arten von Geschenken abzulehnen, traf ich, um eine mögliche versuchte Beeinflussung zu vermeiden.


    Zurück zu den Geschenken:
    wie gesagt, hatte ich vor 5,5 Jahren entschieden, alle Arten von Geschenken von Angehörigen abzulehnen (Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke).
    Heute lehne ich das nicht mehr grundsätzlich ab, nur noch bei der 90-jährigen Oma, deren Sohn der Mann meiner Mutter ist (aber nur bei Geldgeschenken; bei Sachwerten ist das anders, wenn sie auch selten sowas verschenkt, und wenn, dann ist es geringwertig). Und da weiß ich nicht mehr, wieso ich damals so entschieden habe, dass es nur bei dieser Oma so ist, das ist mein Problem; und auch nicht mehr, ob ich das nur für Weihnachts- oder auch Geburtstagsgeschenke so entschieden habe. Da bin ich ziemlich bürokratisch nach dem Motto "ich weiß nicht, mehr wieso ich das so entschieden habe, also bleibt es so". Vielleicht hab ich es damals auch für alle so entschieden (später, also nach den 5,5 Jahren, wo ich es auf jeden Fall für alle so entschieden hatte). Logisch gesehen halte ich es ja für sinnvoll, unabhängig davon, was ich früher entschieden habe und nicht mehr weiß, alle Arten von (Geld)Geschenken an Weihnachten zu spenden, unabhängig vom Schenkenden, denn das macht ja keinen Unterschied; oder z. B. auch alle insgesamt nur zur Hälfte oder ähnlich, damit andere jedenfalls zum Teil was davon haben
    .
    Gleichzeitig sage ich aber auch, dass Weihnachtsgeschenke von allen unerwünscht sind (handel aber anders in den Taten).
    Ich spende also derzeit die Geschenke meiner fast 90-jährigen Oma, die die Mutter des Mannes meiner Mutter ist, und von anderen nehme ich sie an.
    Das kann aber auch daran liegen, dass andere (nach meiner Erinnerung) gar kein Geld mehr schenken, sondern Sachwerte. Sachwerte nehme ich ja bei der Oma ebenfalls an, wenngleich sie geringwertig sind; und von anderen sie hingegen nicht geringwertig sind. Da ist mein Problem, dass man sie schlecht ablehnen kann, weil man sie dann zurückschicken müsste.
    Ich bin also quasi gezwungen, solcher Art Geschenke anzunehmen, weil mir schon von anderen gar kein Geld mehr geschenkt wird. Denn das kann man viel leichter ablehnen (oder spenden) als Sachwerte, wo das viel schwieriger ist, denn die müsste man zurückschicken oder man kann sie gar nicht zurückgeben, wenn es im Laden gekauft wird.
    Ich könnte auch ganz hart sagen "Nehme ich nicht an, basta!", – von allen, ob Sachwerte oder nicht –, aber das fällt mir dann doch schwer. Wenn, dann wäre es aber nur einmal, danach bekäme ich nicht wieder was geschenkt, weil sie dann vergrault wären, was das betrifft.

  • ticav:

    Hm so betrachtet ja, ich kritisiere oft und gerne Dinge, die mich nicht betreffen… ethische Dinge z. B.


    Siehst Du. Der Vorgang ist der Gleiche, nur die Inhalte sind andere. Genau so, wie es bei Dir innerlich abgeht, wenn Du etwas kritisierst, genau so geht es in anderen ab, wenn sie kritisieren, was Du tust. Von daher verstündest Du, was da bei denen los ist, wenn sie Dein Verhalten ablehnen, wenn Du Deine inneren Vorgänge des Ablehnens anschautest.



    ticav:

    Ja, in bestimmten Dingen bin ich der Ansicht, dass das, was mich betrifft, nicht automatisch andere betrifft. Wieso das in diesem Fall auch andere betreffen soll, verstehe ich nicht ganz. Hmm, obwohl…
    weil die Schenkenden davon gekränkt sind/sein könnten, wenn man etwas ablehnt? Das ist natürlich richtig, wenn man genau darüber nachdenkt…


    Noch mal: siehst Du. Und noch weiter gedacht, ist es für alle von Vorteil, loszulassen, zu entspannen und wohlwollend zu leben.




    So. Ich freue mich darauf, voraussichtlich heute Abend auf den verbleibenden Teil des Beitrags einzugehen.
    Jetzt doch habe ich etwas anders vor.



    Herzlich,
    Mirco