Re: Tibetischer Buddhismus

  • Kalu Rinpoche hatte damit wohl ein wenig Werbung für die Schule der Kagyüpa machen wollen.
    Soweit ich weiß, war er selbst ein Kagyüpa-Praktizierender, oder ?

  • Glaub ich nicht, lieber Matthias.
    Wir neigen dazu das wertend zu betrachten, dabei könnten es einfach nur verschiedene Ansätze sein. Die Leute sind verschieden, haben verschiedene Bedürfnisse und Vorstellungen, verschiedene Temperamente und Neigungen. Die einen beginnen den Weg durch Studieren, die andern über Meditieren, wieder andere wollen beides gleichzeitig usw. Da ist für jeden was dabei.
    Viele die ich kenne, haben Einweihungen und Übungen in mehreren Linien. Und dann gibt es noch die Rime-Bewegung, die die Gemeinsamkeiten der Linien betont.


    Liebe Grüße
    Doris - Knochensack

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Doris Rasevic-Benz:

    Glaub ich nicht, lieber Matthias.
    Wir neigen dazu das wertend zu betrachten, dabei könnten es einfach nur verschiedene Ansätze sein. Die Leute sind verschieden, haben verschiedene Bedürfnisse und Vorstellungen, verschiedene Temperamente und Neigungen. Die einen beginnen den Weg durch Studieren, die andern über Meditieren, wieder andere wollen beides gleichzeitig usw. Da ist für jeden was dabei.
    Viele die ich kenne, haben Einweihungen und Übungen in mehreren Linien. Und dann gibt es noch die Rime-Bewegung, die die Gemeinsamkeiten der Linien betont.


    Liebe Grüße
    Doris - Knochensack


    Liebe Doris,
    soweit ich weiß ist beides wichtig: Studium der Sutras und Meditation. Die einen betonen in der Tat die Sutra-Studien, die anderen die Tantra-Praxis. Doch warum soll die eine Schule schneller zur Erleuchtung führen wie die andere ?
    LG
    Matthias

  • Was fragst Du mich, lieber Matthias?
    Was ich denke: es gibt mehr direkte und mehr indirekte Wege.
    Ich kann mir vorstellen, dass es wiederum eine Sache der Begabung ist. Die einen werden ganz schnell verstehen, die anderen brauchen länger – verschiedene Lerntypen halt. Aber auch das ist keine Wertung, weil sich "Zeit" als Kategorie und Konzept auflöst.


    Liebe Grüße
    Doris – Knochensack

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Das ist mir schon klar, liebe Doris.


    Mir ging es um das von Simo eingestellte Zitat:


    "Wenn man meditieren Lernen will, geht man zu den Nyingmapas.
    Will man gelehrt und weise werden, geht man zu den Sakyapas.
    Will man tugendhaft werden, dann geht man zu den Gelugpas.
    Und will man schnell erleuchtet werden, dann geht man zu den Kagyüpas."


    Ich habe gehört, dass intensive Tantra Praxis (warum auch immer) tatsächlich schneller zur Erleuchtung führen würde, es aber auch für den Praktizierenden gefährlicher ist wenn dieser es falsch praktiziert.


    LG
    Matthias

  • Ich habe das auch auf das Zitat bezogen. :)
    Dennoch empfinde ich es nicht als wertend.


    Das höre ich auch immer wieder. Und allmählich dämmert mir es auch, warum das so gesagt wird.
    Tantra greift wohl direkt an der Wurzel an, den Emotionen und übrigen Erscheinungen des Geistes. Aber frag doch besser einen erfahrenen Tantra-Meister.


    Liebe Grüße
    Doris - Knochensack

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Ich wusste, dass das Zitat eine solche Wirkung auf die hier Versammelten haben würde :D
    Deswegen auch der kleine Zusatz "nicht ganz politisch korrekt".


    Ich sehe das so wie Doris:
    Die einzelnen Linien sind für unterschiedliche Arten von Leuten und Lerntypen.
    Man kann das vergleichen mit der Art und Weise, wie jemand etwas über das Meer lernen möchte:
    Die Nyingmapas werden sich eher einen größeren Überblick verschaffen, drüberfliegen und dessen Weite genießen.
    Die Gelugpas werden eher eine Probe davon ins Labor bringen und genau untersuchen und so etwas übers Meer lernen.
    Und die Kagyüpas springen lieber rein und schwimmen im Meer und lernen so etwas darüber.


    Doch das sind nur Vergleiche, alle Linien teilen etwas Grundlegendes: Buddhas Lehre und wie man mit ihr das Leid überwindet.
    Die Wege sind zwar unterschiedlich aber das Ziel ist das gleiche.
    Allerdings sehe ich einen kleinen Haken, wie "Rime" zum Teil verstanden wird. Es bedeutet nicht, dass man wild Übertragungen und Meditationen aus allen Linien praktiziert, sondern eher, dass das Verständnis nicht bei der eigenen Linie aufhört und man die Mittel der anderen Linien ebenfalls schätzt und sich darüber freut.


    Leider sind viele "Rime-Klöster" eher das Gegenteil davon: Der Abt ist ein Gelugpa, es sind mehrere Gelugpa Gesches anwesend und jeweils nur ein Vertreter der Rotmützen-Schulen. Es werden Gelugpa-Gebete gesprochen etc. und die ganze Sache ist ziemlich politisch..... so zum Beispiel im Kloster Rikon in der Schweiz.

    Kein "Ich" - keine Probleme.

  • Kalu Rinpoche war/ist Shangpa-Kagyü. (Das ist die Richtung der Kagyüs, die zum Teil Lehren der Jonangpas weiterführt)
    Es kommt eher auf die Art des Lehrers als auf die Richtung an. Sicher auch noch ob er Mönch, Ngakpa oder Laie ist. Es gibt ja auch große Unterschiede zwischen den verschiedenen Lehrern einer Schule (man vergleiche z.B. die Ole Nydahl Zentren und die Sharmapa-Zentren der Karma Kagyüs), auch sind die verschiedenen Unterschulen einer Richtung durchaus verschieden. Karma Kagyüs (die ja sich noch nicht mal über ihr Oberhaupt einig sind, da müsste man ja auch nochmal unterscheiden) sind ja auch anders als Drukpa Kagyüs und Drikung Kagyüs. Viele Lehrer haben auch Lehren und Einweihungen verschiedener Traditionen erhalten. Den intellektuellsten Lehrer, den ich traf, war ein Karma Kagyü. Bei den Gelugs und Shakyas wird genausoviel meditiert wie in den anderen Richtungen, bei den Kagyüs genauso studiert. Verschiedene Schulen für verschiedene Leute ist ein Werbungsgag, glaub ich, mehr nicht.
    Es gibt auch Lehrer, die Lehren verschiedener Traditionen weitergeben. Vajranatha z.B. Shakya, Nyingma und Bön. Ein anderes Beispiel war z.B. Trungpa Rinpoche, der sowohl Nyingma als auch Kagyü war.
    Sicher gibt es ein wenig inhaltliche Unterschiede. Manche folgen dem Shengtong Madhyamika (vor allen Teile innerhalb der Kagyü und Nyingma, aber freilich am stärksten bei den Jonangpas, die man ja nicht unterschlagen sollte, da sie auch im Westen inzwischen Fuss fassen), die anderen Favorisieren eher das Rangtong Madhyamika. (Erklärungen zu beiden unter http://www.buddhismus-heute.de…e__12.position__4.de.html z.B.)
    Einen anderen Unterschied, den man noch sehen kann, ist der Stufenweg-Ansatz der meisten Schulen und der Stufenlose Ansatz von Teilen des Dzogchen (diese Lehre gibt es vorwiegend bei den Nyingmas, aber auch bei den Kagyüs (zu mindest den Dirkung Kagyüs) werden sie meines Wissens nach gelehrt.Besonders da gibt es auch Unterschiede in der Sicht (inwieweit Erleuchtung hervorgebracht wird oder schon immer da war, aber Vajrayanis können das bestimmt genauer erklären). Diese Unterschiede empfinde ich eigentlich als gewichtiger als eine Typologisierung. (Wenn man bedenkt, daß es Gebiete gibt, wo vorwiegend eine Richtung dominiert, wie z.B. die Mongolei, da müssen da ja nur intellektuelle Nomaden leben.)
    Zum Thema Linien Mischen oder nicht meinte ein Lehrer: Das kommt drauf an wie engstirnig oder weitherzig Lehrer und Schüler sind. Letztlich ist es bei Rime so wie in der christlichen Ökumene: Es kommt drauf an wie sie gelebt wird. Aber ich hab den Eindruck, daß Vajrayana (zumidest das tibetische, beim chinesischen und japanischen hatte ich nicht so den Eindruck) ist eben meist sehr politisch (im Sinn von Machtkämpfen), aber das liegt sicher dran, das es das in Tibet auch war.

  • Jinen, du hast durchaus Recht, dass es zwischen den Schulen auch einen regen Austausch an Übertragungen gab. Viele Kagyü-Praktizierende hielten auch die Nyingma-Übertragungen und umgekehrt und auch Lehren anderer Schulen. Sie können das und konnten das, weil sie die Begriffe etc. klar trennen und voneinander unterscheiden konnten.
    Es hat nichts mit engstirnigkeit zu tun wenn ein Schüler sagt: "Ich will bei meiner Übung und Linie bleiben um mich nicht zu verwirren und um nicht an der Oberfläche zu bleiben, sondern an einer Stelle tief zu gehen."


    Oft verwenden die Schulen gleiche Begriffe für Unterschiedliches, unterschiedliche Begriffe für Gleiches usw. . Wenn man die Fähigkeit hat, zu unterscheiden und die Begriffe auseinander zu halten kann man sich sicher auch mal Lehren, Meditationen unsw. aus anderen Linien ansehen. Kann man das nicht, sollte man es vielleicht lassen, um sich im Moment nicht zu verwirren. Hat man dann später diese Fähigkeit zur Unterscheidung gewonnen und mehr gelernt, kann man es nochmal probieren.
    Wie er das mir den Linien handhabt, das bleibt allerdings jedem selbst überlassen.

    Kein "Ich" - keine Probleme.

  • IMHO: Es ist sehr sehr lohnenswert dieses Dokument sehr sehr achtsam und aufmerksam zu studieren alsdann inhaltlich zu verstehen.
    Ich würde Euch dies bitte gerne ans Herz legen dürfen :?:


    Die Biographien des ACHTEN KARMA-PA MI-BSKYOD RDO-RJE UND SEINES LEHRERS SANs S-RGYAS MÑAN-PA RIN-PO-CHE Ein Beitrag zur Geschichte der Karma-bKa'-brgyud-pa-Schulrichtung des tibetischen Buddhismus von Gregor Verhufen


    Lebt lange und in Frieden


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema


  • Hallo Simo,


    also wild durcheinander ist natürlich immer eher wild ;)


    Es gibt da auch das schöne Sprichwort: Die (alten) Inder praktizieren einen Yidam und verwirklichen alle, die Tibeter praktizieren alle Yidams und verwirklichen gar keinen.


    Aber:
    Es gibt aus meiner Erfahrung heraus doch recht häufig den Fall, dass ein Lama hauptsächlich einer bestimmten Tradition angehört und dann seinen Schülern eine Meditation übertragen möchte,
    die es auch in anderen Traditionen gibt, die dort aber etwas einfacher anzuwenden ist als in seiner "eigenen". Hält der Lama jetzt beide Linien, wählt er oft die für die Schüler
    einfachere.
    So macht das meines Wissens nach auch Lama Ole bei seinen Phowa-Kursen. Und so bin ich auch zu Übertragungen aus der Kagyü- und Sakya-Tradition gekommen.
    Andere Mediationen, bei denen das häufig gemacht wird sind: Chöd, Shitro, Medizin-Buddha usw.


    Viele Grüße
    Yeshe

  • Vielleicht sollte man an den ort schaun, wo diese Schulen entstanden sind. War es ein bedürfnis nach verschiedenen Wegen für verschiedene Typen oder nicht eher verschiedene Übertragungslinien (Die auch noch zu verschiedenen Zeiten entstanden.)
    Und wie war das: Ist der Begierdetyp zu den Kagyüs gegangen, oder ist nicht eher der Yakhirt einfach in das Kloster gegangen, das seinem Lebensumfeld am nächsten lag?

  • @ Dorje Sema:
    Danke für den Lesehinweis. In der Tat sehr interessant und inspirierend!


    Viele Grüße
    Yeshe

  • Ich bin zumindest im Moment angekommen, aber die Dinge ändern sich ja :D
    Zuflucht werde ich im August nehmen und es hängt nicht an der Person des Lama, habe sogar das Glück Karmapa persönlich zu treffen.
    Doch trotz alledem basiert die Meditation auf den Yidam, Aspekte des Buddha und auch auf den Lama .... aber auch dann nicht auf die Person.


    Aber egal welchen Weg jemand geht ... die Basis und das Ziel sollte uns allen gemeinsam sein.

    Halte dich an die Belehrungen, nicht an die Lehrer. Halte dich an die Bedeutung, nicht an die Worte.
    Halte dich an die Tiefe, nicht an die Oberfläche. Halte dich an die Weisheit, nicht an die Konzepte. (Sharmapa)

  • Wenn`s je nach (individuellem) Verständnis geht :?:
    Sollte gleichgültig wer auch immer Zuflucht zum Lama nehmen :idea:
    Marpa ist seinerzeit der fast identische Fehler geschehen wie Dir guido, wieso :idea::?:


    Lebe lange und in Frieden


    _()_ Nomad

  • Nomad:

    Marpa ist seinerzeit der fast identische Fehler geschehen wie Dir guido, wieso Lebe lange und in Frieden


    den Fehler Marpas sehe ich nicht und das letztere kann sich schon gleich erübrigen, deshalb meditiere ich jetzt im hier und jetzt ...

    Halte dich an die Belehrungen, nicht an die Lehrer. Halte dich an die Bedeutung, nicht an die Worte.
    Halte dich an die Tiefe, nicht an die Oberfläche. Halte dich an die Weisheit, nicht an die Konzepte. (Sharmapa)

  • Zitat

    guido66de: deshalb meditiere ich jetzt im hier und jetzt ...


    Wie machst`e denn das ohne an bereits vorbei vergangenen Inhalten anzuhaften :idea::?:


    Ich bin (dein) Freund und Helfer, jedoch nicht "Dein persönlicher Feind" :idea:
    Es heißt: »Lama La kyab sun chio« :idea: "hier und jetzt" , unmittelbar (spontan) gegenwärtiges geschehen :idea:


    Ganz liebe Grüße


    &


    Lebe lange und in Frieden


    _()_ Nomad

  • Nomad:

    Ich bin (dein) Freund und Helfer, jedoch nicht "Dein persönlicher Feind" :idea:


    Habe dich auch nicht so wahrgenommen :D

    Halte dich an die Belehrungen, nicht an die Lehrer. Halte dich an die Bedeutung, nicht an die Worte.
    Halte dich an die Tiefe, nicht an die Oberfläche. Halte dich an die Weisheit, nicht an die Konzepte. (Sharmapa)

  • Da haben wir das Manko der Schriftform.


    Ich schreib jetzt schon immer dazu [Modus: lieb], weil ich sonst auf eine sehr ruhige, friedlich gemeinte Gegenrede die Antwort bekomme "Reg dich doch nicht so darüber auf".
    :)

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee: