SN 22 Khandha-Samyutta

  • Im ersten Sutta dieses Kapitels in dem es um die Daseinsgruppen geht, heißt es mag auch der Körper siech sein, aber der Geist sollte einem nicht siech werden. Wie ist das zu verstehen?

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • mag auch der Körper siech sein, aber der Geist sollte einem nicht siech werden. Wie ist das zu verstehen?

    Hallo Helmut,

    das kann ich nur aus meinem eigenen Siechwerden verstehen. Mein Körper zerfällt immer mehr - langsam, aber sicher. Alles verliert an Kraft, aber mein Geist ist wach.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Im ersten Sutta dieses Kapitels in dem es um die Daseinsgruppen geht, heißt es mag auch der Körper siech sein, aber der Geist sollte einem nicht siech werden. Wie ist das zu verstehen?

    Das steht auch in diesem Sutta:


    Zitat

    18. Es ist da, o Hausvater, ein erfahrener, edler Jünger, die Edlen kennend der Lehre der Edlen kundig, in der Lehre der Edlen geschult, die Guten kennend, der Lehre der Guten kundig, in der Lehre der Guten geschult. Nicht betrachtet der die Körperlichkeit als das Selbst oder das Selbst als Körperlichkeit besitzend oder die Körperlichkeit als im Selbst oder das Selbst als in der Körperlichkeit. Nicht verharrt er in der vorgefassten Meinung: 'Ich bin die Körperlichkeit! Mein ist die Körperlichkeit!' Ihm, der nicht in der vorgefassten Meinung verharrt, 'Ich bin die Körperlichkeit! Mein ist die Körperlichkeit!', dem wandelt sich nun, verändert sich diese Körperlichkeit. Nicht entstehen ihm aber durch Wandel und Veränderung dieser Körperlichkeit Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung.


    19.-22. Nicht betrachtet er das Gefühl - die Wahrnehmung - die Gestaltungen - das Bewusstsein als das Selbst oder das Selbst als (Gefühl ...) Bewusstsein besitzend oder das Bewusstsein als im Selbst oder das Selbst als im Bewusstsein. Nicht verharrt er in der vorgefassten Meinung: 'Ich bin das Bewusstsein! Mein ist das Bewusstsein!' Ihm, der nicht in der vorgefassten Meinung verharrt, 'Ich bin das Bewusstsein! Mein ist das Bewusstsein!', wandelt sich nun, verändert sich dieses Bewusstsein. Nicht entstehen ihm aber durch Wandel und Veränderung dieses Bewusstseins Kummer, Jammer, Schmerz, Trübsal und Verzweiflung.


    23. So, o Hausvater, ist wohl der Körper siech, nicht aber der Geist."

    S.22.1.

  • Der Körper mag alt, krank und sterbend sein, der Geist wird das alles nicht. Der Geist hat als einzige "Krankheit" die Verblendungen, Meinungen und Urteile, die ihn behindern. Der von dieser "Krankheit" befreite Geist ist glücklich mit diesem Körper und bedenkt seine Zeit und Taten gut, damit er so lange leben kann wie es eben geht.

  • Der Geist kann halt auch krank werden, etwa bei einer Demenz.

    Ist das dann nicht eher unter Verblendung zu zählen, da der Geist dann nicht mehr richtig erkennt, was er sieht, also z.B. dass jemand seine Zahnbürste in den Eisschrank legt, weil er die Zahnbürste als etwas anderes ansieht ? Würde ich jetzt so sehen, aber vielleicht seht Ihr es anders.

    "Das bin ich nicht, das gehört mir nicht, das hat für mich kein Selbst"

  • Hallo Gabi,

    Verblendung, so wie der Buddha das als Ursache von Leiden sieht, ist ja veränderbar und durch den eigenen Geist erkennbar.

    Demenz ist eine Krankheit, die immer weiter fortschreitet, ohne dass sie heilbar wäre.

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  • Der Geist kann halt auch krank werden, etwa bei einer Demenz.

    Sieh es dir genau an: Es ist eine Krankheit des Körpers und die beeinträchtigt den Geist. Der Geist eines Dementen ist doch nur krank, weil du den Dementen von außen siehst. Ob der Geist eines Dementen wirklich krank ist, kann nicht beurteilt werden. Der Demente kann sich ja nicht mehr äußern. Vielleicht Locked-In-Syndrom

  • Der Geist kann halt auch krank werden, etwa bei einer Demenz.

    Sieh es dir genau an: Es ist eine Krankheit des Körpers und die beeinträchtigt den Geist. Der Geist eines Dementen ist doch nur krank, weil du den Dementen von außen siehst. Ob der Geist eines Dementen wirklich krank ist, kann nicht beurteilt werden. Der Demente kann sich ja nicht mehr äußern. Vielleicht Locked-In-Syndrom

    Kann sich schon äußern und zwar gemäß der Krankheit, nämlich Verfall der Gehirnzellen. Das habe ich bei meiner Mutter sehr genau gesehen.

  • Der Geist kann halt auch krank werden, etwa bei einer Demenz.

    Ist das dann nicht eher unter Verblendung zu zählen, da der Geist dann nicht mehr richtig erkennt, was er sieht, also z.B. dass jemand seine Zahnbürste in den Eisschrank legt, weil er die Zahnbürste als etwas anderes ansieht ? Würde ich jetzt so sehen, aber vielleicht seht Ihr es anders.

    Das ist so eine Frage, z.B. wenn ein Arahant an Demenz erkrankt ist er dann kein Arahant mehr? Kann eigentlich nicht sein weil es da keinen Rückschritt mehr gibt. Denkbar wäre dass man auch über einen solchen Geisteszustand bewusst sein kann ohne sich damit zu identifizieren. Aber wer weiß das schon als Laie.

  • Zurück zu SN 22.1.


    In den Abschnitten 11-15 erklärt Sariputta wie der Körper siech und auch der Geist siech ist. In den Abschnitten 18 -22 erklärt er wie wohl der Körper siech ist, aber nicht der Geist. Diese Textstelle hat mukti ja in Beitrag 3 zitiert.


    Schaut man sich Sariputtas Erklärungen genauer an, dann wird man feststellen, dass er nur über den Zustand des Geistes redet, aber nicht über den Zustand des Körpers obwohl dieser beide Male erwähnt wird.


    Der eigene Geist ist demnach siech, also krank, wenn man wie der unerfahrene Weltling (s. SN 22.1.11) an den 20 verkehrten Ansichten über das Verhältnis von Selbst und den Khandhas festhält. Der eigene Geist ist demnach nicht siech, wenn man wie der erfahrene, edle Jüngling (s.SN 22.1.18) diese Sichtweisen aufgegeben hat.


    Über den siechen Körper wird im Rahmen dieser Erklärungen von Sariputta nicht gesprochen. Nur der Erhabene spricht im Abschnitt 4 davon indem er sagt,:"Wenn einer, o Hausvater, einen solchen Körper herumträgt und ihn auch nur für einen Augenblick als krankheitsfrei ausgibt - was sollte dies anderes sein als Torheit?."


    Das würde ja bedeuten, dass sowohl der Körper des unerfahrenen Weltlings und des edlen Jünger gleichermaßen siech, also krank, sind, weil beider Körper gebrechlich und empfindlich sind.

    Gruß Helmut


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    Einmal editiert, zuletzt von Helmut ()

  • Der Körper mag alt, krank und sterbend sein, der Geist wird das alles nicht. Der Geist hat als einzige "Krankheit" die Verblendungen, Meinungen und Urteile, die ihn behindern.

    Meinungen, Urteile, Ansichten müssen nicht per se eine Krankheit des Geistes sein. Sie sind es nur wenn sie nicht mit der Realität übereinstimmen. Stimmen Ansichten, Meinungen und Urteile mit der Realität überein, weil sie auf gültiger Erkenntnis beruhen, dann sind sie keine Krankheit des Geistes.


    Deshalb heißt es ja im Sutta, dass der Geist siech ist, weil er an den 20 falschen Ansichten über das Verhältnis von Selbst und Khandhas festhält. Hält er an diesen nicht fest, weil er der Realität gemäß, also mit gültiger Erkenntnis, erfasst wie das Verhältnis zwischen Selbst und Khandhas ist, dann ist diese Ansicht keine Krankheit des Geistes.

    Gruß Helmut


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  • Über den siechen Körper wird im Rahmen dieser Erklärungen von Sariputta nicht gesprochen. Nur der Erhabene spricht im Abschnitt 4 davon indem er sagt,:"Wenn einer, o Hausvater, einen solchen Körper herumträgt und ihn auch nur für einen Augenblick als krankheitsfrei ausgibt - was sollte dies anderes sein als Torheit?."


    Das würde ja bedeuten, dass sowohl der Körper des unerfahrenen Weltlings und des edlen Jünger gleichermaßen siech, also krank, sind, weil beider Körper gebrechlich und empfindlich sind.

    Der Körper eines edlen Jüngers ist jedenfalls auch anfällig für Krankheit und Alter. Weil er das nicht ignoriert und die Konsequenzen daraus gezogen hat ist er ein edler Jünger geworden.

    Der Hausvater Nakulapitā aus diesem Sutta wird übrigens als Getreuer bezeichnet, an der Spitze der Laienjünger (A.I.24.).

  • Laut SN 22.1 ist der Geist siech aufgrund von 20 verkehrten Ansichten. In Bezug auf jedes Khandha gibt es vier verkehrte Ansichten. In SN 22.1.11 werden sie explizit in Bezug auf das Körper-Khandha genannt:

    • die Körperlichkeit als das Selbst betrachten;
    • das Selbst ist Besitzer des Körperlichkeit;
    • die Körperlichkeit befindet sich im Selbst:
    • das Selbst ist in der Körperlichkeit.

    Anschließend werden diese vier verkehrten Ansichten auf die anderen Khandhas bezogen.


    Wenn der Erhabene dem Hausvater Nakulapita sagt, er solle sich darin üben, den Geist nicht siech werden zu lassen, dann hat dies meines Erachtens zwei Aspekte:

    • Wenn diese Ansichten im eigenen Geist entstanden sind, solle man sie mit geeigneten Gegenmitteln überwinden;
    • Wenn sie noch nicht im eigenen Geist entstanden sind, solle man dafür sorgen, dass sie auch zukünftig nicht im eigenen Geist entstehen.

    Gruß Helmut


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  • Laut SN 22.1 ist der Geist siech aufgrund von 20 verkehrten Ansichten...


    Technisch gesehen ist dies nicht ganz richtig. Wird auch im Atthakatha entsprechend anders gelehrt. Die 20 verkehrten Identifikationen werden bereits mit dem Stromeintritt überwunden. Der Geist ist aber nicht mehr siech, erst wenn er vollkommen frei von Gier, Hass und Verblendung ist.


    Bodhi (2005): Connected Discourses of the Buddha:

    [Aus dem Sāratthappakāsinī:] Here, nonaffliction of mind is shown by the absence of defilements. Thus in this sutta the worldly multitude is shown to be afflicted in both body and mind, the arahant to be afflicted in body but unafflicted in mind. The seven trainees (sekha: the four on the path and three at the fruition stages) are neither [entirely] afflicted in mind nor [entirely] unafflicted in mind, but they are pursuing nonaffliction of mind (anāturacittataṃ yeva bhajanti).

  • Laut SN 22.1 ist der Geist siech aufgrund von 20 verkehrten Ansichten...


    Technisch gesehen ist dies nicht ganz richtig. Wird auch im Atthakatha entsprechend anders gelehrt. Die 20 verkehrten Identifikationen werden bereits mit dem Stromeintritt überwunden. Der Geist ist aber nicht mehr siech, erst wenn er vollkommen frei von Gier, Hass und Verblendung ist.

    Wenn es im Sotapanna (Stromeintritt) noch Gier, Hass und Verblendung gibt dann sind die 20 verkehrten Identifikationen wohl nicht vollkommen überwunden bzw. erloschen, das wäre erst beim Arahat der Fall. Überwunden sind beim Stromeintritt diese 20 verkehrten Ansichten, wie es in SN.22.1 auch heißt: "Nicht verharrt er in der vorgefassten Meinung". Daraus schließe ich dass bereits der Geist eines Sotapanna in dieser Lehrrede als nicht siech bezeichnet wird.


    Wie dem auch sei, der Buddha hat dem Nakulapita geraten "Daher sollst du dich, Hausvater, darin üben: Mag auch der Körper siech sein, der Geist soll mir nicht siech werden!". Der ehrwürdige Sāriputta hat ihm dann genauer erklärt was er üben soll, nämlich soll er die khandha nicht als Selbst betrachten.

  • Daraus schließe ich dass bereits der Geist eines Sotapanna in dieser Lehrrede als nicht siech bezeichnet wird.


    Dafür ist die Kommentarliteratur der Ordensälteren ja da, um unsere Ansichten ggf. zu korrigieren. Ein Geist, der nicht siech sein soll, aber weiterhin mit Gier, Hass und Verblendung verunreinigt ist, wäre doch komisch.

  • Ein Geist, der nicht siech sein soll, aber weiterhin mit Gier, Hass und Verblendung verunreinigt ist, wäre doch komisch.

    Hi Leuchtende Birke,

    das bezieht sich doch auf einen Sotapanna und nicht auf einen "Otto Normalverbraucher", oder?

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  • Daraus schließe ich dass bereits der Geist eines Sotapanna in dieser Lehrrede als nicht siech bezeichnet wird.


    Dafür ist die Kommentarliteratur der Ordensälteren ja da, um unsere Ansichten ggf. zu korrigieren. Ein Geist, der nicht siech sein soll, aber weiterhin mit Gier, Hass und Verblendung verunreinigt ist, wäre doch komisch.

    In diesem Sutta wird der Geist eines "erfahrenen, edlen Jüngers, die Edlen kennend der Lehre der Edlen kundig, in der Lehre der Edlen geschult" als nicht siech bezeichnet. Das betrifft gewöhnlich einen ariya puggala, jemand der eine der vier Heiligkeitsstufen erreicht hat (sotāpanna, sakadāgāmi, anāgami, arahat). Genau genommen ist aber erst der Geist eines arahat nicht mehr siech.


    Abgesehen vom exakten Wortlaut ist der Sinn der Rede wohl aufzuzeigen was ein siecher Geist ist und wie er von Verunreinigungen frei werden kann. Auf diese Weise lässt sich mit dem Sutta auch ohne Kommentar was anfangen. Die Kommentare finde ich manchmal hilfreich, manchmal nicht.

  • Genau genommen ist aber erst der Geist eines arahat nicht mehr siech.


    Ja, ganz genau.


    Die Kommentare finde ich manchmal hilfreich, manchmal nicht.


    Ist ja auch okay. Die Kommentare sind aber gerade das, was den Theravada ausmacht. Sie zeigen uns, wie die Doktrin der Ordensälteren ist im Gegensatz zu unserer eigenen Doktrin/Interpretation oder der der Sarvastivadin o.ä.

  • Die Kommentare finde ich manchmal hilfreich, manchmal nicht.


    Ist ja auch okay. Die Kommentare sind aber gerade das, was den Theravada ausmacht. Sie zeigen uns, wie die Doktrin der Ordensälteren ist im Gegensatz zu unserer eigenen Doktrin/Interpretation oder der der Sarvastivadin o.ä.

    Was den Theravada von anderen Richtungen unterscheidet ist vor allem dass er auf dem Palikanon gründet. Manches wird verschieden ausgelegt, diskutiert und kommentiert und es gibt auch innerhalb des Theravada verschiedene Strömungen. Bei Laien, wohl besonders im Westen, ist die Toleranzgrenze noch weiter ausgedehnt.

  • In diesem Sutta wird der Geist eines "erfahrenen, edlen Jüngers, die Edlen kennend der Lehre der Edlen kundig, in der Lehre der Edlen geschult" als nicht siech bezeichnet. Das betrifft gewöhnlich einen ariya puggala, jemand der eine der vier Heiligkeitsstufen erreicht hat (sotāpanna, sakadāgāmi, anāgami, arahat). Genau genommen ist aber erst der Geist eines arahat nicht mehr siech.

    Ist mit dem erfahrenen, edlen Jünger in Abschnitt 18 wirklich ein ariya puggala gemeint? SN 22.1 ist ja eine Lehrrede, die sich an einen Hausvater wendet und ihm erklärt wie er sie schulen soll damit sein Geist nicht siech wird.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Ist mit dem erfahrenen, edlen Jünger in Abschnitt 18 wirklich ein ariya puggala gemeint?


    Kann. Muss aber nicht. Der Palibegriff hier ist ariyasāvako. Bodhi schreibt hierzu in seiner Anguttaranikaya-Übersetzung:


    Zitat

    An ariyasāvaka is not necessarily a "noble one" in the technical sense, but any disciple, monastic or layperson, who has learned the teaching and earnestly takes up the practice. (S. 1599)

  • Ist mit dem erfahrenen, edlen Jünger in Abschnitt 18 wirklich ein ariya puggala gemeint?


    Kann. Muss aber nicht. Der Palibegriff hier ist ariyasāvako. Bodhi schreibt hierzu in seiner Anguttaranikaya-Übersetzung:


    Zitat

    An ariyasāvaka is not necessarily a "noble one" in the technical sense, but any disciple, monastic or layperson, who has learned the teaching and earnestly takes up the practice. (S. 1599)


    In diesem Fall ist er aber zumindest ein Stromeingetretener. Die Abkehr von den 20 verkehrten Identifikationen ist ja bereits vollzogen und genau dies ist ein Merkmal des Stromeintritts.