Der Umgang mit Ärger

  • Matthias65:
    Aiko:

    Ich finde Zorn und Wut sind auch Formen des Ärgers, die entstehen, wenn sich da einiges an Energie nach außen entladen muss


    Hallo Aiko, wo würdest Du den Unterschied sehen zwischen Ärger, Wut und Zorn ?


    Ärger ist eher eine Empfindung, die auch innerlich verarbeitet wird und kränkt. Meistens ist sie damit verbunden, dass ich Dinge, die ich erleide, nicht ändern kann, sie mich also frustieren.
    Zorn und Wut sind Gefühle, die sich in Handlungen äußern - Zorn ist dabei bewusster und gezielter und kann sich zur Rache entwickeln - Wut ist hingegen eher unbewusst und spontan und verraucht dann auch schnell, während sich stille Wut, die es ja auch gibt, zum Groll gerechnet wird. Hier kann ich an den Dingen etwas ändern, aber das Ergebnis ist dann nicht wie gewollt. Zorn und Wut ist also frustierte Macht, eine überhebliche Form des Ärgers und er begründet sich gern mit Gerechtigkeit und Heiligkeit.


  • ha, allet in meinem Kopf !


    letztens hatte ich im Chat ein interessantes Gespräch
    und ich äußerte mich, daß wir im Grunde
    in "emotionalen Zu-Ständen" leben.


    In meinem Kopf und Herzen, Darm, Leber, Nieren
    ja geradezu überall - herrschen abwechselnd
    sämtliche Zu-Stände, u.a. kann es auch sehr viel Liebe enthalten.


    Nach längerer Mediation komme ich auch wieder runter und
    es kann (muß aber nicht) eine gebesserte innere Stimmung bei mir verweilen.


    Sei's drum - ich kriege eben manchmal nichts in den Griff -
    da purzelt's durcheinander . . .
    ich kippe sozusagen aus der Matrix !


    Wenn ich irgendwann wieder lachen kann, weiß ich, die
    Fremdsteuerung ist vorbei !


    LG, Gitte

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • Im übertragenen Sinne sagt man ja: "Du bist was Du isst."


    Also lieber nicht sich mit sowas identifizieren. Lieber nur als Phänomen betrachten, erwägen, von ALLEN Seiten. Also auch von innen.


    Wenn ich diesen Blickwinkel ins innen umkehre mit: "Was hat dieser blöde Mist denn mit MIR zu tun?" - dann sehe ich nicht nur meistens sondern eigentlich immer, das zu anderen Gelegenheiten ICH verletzend, ignorant, für Ratschläge unempfänglich, egoistisch oder besserwisserisch gewesen bin. Dieser Blickwinkel hilft mir sofort, den anderen besser zu verstehen, auch wenn ich das Verhalten immer noch nicht gutheißen kann. Es ist immer noch eine zu schluckende Kröte, wenn jemand zB meine Schwerstarbeit niedermacht, weil er gern weniger bezahlen würde... Aber wenn ich darauf schaue, wie leichtfüßig ich selber an anderen herumkrittele, dann verstehe ich, dass dem anderen nicht klar sein kann, wie sehr er mich verletzt. All diese Sachen sind oft nicht richtig böse gemeint. Durch das Wichtignehmen, was der andere tut, bauscht man erst alles auf.
    Und oft entstehen Aggressionen aus ganz anderen Gründen, die im Inneren gerade verborgen liegen. Dieses Übertragen auf Außen scheint erstmal naheliegender zu sein, weil man eben auch immer nur auf das Außen schaut und das Innen dabei vergisst.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Matthias65:


    Wer beim aufkommenden Ärger noch in der Lage ist, sich bewusst dafür zu entscheiden, Fragen zu stellen, dann ist der Ärger aber erst kurz davor auszubrechen.


    Hi Matthias,
    diesen Satz verstehe ich nicht. Wieso ist der Ärger kurz davor auszubrechen?
    Ich bin mir ja bewusst, was Ärger ist, wie er "an die Pforte klopft" usw.
    Wenn ich also in Frageform an mein Gegenüber herantrete, dann doch vor allem, um Missverständnissen vorzubeugen und nicht vorschnell zu schießen, nur weil mir etwas nicht passt oder ich etwas Bestimmtes nicht dulden mag. Der Ärger, so schrieb ich weiter oben, entsteht m.E. daraus, weil ich vielleicht schon lange etwas hinnehme und nicht mehr aushalte oder weil ich mich über mich selbst ärgere, Fehler begangen zu haben, deren Konsequenzen ich jetzt erleben darf, oder weil ich zuvor zu feige oder unaufrichtig war. Fallen diese Schleier fort, fühlt es sich auch nicht mehr fremdbestimmt an. So meine Erfahrung.


    Bin ich von vornherein klar und wahrheitsgemäß und spreche mich offen aus, dann taucht Ärger gar nicht erst auf. Zumindest seitdem ich weiß, woher er kommt, womit er verknüpft ist und woran ich anhafte, und sei es "nur" meine Art, die Dinge zu sehen. Das meiste in meinem Leben, das mir Verdruss bereitete, war unwichtig und Ärger völlig unnötig. Aber aufgrund von Verblendung war es unmöglich, das zu erkennen.
    _()_ Monika

  • Liebe Monika,


    was ich meinte bezog sich auf die "Fremdsteuerung". Mir war zwar in dem Moment bewusst, das da Ärger war, aber ich war nicht mehr Herr der Lage, d.h. die negativen Emotionen bestimmten das was ich zum Ausdruck bringen wollte. Bei dieser Fremdsteuerung wäre es mir nicht möglich gewesen, mich bewusst für Deine Strategie der Fragestellung zu entscheiden, ich konzentrierte mich darauf, sachlich zu bleiben und den Konflikt nicht eskalieren zu lassen.


    MonikaMarie1:

    Der Ärger, so schrieb ich weiter oben, entsteht m.E. daraus, weil ich vielleicht schon lange etwas hinnehme und nicht mehr aushalte


    Das war in meinem Fall anders, denn die Situation entstand dadurch, dass es neue Bestimmungen gab, die aber nicht kommuniziert wurden und mein Gegenüber aber davon ausging, dass diese neuen Bestimmungen nicht nur bekannt waren sondern auch bereits umgesetzt werden. Der Mangel an Kommunikation war aus meiner Sicht das Hauptproblem.

  • Matthias65:

    Liebe Monika,


    was ich meinte bezog sich auf die "Fremdsteuerung". Mir war zwar in dem Moment bewusst, das da Ärger war, aber ich war nicht mehr Herr der Lage, d.h. die negativen Emotionen bestimmten das was ich zum Ausdruck bringen wollte. Bei dieser Fremdsteuerung wäre es mir nicht möglich gewesen, mich bewusst für Deine Strategie der Fragestellung zu entscheiden, ich konzentrierte mich darauf, sachlich zu bleiben und den Konflikt nicht eskalieren zu lassen.


    Lieber Matthias :D ,
    es ist m.E. auch ganz natürlich, denn es ist ja ein Prozess der auf Übung beruht. Und mit fortschreitender Übung wird das Bewusstwerden immer schneller, so dass selbst bei Auftauchen des Ärgers die Re-Aktionen sich verändern. Es geht ja nicht darum, perfekt zu sein. Es geht doch darum, Verblendung, Hass und Gier zu beseitigen - und somit das daraus folgende Leid.
    Du hast Dich auf Sachlichkeit konzentriert. Das ist doch super. Was willst Du mehr? Das eine folgt aus dem anderen.


    Zitat

    ... die Situation entstand dadurch, dass es neue Bestimmungen gab, die aber nicht kommuniziert wurden und mein Gegenüber aber davon ausging, dass diese neuen Bestimmungen nicht nur bekannt waren sondern auch bereits umgesetzt werden. Der Mangel an Kommunikation war aus meiner Sicht das Hauptproblem.


    Ja, das ist oft der Fall. Darüber hatten wir in meinem Job auch immer wieder zu klagen. Ich denke, da hast Du so reagiert, wie es zu dieser Zeit am besten für Dich war.
    _()_ Monika

  • Losang Lamo:

    Im übertragenen Sinne sagt man ja: "Du bist was Du isst."


    Also lieber nicht sich mit sowas identifizieren. Lieber nur als Phänomen betrachten, erwägen, von ALLEN Seiten. Also auch von innen.


    Wenn ich diesen Blickwinkel ins innen umkehre mit: "Was hat dieser blöde Mist denn mit MIR zu tun?" - dann sehe ich nicht nur meistens sondern eigentlich immer, das zu anderen Gelegenheiten ICH verletzend, ignorant, für Ratschläge unempfänglich, egoistisch oder besserwisserisch gewesen bin. Dieser Blickwinkel hilft mir sofort, den anderen besser zu verstehen, auch wenn ich das Verhalten immer noch nicht gutheißen kann. Es ist immer noch eine zu schluckende Kröte, wenn jemand zB meine Schwerstarbeit niedermacht, weil er gern weniger bezahlen würde... Aber wenn ich darauf schaue, wie leichtfüßig ich selber an anderen herumkrittele, dann verstehe ich, dass dem anderen nicht klar sein kann, wie sehr er mich verletzt. All diese Sachen sind oft nicht richtig böse gemeint. Durch das Wichtignehmen, was der andere tut, bauscht man erst alles auf.
    Und oft entstehen Aggressionen aus ganz anderen Gründen, die im Inneren gerade verborgen liegen. Dieses Übertragen auf Außen scheint erstmal naheliegender zu sein, weil man eben auch immer nur auf das Außen schaut und das Innen dabei vergisst.


    Danke Losi für Deinen Hinweis !


    http://www.google.de/url?sa=t&…bv.55123115,d.Yms&cad=rja

    habe die Nacht meinen Mittelfinger geströmt
    sowie andere Energieschlösser -
    es geht widda -
    und bin mir einigermaßen nahe.


    LG, Gitte

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • MonikaMarie1:

    Und mit fortschreitender Übung wird das Bewusstwerden immer schneller, so dass selbst bei Auftauchen des Ärgers die Re-Aktionen sich verändern


    Um besser üben zu können bräuchte ich also möglichst noch viele solcher Situationen, dann wird der Ärger (im eigenen Geist) zum Lehrer. Im tibetischen Buddhismus spricht man manchmal von "Dämonen füttern" wobei Dämone Hindernisse sind. Wenn sie "satt" sind, ist auch das Hindernis überwunden.

  • Matthias65:
    MonikaMarie1:

    Und mit fortschreitender Übung wird das Bewusstwerden immer schneller, so dass selbst bei Auftauchen des Ärgers die Re-Aktionen sich verändern


    Um besser üben zu können bräuchte ich also möglichst noch viele solcher Situationen, dann wird der Ärger (im eigenen Geist) zum Lehrer. Im tibetischen Buddhismus spricht man manchmal von "Dämonen füttern" wobei Dämone Hindernisse sind. Wenn sie "satt" sind, ist auch das Hindernis überwunden.


    Die Situationen kommen da ganz von allein auf dich zu - und sie passen immer, wie die Faust aufs Auge. Gerade dann, wenn du glaubst - jetzt hast du es aber endlich gerafft - nee, dann steht schon das nächste Problem und wartet auf dich. Sieh' es daher so: die Hindernisse sind der Weg.

  • Zitat

    Ärger ist ok , Furcht ist ok, Unsicherheit ist ok , - alles Energie - wie glättet man die Wogen ?
    Nicht drüber nachdenken. Heißt: Nicht ins Bewusstsein eindringen lassen. Alles ok.


    Schiffe lassen bei zu hohem Seegang Öl ab, um damit die Wogen zu glätten .
    Was ist also das Öl, das die menschlichen Wogen glättet ?


    Nicht ins Bewusstsein eindringen lassen, heisst, dass die Sinneskontakte nicht zu sehr aktiviert werden;
    sondern nur eben die den Empfindungen innewohnende neutrale Energie rausgefiltert wird .
    Sinneskontakte entstehen wohl, sonst wären keine Empfindungen, aber die Kontakte so geschlossen wie möglich halten, eben durch ganz neutrales Umgehen mit den Empfindungen . (Kontakte als "Schalter", die auf und zu gehen. Bei starken Empfindungen agieren sie stark und gehen deshalb auch weit auf)
    So in etwa (?)


    @Aiko und MonikaMarie:
    Nicht die Hindernisse sind der Weg . Allerdings die Hindernisse sind auf dem Weg .
    (Hindernisse und der Weg sind nicht Ein und Dasselbe)
    Der Weg mag voller Hindernisse sein; er mag aber auch recht
    eben und grade sein .
    Es ist mir schon klar, dass immer wieder Hindernisse auftauchen (ständig),
    die dann gute "Belehrungen" sein werden/können; wenn sie dann als
    solche auch erkannt werden .


    Matthias
    Um besser üben zu können bräuchte ich also möglichst noch viele solcher Situationen, dann wird der Ärger (im eigenen Geist) zum Lehrer.


    ohjeee
    stell dir mal vor, da gehen jetzt zigtausende menschen hin und suchen situationen, die mit ärger etc. ausgefüllt sind.


    achtsam auf situationen re-agieren, aber nicht "zwanghaft" danach suchen gehen .

  • MonikaMarie1:

    Bin ich von vornherein klar und wahrheitsgemäß und spreche mich offen aus, dann taucht Ärger gar nicht erst auf. Zumindest seitdem ich weiß, woher er kommt, womit er verknüpft ist und woran ich anhafte, und sei es "nur" meine Art, die Dinge zu sehen. Das meiste in meinem Leben, das mir Verdruss bereitete, war unwichtig und Ärger völlig unnötig. Aber aufgrund von Verblendung war es unmöglich, das zu erkennen.
    _()_ Monika


    Darf ich fragen ob du schon mal in einer großen Firma (z.B. ein paar tausend Angestellte) gearbeitet hast und dort "Ärger" hattest? Wenn du nicht grad im Verwaltungsrat bist dürfte es schwer sein jeden Ärger zu vermeiden indem du einfach ehrlich bist... In der Theorie hört sich das gut an, aber nach meiner Erfahrung entsteht das Gefühl jede Art von Ärger überwunden zu haben und sich von Leid befreit zu haben eher daraus, dass zurzeit das Leben grad etwas einfacher ist. Falls das bei dir nicht der Fall ist verbeuge ich mich ehrfürchtig vor dir ;)


    Aiko:

    die Hindernisse sind der Weg.


    Auf jeden Fall weiß man ohne Hindernisse nicht ob man in der Lage ist sie zu überwinden. Sie sind dadurch nicht nur Übungsobjekt, sondern können auch helfen einen von Zeit zu Zeit in die Realität zurück zu holen.

  • Tarik:
    Aiko:

    die Hindernisse sind der Weg.


    Auf jeden Fall weiß man ohne Hindernisse nicht ob man in der Lage ist sie zu überwinden.


    Auch nicht mit ihnen. Logisch meint das - wenn du auf ein Hindernis triffst, kann keiner dir vorher sagen, ob du da durch kommst.

    Zitat


    Sie sind dadurch nicht nur Übungsobjekt, sondern können auch helfen einen von Zeit zu Zeit in die Realität zurück zu holen.


    Ich betrachte Ärger als Ärger und nicht als Übungsobjekt - und ich bin immer in der Realität, da muss mich nichts "zurück" holen.

  • @Aiko Das stimmt. Leider weiß man immer erst im Nachhinein ob man darüber hinwegkommt. Das in die Realität zurückholen habe ich auch nicht auf deine Aussage bezogen.
    Ich habe mich nur noch etwas über die Aussage (welche nicht von dir war) "geärgert", dass wenn man "sich offen ausspricht, dann taucht Ärger gar nicht erst auf" und dass Ärger entsteht weil man "zuvor zu feige oder unaufrichtig" war. Das hat auf mich auf der einen Seite sehr naiv und auf der anderen Seite auch arrogant gewirkt. Vermutlich war das nicht wirklich so gemeint, aber es ist für mich so rübergekommen.


    Übungsobjekt in dem Sinn, dass es eine Gelegenheit bietet zu lernen. Ruhig und gelassen bleiben ist einfach, solange alles (oder das Meiste) glatt läuft im Leben.

  • Tarik:
    Jikjisa:

    Nicht ins Bewusstsein eindringen lassen. Alles ok.


    Ich gehe davon aus, dass du das im Sinn von "ohne Widerstand durchgleiten lassen" meinst und nicht als Versuch es zu ignorieren, verdrängen oder abblocken. Nach meiner Erfahrung geht das nur solange man noch nicht im Ärger "drin Steckt" und je schwieriger die Situation (für einen selbst) ist, desto schwieriger ist es auch das zu vermeiden.


    Um auf die Dauer derartige Situationen einfacher zu machen, scheint es mir das beste die Emotionen heraus zu nehmen, indem ein Verständnis für sich selbst und für andere entwickelt und der geistige Wiederstand dagegen entfernt wird. Das geht vermutlich nicht ohne sich auf die Situation einzulassen.


    Zu umständlich. Nicht Fuß fassen lassen.


    Zitat

    5. »Was aber Ānanda, ist die Betrachtung des Aufgebens? Da läßt der Mönch einen aufgestiegenen sinnlichen Gedanken nicht Fuß fassen, überwindet, vertreibt und vernichtet ihn, bringt ihn zum Schwinden. Er läßt einen aufgestiegenen Gedanken des Hasses... der Schädigung sowie (andere) jeweils aufsteigende üble, unheilsame Dinge nicht Fuß fassen, überwindet, vertreibt und vernichtet sie, bringt sie zum Schwinden. Das, Ānanda, nennt man die Betrachtung des Aufgebens.


    Und: Mitgefühl kommt aus Klarheit.

  • Peeter:

    Matthias
    Um besser üben zu können bräuchte ich also möglichst noch viele solcher Situationen, dann wird der Ärger (im eigenen Geist) zum Lehrer.


    ohjeee
    stell dir mal vor, da gehen jetzt zigtausende menschen hin und suchen situationen, die mit ärger etc. ausgefüllt sind.


    Hi Peeter, ich habe ja nicht geschrieben, dass ich sie suche, diese Situationen. Ich könnte gerne darauf verzichten :) Was ich meinte: Wenn sie denn da sind den Nutzen von solchen Situationen erkennen.

  • Tarik:
    MonikaMarie1:

    Bin ich von vornherein klar und wahrheitsgemäß und spreche mich offen aus, dann taucht Ärger gar nicht erst auf. Zumindest seitdem ich weiß, woher er kommt, womit er verknüpft ist und woran ich anhafte, und sei es "nur" meine Art, die Dinge zu sehen. Das meiste in meinem Leben, das mir Verdruss bereitete, war unwichtig und Ärger völlig unnötig. Aber aufgrund von Verblendung war es unmöglich, das zu erkennen.
    _()_ Monika


    Darf ich fragen ob du schon mal in einer großen Firma (z.B. ein paar tausend Angestellte) gearbeitet hast und dort "Ärger" hattest? Wenn du nicht grad im Verwaltungsrat bist dürfte es schwer sein jeden Ärger zu vermeiden indem du einfach ehrlich bist...


    Ja, Du darfst fragen, Tarik. :D Nein, Ärger ist nicht zu vermeiden.
    Ich habe 45 Berufsjahre hinter mir, davon die meisten in großen Firmen, u.a. auch in der Gewerkschaft. Gelernt habe ich in der Dresdner Bank, und ich war die erste, die zur Personalabteilung gerufen wurde, weil ich mir erlaubt hatte, 1965 in der Abteilung Datenverarbeitung eine Hose zu tragen. Da hier die Regel des "Kundenverkehrs" nicht gelten konnte, wurde mir das Tragen der Hose gestattet. Ich war Jugendvertreterin und später in anderen Firmen auch Vertrauensfrau. Ich habe mich immer - oft heftig - eingemischt und zu Wort gemeldet, was mir im Großen und Ganzen jedoch keine Nachteile einbrachte. Nun kann jemand argumentieren: "Ja, das waren auch andere Zeiten." Da kann ich nur sagen, ja, ich hatte Glück, in den 60zigern und 70zigern wurden viele Arbeitskräfte gebraucht, allerdings wurde bereits seit den 80iger Jahren in den großen Firmen "dank" Unternehmensberatern groß abgespeckt. Ich konnte dennoch nicht meine Schnauze halten, hinzu kam dann aber auch meine wachsende innere Freiheit.
    Gerade große Unternehmen haben meist auch einen guten Betriebsrat. Wenn die Argumentation sachlich und fundiert ist, warum sollte ich mich fürchten?


    Zitat

    In der Theorie hört sich das gut an, aber nach meiner Erfahrung entsteht das Gefühl jede Art von Ärger überwunden zu haben und sich von Leid befreit zu haben eher daraus, dass zurzeit das Leben grad etwas einfacher ist.


    Ich habe nicht behauptet, jede Art von Ärger überwunden zu haben, und schon gar nicht vom Leid befreit. Das ist noch ein langer Weg.
    Ich habe nur geschrieben, wie ich dieses Gefühl erkenne bzw. mit ihm umgehe. Durch die Erfahrungen damit, weiß ich, dass Achtsamkeit die beste Form ist, sich zu justieren. Gerade wenn es mir besonders gut geht, besteht die Gefahr, dass ich unaufmerksam werde. Darum erinnere ich mich in dieser Zeit auch besonders daran, aufmerksam zu sein. In schwierigen Zeiten muss ich mich ja nicht erinnern, da bin ich hellwach. Früher hat mich in "guten" Zeiten Ärger plötzlich überrascht und "von hinten erwischt" :lol: . Da konnte ich nicht so reagieren, wie ich es mir in der Theorie "vorgenommen" hatte. Und aus diesem Muster wollte ich raus, habe mich immer mehr in der Achtsamkeit geübt. Aber das ist ein jahrelanger Prozess. Und natürlich ist der noch nicht zu Ende. Es geht immer tiefer, z.B. wie sind meine Erwartungen an mich selbst. Früher wollte ich einfach eine taffe Frau sein, alleinerziehend, Vollbeschäftigung, anspruchsvolle Hobbys, usw.


    Heute will ich nur noch frei sein, sogar von mir selbst ;) - und das ist am schwersten, finde ich.
    _()_ Monika

  • Tarik:

    Übungsobjekt in dem Sinn, dass es eine Gelegenheit bietet zu lernen. Ruhig und gelassen bleiben ist einfach, solange alles (oder das Meiste) glatt läuft im Leben.


    Hi Tarik, ja genau so meinte ich es auch. Geduld wird, nach Shantideva, als Gegenmittel gegen Ärger angesehen. Das klingt für mich allerdings auch sehr theoretisch, denn ich kann noch so viel Geduld entwickeln, der Ärger kommt aus irgendwelchen Verstecken plötzlich und unerwartet wieder. Was nützt es da, Geduld zu entwickeln ?

  • Matthias65:
    Tarik:

    Übungsobjekt in dem Sinn, dass es eine Gelegenheit bietet zu lernen. Ruhig und gelassen bleiben ist einfach, solange alles (oder das Meiste) glatt läuft im Leben.


    Hi Tarik, ja genau so meinte ich es auch. Geduld wird, nach Shantideva, als Gegenmittel gegen Ärger angesehen. Das klingt für mich allerdings auch sehr theoretisch, denn ich kann noch so viel Geduld entwickeln, der Ärger kommt aus irgendwelchen Verstecken plötzlich und unerwartet wieder. Was nützt es da, Geduld zu entwickeln ?


    Hi Matthias,
    wie ich oben schrieb:

    MonikaMarie1:

    ... Gerade wenn es mir besonders gut geht, besteht die Gefahr, dass ich unaufmerksam werde. Darum erinnere ich mich in dieser Zeit auch besonders daran, aufmerksam zu sein. In schwierigen Zeiten muss ich mich ja nicht erinnern, da bin ich hellwach. Früher hat mich in "guten" Zeiten Ärger plötzlich überrascht und "von hinten erwischt" :lol: . Da konnte ich nicht so reagieren, wie ich es mir in der Theorie "vorgenommen" hatte. Und aus diesem Muster wollte ich raus, habe mich immer mehr in der Achtsamkeit geübt. Aber das ist ein jahrelanger Prozess. ...


    Aber die Geduld ist eine Frucht, die eben nur durch die Einsicht aufgrund von Erfahrungen zuvor gewachsen sein muss. Sie ist nicht unbedingt geeignet, den Ärger abzuwenden. Das macht nur die Einsicht und entsprechende Achtsamkeit. Du kannst Geduld üben so viel Du willst, wenn Du nicht Deine eigenen Motive erforscht und Dich durchschaut hast, wirst Du ja auch immer wieder durch Deine eigenen Motive aufs Kreuz gelegt, z.B. bei dem Gedanken: "ich bin ja so gelassen und geduldig." So geht das ja nicht, oder? Absolute Ehrlichkeit mit sich selbst und daraus gewonnene Einsichten verhindern viel Ärger. Und deshalb sind die Hindernisse auch wirklich gute Schleifsteine. Heiße sie willkommen.


    Wichtig ist hierbei: Es geht auch nicht darum, so zu tun als ob oder den Ärger zu ignorieren, was meiner Meinung nach die Folge von Geduldsübungen sein könnte. Ich bennene es: Da ist Ärger! Ich lerne das Gefühl, das mich belastet, richtig kennen, indem ich es so lange anschaue, bis mir entweder klar wird, woher es kommt, oder - falls mir das schon klar ist - bis es geht. Das verstehe ich unter Ausbrennen wie bei einem Brennglas. Bei jedem Fokus darauf, wird seine Kraft geschwächt. Natürlich kommt es auf die Situation an. Aber die Klarheit entsteht ja durch die Praxis, durch das Wissen und die Zusammenhänge. Was ich tue, wenn mich jemand körperlich angreift, weiß ich nicht. Vielleicht schlage ich zurück. Aber das ist nicht mein Ziel. Mein Ziel ist Freiheit und Verlöschen.
    _()_ Monika

  • Matthias65:

    Geduld wird, nach Shantideva, als Gegenmittel gegen Ärger angesehen. Das klingt für mich allerdings auch sehr theoretisch, denn ich kann noch so viel Geduld entwickeln, der Ärger kommt aus irgendwelchen Verstecken plötzlich und unerwartet wieder. Was nützt es da, Geduld zu entwickeln ?


    Ich finde Geduld mindestens auf zwei Arten sehr wichtig. Zum einen sich selbst gegenüber. Wenn man sich geärgert hat, dann ist das halt so passiert, es bringt nichts sich zusätzlich gleich noch darüber zu ärgern, dass man sich geärgert oder im Ärger gehandelt hat. Einfach das Beste daraus machen und versuchen es das nächste Mal besser hinzukriegen. Dann noch die Geduld mit anderen. Wer selbst die Erfahrung gemacht hat wie schwer es sein kann mit negativen Emotionen umzugehen, sollte auch verstehen dass es anderen genauso schwer fällt. Vielleicht haben andere zudem auch noch weniger Wege um mit den Emotionen umzugehen als im Buddhismus vermittelt werden. Einfühlungsvermögen und Geduld helfen auch einmal (oder mehrmals) über eine unüberlegte Handlung hinwegzusehen und die Situation zu deeskalieren statt sich vom Ärger anderer mit reißen zu lassen oder sich über andere Personen zu ärgern.


    Meine Erfahrung ist auch, dass (Vorsicht Binsenwahrheit) Menschen unterschiedlich sind. Das heißt manche kennen aus eigener Erfahrung vielleicht Ärger, Trauer oder Ängste, aber vielleicht weniger Schuldgefühle, Selbstüberschätzung oder Trägheit (nur als Beispiel). Geduld kann helfen zu akzeptieren, dass der Umgang mit etwas was man selbst als einfach empfindet für andere schwer sein kann und es vielleicht länger dauert bis es im Griff ist (falls das denjenigen überhaupt gelingt).

  • Im Grunde ist es ja einfach - Ärger ist ein Gefühl, das durch Berührung bedingt ist. Die Reaktion auf diesen Ärger bezieht sich auch auf die Berührung, nämlich ich versuche das, was mich ärgert, abzuschütteln. Das geht am einfachsten, wenn die Reaktion heftig ist. Eine andere Reaktion ist die Ursache des Ärgers abzustellen - aber dazu muss ich Macht über die Ursache haben. Ärger hat also tiefer betrachtet eine Ursache, die in der Unterlegenheit meines Willens zu sehen ist.


    Ich ärgere mich, weil die Dinge nicht so sind, wie ich sie will.


    Eine andere Reaktion wäre dann noch die Ursache meines Ärgers mit Geduld zu ertragen - bis sie verschwindet oder dem Ärger ganz aus dem Weg zu gehen. Das umgeht die tiefer liegende Ursache aber, die eben in der Egozentrik meines Willens liegt. Hier nehme ich den Willen und tue so, als könnte ich da was ändern, in dem ich der Berührung aus dem Weg gehe oder sie in Geduld ertrage. Auch Demut wirkt so, wenn sie verlogen ist.


    Hier ärgere ich mich also nicht, weil ich mich den Dingen überlegen sehe. Ich stehe darüber, wie es so schön heißt.


    Beides ist nicht die angemessen Aktion/Reaktion - das Gefühl des Ärgers verschwindet nie ganz, weil es immer wieder Situationen gibt, die mich hier berühren - aber die Art der Berührung ändert sich, sie kühlt sich einerseits ab und andererseits wird deutlicher gesehen, dass es notwendig sein kann, sich zu ärgern. Ärger führt nämlich auch zu einem heilsamen Handlungsimpuls, indem er Energie zum Handeln schafft und die andere Seite der Trägheit ist. Ärger liefert mir, wie jedes Gefühl überhaupt, Information über Zustände, die geändert werden sollen. Und zwar ärgere ich mich, wenn ich zum wiederholten Male einen Fehler erkenne und ihn nicht abstelle. Da fehlt es mir an Weisheit und es gibt nichts Nützlicheres, als sich über Verblendung zu ärgern. Wobei ich sehen sollte, dass der Andere nicht verschieden ist von mir - ich bin der Andere. Und wenn ich beim anderen die Verblendung sehe, dann sollte ich mir schon darüber klar sein, dass ich damit nur von meiner Verblendung ablenke, die ich eben nicht sehe und nicht sehen kann.
    Aus dieser Verblendung/Unwissenheit kommen aber die Konditionierungen - die sankhara, die die Willensimpulse bedingen. Diese kann ich sehen und daher hilft die genaue, bewusste Wahrnehmung dieser Konditionierung. Einfach zu sehen, dass ich in bestimmten Situationen ein bestimmtes Verhalten zeige. Und ich kann nur da anfangen und das Verhalten neu bestimmen. Dann erfahre ich auch andere Gefühle.

  • Aiko:

    Da fehlt es mir an Weisheit und es gibt nichts Nützlicheres, als sich über Verblendung zu ärgern.


    M.E. ist es nur dann nützlich, wenn Mitgefühl ins Spiel gebracht wird. Mitgefühl sich selbst gegenüber, wenn man erkennt, dass man aus einer verblendeten Sichtweise heraus gehandelt hat und Mitgefühl mit dem anderen, da dieser ebenso aus einer "unerleuchteten" Perspektive heraus gehandelt hat.

  • Der Irrtum besteht m.E. ja darin, dass ich glaube, ein Recht zu haben, mich zu ärgern oder Anstoß zu nehmen. Ich glaube also, die Situation ist Schuld oder mein Gegenüber. Tatsache ist jedoch, dass das Leid aufgrund des Gefühls entsteht, das ich kultiviert habe. Wenn ich also mein Gefühl betrachten kann wie einen Stein, den ich in der Hand halte, dann kann ich sehen, dass dies die Ursache ist, die mich am meisten quält. Sobald ich in der Lage bin, meine Gefühle zu er-kennen und mich davon zu befreien, kann ich in Klarheit handeln und fühle mich auch nicht mehr macht-los.
    Aber auch hier kommt es natürlich auf die Umstände an. Manchmal bin ich eben macht-los, und das akzeptiere ich dann auch. Wichtig ist mir, dass ich mich nicht schuldig fühle, weil ich etwas noch nicht oder vielleicht sogar nie kann. Denn das ist das nächste Gefühl, das ich dann in die bzw. bei der Hand nehmen muss, um frei zu bleiben oder zu werden. Hier kommt dann das von Dir erwähnte Mit-Gefühl zum Einsatz, Matthias :D


    Aiko:

    ... das Gefühl des Ärgers verschwindet nie ganz, weil es immer wieder Situationen gibt, die mich hier berühren - aber die Art der Berührung ändert sich, sie kühlt sich einerseits ab und andererseits wird deutlicher gesehen, dass es notwendig sein kann, sich zu ärgern. Ärger führt nämlich auch zu einem heilsamen Handlungsimpuls, indem er Energie zum Handeln schafft und die andere Seite der Trägheit ist. Ärger liefert mir, wie jedes Gefühl überhaupt, Information über Zustände, die geändert werden sollen. ...


    Diese Art Ärger, die zur Abschaffung unmöglicher Zustände sorgt, habe ich aber immer als Zorn erlebt, ohne den ich niemals für mein Recht oder das anderer hätte kämpfen können. Dennoch bin ich sicher, dass die notwendige Energie auch aus einer anderen Quelle kommen kann und mindestens genau so wirksam ist. Auch Liebe kann diese Kraft entwickeln.


    _()_ Monika

  • Zitat

    Der Irrtum besteht m.E. ja darin, dass ich glaube, ein Recht zu haben, mich zu ärgern oder Anstoß zu nehmen.


    Hast Du auch. Wer spricht es Dir ab ?