Mitgefühl in den Buddhistischen Traditionen

  • Hallo,

    ich hätte eine Frage zum Thema Mitgefühl in den buddhistischen Richtungen.

    Ist das kultivieren von Mitgefühl im Vajrayana Buddhismus wichtiger als in den anderen Richtungen? In den anderen Richtungen liest man ja eher vom Thema Achtsamkeit sowohl im Zen als auch Theravada.

    Wenn man z. B. bei Amazon Buddhismus und Mitgefühl eingibt bekommt man sofort ein Buch vom Dalai Lama präsentiert. Der Dalai Lama gilt ja - soweit ich weiß - als die Verkörperung von Chenrezig oder Avalokitschvara.

    ich mein der Buddha hat ja schon das Metta-Sutta gelehrt und auch gesagt, dass diese Praxis einen weg aus dem Samsara darstellt.

    "In falscher Ansicht nicht befangen,
    Ein Tugendhafter, dem Erkenntnis eignet,
    Die Gier nach Lüsten hat er überwunden
    Und geht nicht ein mehr in den Mutterschoß." Sutta Nipata I.8 142-152 (palikanon.com)

    Tonglen ist ja z. B. eine Praxis die auf das Erwachen über das kultivieren von Mitgefühl abzielt.


  • void

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Ganz generell kann man sagen, Mitgefühl spielt in allen Dharma-Traditionen eine wichtige Rolle. Alle Traditionen üben die vier unermesslichen Geisteshaltungen. Das sind

    Mitgefühl besteht in dem Wunsch, dass die Lebewesen frei sein mögen von Leid und den Ursachen des Leides.


    Im Metta-Sutta geht es im Kern darum, die Realität korrekt zu erkennen, damit man die Unwissenheit überwinden kann, weil sie uns an Samsara fesselt.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Hallo, lieber Rolf82 ,


    Ist das kultivieren von Mitgefühl im Vajrayana Buddhismus wichtiger als in den anderen Richtungen?

    Wie Helmut schon betonte, spielt das Mitgefühl in allen buddhistischen Traditionen eine wichtige Rolle, im Theravada praktiziert man z.B. die Metta-Meditation, um sich in liebender Güte und Mitgefühl zu üben.


    Der Dalai Lama, als Verkörperung von Avalokiteshvara verehrt, hebt Mitgefühl meiner Ansicht nach, jedoch mehr und öffentlichkeitswirksamer hervor, als die anderen Traditionen.

    Dies brachte ihm - und dem Buddhismus allgemein - viele Sympathiepunkte.

    Auch mein Interesse am Buddhismus resultiert aus dieser Herausstellung von "Mitgefühl für ALLE Wesen"...


    Liebe Grüße, Anna :) _()_ :heart:

    Wirklich liegt alle Wahrheit und alle Weisheit

    zuletzt in der Anschauung. (Arthur Schopenhauer)


    Oh wünsche nichts vorbei und wünsche nichts zurück!

    Nur ruhiges Gefühl der Gegenwart ist Glück. (Friedrich Rückert)

  • Danke für die Antworten. =)


    Es geht halt auch um die Meditationspraktiken. Ich fang mit reiner Achtsamkeit eigentlich so nichts an, weil es für mich noch nichts aussagt darüber, wie ich mich in der Situation verhalten soll. Ich brauch Metta-Meditation oder Tonglen.

    Und ich hab das mit Achtsamkeitsmeditation wirklich probiert - am meisten natürlich in Richtung Zen und Intersein.

    Ich suche eigentlich eine Buddhistische Richtung für mich. Das Problem ist halt, dass mir der Vajrayana Buddhismus eigentlich zu mystisch ist und ich eher säkular bin. Aber die Mitgefühlspraktik hab ich einfach am stärksten im tibetischen Buddhismus erlebt. Ich habe den Eindruck da wird am meisten Gewicht auf Mitgefühl gelegt.

  • Du brauchst jemand, der Dich lehrt - Buddhismus ist nicht nur in der Meditation zu finden.

    Wenn im dürren Baum der Drache Dir singt
    siehst wahrhaft Du den WEG.
    Wenn im Totenkopf keine Sinne mehr sind
    wird erst das Auge klar.


    jianwang 健忘 = sich [selbst] vergessend

  • Bei den vier unermesslichen Geisteshaltungen geht es um unsere geistige Einstellung gegenüber den anderen Lebewesen. Diese Geisteshaltungen sind ohne Bedingungen in dem Sinne, dass ich von den anderen Lebewesen keine Gegenleistung erwarte. Sie sind allerdings bedingt, weil sie von Ursachen und Bedingungen abhängig in meinem Geisteskontinuum entstanden sind.


    Bei der Praxis der Freigebigkeit, Ethik, Geduld, Tatkraft, Konzentration und Weisheit geht es um etwas anderes, nämlich darum, den eigenen Geist zur Reife zu bringen; dass heißt ihn von den Leiden und deren Ursachen vollständig zu befreien.


    Auch wenn dies miteinander zusammenhängt, werden doch jeweils unterschiedliche Aspekte der Praxis betont.


    Natürlich sollte ich die Freigebigkeit ohne die Erwartung etwas zurückzubekommen praktizieren. In dem Sinne sollte sie bedingungslos sein wie die unermesslichen Geisteshaltungen. Aber genauso wie die unermesslichen Geisteshaltungen ist auch die Freigebigkeit bedingt entstanden.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Im Thervada gibt es ja die Metta Meditation.


    Zitat

    Tonglen (tib. གཏོང་ལེན, Wylie: gtong len; „aussenden und aufnehmen“) ist eine Form der Meditation im tibetischen Buddhismus. Tonglen entstammt dem Lojong (tib. བློ་སྦྱོང་, Wylie: blo sbyong; „Geistesschulung“) – einer Methode zur Entwicklung von relativem und absolutem Bodhichitta, was "Herz des Erwachens" oder auch "erleuchtende Geisteshaltung" bedeutet. Bei Tonglen wird vor allem das relative Bodhichitta trainiert, also befreiendes Mitgefühl, wobei sich der Übende vorstellt, das eigene Leid oder das Leid anderer Personen aufzunehmen und daraufhin Liebe (Pali: Metta, Sanskrit: Maitri) und Mitgefühl (Pali/Sanskrit: Karuna) auszusenden.


    Jetzt würde man ja erwarten, dass es auch in allen anderen Mahayana-Schulen etwas gibt, was Metta-Meditation bzw Tonglen Praxis entspricht, oder?


    Der Punkt bei Zen ist, dass Zen dazu neigt, die Dinge nicht auseinander zu dividieren. Mitgefühl ist die Essenz eines Bodhisattvas, dieser ist nicht vom Buddha zu trennen und dieser nicht von Leerheit.


    Und von daher denke ich, dass auch in anderen japanischen Schulen ( Shin Buddhismus, Nichiren ) es so sehen, dass ihre Hauptpraxis zur Befreiung führt und dies die Entfaltung des Bodhisattva Ideals schon beinhaltet. Für einen Shin Buddhisten verkörpert Amida schon das Mitgefühlund von daher muß das nicht separat adressiert werden.

  • Zusätzlich gab es in Japan eine traditionsübergreifende Verehrung von Kwannon - der "weiblich lesbaren" Form von Avalokiteshvara:

    Kannon ist seit ihrer Ankunft Ende des sechsten Jahrhunderts in Japan eine der beliebtesten Gottheiten im buddhistischen Pantheon. Der Name Kannon ist eine Kurzform von Kanzeon 觀世音 und setzt sich aus den Schriftzeichen kan 觀 für „betrachten, anschauen, einen Blick auf etwas werfen“, oder „Anschauung, Ansicht“ und on 音 „Ton, Laut, Schall“ zusammen. Daraus ableitend bedeutet 觀世音 so viel wie "die Töne (oder auch Gebete) der Welt wahrnehmend". Aus dieser Beschreibung ergibt sich die Aufgabe der mitfühlenden Bodhisattva, nämlich den Gebeten und Rufen von den auf der Erde lebenden Menschen zu lauschen und ihnen zu helfen, Erlösung zu finden. Da viele Menschen bei ihr Trost und Glück suchen, ist sie als eine der am meisten verehrten Figuren des ostasiatischen Buddhismus in zahlreichen Ikonographien, Texten und praktizierter Religion auffindbar.

    In Japan gab es von der Shingon-shu prächtige Tempel wie den Sanjūsangendō wo es über tausend Statuen der tausendarmigen ( korrigiert) Kannon gibt.


    Im Lotussutra gibt es das Kannonsutra das traditionsübergreifend geschätzt wurde. Auch auf den Seiten vieler Zenzentren ( z.B der Seite von Deshimarus AZI )findet man das Kannonsutra ( Kannon gyo) unter den Sutras die rezitiert werden und auch der Rinzai Lehrer Hakuin Ekaku war anscheinend ein großer Fan derseine Schüler die Rezitation dieses Sutras empfahl. Aber es galt nicht so sehr als ein Weg Mitgefühl zu kultivieren sondern als ein wundermächtiges Sutra, das von Krankheit heilt und ein langes Leben beschert. Also in gewisser Weise etwas "weltliches/volksbuddhistisches".


    Mit dem tibetischen Buddhismus und der Tonglen Praxis ist das nicht zu vergleichen.

  • In Japan gab es von der Shingon-shu prächtige Tempel wie den Sanjūsangendō wo es über tausend Statuen der tausendartigen Kannon gibt.

    Kl. Hinweis, es müsste "tausendarmigen" heißen, Kannon benötigt so viele Arme/Hände, um möglichst vielen leidenden Wesen helfen zu können.... ;) _()_


    Datei:1000-Armed-Kannon.jpg – Kamigraphie
    religion-in-japan.univie.ac.at

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