"Rechte Rede" - fühl dich angesprochen!

  • kilaya:

    Nonverbale Kommunikation wird beim Schreiben im Netz teilweise simuliert, durch bestimmte Schreibmuster und nicht zuletzt die Smilies. Unbewusste Signale sind natürlich reduziert, ich denke aber trotzdem, dass der Unterschied nicht so gross ist, dass man das Modell nicht fast uneingeschränkt auch auf eine Forumsdiskussion anwenden könnte.


    Doch, ich denke der Unterschied ist sehr groß!
    Schreibmuster und Smilies im virtuellen Bereich sind etwas anderes wie die unbewussten Wirkungen der non verbalen Kommunikation im Real Life!
    Versuche mal, Dich im Virtuellen in eine Frau zu verlieben! ;)

  • Sherab Yönten:


    Ich behaupte ja nicht, dass es nicht auch Missverständnisse auf der schriftlichen Ebene geben würde. Aber ich bleibe bei meiner Ansicht, dass eine Kommunikation in Real Life eine andere Qualität hat (sowohl im Positiven wie auch im Negativen) wie im virtuellen Bereich.


    Ich habe z.B. manchmal eine ironische Art, die so klingt als ob sie ernst gemeint sei. Das ist eine Mischung aus Ernst und Übertreibung. Das versteht nicht jeder, nicht einmal im persönlichen Umgang, da die dazu passende Mimik, Gestik und der Tonfall auf den ersten Blick passend ernst erscheinen. Es gibt aber Menschen, die das sofort verstehen, und mit denen es keine Missverständnisse deshalb gibt. Die machen das dann mit, wir reizen das aus und amüsieren uns köstlich. Zuschauer, die nicht so gestrickt sind, verstehen das nicht und nehmen das ernst. Dabei ist das sehr wohl zu durchschauen. Man muss nur genauer auf den Tonfall hören, auf ein paar Füllwörter, Blicke, Gesten, Bewegungen. Und dann natürlich den immer absurder werdenden Inhalt durchschauen.
    Aber oft sind Leute dann von Anfang an derart vom Inhalt gebannt und auf ihn konzentriert, dass sie das Drumherum übersehen, und auch das Hochschaukeln ins Absurde nicht mehr wahrnehmen. Es entsteht eine Ausgangsvorstellung, die sie dann immer weiter füttern, egal wie absurd die Konversation dann wird.
    Es wäre einfacher, wenn wir diese Sprechsituation kennzeichnen würden, also das Schild "Ironie" umhängen oder auf einer Bühne stehen würden.


    Genau dasselbe geschieht im Schriftlichen. Die Leute lesen ein paar Wörter und Sätze, die lösen bestimmte Emotionen aus, und dann geht der Film im Kopf ab. Hier im Forum gibt es auch eine Erwartungshaltung: Das ist ein buddhistisches Forum, und da hat man alles ernst zu meinen, immer freundlich und nett zu formulieren, nie zu kritisieren, mit allen sanft umzugehen, alles gelten zu lassen und zu tolerieren … Das Setting spielt eine große Rolle dabei, inwieweit wir uns für das Geschriebene öffnen. Und natürlich, ob wir jemanden mögen oder nicht.


    Vor ein paar Jahren habe ich angefangen mich ein bisschen darin zu üben, sobald mir ein Post unsympathisch erscheint, ihn innerlich mit verschiedenen Stimmen zu lesen und mir vorzustellen, dass ihn andere Personen schreiben. Das verändert meine Bereitschaft mich dem Text zu öffnen. Natürlich finde ich dann nicht plötzlich alles toll und mag jeden. Aber ein paar Usern gegenüber hat sich meine Sicht verändert.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Zitat

    Versuche mal, Dich im Virtuellen in eine Frau zu verlieben!


    Nichts einfacher als das!


    Verlieben ist immer virtuell und Kopfkino.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Doris Rasevic-Benz:
    Zitat

    Versuche mal, Dich im Virtuellen in eine Frau zu verlieben!


    Nichts einfacher als das!


    Verlieben ist immer virtuell und Kopfkino.


    Na ja, aber die bio chemischen Prozesse finden doch nur im Real Life statt.
    Die Augen und das äußere Erscheinungsbild sind beim sich verlieben nicht unwesentlich.

  • Sherab Yönten:
    Doris Rasevic-Benz:


    Nichts einfacher als das!


    Verlieben ist immer virtuell und Kopfkino.


    Na ja, aber die bio chemischen Prozesse finden doch nur im Real Life statt.
    Die Augen und das äußere Erscheinungsbild sind beim sich verlieben nicht unwesentlich.


    Klar - das Auge isst eben mit.
    Wenn du Hunger hast, dann nimmst du was und wo du es her kriegst.

  • Sherab Yönten:
    kilaya:

    Nonverbale Kommunikation wird beim Schreiben im Netz teilweise simuliert, durch bestimmte Schreibmuster und nicht zuletzt die Smilies. Unbewusste Signale sind natürlich reduziert, ich denke aber trotzdem, dass der Unterschied nicht so gross ist, dass man das Modell nicht fast uneingeschränkt auch auf eine Forumsdiskussion anwenden könnte.


    Doch, ich denke der Unterschied ist sehr groß!


    Ich schrieb: sie sind nicht so gross, dass man.... Also dass es für die Anwendung des 4-Ohren-Modells für die schriftliche Komm. locker reicht...


    Zitat

    Schreibmuster und Smilies im virtuellen Bereich sind etwas anderes wie die unbewussten Wirkungen der non verbalen Kommunikation im Real Life!


    Ich schrieb nicht, dass es das Gleiche sei. Die Wirkung kann aber oft ähnlich ausfallen, und es kommen zusätzliche Kommunikationshürden dazu.


    Zitat

    Versuche mal, Dich im Virtuellen in eine Frau zu verlieben! ;)


    Das funktioniert zumindest bei Männern fast uneingeschränkt. Man braucht nur mal in die Datingapps zu schauen oder wie mit Telefonkontakt und SMS-Portalen Abzocke gemacht wurde, weil genau das funktioniert. Dabei bemerkt der verliebte Mann, der Unsummen ausgibt um an die Adresse zu kommen, nicht mal dass die Person mit der er kommuniziert sich schon mehrfach geändert hat und teilweise ein anderes Geschlecht hatte, als behauptet.


    Nochmal: Ich sage NICHT, dass es per se die gleiche Qualität hätte, es gibt grosse Unterschiede. In Bezug auf Kommunikationsmodelle, Kommunikationsmuster und Kommunikationshürden macht das aber nicht so viel aus, wie man denken würde.

  • Sherab Yönten:
    Doris Rasevic-Benz:


    Nichts einfacher als das!


    Verlieben ist immer virtuell und Kopfkino.


    Na ja, aber die bio chemischen Prozesse finden doch nur im Real Life statt.
    Die Augen und das äußere Erscheinungsbild sind beim sich verlieben nicht unwesentlich.


    Die bio-chemischen Prozesse finden immer statt. Wir sind Chemie.
    Liebe macht bekanntlich blind.
    Blinde können sich auch verlieben.
    Axel und ich haben uns auch nicht vorher gesehen. :D


    Die Augen sind nur die Organe, die nach dem suchen, was in der Vorstellung schon längst existent ist.
    Deshalb spielt das Äußere später meist keine Rolle mehr. Sonst gäbe es noch Brangelina …


    Mir ist vor vielen Jahren klar geworden, dass ich immer vorher verliebt war, und dann jemanden getroffen habe. In der Verhaltensbiologie nennt man das Appetenzverhalten. Sprich: Meine Chemie war schon vorher auf Verlieben eingestellt und ich habe dann "zugeschlagen". Wie sonst erklärt sich das Phänomen "Tausendmal berührt …"?

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Sherab Yönten:

    Na ja, aber die bio chemischen Prozesse finden doch nur im Real Life statt.
    Die Augen und das äußere Erscheinungsbild sind beim sich verlieben nicht unwesentlich.


    Du meinst vermutlich sowas wie den Geruch der Person? Denn die biochemischen Prozesse in einem selbst können schon durch Phantasie uneingeschränkt angestossen werden, also die Ausschüttung der Endorphine usw. Augen und Erscheinungsbild sind nur zwei von vielen Faktoren und warum sich jemand verliebt ist sehr individuell. Was für den einen total wichtig ist, ist für den anderen komplett irrelevant. Nur mal ein Beispiel: Du siehst eine Person und findest sie attraktiv, dann macht sie den Mund auf und hat eine nervensägende Stimme und Sprechweise, so dass Du sofort zumachst. Hättest Du ein Foto und sonst nur schriftliche Kommunikation gehabt, könnte die Hürde überwunden sein und dann ist die Bindung schon so stark, dass die Stimme toleriert wird und dann unwichtig wird.

  • Klar! Geruch, Blickkontakt, Stimme, Flirten, Figur, Ausstrahlung, Wellenlänge u.s.w.
    Wenn man sich im Virtuellen sympathisch ist, ist das für mich was anderes wie Verliebt Sein.
    Wenn die Sympathie im Virtuellen dann Schmetterlinge im Bauch im Real Life hervorbring, dann :heart:

  • Vielleicht definieren wir "verliebt sein" verschieden. Ich rede schon von Verliebtsein, nicht nur von Sympathie. Der komplette Rausch mit allem Drum und Dran. Ich nenne das manchmal auch "Endorphinvergiftung";)


    Ich unterscheide auch deutlich zwischen Verliebtsein und Liebe. Das eine kann zum anderen führen, muss aber nicht. Und manche sind so süchtig nach dem Rausch, dass sie sich trennen, wenn aus Verliebtsein Liebe zu werden droht. Aber wir kommen vom Thema ab.


    Es scheint, Dein Argument ist, dass Emotionen und Projektionen nur durch eine Begegnung im "Real Life" vollständig ausgelöst werden können. Ich wüsste aber keine Emotion, die nicht auch leicht oder sogar noch leichter schriftlich oder "virtuell" ausgelöst werden kann. Das lässt sich auch leicht empirisch beobachten.


    ("Virtuell" ist übrigens eigentlich das falsche Wort. Es heisst "der Kraft oder der Möglichkeit nach vorhanden", das Virtuelle an einer virtuellen Welt ist nicht, ob sie in einem Computer generiert wird oder was generiert wird, sondern dass es möglich ist, dass etwas generiert werden kann. So gesehen ist die ganze Welt eigentlich in ihrem Kern "virtuell".)


    Letztlich reden wir nur davon, welches Spektrum von Sinnen und Informationen innerhalb der gleichen realen Welt angesprochen werden. Und da einige Sinne in gleicher Weise auf eine Phantasie wie auf eine "richtige" Begegnung reagieren, können nicht vorhandene Informationen vom Gehirn leicht ergänzt werden. Und zwar mit einer ungefähr gleichen Trefferquote richtig oder falsch, wenn wir es mit fernvermittelten Informationen zu tun haben wie wenn uns jemand direkt gegenüber steht.

  • Zitat

    Und da einige Sinne in gleicher Weise auf eine Phantasie wie auf eine "richtige" Begegnung reagieren, können nicht vorhandene Informationen vom Gehirn leicht ergänzt werden.


    Und woher kommen diese "Informationen" ?

  • Wir ergänzen gewohnheitsmäßig immer, um ein ganzes Bild zu erzeugen. Die Informationen kommen meistens aus dem eigenen "inneren Fundus": Erwartungen, Projektionen, Erfahrungen - ich sage nicht, dass diese Informationen richtig sein müssen. Das müssen sie aber ja auch bei einer Körper-zu-Körper-Begegnung nicht sein.


    Was ich aber mit dem zitierten Satz meinte: wenn in einer Phantasie keine Sinneserfahrung z.B. aus dem Hörsinn da ist, ergänzt das Gehirn gesprochene Worte usw. Es gibt innere Bilder und man kann sich sogar kurz einbilden, etwas zu riechen. Noch wichtiger ist aber, dass die Reaktion auf eine Phantasie fast gleich sein kann, wie auch eine echte Begegnung. Weswegen ja Bücher und Filme ihren Reiz haben und man mit Mentaltraining in der Psychologie die eigene Reaktion trainieren kann, ohne jemals in der Situation gewesen zu sein, um die es geht.

  • Sherab Yönten:

    Klar! Geruch, Blickkontakt, Stimme, Flirten, Figur, Ausstrahlung, Wellenlänge u.s.w.
    Wenn man sich im Virtuellen sympathisch ist, ist das für mich was anderes wie Verliebt Sein.
    Wenn die Sympathie im Virtuellen dann Schmetterlinge im Bauch im Real Life hervorbring, dann :heart:


    das ist aber jetzt eine Selbstaussage von dir.
    ich nehme niemandes Menschen Figur so richtig wahr. Ich nehme die spirituelle Dimension des Wesens wahr, mit welchem ich in Kontakt bin. Das geht sehr gut durch geschriebenes Wort. Für mich ist die Technik echt ein Segen. Beim Finden von Freundinnen hat das so schon sehr gut geklappt. Ich konnte meine Freundin beobachten, was sie wo im Netz sagt, es war immer liebevoll und positive Interaktion. Website als spirituelle Beraterin hatte sie auch. Bei der anderen habe konnte ich gleich sehen: Buddhismus und Schamanismus. Ich hab gespürt ich kann nach luziden und divinatorischen Träumen fragen. Und: Bingo, hat sie.


    Im Real life habe ich dagegen so geringe Chancen jemanden zu finden, der zu mir passt. Auch Frauen nicht, auch nicht, wenn sie schön im buddhistischen Zentrum neben mir sitzen. Da weiß ich ja nur, dass sie das gut findet, was der Lehrer sagt. Was sie selbst denkt, wenn sie ohne Anleitung eine Meinung bildet, weiß ich dann ja nicht. Eine andere Frau, hatte ich beobachtet auf GF Net. Das Niveau der gedanklichen Ausführungen war enorm. Habe auch zu dieser Frau jetzt virtuellen Kontakt, das wird wohl nie RL aber immerhin. Mit Mann hat noch nicht geklappt. Aber jedenfalls weiß ich, dass es nicht über die Wahrnehmung einer Figur laufen kann. Möglich, dass sich einige Figuren vor mich hingestellt haben, wie die aussahen weiß ich aber nicht mehr.
    Auch Flirtverhalten und Stimme sind mir egal.


    Glaube für manche spirituelle Menschen, die echt vom Mars sind und sich oft sehr fremd fühlen unter Menschen, ist das Netz sehr hilfreich, sich zu finden. :heart:

  • Liebe Turmalin, da wir gerade bei dem Thema "Rechte Rede" sind: Wenn ich eine Aussage persönlich meine, dann versuche ich daran zu denken "nach meiner Ansicht" u.s.w. dazu zu schreiben.
    Und doch: Ich glaube, wir nehmen unbewusst schon auch die Form (Figur) wahr. Etwas anderes ist es, sie zu bewerten. Aber hier ging es ja um den Unterschied zwischen der Wahrnehmung im "Virtuellen" und der Wahrnehmung im "Realen".


    Turmalin:

    Auch Flirtverhalten und Stimme sind mir egal.


    Auch hier: allgemein gesprochen flirtet man im Virtuellen und im Realen Leben doch anders. Auch fällt im Virtuellen Leben die Stimme komplett weg. Wenn Du es schaffst, Geräusche (Stimmen) nicht als angenehm, unangenehm oder neutral zu bewerten, dann bist Du schon richtig gut in Deiner Praxis! Das Geräusch eines vorbeifahrenden Güterzuges erinnert mich immer daran, wie weit ich davon entfernt bin, Geräusche hinzunehmen, ohne sie zu bewerten.

  • wenn jetzt jemand im RL eine unangenehme Stimme hat, weil viel Agression drin ist, bei jeder kleinsten eingebildeten Verletzung kommt subtile Wut auf-dann würde ich diese subtile Wut-Energie übers Netz auch spüren, auch wenn derjenige nicht immer diesen verwendet: :evil:
    nee und ich bin nicht weit in meiner Praxis, ich empfinde das dann sehr unangenehm. Wenn jemand im Netz agressiv zu mir ist, dann leide ich. Auch wenn ich nicht vorhabe die Person in RL zu treffen.

  • Möchte hierauf noch antworten:


    Tychiades:
    mukti:

    Was meines Erachtens nicht bedeutet, dass man nicht auf rechtes Schreiben zu achten braucht.


    Klar - das nennt sich dann leserlich.


    Na schön, Rechtschreibung ist auch nicht ganz unwichtig.


    Tychiades:


    Es gibt da mehrere erhebliche Unterschiede. Die Adressaten der Rede sind anwesend. Ich kann an ihren Reaktionen erkennen, ob die Rede ankommt. Ich sehe, wie viele überhaupt zuhören und sie sehen, wie meine Rhetorik ist. Ich will ja überzeugen. Sonst braucht man ja nicht reden.
    Der Unterschied von Rede und Unterhaltung macht sich da ja dann auch deutlich. Bei der Rede gibt es immer eine Absicht und eine Botschaft.
    Das Gesprochene kann nicht geteilt werden, an andere, die nicht dabei waren. Es müsste erzählt werden, also wieder gesprochen. Und da gibt es ja diese netten Spiele, was denn am Ende einer Kette noch so als Information ankommt.


    Beim Geschriebenen ist die Teilungsmöglichkeit unbegrenzt. Außerdem kann der Inhalt - sofern keine Fehler bei der Übetragung gemacht werden - exakt übermittelt werden.


    Diese Unterschiede können dazu veranlassen, Sachlichkeit und Wohlwollen möglichst klar und verständlich durch Worte auszudrücken.
    Z.B. lässt sich statt der Absicht zu überzeugen die eigene Überzeugung zum Ausdruck bringen, was auch immer andere damit machen. Oder wenn über etwas keine feste Überzeugung besteht, lässt sich mit Hilfe der Rückmeldungen eventuell mehr darüber herausfinden - gemeinsam die Wahrheit ergründen anstatt Belehrung. Dazu ist Rhethorik nicht nötig, im Sinne der Kunst, recht zu behalten. Die führt eher zu Streit als zu Sachlichkeit.


    Überhaupt, welche Einstellung und Gesinnung man hat, so schreibt man auch. Wobei es im Virtuellen leichter ist, sich hinter Worten zu verstecken und etwa ein bestimmtes Image aufzubauen - so zu schreiben wie man gerne wahrgenommen werden will. Das ist auch jenseits des Virtuellen so - wie Wilhelm Busch sagt: "Du siehst die Weste, nicht das Herz". Oder Schopehnauer: "Jeder stellt sich so dar wie er sein sollte, nicht wie er tatsächlich ist." Wenn nur Worte zur Verfügung stehen, fällt das noch leichter. Obwohl Disput ohne persönlichen Kontakt auch Anlass zu Ehrlichkeit sein kann, indem man keinen Schaden zu befürchten hat. Was jemand den man nicht kennt und der weit weg wohnt über einen denkt, muss einem nicht so wichtig sein wie etwa was der Arbeitgeber über einen denkt. Was im Negativen zu Rücksichtslosigkeit und Bosheit verführen kann, im Positiven zu Eingeständnissen über die eigene Unzulänglichkeit.


    So spielt das Persönliche, die individuelle Verfassung, eine große Rolle in der Diskussion, wie auch im sonstigen Leben und auf dem Weg des Buddha. Zur Realisierung von Anatta bedarf es zuerst der Entwicklung von Sittlichkeit, man hat genug damit zu tun, erstmal ein guter Mensch zu werden. Das drückt sich dann aus in allen Handlungen, auch in der Art des Schreibens und Diskutierens.


    Das schreibe ich nicht weil ich so ein guter Mensch bin, sondern um mich an diese Werte zu erinnern und denke dass sich - im Sinne des Themas - vielleicht auch Andere davon angesprochen fühlen.

  • @ kilaya:


    'ein Film', Stream, ja, - erstmal. Kann relativ deckungsgleich (meiner) "Realität" sein- in der Begegnung. Hab ich aber noch nie erlebt; eher sehr, sehr verschieden. Und 'der Film' - verändert, gewandelt, zwar- bleibt ja; es sei denn da sind gar keine Gedanken, Vorstellungen, Reflektionen.

  • Zitat

    Was ich aber mit dem zitierten Satz meinte: wenn in einer Phantasie keine Sinneserfahrung z.B. aus dem Hörsinn da ist, ergänzt das Gehirn gesprochene Worte usw. Es gibt innere Bilder und man kann sich sogar kurz einbilden, etwas zu riechen. Noch wichtiger ist aber, dass die Reaktion auf eine Phantasie fast gleich sein kann, wie auch eine echte Begegnung. Weswegen ja Bücher und Filme ihren Reiz haben und man mit Mentaltraining in der Psychologie die eigene Reaktion trainieren kann, ohne jemals in der Situation gewesen zu sein, um die es geht.



    Alles entsteht im Geist. So ist das eben.
    Wir verlieben uns nicht, weil da so eine besondere Person vor uns steht. Wäre sie so besonders, dann müsste das jeder sehen. Wir finden jemanden blöd, nicht weil er so blöd ist, sondern weil wir ihn so interpretieren, sonst fänden ihn alle blöd. …
    Da spielt noch ein bisschen Genetik eine Rolle – kompatible Duftnoten erhöhen die spontane Paarungsbereitschaft.


    Jeder hat so seine Siebe im Kopf, seine Denkmuster, seine Gewohnheiten … nennt man auch "Karma". Und wir interpretieren die Welt und die Wesen gemäß unseres Karmas. Wenn ich alle Leute schwierig finde, so ist das meine Gewohnheit sie zu interpretieren. Ganz selten sind es nur die Anderen – sagt doch unser Freund Tenzin Gyatso, es sei sehr selten einen Feind zu haben (und wenn wir einen haben, dann sollten wir uns glücklich schätzen).


    Wenn wir uns verlieben, uns zu jemandem hingezogen fühlen, als Freund oder Gefährte, dann entspricht er meist den Denkgewohnheiten. Zumindest auf den ersten Blick. Wir phantasieren da eine Menge in die Person hinein. Was kennen wir denn schon von dem Menschen? Eigentlich nur Marginalien: Aussehen, Stimme, ein paar Bewegungen, Geruch … und auch nur oberflächlich. Unsere Phantasie genügt das, um einen Liebesfilm zu kreieren.


    Im Zusammenleben prallen dann diese Denkgewohnheiten mit der Realität zusammen, und wenn man nicht flexibel ist, dann ist man enttäuscht und trennt sich.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Lucy:
    Sherab Yönten:

    Du hast wohl noch kein Kommunikations Seminar besucht, oder ? Non verbale Kommunikation beeinflusst im Alltag unsere Kommunikation wesentlich. Egal, was der Sender auf der Sachebene sagen möchte, beim Empfänger landet das Gesagte auf der "Beziehungsebene". Nur ein Beispiel von vielen.


    Ist schriftlich ähnlich.
    Egal, ob gesprochen oder geschrieben, die eigene Haltung drückt sich aus. Daher ist sie so wichtig.


    Wie kommuniziert man schriftlich denn non verbal?


  • Beim Flirtthema lässt es sich halt anschaulich aufzeigen, wie sehr wir projizieren und das für wahr halten. So kann vieles, dass der Schreiber wohlwollend geschrieben hat, wo er sich um Verständlichkeit bemüht, dennoch als Angriff aufgefasst werden. Eine knappe Formulierung kann dazu führen als arrogant und unfreundlich aufgefasst zu werden.


    Du hat Deinen Eingangsthread ein wenig kryptisch formuliert, so dass nicht klar wird, worauf Du eigentlich hinaus möchtest. Und bitte, teile Deine Gedanken mit uns. :rainbow:

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • In einer ordentlichen Textinterpretation werden aber nicht einfach die eigenen Emotionen zu einem Text formuliert. Der Text wird untersucht. Es werden Bezüge zu anderen Texten des Autors hergestellt. Biographische Bezüge. Bezüge zur seinen theoretischen Texten. Bezüge zu Autoren, auf die er sich bezieht. Bezüge zur Sozialgeschichte, zum politischen und künstlerischen Umfeld. Und vieles mehr. Und natürlich wird der Text ganz genau untersucht.


    Das unterscheidet sich erheblich von unserem "Gefühl" beim Lesen eines Textes. Schon gar, wenn der Text an uns persönlich gerichtet ist, in einem Dialog entstanden ist. Da ist für gewöhnlich keine Distanz zum Gelesenen, wie sie bei einer literarischen Textanalyse eingenommen wird.


    Würden wir die Texte hier konsequent als Texte behandeln und analysieren, dann gäbe es wohl die meisten Kabbeleien nicht mehr. Selbst wenn dann einer Schimpfworte benutzen würde, unser durch Distanz gewonnenes Verständnis würde es wahrscheinlich verhindern, dass wir das persönlich nehmen würden.
    Kurz: Wir würden in den Schuhen des Anderen wandeln.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Ok, verstehe. Glaub ich. :grinsen:


    Zitat

    Meine Beobachtung war: es konnte zu keinem allgemeinen Konsenz in der Sache kommen, weil die Beteiligten ausschließlich aus der Dharma/Dhamma-Perspektive "Rechte Rede" 'argumentierten'.


    Meinst damit, dass die religiös-ideologische Färbung des Begriffs dazu verführt, das Thema religiös-ideologisch anzugehen statt sich einfach auf Höflichkeit zu besinnen? Als Folge wird dann theoretisiert und gestritten, statt sich selbst zu analysieren und sein Verhalten anzupassen?


    Zitat

    Der Forenbetreiber hat sie so formuliert, wie sie ist - das sollte doch unter Erwachsenen eigentlich ausreichen?!


    Das mit dem Erwachsensein halte ich für einen Mythos. Ich bin schon älter und entdecke täglich neue Kindereien an mir (nicht Kindisch-sein im Sinne von losgelöster Fröhlichkeit). :clown:

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Sherab Yönten:

    ...
    Warum behauptest Du, ich würde mir etwas einbilden?


    Ich beziehe mich auf die Aussage, unrechte Schreibe sei was anderes als unrechte Rede. Diesen Standpunkt halte ich für konstruiert und substanzlos. Daher das Wort "einbilden". Entschuldigung für meine aggressive Wortwahl.


    Zitat

    Ich behaupte ja nicht, dass es nicht auch Missverständnisse auf der schriftlichen Ebene geben würde. Aber ich bleibe bei meiner Ansicht, dass eine Kommunikation in Real Life eine andere Qualität hat (sowohl im Positiven wie auch im Negativen) wie im virtuellen Bereich.


    Dann liegt hier wohl unser Missverständnis - ich wusste, das kann ja alles gar nicht sein, wie ich Deine Aussagen verstehe.
    Nie würde ich bestreiten, dass virtuelle Kommunikation eine andere Qualität hat als die direkte. Es ging mir darum, das unrechte Rede sehr wohl auch im Geschriebenen genauso schädlich ist wie im direkten Gespräch.
    Denn (ich wiederhole mich, weil ich den Eindruck habe nicht gelesen worden zu sein):
    eine geschriebene Lüge, eine geschriebene Beleidigung, sind immer noch Lüge und Beleidigung, und das sind Formen der unrechten Rede. Sie sind auch in keiner Weise weniger schädlich oder weniger verletzend - es sei denn niemand liest es.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Lucy:

    Hallo Doris,


    das war nur ein Beispiel für sherap, was im schriftlichen 'nonverbale kommunikation' sein kann.


    Bitte verzeih, wenn ich nicht tiefer auf die Gattung textinteroretation eingehen mag, dazu ist es bei Murnauer lange her.


    Ich wollte mit der Aufzählung zeigen, dass wir in der Textanalyse bereit sind, genau hinzuschauen und uns einzulassen und viele Dinge zu berücksichtigen, bevor wir ein Urteil fällen, und wir sind auch eher bereit dieses im Analyseprozess zu revidieren.


    Im Dialog tun wir das nicht so sehr. Das geht ratzfatz und wir sind bereit zu urteilen. Da meinen wir ganz schnell zu wissen, wie der Andere tickt. Dabei verlassen wir uns nur auf unser Gefühl. Das perpetuieren wir.


    Um jetzt den buddhistischen Schlenker hinzukriegen: Wir schwadronieren immer davon, dass der Buddha gelehrt hat, dass alles im Geist entsteht, aber ausgerechnet hier machen wir von dieser Erkenntnis nicht so sehr Gebrauch. Hier verlassen wir uns völlig auf unsere "Intuition" und halten sie für unfehlbar. Wir bilden uns ein zu wissen, wer der Mensch ist, der hier schreibt und was er denkt. Wir halten uns für wohlwollend, nett und freundlich. Schlecht ist immer der Andere. Das glauben wir zwischen den Zeilen herauslesen zu können …
    Meine eigene Erfahrungen sagen mir, das stimmt nicht.

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Doris Rasevic-Benz:

    ...
    Kurz: Wir würden in den Schuhen des Anderen wandeln.


    Das ist ein Ideal. Um dem näher zu kommen braucht es noch ein bisschen mehr als bloße Textanalyse, vermute ich. Man muss auch schon in den Schuhen des anderen wandeln wollen. :) Denn man könnte ja auch mit ganz anderer Intention Texte analysieren, oder?


    Ich weiß auch nicht, warum wir Deutschen so viel kritteln. Wir wollen immer richtig stellen, und dann noch richtiger und letztendlich ganz besonders richtig. Hahaha.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee: