• Ellviral:
    Bakram:

    So wie verschiedene Wahrheiten erschaffen werden, werden auch verschiedene Wirklichkeiten erschaffen. "Die" Wirklichkeit existiert nicht, es existieren x Wirklichkeiten nebeneinander.

    Genau beschrieben in "Warum es die Welt nicht gibt."


    Hallo Ellviral,


    meinst Du nicht, dass in diesem Buch nur beschrieben wird, wie Wirklichkeit in Bewusstseinen für manchen scheinbar als Wahrheit erscheint?


    Und wenn ja, hältst Du diesen status quo mit "definitief als Nichtwahrheit", weil es die Welt ja nicht gibt anstatt "scheinbar als Wahrheit" schon für den wahren Jakob?


    Aber ist das nicht ein Zirkelschluss?

  • Damit kann ich nichts mit anfangen. Falls es nicht deutlicher, klarer geht bin ich hier raus.

  • mal ganz technisch gesehen ist es doch so:
    Um uns herum und wir selbst sind Form, deren Quelle die Leere ist.
    Unsere Wahrnehmung, die nur durch unsere Sinne geschehen kann durchläuft verschiedene Stati in zeitlicher Abfolge.
    Ganz zu Beginn steht die "reine" Wahrnehmung, soweit ein Mensch dazu in der Lage ist. Da ist ein Baum z.B. noch nichtmal als solcher etikettiert.
    Selbst in diesem "unbefleckten" Stadium ist die Wahrnehmung des Menschen aber bereits durch diverse, hirn- und Sinnesorgentechnisch manifestierte Filter und sonstige Einschränkungen unvollständig.
    Wir werden also nie in der Lage sein können, den Augenblick vollständig und ungetrübt wahr-zunehmen.


    Danach kommen dann unsere Etiketten, Emotionen und Ich-Geschichten noch als Trübungsfaktoren oben drauf und verzerren das Bild des Augenblicks noch mehr. Man kann jetzt 1000 Jahre meditieren, aber wir werden immer nur ein Abbild der Realität erfassen können. Es ist aber für einen Menschen schon ein sehr großer Schritt, sich dessen bewusst zu sein, dass er im Grunde nichts weiß. Mehr kann man von uns nicht erwarten. Wir können uns der Quelle aller Form aber immer mehr bewusst werden und somit die vergänglichen Formen transparent und durchlässig werden lassen. Wir sehen sie nicht mehr als etwas, das unser Leben ausmacht. Sie sind da, aber haben keine identifikationsstiftende Substanz. Sie sind nur Ausprägungsformen der gemeinsamen Quelle - aber sie sind da und alles Andere als nichtig.


    Wenn man sich der Fragestellung eines Koan nähert, sollte man dies auch auf möglichst "tiefer" Ebene tun (um wieder eine Brücke zum eigentlichen Thema zu schlagen)

  • Holzklotz:

    mal ganz technisch gesehen ist es doch so:
    Um uns herum und wir selbst sind Form, deren Quelle die Leere ist.


    Nö. Weder technisch noch sonst wie.
    Form hat keine Quelle. Das Diamantsutra sagt ganz klar - Form ist Leere und Leere ist Form. Form ist [die Erscheinungsweise] Leere.

    Zitat


    Wir können uns der Quelle aller Form aber immer mehr bewusst werden und somit die vergänglichen Formen transparent und durchlässig werden lassen. Wir sehen sie nicht mehr als etwas, das unser Leben ausmacht. Sie sind da, aber haben keine identifikationsstiftende Substanz. Sie sind nur Ausprägungsformen der gemeinsamen Quelle - aber sie sind da und alles Andere als nichtig.


    Da dein Ansatz mit der Quelle bereits falsch ist, kommst du dann auch zu falschen Schlüssen.
    Es ist nun mal mit der Logik nicht hinzubiegen und es gibt nur die Einsicht, dass alles "Nichts" ist - es ist nichts da. Oder das, was als "Da" wahrgenommen wird, ist Täuschung. Das ist so eng mit uns selbst verknüpft, dass wir uns gegen diese Einsicht sträuben. Wir suchen immer nach einem Strohhalm in unserer Vorstellung.

    Zitat


    Wenn man sich der Fragestellung eines Koan nähert, sollte man dies auch auf möglichst "tiefer" Ebene tun (um wieder eine Brücke zum eigentlichen Thema zu schlagen)


    Wenn .... sollte ....
    Die tiefere Ebene ist da nichts anderes als die Einsicht dass alles ausnahmslos Täuschung ist oder anders gesagt, dass es immer nur um Enttäuschung geht. Mittlerer Weg heißt da zwischen Täuschung und Enttäuschung daher eiern und das macht irgendwann durchaus Spass, wenn man Humor hat und über sich selbst lachen kann.

  • Monday:

    Nö. Weder technisch noch sonst wie.
    Form hat keine Quelle. Das Diamantsutra sagt ganz klar - Form ist Leere und Leere ist Form. Form ist [die Erscheinungsweise] Leere.


    Sich auf den ersten Satz "Form ist Leere" zu beschränken ist auch eine Täuschung. Der zweite Satz ist weder eine Bekräftigung, noch eine Widerlegung des ersten. Man kann sich eine Zeit lang am Leben/Leiden vorbei tricksen, indem man alles als "leer" im Sinne von unbedeutend abtut, aber da darf man nicht stecken bleiben. Jede beliebige Form besteht im Kern aus Leere - sie ist quasi die Quelle. Für mich sind, was diese Frage anbelangt Gott und Leere ein Synonym. Aus dem "Abtun" der Erscheinungen muss also ein Wertschätzen, durchschauen und "gelten lassen" werden, ohne sich davon in den Bann ziehen zu lassen. Dann wird aus dem spirituellen Trick eine, dem Leben zugewandte Übung und beides kann gleichzeitig und verwoben wahr genommen werden.
    Leere ist also nicht gleichbedeutend mit "Nichts". Sie durchdringt alles und gibt dem Leben die Fülle.


    Form + Leere = [Nicht-Zwei]

  • Holzklotz:
    Monday:

    Nö. Weder technisch noch sonst wie.
    Form hat keine Quelle. Das Diamantsutra sagt ganz klar - Form ist Leere und Leere ist Form. Form ist [die Erscheinungsweise] Leere.


    Sich auf den ersten Satz "Form ist Leere" zu beschränken ist auch eine Täuschung. Der zweite Satz ist weder eine Bekräftigung, noch eine Widerlegung des ersten. Man kann sich eine Zeit lang am Leben/Leiden vorbei tricksen, indem man alles als "leer" im Sinne von unbedeutend abtut, aber da darf man nicht stecken bleiben. Jede beliebige Form besteht im Kern aus Leere - sie ist quasi die Quelle. Für mich sind, was diese Frage anbelangt Gott und Leere ein Synonym. Aus dem "Abtun" der Erscheinungen muss also ein Wertschätzen, durchschauen und "gelten lassen" werden, ohne sich davon in den Bann ziehen zu lassen. Dann wird aus dem spirituellen Trick eine, dem Leben zugewandte Übung und beides kann gleichzeitig und verwoben wahr genommen werden.
    Leere ist also nicht gleichbedeutend mit "Nichts". Sie durchdringt alles und gibt dem Leben die Fülle.


    Form + Leere = [Nicht-Zwei]



    Das nennt sich "hängen am Wort" - Form hat keinen Kern, der Leere genannt wird oder "leer" ist. Nichts ist nicht abwertend gemeint, außer wenn man in der Dualität von Fülle und Nichts hängen bleibt. Wenn etwas alles durchdringt, dann sind da zwei. Wenn es überhaupt eine Gottesvorstellung gibt, die da irgendwas passendes beiträgt, dann höchsten die, dass da hinter dem ganzen Spiel von Nichts bzw. Dharma einer ist, der der Gesetzesmacher wäre. Aber das ist dann auch nur eine Vorstellung, für die gilt : Form (Vorstellung) = Leere (Nicht-Form)


    Also - nochmal: alle Phänomen sind nicht-existent - es ist nichts da. Form = Nicht-Form (Leere)
    http://www.international-zen-t…n/sutra/diamant_sutra.htm

  • Bakram:


    "... es existieren x Wirklichkeiten nebeneinander.


    Woher weißt du das? Gibst du der Vorstellung Raum, dass es neben deiner eigenen noch andere Wirklichkeiten gäbe, dann kann dies doch gar nicht anders, als Ausdruck deiner eigenen, unmittelbar genau jetzt gegebenen Wirklichkeit/So-heit sein. Diese ist schließlich die einzige für dich erfahrbare und genau du bist dasjenige, das sie erfährt. Die Wirklichkeit der anderen, von der du weißt oder die du dir vorstellst, ist daher aus der einzigen, für dich erfahrbaren Perspektive - nämlich deiner eigenen - letztlich immer zugleich deine eigene Wirklichkeit/So-heit.


    Die Koanfrage kann dir dabei helfen, dich in deiner Zen-Praxis auf dieses genau jetzt Gegebene zu fokussieren ohne zugleich damit in Form von begrifflichem Denken zu spielen. "Was ist dies?", aber auch "Mu" sind als Fragen authentischer Ausdruck dieser Erfahrung. Begriffe wie "nonsense" oder "sense" sind nach meiner Erfahrung weniger gut geeignet, zu beschreiben, worum es in der Koanpraxis geht. Und "Interpretierbedürftigkeit" spielt in Bezug auf Koanpraxis vor allem insofern eine Rolle, als man sagen kann, dass du, wenn du anfängst, zu interpretieren, die eigentliche Koanfrage bereits verloren hast.


    _()_
    Tai

  • Monday:

    Das Diamantsutra sagt ganz klar - Form ist Leere und Leere ist Form.


    Meinst du das Herzsutra?
    Sicher kann man auch das Diamantsutra in diesem Sinne auslegen - da würde mich dann interessieren, aus welchen Textstellen du das so ableitest (echtes Interesse, da ich die Auslegung des Diamant-Sutras stets spannend finde).

  • Tai:

    Woher weißt du das? Gibst du der Vorstellung Raum, dass es neben deiner eigenen noch andere Wirklichkeiten gäbe, dann kann dies doch gar nicht anders, als Ausdruck deiner eigenen, unmittelbar genau jetzt gegebenen Wirklichkeit/So-heit sein. Diese ist schließlich die einzige für dich erfahrbare und genau du bist dasjenige, das sie erfährt. Die Wirklichkeit der anderen, von der du weißt oder die du dir vorstellst, ist daher aus der einzigen, für dich erfahrbaren Perspektive - nämlich deiner eigenen - letztlich immer zugleich deine eigene Wirklichkeit/So-heit.


    Natürlich erlebe ich allein meine Wirklichkeit. Die Wirklichkeit der Anderen kenne und erfahre ich nicht. Vorauszusetzen, andere würden meine Wirklichkeit erfahren oder ich ihre,ist ein ebensolcher Irrtum wie der Glauben wir lebten alle in einer gleichen Wirklichkeit.

    Dennoch existiert sehr wohl eine Art gemeinsame Wirklichkeit und zwar in Form von Konventionen (https://de.wikipedia.org/wiki/Konvention), Begriffen (https://de.wikipedia.org/wiki/Begriff_(Philosophie)) und Konditionierung (https://de.wikipedia.org/wiki/Konditionierung). Erzeugt wurde diese gemeinsame Wirklichkeit durch Sozialisation, Kultur und Erziehung.


    Tai:

    Begriffe wie "nonsense" oder "sense" sind nach meiner Erfahrung weniger gut geeignet, zu beschreiben, worum es in der Koanpraxis geht


    Die Koanpraxis oder sonstige Praxen interessieren mich eher weniger. Ziel jeder Praxis ist meiner Ansicht nach Individuen zu konditionieren; in eine gemeinsame Wirklichkeit zwängen.
    Das interessante an Koans ist jedoch die Tatsache, dass sie unter dem Aspekt begrifflichen Denkens keinen Sinn ergeben, auf Neudeutsch "Nonsens". Begriffliches Denken (s.o.) ist nämlich hinderlich für eine Befreiung, man bleibt dadurch in einer fremdbestimmten, gemeinsamen Wirklichkeit gefangen.


    Aus der Lösung eines Koans durch "den Schüler" lassen sich Rückschlüsse auf seine Konditionierung, seine Begriffe und Konventionen ziehen. Das hilft "dem Lehrer" sich einem Schüler nahe seiner individuellen Wirklichkeit anzunähern und kann ihn so in seinen Bemühungen sich zu befreien besser unterstützen.


    Freiheit bedeutet die eigene Wirklichkeit selber zu bestimmen.

  • Monday:

    Das nennt sich "hängen am Wort" - Form hat keinen Kern, der Leere genannt wird oder "leer" ist. Nichts ist nicht abwertend gemeint, außer wenn man in der Dualität von Fülle und Nichts hängen bleibt. Wenn etwas alles durchdringt, dann sind da zwei. Wenn es überhaupt eine Gottesvorstellung gibt, die da irgendwas passendes beiträgt, dann höchsten die, dass da hinter dem ganzen Spiel von Nichts bzw. Dharma einer ist, der der Gesetzesmacher wäre. Aber das ist dann auch nur eine Vorstellung, für die gilt : Form (Vorstellung) = Leere (Nicht-Form)


    Also - nochmal: alle Phänomen sind nicht-existent - es ist nichts da. Form = Nicht-Form (Leere)


    Ein "Leerheits-Zombie" hätte es aber schwer bei der Rückkehr auf den Marktplatz.
    Der wird da nicht hin passen, weil ihn sein dogmatisiertes Leerheits-konzept vom Rest der Welt trennt.
    Das bloße vernichtsen der Phänomene ist leb- und lieblos und wird dem Leben nicht gerecht - so jedenfalls meine Meinung.

  • Tai:
    Monday:

    Das Diamantsutra sagt ganz klar - Form ist Leere und Leere ist Form.


    Meinst du das Herzsutra?


    Ja auch - da steht diese Formel drin.

    Zitat


    Sicher kann man auch das Diamantsutra in diesem Sinne auslegen - da würde mich dann interessieren, aus welchen Textstellen du das so ableitest (echtes Interesse, da ich die Auslegung des Diamant-Sutras stets spannend finde).


    Die Formel des Diamantsutra ist so:
    Das Prajnaparamita, das der Buddha gelehrt hat, ist nicht Prajnaparamita. Deshalb wird es Prajnaparamita genannt.