Beiträge von mukti im Thema „Relative und absolute bzw. letztendliche Wahrheit“

    ... was hat es für einen Sinn über ein absolutes Wesen der erscheinenden Dinge nachzudenken?

    So lange wir aber im Dharma nicht gründlich geschult sind, erscheinen uns die Phänomene in unserer Wahrnehmung aber so als ob sie ein solches hätten. Der Dharma und damit die Lehre von den zwei Wahrheiten dient ja gerade dazu, diese falsche Vorstellung eines Eigenwesens zu überwinden.

    Ach so, dann ist mit "paramarthasatya - die absolute Wirklichkeit - das absolute Wesen der erscheinenden Dinge" gemeint dass die Dinge kein Eigenwesen haben. Ich dachte zuerst es ginge dabei um die metaphysische Realität von etwas Absoluten.

    Vasen und die übrige Welt erscheinen uns so wie unsere Sinne und der Geist beschaffen sind. Erkennbar ist dass alle Phänomene zeitweilig und Bedingungen unterworfen sind und weder ewig gleich sind, noch aus sich selbst heraus bestehen. Das ist "Paramattha dhamma", Wahrheit im höchsten Sinne. Daher sind alle Bestrebungen nach einem immerwährenden glücklichen Zustand vergeblich. Wenn man also nichts Vergängliches begehrt bzw. ergreift und festhalten will, einschließlich des eigenen Selbstes, muss man nicht leiden. Das ist doch das Wesentliche dass es zu erkennen gilt und was man überhaupt erkennen kann, was hat es für einen Sinn über ein absolutes Wesen der erscheinenden Dinge nachzudenken?

    Der Erwachte würde sich niemals mit den Rückenschmerzen identifizieren, wie auch mit dem eigenen Körper, und aus mit dem unausweichlichen / unvermeidlichen/ Tod, er würde keine Angst davon bekommen... Das wäre so wie "überweltlich", allegorisch ausgedrückt.

    Die Bezeichnung "überweltlich" finde ich in dem Zusammenhang angebracht, denn ohne Körper (und Geist) keine Welt, ergo ist es etwas Überweltliches wenn es keine Identifikation damit gibt.


    Also absolute Wahrheiten sehe ich auch innerhalb der Grenze des Erklärbaren, wie die vier edlen Wahrheiten, die drei Daseinsmerkmale, das Bedingte Entstehen. Das sind Wahrheiten über die Welt die ohne das Dasein keine Bedeutung hätten. An eine absolute Wahrheit an sich die aus sich selbst heraus besteht kann man glauben oder auch nicht. Die Ruhe im Sturm mag eine Annäherung an etwas transzendentes absolutes sein oder nicht, jedenfalls ist sie die Freiheit von dukkha.


    Es gibt zwar überlieferte positive Aussagen über Nibbana, etwa wo keine Bewegung ist, ist Ruhe, kein Entstehen und Vergehen usw. Da fange ich an nachzudenken: Oh ich werde ewig in diese Ruhe eintauchen... und das sind dann eben Vorstellungen. Oder wenn man etwas von dieser Ruhe erfährt will man dass es bleibt und für immer ist, das ist dann wohl wieder Anhaftung.


    Man kann niedrige Anhaftungen auf der sinnlichen und geistigen Ebene gegen immer bessere tauschen, und letztlich geht es darum alles loszulassen. Das ist jedenfalls der Stufenweg im Theravada, in anderen Richtungen geht es mehr um einen plötzlichen Durchbruch was man so hört.

    Ich lasse mir die Befreiung von dukkha genügen, daran kann man auch nachvollziehbar und erfahrbar arbeiten. Etwas positives oder irgendwie Seiendes anzustreben hat bei mir immer nur neue Fragen, Unsicherheit und Zweifel aufgeworfen.

    Denn wenn ich in die unermessliche Kluft des Angrundes hinschaue, er schaut auf mich zurück, und dann ich verschwinde einfach.

    Die Frage wäre, was bleibt?

    LG.

    Hatten wir das nicht schon?


    Zitat

    Zu sagen: 'Nach der restlosen Aufhebung und Erlöschung der sechs Grundlagen des Sinneneindrucks bleibt noch etwas übrig - bleibt nichts mehr übrig - bleibt etwas übrig und etwas nicht übrig - bleibt weder etwas übrig noch nicht übrig' - all dies hieße ein Unerklärbares erklären. Wie weit, Bruder, die sechs Grundlagen des Sinneneindrucks reichen, so weit eben reicht die [erklärbare] Welt der Vielfalt; und wie weit die [erklärbare] Welt der Vielfalt reicht, so weit eben reichen die sechs Grundlagen des Sinneneindrucks. Mit der restlosen Aufhebung und Erlöschung der sechs Grundlagen des Sinneneindrucks, o Bruder, erlischt die Welt der Vielfalt, gelangt die Welt der Vielfalt zur Ruhe. (A.IV.174a)

    Insofern verstehe ich eine Aussage wie 'reiner Geist ist helles Licht' oder Ähnliches als das was es ganz offenbar ja nur ist: Eine Vorstellung, ein schönes Bild vielleicht. Jedoch keine in einem höheren Sinn richtige oder hilfreiche Erklärung zu dem was man mit "Geist" gemeinhin so bezeichnet.

    Es ist wohl auch eine Meditationserfahrung die dann von Schulen wie z.B. dem Vedanta als wahres Selbst angenommen wird.

    Atta bedeutet "Selbst" und sowohl der bewusste Teil des Geistes als auch der unbewusste Teil in dem etwas aufgespeichert ist, befindet sich in fortwährender Veränderung nach Ursachen und Bedingungen. Ein unveränderliches Selbst gibt es nach der Lehre nicht, nur aufgrund von Verblendung angenommene Identitäten. Diese Identifikationen mit Geist und Körper sind ja die Ursache von dukkha weil es nicht möglich ist einen erwünschten Zustand des Seins auf Dauer zu erhalten. So verstehe ich das.

    Wie ist das nur wie mag das sein:?


    Relative Wahrheit ist subjektiv, von einem Subjekt ausgehend und davon abhängig. Ein Subjekt unterscheidet zwischen dem was es selber ist und dem was es nicht ist. Es nimmt sich selber nicht als Objekt wahr sondern als ein Ich das Objekte wahrnimmt. In dem Moment wo ich mich wahrnehme bin ich bereits Subjekt, um dieses Subjekt als Objekt wahrzunehmen bedarf es wieder eines Subjekts, und so ad infinitum. Eine vollständige Selbstwahrnehmung könnte also nur ohne Subjekt erfolgen, also nicht ich nehme wahr sondern ich werde wahrgenommen.

    Jeder wird als Objekt wahrgenommen, allerdings von anderen Subjekten. Die Wahrnehmung hängt ab von der Zusammensetzung physischer und geistiger Faktoren, die bei allen Wesen unterschiedlich ist. Demnach ist es keine objektive Wahrnehmung in dem Sinn dass die Wahrnehmung nicht der absoluten Wahrheit entspricht, Wahrnehmung ist immer relativ, bezogen auf das Subjekt.

    So mag man zu dem Schluss kommen dass es überhaupt keine absolute Wahrheit geben kann, weil niemand über sich selbst hinaussehen kann. Dass Wahrheit immer ein vom Subjekt abhängiger Entwurf, also relativ sein muss.


    Was es aber gibt ist eine für alle Subjekte gleichermaßen gültige Wirklichkeit. Ein Beispiel: Alles was entstanden ist muss vergehen. Das ist wahr in Bezug auf die subjektive Wahrnehmung aller Menschen. Wenn es etwas gibt das entsteht aber nicht vergeht, so entzieht sich das unserer Wahrnehmung. Man kann daran glauben, z.B. dass ein anfangloser Gott Wesen geschaffen hat die nie wieder vergehen werden wenn sie nichts falsch machen, so dass der Tod nur eine Wartezeit ist auf die Auferstehung und nach dem jüngsten Gericht ist endloses Paradies. Dagegen ist es eine gegenwärtig wahrnehmbare Wahrheit dass alles vergeht was entstanden ist. Ebenso ist es wahrnehmbar und eine Erfahrung, dass man leiden muss wenn man an etwas hängt das vergeht und dass man nicht leiden muss wenn man nicht daran hängt. Anhaftungen aufzugeben ist also eine sicherer Weg aus dem Leid, die Hoffnung auf ewiges Leben nicht, das mag es geben oder auch nicht.


    Vergänglichkeit (anicca) ist also eine verifizierbare absolute Wahrheit, Leid (dukkha) ebenfalls und ein ewiges Selbst ist keine verifizierbare Wahrheit (anatta). Na also, da haben wir's ja :erleichtert: Hoffe niemanden gelangweilt zu haben.


    Jetzt muss ich mich aber fertigmachen für den E-bike Ritt in die Stadt, oder wäre man sogar im Winter besser nicht angehaftet an eine angenehme Dusche und den Supermarkt? Darüber denke ich dann in der gemütlichen Wohnung nach.

    Wenn also in den Texten von einem Wesen, einer Person, einem Selbst oder gar von der Wiedergeburt eines Wesens die Rede ist, so ist das selbstverständlich nicht im absoluten und höchsten Sinne (paramattha) gesagt, sondern als bloße 'konventionelle Ausdrucksweise' (vohāra-vacana) aufzufassen.

    Da frage ich mich nur, weshalb das Anhaften an persönliche Wiedergeburt in einigen Schulen gelehrt wird und dieser Glaube (=falsche Ansicht) in Schulen, die es nicht explizit lehren, dennoch toleriert wird ?

    Warum nicht Glaubensvorstellungen tolerieren, andere Schulen müssen sie ja nicht annehmen, oder sollten sie etwa eine Inquisition betreiben. Ich kenne übrigens keine buddhistische Schule in der das Anhaften an persönliche Wiedergeburt gelehrt wird oder die eine beständige Persönlichkeit lehrt die immer wieder geboren wird.

    Wenn alle Menschen erleuchtet wären, wären Mönche und Klöster überflüssig.

    Ja, aber es sind nun mal nicht alle Menschen erleuchtet.

    Viel Dank, mukti , für Deine wichtige Anmerkung. Ich bin in Diskussionen schon gelegentlich auf die unrichtige Vorstellung gestoßen, das Schema der zwei Wahrheiten sei eine 'Spezialität' des Mahāyāna.

    Gerne, mehr als den Hinweis auf dieses Thema im Theravada werde ich hier vermutlich nicht beitragen können und wollen. Abgesehen von der Frage wie es mit der intellektuellen Potenz steht, aus diesem Grund:


    Zitat

    Sudhana:


    Dieses Konzept der 'zwei Wahrheiten' erfuhr durch Nagārjuna (vgl. insbes. MMK 24.8 - 24.12) eine Wandlung des Verständnisses, das zu einem Merkmal mahāyānischer Traditionen wurde. Durch seine Methode der logischen Dekonstruktion zeigte er auf, dass philosophische Konstrukte, wie sie insbesondere im Kontext der dharma-Theorie diskutiert wurden (und in den Abhidhamma / Abhidharma - Texten der diversen Kanones ihren Ausdruck gefunden hatten), eben auch nur dies sein können: Konstrukte, 'entfaltete [Vorstellung]', prapañca.


    Solches prapañca (Pali: papañca) gehört wohl nicht zum "Kernholz" der Lehre:


    Zitat

    'Ihr Bhikkhus, was die Quelle anbelangt, durch welche die Konzepte, die von begrifflichem Ausufern geprägt sind, einen Mann bedrängen: wenn dort nichts gefunden wird, woran man sich ergötzen könnte, was man willkommen heißen könnte und woran man sich festhalten könnte, dann ist dies das Ende der Neigung zur Begierde, der Neigung zur Abneigung, der Neigung zu Ansichten, der Neigung zum Zweifel, der Neigung zum Dünkel, der Neigung zur Begierde nach Werden, der Neigung zur Unwissenheit; dies ist das Ende des Gebrauchs von Knüppel und Waffe, von Streit, Zank, Streitgesprächen, Anschuldigung, Gehässigkeit und falscher Rede; hier hören diese üblen unheilsamen Zustände ohne Überbleibsel auf' M.18.


    Zitat

    Sudhana:

    Trotzdem ist diese Wahrheit nicht völlig unkommunizierbar. Was sich kommunizieren lässt, sind dṛṣṭi: Ansichten. Ansichten basieren immer auf einer Perspektive (einer Subjekt-Objekt-Beziehung) und diese Perspektive wiederum ist die Relation des Ansehenden auf etwas Angesehenes. Diese Relation lässt sich sprachlich ausdrücken - und wenn das 'Angesehene' die Wahrheit, paramārthasatya, ist, dann haben wir im Ausdruck eine relative Wahrheit, saṃvṛtisatya. Wenn.


    Das wäre dann wohl eine relative Wahrheit die sich bei allen Menschen gleich zeigt, nach der Gleichheit ihrer Beschaffenheit, also der Zusammensetzung der Daseinsgruppen (khandha). Aus allgemein menschlicher Perspektive ließe sich diese Wahrheit gewissermaßen auch als absolut bezeichnen, in dem (eingeschränkten) Sinn dass sie für alle gilt. Das betrifft das "Kernholz" der Lehre, indem rechte Ansicht (sammā-ditthi) den erstgenannten Punkt des achtfachen Pfades bildet.


    Zitat

    Sudhana:

    Festzuhalten ist, dass in beiden Traditionen beide Wahrheiten nicht als widersprüchlich angesehen werden - aber zu beachten ist bei relativen Wahrheiten eben die Relation. Wobei ein nicht unwichtiger Teil dieser Relation das Eingehen auf den Empfänger der relativen Wahrheit ist. Übrigens ist das auch der Grund, warum zur Einleitung einer Sutte standardmäßig die Einführung in die Situation gehört, in der sie gesprochen wurde. Insbesondere die soziale Funktion und damit der Verständnishorizont des oder der Belehrten (Bhikkus, Brahmanen, Adlige, Kaufleute, Jäger, Holzfäller usw. usf.) ist für die Gestaltung der 'Botschaft' von Belang - was dem Leser oder Hörer Hier und Jetzt (idR kein Bhikku, Brahmane, Adliger ...) auch ein gewisses Einfühlungsvermögen abfordert. Genau da liegt die Fallgrube des Fundamentalismus.


    Die an das Individuum angepassten Lehrreden sollen wohl letztlich zur allgemeingültigen rechten Ansicht (sammā-ditthi) führen. Demnach müssten sich die verschiedenen individuellen Ansichten sozusagen unter einen Hut bringen lassen, indem sie vorerst den Ansichten der Blinden gleichen die jeweils einen anderen Teil eines Elefanten zu fassen kriegen (Ud.VI.4.). Ihre Beschreibungen sind richtig, aber keine rechte Ansicht wenn sie nicht weiter vordringen und den Teil für das Ganze halten. Wobei die Darlegung der Wahrheit nicht zu einer Ausbreitung (papañca) veranlassen soll die endlose Argumentationen und Streitgespräche nach sich zieht, sondern zu einer Vertiefung, um von der Oberfläche individueller Ansicht in die Tiefe des Erkennens und Erfahrens zu sinken bzw. des tatsächlichen Sehens der Wahrheit, wie ja "ditthi" wörtlich "sehen" bedeutet.


    So verstehe ich das jedenfalls und man darf mich ruhig in die Kategorie "Holzfäller" einordnen, dem so eine einfache nachvollziehbare Erklärung der zwei Wahrheiten als Formel für die Praxis genügt, wie sie Nyanatiloka gibt (erlaube mir einen Teil des Zitats zu wiederholen):


    Zitat

    Im höchsten Sinne (paramattha) nämlich, so lehrt der Buddhismus, ist das sog. Dasein ein bloßer Prozess von beständig wechselnden körperlichen und geistigen Phänomenen, und weder innerhalb noch außerhalb dieses Werdeprozesses ist irgend eine beharrende Ich-Einheit oder Persönlichkeit anzutreffen.

    Wenn also in den Texten von einem Wesen, einer Person, einem Selbst oder gar von der Wiedergeburt eines Wesens die Rede ist, so ist das selbstverständlich nicht im absoluten und höchsten Sinne (paramattha) gesagt, sondern als bloße 'konventionelle Ausdrucksweise' (vohāra-vacana) aufzufassen..


    Mit dieser Verwirklichung wäre wohl das Ende des achtfachen Pfades erreicht.

    Im Theravada gibt es die Unterscheidung in paramattha und vohara:


    Zitat

    Paramattha-sacca, -dhamma, -vacana, -desanā


    'Im höchsten Sinne gültige Wahrheit' (Ding, Ausdrucksweise, Darlegung), sagt man zum Unterschiede von der bloß 'konventionellen Wahrheit' (siehe vohāra-sacca) usw.

    Der Buddha nämlich bediente sich bei Darlegung seiner Lehre bisweilen der zwecks gegenseitiger Verständigung im gewöhnlichen Verkehr gebräuchlichen 'konventionellen Ausdrucksweise', bisweilen aber der der Wahrheit im höchsten Sinne entsprechenden philosophischen Ausdrucksweise.

    Im höchsten Sinne (paramattha) nämlich, so lehrt der Buddhismus, ist das sog. Dasein ein bloßer Prozess von beständig wechselnden körperlichen und geistigen Phänomenen, und weder innerhalb noch außerhalb dieses Werdeprozesses ist irgend eine beharrende Ich-Einheit oder Persönlichkeit anzutreffen.

    Wenn also in den Texten von einem Wesen, einer Person, einem Selbst oder gar von der Wiedergeburt eines Wesens die Rede ist, so ist das selbstverständlich nicht im absoluten und höchsten Sinne (paramattha) gesagt, sondern als bloße 'konventionelle Ausdrucksweise' (vohāra-vacana) aufzufassen. .


    Hier ist eine Tabelle über die bedingten und die unbedingten Wirklichkeiten nach dem Abhidhamma.