Dürfen / Nicht-Dürfen - Verstehen

  • Immer wieder begegnet einem die Vorstellung das "der Buddhist" dieses und jenes nicht dürfe, wenn er ein Nachfolger des Buddha sein möchte. Das kommt ganz allgemein sowohl von Nicht-Praktizierenden, wo es noch verständlicher ist, als auch von Praktizierenden, die es eigentlich besser wissen müssten.


    Das ganze geht jedoch ziemlich am Thema vorbei, denn der gesamte Buddhismus ist letztlich einzig und allein auf verstehen und Wissen ausgerichtet. Solange man nicht versteht warum man eine bestimmte Handlung unterlassen oder ausführen sollte, solange trägt sie auch nicht wirklich zum inneren Fortschritt bei.


    Das erkennen, und sei es auch noch so rudimentär und theoretisch muss an erster Stelle stehen. Erst dann kann alles weitere Früchte tragen. Führt man dagegen die Ratschläge des Buddha einfach nur mechanisch aus, in der Hoffnung das sie einem zu einem besseren Leben verhelfen, dann mag das temporär sogar zutreffen. Aber die grundlegenden (unheilsamen) Mechanismen werden davon tatsächlich kaum berührt, und brechen vielleicht dann hervor wenn man es am wenigsten erwartet. Wenn man jedoch erkannt und einigermaßen verstanden hat, das diese und jene Handlung zu entsprechenden Ergebnissen führt, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit bis das wirklich geschieht, wenn man sich daran hält.


    Zitat

    "Es war einmal, ihr Mönche, in Magadha ein Rinderhirt von trübem Verstande, der im letzten Monat der Regenzeit, im Herbste, ohne Untersuchung des diesseitigen Ufers, ohne Untersuchung des jenseitigen Ufers des Ganges seine Herde aufs Geratewohl in den Strom trieb, hinüber zum Ufer von Suvideha. Als nun, ihr Mönche, die Rinder in die Mitte des Ganges, in die Strömung gelangt waren, da überschlugen sie sich und gingen elend zugrunde. Und warum das? Weil ja, ihr Mönche, jener unverständige Rinderhirt aus Magadha im letzten Monat der Regenzeit, im Herbste, ohne Untersuchung des diesseitigen Ufers, ohne Untersuchung des jenseitigen Ufers des Ganges seine Herde aufs Geratewohl in den Strom trieb, hinüber zum Ufer von Suvideha.


    "Ebenso nun auch, ihr Mönche, ist es mit jenen Asketen oder Priestern, die diese Welt nicht verstehen und jene Welt nicht verstehen, das Reich der Natur nicht verstehen und das Reich der Freiheit nicht verstehen, die Zeitlichkeit nicht verstehen und die Ewigkeit nicht verstehen, wer der Schwimmkunst jener trauen will, dem wird es zu langem Unheil und Leiden gereichen.


    http://www.palikanon.com/majjhima/m034n.htm

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)


  • Zitat

    Anmerkung: [76] Der Komm. bezieht diese vier Ausdrücke auf eine später übliche Einteilung in drei Arten von 'Durchschauung' (pariññā). Und zwar: 'verstanden' (abhijāna) = ñātapariññā, 'Durchschauung durch Wissen'; 'durchschaut' (parijāna) = tīranapariññā, 'Durchschauung durch Ergründen'; 'abgetan' (virājayam) = 'aufgegeben' (pajaham) = pahānapariññā, 'Durchschauung durch Aufgeben'.


    http://www.palikanon.com/samyutta/sam22_030.html#s22_24

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Das alles betrifft aber die Sammlung und die Konzentration und Vipassana.
    Das diskursive Ergründen und Verstehen ist kurzlebig und begrenzt, deswegen sollte man sich nur
    die Kern-Praxis theoretisch erschließen - um sie umsetzen und erinnern zu können.
    Denn die Geistesentfaltung ist der einzige Weg zur Erlösung; sie sollte nicht behindert werden
    durch weltliches Erwägen.

  • Onyx9:

    Das alles betrifft aber die Sammlung und die Konzentration und Vipassana.
    Das diskursive Ergründen und Verstehen ist kurzlebig und begrenzt, deswegen sollte man sich nur
    die Kern-Praxis theoretisch erschließen - um sie umsetzen und erinnern zu können.
    Denn die Geistesentfaltung ist der einzige Weg zur Erlösung; sie sollte nicht behindert werden
    durch weltliches Erwägen.


    Okay, aber es ging mir hauptsächlich um die Tendenzen vieler Menschen zu Regeln, auch wenn sie die Gründe dafür nicht kennen. Das macht aus buddhistischer Sicht jedoch wenig Sinn.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Zitat

    Okay, aber es ging mir hauptsächlich um die Tendenzen vieler Menschen zu Regeln, auch wenn sie die Gründe dafür nicht kennen.


    Kannst du das nochmal konkreter schreiben,
    weil ich habe nicht so oft das Gefühl, daß Leute sich an Regeln halten
    ohne den Sinn darin zu erfassen, gerade nicht im buddh.Umfeld.
    Es bedarf doch auch einiger Regeln, z.B. in der Lebensführung
    um überhaupt fähig zu sein tiefer zu graben,
    ganz besonders auch meditativ.

  • Geronimo:


    Das erkennen, und sei es auch noch so rudimentär und theoretisch muss an erster Stelle stehen. Erst dann kann alles weitere Früchte tragen. Führt man dagegen die Ratschläge des Buddha einfach nur mechanisch aus, in der Hoffnung das sie einem zu einem besseren Leben verhelfen, dann mag das temporär sogar zutreffen. Aber die grundlegenden (unheilsamen) Mechanismen werden davon tatsächlich kaum berührt, und brechen vielleicht dann hervor wenn man es am wenigsten erwartet. Wenn man jedoch erkannt und einigermaßen verstanden hat, das diese und jene Handlung zu entsprechenden Ergebnissen führt, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit bis das wirklich geschieht, wenn man sich daran hält.


    Sicher, ohne Erkennen hat man keine Motivation richtig zu handeln. Aber dass man nur an der Erkenntnis arbeiten sollte in der Meinung alles andere erledige sich dann von selber, das glaube ich auch nicht. Die Erkenntnis soll den Willen lenken, und das bedeutet Training, auch für den Körper. Achtsamkeit auf den Körper ist sehr wichtig, steht deshalb im Sathipatthana Sutta an erster Stelle. Das bedeutet auch richtiges und reguliertes Handeln, die silas versuchen einzuhalten.

  • Zitat

    denn der gesamte Buddhismus ist letztlich einzig und allein auf verstehen und Wissen ausgerichtet.


    Nö. Auf Sati, Prajna und Sila. ;)

  • Onyx9:
    Zitat

    denn der gesamte Buddhismus ist letztlich einzig und allein auf verstehen und Wissen ausgerichtet.


    Nö. Auf Sati, Prajna und Sila. ;)


    Ich bin leider überhaupt nicht gut mit Pali Begriffen. Aber wo kein Wissen ist, da ist auch keine echte Befreiung.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • mukti:
    Geronimo:


    Das erkennen, und sei es auch noch so rudimentär und theoretisch muss an erster Stelle stehen. Erst dann kann alles weitere Früchte tragen. Führt man dagegen die Ratschläge des Buddha einfach nur mechanisch aus, in der Hoffnung das sie einem zu einem besseren Leben verhelfen, dann mag das temporär sogar zutreffen. Aber die grundlegenden (unheilsamen) Mechanismen werden davon tatsächlich kaum berührt, und brechen vielleicht dann hervor wenn man es am wenigsten erwartet. Wenn man jedoch erkannt und einigermaßen verstanden hat, das diese und jene Handlung zu entsprechenden Ergebnissen führt, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit bis das wirklich geschieht, wenn man sich daran hält.


    Sicher, ohne Erkennen hat man keine Motivation richtig zu handeln. Aber dass man nur an der Erkenntnis arbeiten sollte in der Meinung alles andere erledige sich dann von selber, das glaube ich auch nicht. Die Erkenntnis soll den Willen lenken, und das bedeutet Training, auch für den Körper. Achtsamkeit auf den Körper ist sehr wichtig, steht deshalb im Sathipatthana Sutta an erster Stelle. Das bedeutet auch richtiges und reguliertes Handeln, die silas versuchen einzuhalten.


    Das habe ich auch nicht gemeint. Aber wo kein Verständnis für die Wirkungsweise vorhanden ist, da entwickelt soch auch nicht wirklich etwas. Na klar müssen alle diese Dinge Hand in Hand gehen, so wie beim 8fachen Pfad. Aber nicht ohne Grund steht auch da die rechte Ansicht an erster Stelle.


    Das ist doch bei den Vertiefungen auch so. Wenn der Blick danach nicht direkt auf die Vergänglichkeit gelenkt wird, dann findet da keine (weitere) Entwicklung statt.

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)


  • Naja, es gibt doch da so viele Vorstellungen. Der Buddhist darf sich doch aus Geld nichts machen, er darf/darf nicht Mangos genießen, darf nicht schimpfen und und und...

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • Geronimo:

    Aber wo kein Verständnis für die Wirkungsweise vorhanden ist, da entwickelt soch auch nicht wirklich etwas. Na klar müssen alle diese Dinge Hand in Hand gehen, so wie beim 8fachen Pfad. Aber nicht ohne Grund steht auch da die rechte Ansicht an erster Stelle.


    Das ist doch bei den Vertiefungen auch so. Wenn der Blick danach nicht direkt auf die Vergänglichkeit gelenkt wird, dann findet da keine (weitere) Entwicklung statt.


    Zuerst braucht es überhaupt ein richtiges Verständnis, dann gehen die Pfadglieder Hand in Hand, sehe ich auch so. Wenn man weiß warum man etwas tun oder lassen soll, dann handelt man nicht aus bloßer Konvention, die doch keine ausreichende Grundlage ist für das Handeln.


    Durch Vertiefung erschließt sich das Wissen, die Wahrheit klärt sich. So lange das nicht ausreichend entwickelt ist, setzt man halt auch den Willen ein, zwingt sich ein wenig, weil sich das Handeln bzw. die Sittlichkeit eben auf die Qualität der Vertiefung auswirkt. Ich sag mir einfach dranbleiben so gut es geht, dann kann nur alles besser werden.

  • Zitat

    geronimo: Naja, es gibt doch da so viele Vorstellungen. Der Buddhist darf sich doch aus Geld nichts machen, er darf/darf nicht Mangos genießen, darf nicht schimpfen und und und...


    Eben, es gibt viele Vorstellungen, was sein darf und was nicht. Und das ist schonmal Käse. Das muss nämlich jeder für sich selbst entscheiden
    und zwar möglichst indem er/sie erkennt was denn nun unheilsam ist und was heilsam - für den Weg, also für unsere Praxis.
    Das kommt so nach und nach mit der Innensicht und ist
    nicht mit dem weltlichen "Gut" und "Schlecht" zu verwechseln. Aber genau das tun viele Buddhisten - sie moralisieren. Vielleicht, weil sie noch
    nie intuitiv durch die Sammlung erfasst haben, wo der Unterschied ist zw. einem weltlichen "Schlecht" und einem Dhamma- "Unheilsam" .
    Es ist ziemlich egoistisch anderen Leuten zu erzählen, was ein Buddhist zu tun und zu lassen hat. Die Sila sind Empfehlungen zur Eigenübung und
    man wird schon erfassen, wie heilsam es ist sich darin zu üben die Sila einzuhalten. Wer die Sila aber grundsätzlich ablehnt, dürfte in der Praxis
    und auch in einer Gemeinschaft ein Problem bekommen. Bei letzterem braucht es eben einen Grundkonsens; aber es geht um die heilsamen
    Bedingungen für die Praxis, besonders der meditativen.

  • Onyx9:

    Die Sila sind Empfehlungen zur Eigenübung undman wird schon erfassen, wie heilsam es ist sich darin zu üben die Sila einzuhalten. Wer die Sila aber grundsätzlich ablehnt, dürfte in der Praxisund auch in einer Gemeinschaft ein Problem bekommen. Bei letzterem braucht es eben einen Grundkonsens; aber es geht um die heilsamen Bedingungen für die Praxis, besonders der meditativen.


    Onyx, die Silas sind eben Empfehlungen, Übungen. Keine Gebote. Ich wurde hier im Forum mal "gerüffelt", weil ich jemanden zitiert habe, der es in Ordnung fand ab und zu mal ein Glas Wein am Abend zu genießen. Das war wohl jemand, der die Silas als Gebote verstanden hat und strikt jeden Alkoholgenuß ablehnt.
    Dass man nach einem Glas Wein eben nicht gerade meditiert, ist für mich einleuchtend. Das wäre nicht heilsam für die meditative Praxis.

  • Naja, ich hab absichtlich nicht geschrieben, das es keine Gebote sind.
    Es ist sogar dringend geboten sich daran zu halten.
    Ein Unterschied ist es, ob ein/e wohlmeinende Dharmafreund/in uns rüffelt- also "guter Umgang"
    oder ein anonymer Oberaufseher.
    Alkohol zerstört die Praxis. Jeder Tropfen. Überhaupt alle "Genussgifte".

  • Heißt es nicht wörtlich beim Laiengelöbnis: "....diese Übungsregel nehme ich an."? Beinhaltet Üben nicht Fehlen?
    Bei Perfektion wäre ja Üben nicht erforderlich. Es ist also meiner Meinung nach kein Beinbruch, wenn silas, Bemühen vorausgesetzt, nicht eingehalten werden.
    Sarvamangalam
    Sarvamitra

    "Warum muß eine Sache oder ein Gedanke, um richtig zu sein, unbedingt sein?"
    Mircea Eliade

  • sarvamitra:

    Heißt es nicht wörtlich beim Laiengelöbnis: "....diese Übungsregel nehme ich an."? Beinhaltet Üben nicht Fehlen?
    Bei Perfektion wäre ja Üben nicht erforderlich. Es ist also meiner Meinung nach kein Beinbruch, wenn silas, Bemühen vorausgesetzt, nicht eingehalten werden.
    Sarvamangalam
    Sarvamitra


    Ah interressant. Dachte kürzlich wieder mal daran so ein Gelöbnis abzulegen.

  • Onyx9:

    Alkohol zerstört die Praxis. Jeder Tropfen. Überhaupt alle "Genussgifte".


    Hallo Onyx, was verstehst Du denn unter Genussgift ? Zählt dazu auch Kaffee, Tee, Schokolade, Bier & Weißwurscht (Hallo Doris :D )


    Die strikte Anwendung der 5 Silas war m.E. für buddhistische Mönche und Nonnen angedacht, nicht aber für Laien, für Mönche und Nonnen gibt es doch auch noch viel mehr wie 5 Silas, oder ?


    Ich sehe das so wie Sarvamitra, für Laien ist es eine Übung, was entscheidend ist, ist die Vermeidung von einem übermäßigen Konsum von Genussgiften.

  • Matthias65:

    Ich sehe das so wie Sarvamitra, für Laien ist es eine Übung, was entscheidend ist, ist die Vermeidung von einem übermäßigen Konsum von Genussgiften.


    Ganz so war es nicht gemeint! Das hieße dann auch nur kein übermäßiges Töten etc.
    Sarvamangalam

    "Warum muß eine Sache oder ein Gedanke, um richtig zu sein, unbedingt sein?"
    Mircea Eliade

  • Denke man sollte anstreben all das zu vermeiden so gut wie möglich. Es wird nicht ohne Töten gehen, da müsste man bei jedem Schritt aufpassen, Wiesen wären z.B. strikt zu vermeiden. Ganz ohne Alkohol geht schon, vielleicht nicht bei Medizin.

  • mukti:

    Denke man sollte anstreben all das zu vermeiden so gut wie möglich. Es wird nicht ohne Töten gehen, da müsste man bei jedem Schritt aufpassen, Wiesen wären z.B. strikt zu vermeiden.


    Im Jainismus gabs das: Mit dem Besen den Weg kehren vor den Füßen etc. Ich geb Dir dahingehend recht, daß es jeder nach seinen Möglichkeiten bestens zu versuchen gelobt. Das Wörtchen "Sollen" stößt mir immer etwas auf.
    LG.Sarvamitra

    "Warum muß eine Sache oder ein Gedanke, um richtig zu sein, unbedingt sein?"
    Mircea Eliade

  • Zitat

    Ganz so war es nicht gemeint! Das hieße dann auch nur kein übermäßiges Töten etc.


    Warum nicht? Nenne mir einen Tag Deines Leben, an dem Du nicht getötet hast?

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • mukti:
    sarvamitra:

    Das Wörtchen "Sollen" stößt mir immer etwas auf.
    LG.Sarvamitra


    Wenn man dukkha beenden will, muss man das wohl vermeiden.


    Du meinst das Aufstoßen!

    "Warum muß eine Sache oder ein Gedanke, um richtig zu sein, unbedingt sein?"
    Mircea Eliade

  • sarvamitra:
    mukti:

    Wenn man dukkha beenden will, muss man das wohl vermeiden.


    Du meinst das Aufstoßen!


    Das vielleicht auch :lol: Aber das Töten und Alkoholtrinken auf jeden Fall, so weit das nur immer möglich ist. Die Konsequenz der Jainas ist schon beeindruckend, aber das kann wohl auch zu Extremen führen.