Umgang mit Störenfrieden

  • Zitat

    Ich sitze in einem Abteil mit einer Gruppe die sehr unangenehm auffällt. Trinkt und pöbelt, auf freundliches Bitten ihre Musik leiser zu machen nicht reagiert.


    Es ist so einfach, in einem sicheren, ruhigen, kuschelig warmen Zimmer sich Gedanken darüber zu machen, wie jemand in einer akuten, wirklich unangenehmen Gefahrenzone regieren sollte ...
    Trotzdem ist es vielleicht sinnvoll, bestimmte Gegebenheiten, die immer wieder passieren können, mal zu durchdenken, wenn man nicht mehr direkt drinsteckt.


    Die Frage ist doch, hat man in einer betrunkenen Gruppe, die sich gegenseitig hochschaukelt, überhaupt die Chance, als Einzelperson etwas Positives zu bewirken? Für meine Person würde ich das verneinen und allein wegen dieser Chancenlosigkeit das Abteil wechseln.


    Trotzdem gibt es Situationen, in denen man mutig eingreifen muß, um sie sofort zu beenden. (Auch Betrunkene könnten sich gegenseitig zur Hälfte aus dem Fenster hängen und damit massiv selbst gefährden.) Auch für diese Situationen die Frage, habe ich überhaupt die Chance, als Einzelperson etwas Positives zu bewirken, ohne mich selbst massiv zu gefährden? Oder sollte ich besser Hilfe holen?


    Bis dahin hat das für mich gar nichts mit Buddhismus zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand und gelebten Engagement.


    Der Buddhismus würde mir aber nach der Akutsituation weiterhelfen. Wie komme ich aus meinen verärgerten, frustrierten oder traurigen Gefühlen wieder raus? Ich würde mich hinsetzen und versuchen, diese Gefühle zu bemerken und anzunehmen und mich im Anschluss so tief auf die Gegenwart konzentrieren, daß ich das Erlebte wieder loslassen kann.

  • Sherab Yönten:
    Tychiades:

    Klar. Wenn du angestochen am Boden liegst, dann kannst du die Situation auch als "leer" annehmen. Leer - bedingt entstehen, bedingt vergehen - hier wird das dann zur Leerformel. Du kannst sogar noch weiter denken: da ist nichts.


    1. Du meinen Beitrag wohl nicht vollständig gelesen, sonst hättest Du den letzten Teil "Gefahr in Verzug" wohl bemerkt.


    Ich habe deinen Beitrag vollständig zitiert. Also auch vollständig gelesen.


    Zitat


    2. Ich kann aus Deinen Zeilen nicht erkennen wie Du es meinst: Ironisch, sarkastisch oder so wie sie da stehen.


    So wie sie da stehen. Wie sie dann auf dich wirken, weiß ich ja nicht und wie ich sie mit Gefühlen angereichert haben könnte, ist unerheblich.


    Zitat


    3. Solltest Du ernsthaft das meinen was da steht, dann stimme ich Dir zu. Letztendlich üben wir doch, nicht an Samsara anzuhaften.


    Und auch nicht an Nirwana, also an Leerheit.
    Es hilft also nichts, wenn man den Gedanken hat - das ist leer. Und dann?


    Zitat


    Der Buddha hat Körperteile "geopfert". Und klar ist auch, dass Leerheit immer mit Mitgefühl einhergeht, In diesem Falle: Mitgefühl mit sich selbst.
    Und selbstverständlich gibt es immer Alternativen: Deshalb steht da das Wörtchen "auch".


    Mitgefühl ist auch leer. Und mit sich selbst - hilft auch nicht viel. Selbst und andere ist ja nicht verschieden in der Leerheit.


    Zitat


    4. Klar kann man denken "Da ist nichts". "Da ist nichts" ist aber kein buddhistischer Gedanke. Das wäre Nihilismus.


    Nö - wenn man bei "da ist nichts" hängen bleibt, dann ist es nihilistisch. Aber da darf man nicht hängen bleiben. Daher sollte man überhaupt nicht solche Gedanken fassen. Macht man ja auch in solchen Situationen nicht unbedingt.
    Da ist was - das stört - weil man da unangenehm berührt wird - und dann steht man vielleicht auf und geht - . Und wenn der Gedanke an einem nicht hängen bleibt, macht man auch keinen Beitrag im Buddhaland. Das ist nämlich nicht der Rede wert. Alles spekulativ - was wäre wenn - wie ist das bei euch - was machst du wenn dieses? Dann mache ich jenes!

  • Spock:
    Sherab Yönten:


    Nicht ablenken lassen von Samsara indem man auch Lärm als leer erkennt ;)


    Aber nicht ablenken lassen wovon? Wenn ich zB. Lärm als Lärm wahrnehme, dann bin ich doch nicht abgelenkt, sondern achtsam.


    Kommz drauf an...bei "Lärm" kann ja schon so eine negative Wertung mitschwingen, die einen dann ärgert...was wiederum verhindert, dass man sich mit dem beschäftigt, womit man sich eigentlich beschäftigen will.

  • Sunu:


    Kommz drauf an...bei "Lärm" kann ja schon so eine negative Wertung mitschwingen, die einen dann ärgert...was wiederum verhindert, dass man sich mit dem beschäftigt, womit man sich eigentlich beschäftigen will.


    Das ist ja in dem Moment ein Situationswechsel...


    Meine Ansicht weicht da evtl. eh ab, aber wenn ein durchsichtiger Kristall (Geist) vor einem dunklen Hintergrund steht und blütenweiss ist, dann stimmt da in meinen Augen was nicht. Will sagen: das wäre mir egal ob "Lärm" schon wertend ist oder nicht, wenn es für mich Lärm ist, auch wenn das kognitiv verarbeitet wurde und nicht objektiv bzw. nicht wertungsfrei genug ist.

  • Arthur1788:

    Folgende Situation gestern im Zug:


    Ich sitze in einem Abteil mit einer Gruppe die sehr unangenehm auffällt. Trinkt und pöbelt, auf freundliches Bitten ihre Musik leiser zu machen nicht reagiert. Ich versuche das auszuhalten und mich auf mein Buch zu konzentrieren, aber als die sich dann auch noch Zigaretten anstecken platzt mir der Kragen und ich sage ihnen die Meinung. Die Folge ist ein verbaler Schlagabtausch, die Leute werden noch aggressiver, wäre ich nicht so groß und breit wären sie mich vielleicht sogar körperlich angegangen. Irgendwann steigen sie aus, aber für mich ist der Tag irgendwie gelaufen. Klassischer Fall von Dukkha durch Aggression.


    Allerdings weiss ich auch nicht was ich sonst hätte tun sollen. Mich umsetzen wenn es mir zu blöd wird ginge natürlich. Aber soll man solchen Leuten wirklich immer alles durchgehen lassen? Das Unangenehme verschwindet ja nicht nur weil man ihm ausweicht. Ich bitte um "buddhistische" Lösungsvorschläge. :grinsen:


    Also eine freundliche Bitte formulieren ist schonmal gut...aber gar nicht einfach sie so zu formulieren, dass sie nicht wie eine Forderung erscheint. Wenn die Bitte als echte Bitte ankommt, dann ist die Chance nicht schlecht, dass sie auch erfüllt wird. Gegen eine Forderung stellt man sich viel eher quer.
    Eine Bitte, von der man von vornherein denkt, dass sie vom Gegenüber zu erfüllen ist, ist eigentlich keine Bitte, sondern eine Forderung....und die kommt dann auch als solche an....egal ob man sie nun in freundliche Worte kleidet oder nicht. Eine echte freundliche Bitte, ist immer auch offen für ein " Nein"....und signalisiert das auch seinem Gegenüber....wodurch es ihm leichter fällt, nicht dagegen zu rebellieren...

  • User19823:
    Zitat


    Der Buddhismus würde mir aber nach der Akutsituation weiterhelfen. Wie komme ich aus meinen verärgerten, frustrierten oder traurigen Gefühlen wieder raus? Ich würde mich hinsetzen und versuchen, diese Gefühle zu bemerken und anzunehmen und mich im Anschluss so tief auf die Gegenwart konzentrieren, daß ich das Erlebte wieder loslassen kann.


    Das war ehrlich gesagt auch mein größtes Problem dabei. Habe mich wirklich den ganzen restlichen Tag über diese Situation (und ehrlich gesagt auch diese Leute) geärgert und gegrübelt ob ich irgendwas anders hätte machen sollen.


    Mit ein paar Tagen Abstand: Es war wohl mein einziger Fehler, dass ich mich zu sehr auf diese negativen Gefühle eingelassen habe. Ich bleib dabei dass man in manchen Situationen einfach dazu verpflichtet ist auch mal zu intervenieren, auch wenn es noch nicht um Leben und Tod geht. Schlecht ist allerdings wenn man sich dabei zu sehr von seiner Ablehnung vereinnahmen lässt.

  • Spock:
    Sunu:


    Kommz drauf an...bei "Lärm" kann ja schon so eine negative Wertung mitschwingen, die einen dann ärgert...was wiederum verhindert, dass man sich mit dem beschäftigt, womit man sich eigentlich beschäftigen will.


    Das ist ja in dem Moment ein Situationswechsel...


    Meine Ansicht weicht da evtl. eh ab, aber wenn ein durchsichtiger Kristall (Geist) vor einem dunklen Hintergrund steht und blütenweiss ist, dann stimmt da in meinen Augen was nicht. Will sagen: das wäre mir egal ob "Lärm" schon wertend ist oder nicht, wenn es für mich Lärm ist, auch wenn das kognitiv verarbeitet wurde und nicht objektiv bzw. nicht wertungsfrei genug ist.


    Für mich stellt sich da die Frage, ob das Geräusch dann wirklich so ist, dass es im Ohr weh tut und ich so nicht in der Lage bin, dass zu tun, was ich will.( dann flüchtet man sowieso besser, um keinen Gehörschaden zu erleiden)....oder ob ich mich da etwas hineinsteigere, dh. der Lärm bzw. der Reiz durch das Geräusch ist nicht das eigentliche Problem, sondern die Gedanken die ich mir darum mache. " Das gehört sich nicht...so verhält man sich nicht....die sind rücksichtslos mir gegenüber usw." ...ich mir also selber durch dieses Kopfkino einen Ärger aufbaue, der mir im Weg steht....Solche Situationen können aber auch ganz wertvoll sein....weil man sich durch das Beobachten dieser Gedanken, seine eigentlichen Bedürfnisse bewusst machen kann....Von daher ist es da vielleicht gar nicht unbedingt ratsam aus so einer Situation zu fliehen....sondern sie eben als Chance zu sehen, die man nutzen kann, um etwas über sich zu lernen....
    Was sind die Störenfriede überhaupt wirklich...? Brauche ich einfach mehr Ruhe ? (und erwarte ich tatsächlich von einer Gruppe besoffener, dass sie mir die geben können ?)....Brauche ich mehr Rücksicht bzw. Anerkennung....? Brauche ich mehr Sicherheit ? Usw usw. .... Wo fehlt wirklich etwas....?

    Einmal editiert, zuletzt von Sunu ()

  • Arthur1788:

    Mit ein paar Tagen Abstand: Es war wohl mein einziger Fehler, dass ich mich zu sehr auf diese negativen Gefühle eingelassen habe. Ich bleib dabei dass man in manchen Situationen einfach dazu verpflichtet ist auch mal zu intervenieren, auch wenn es noch nicht um Leben und Tod geht. Schlecht ist allerdings wenn man sich dabei zu sehr von seiner Ablehnung vereinnahmen lässt.


    Meinst du damit, dass du dir mehr Akzeptanz gewünscht hättest ?

  • Sunu:


    Meinst du damit, dass du dir mehr Akzeptanz gewünscht hättest ?


    Eher dass ich etwas besonnener hätte auftreten sollen und die Sache, nachdem sie nicht zufriedenstellend geklärt werden konnte, schnell hätte abhaken müssen. Ich hab einfach eine riesige Abneigung gegen rücksichtslose Menschen, das geb ich jetzt mal ganz un-buddhistisch zu. }:-)

  • Arthur1788:
    Sunu:


    Meinst du damit, dass du dir mehr Akzeptanz gewünscht hättest ?


    Eher dass ich etwas besonnener hätte auftreten sollen und die Sache, nachdem sie nicht zufriedenstellend geklärt werden konnte, schnell hätte abhaken müssen. Ich hab einfach eine riesige Abneigung gegen rücksichtslose Menschen, das geb ich jetzt mal ganz un-buddhistisch zu. }:-)


    Ich ringe auch immer mit den rechten Worten und bin da ziemlich ungeübt. Gerade bei Leuten, die ja offensichtlich provozieren und Grenzen überschreiten.


    Ich hatte heute in einem Laden eine seltsame Begegnung: ich fragte nach dem Preis einer Fototasche und der Verkäufer äffte meine Frage nach - d.h. er wiederholte sie mit piepsiger Stimme, ob wohl ich so eine Stimme nicht habe.
    Da ich das total ignorierte und auch nicht lachte oder den Geschäftsführer orderte, hatte er wohl gemerkt, dass er da total daneben gegriffen hatte. Das war schon stark.
    Jetzt könnte ich einen Beschwerdebrief an die Zentrale schreiben - aber es gibt eine schöne Geschichte - John B. Priestley, Ein Inspektor kommt - und da denke ich dann immer daran, dass so eine Beschwerde schlimme Folgen für den Betreffenden haben kann und ich nicht der Auslöser dieser Lawine sein möchte.
    So ist es überhaupt nicht feige, nichts zu tun, zu schweigen, oder zu gehen oder einfach nur freundlich zu bleiben.

  • Arthur1788:
    Sunu:


    Meinst du damit, dass du dir mehr Akzeptanz gewünscht hättest ?


    Eher dass ich etwas besonnener hätte auftreten sollen und die Sache, nachdem sie nicht zufriedenstellend geklärt werden konnte, schnell hätte abhaken müssen. Ich hab einfach eine riesige Abneigung gegen rücksichtslose Menschen, das geb ich jetzt mal ganz un-buddhistisch zu. }:-)


    Kann da ja nur von mir sprechen...und da kann ich "Abneigung gegen rücksichtslose Menschen" ja auch positiv(er) formulieren....Nämlich als ein wunsch bzw. nach Rücksicht meinerseits....oder auch als einen Wunsch nach Akzeptanz. Tatsächlich reagiere ich auf empfundene Rücksichtslosigkeiten besonders stark, wenn ich mich gerade z.b. jobmäßig oder sonst wo nicht ausreichend akzeptiert fühle. In dem Moment wo mir das dann bewusst wird, kann ich an dieser Stelle was tun. Z.b. das Gespräch suchen und konkrete bitten an die richten, die mir da wirklich helfen könnten.... Oder auch nach anderen Alternativen suchen, die mir da weiterhelfen könnten..... Fühl ich mich dann wieder ausgeglichener, indem ich den empfundenen Mangel beseitigen konnte, dann jucken mich so Situationen mit rücksichtslosen Menschen auch nicht mehr wirklich. Ich erwarte dann auch nicht, dass mir z.b. da eine Gruppe Betrunkener helfen kann, meinen Mangel abzustellen...oder suche dort eine Schuld...

    • Offizieller Beitrag

    Eigentlich ist ja der Friede der da gestört wird sehr ungewöhnlich.


    Ich kann mir vorstellen, dass man in vielen Gesellschaften dauernd so ein Gefühl der Unsicherheit und Bedrohung hat. Jemand kann daherkommen, dich Überfällen und einschüchtern. Und auch viele Tiere müssten damit rechnen, dass ein "Feind" aus dem Gebüsch springt.


    Während so ein zivilisierter Zustand, wo man gesittet miteinander umgeht eine Art Luxus ist - eine Komfortblase die man erst in den seltenen Fällen merkt wo sie fehlt.

  • Arthur1788:

    Eher dass ich etwas besonnener hätte auftreten sollen und die Sache, nachdem sie nicht zufriedenstellend geklärt werden konnte, schnell hätte abhaken müssen.


    Hätte, hätte, Fahradkette. :)
    Ich finde, Du bist ganz schön kritisch mit Dir.


    Arthur1788:


    Ich hab einfach eine riesige Abneigung gegen rücksichtslose Menschen, das geb ich jetzt mal ganz un-buddhistisch zu. }:-)


    Ich kann nicht erkennen, was daran un-buddhistisch sein soll. Verblendungen wahrnehmen, benennen, langsam oder auch schnell loslassen. Fertig. Zwei von drei hast Du schon geschafft.


    Viel Metta für Dich, und für Deine Störenfriede!


    Aravind.