Stupa als Schutz

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    Ich habe heute eine Frage an tib. Buddhistinnen und Buddhisten: Meines Wissens war die Funktion einer Stupa ursprünglich, Reliquien aufzubewahren. Hinzu kamen schnell symbolische und rituelle Bedeutungen. Die Spitze etwa soll Buddha symbolisieren, die Kuppel den Dharma.


    Ist Euch in irgendeinem Zusammenhang bekannt, dass eine Stupa als Schutz des Landstriches in dem sie errichtet ist vor äusseren Feinden dienen soll?

    "Es gibt nur eine falsche Sicht: Der Glaube, meine Sicht ist die einzig richtige."

    Nagarjuna

  • Ist Euch in irgendeinem Zusammenhang bekannt, dass eine Stupa als Schutz des Landstriches in dem sie errichtet ist vor äusseren Feinden dienen soll?

    Aus den Erklärungen meiner tibetischen Lehrer zur Symbolik des Stupas ist mir dieser Aspekt nicht bekannt. Ihre Erklärungen legten die Symbolik des Stupa als den Weg zum Erwachen dar wie er in den 37 für die Erleuchtung förderlichen Eigenschaften dargelegt wird.

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Zitat

    Ist Euch in irgendeinem Zusammenhang bekannt, dass eine Stupa als Schutz des Landstriches in dem sie errichtet ist vor äusseren Feinden dienen soll?

    Das kann ich nicht sagen. Das Erbauen einer Stupa soll aber dem Erbauer oder Financier dafür große Verdienste bringen. Manch ein reicher Mensch, dem am Ende seines Lebens einige Dinge leid tun, wollte sich so sein Karma verbessern.

    Die Dinge entstehen, existieren und vergehen. Das ist normal. Ajaan Tippakorn

  • Du fragst im tibetischen Bereich, daher gerne löschen/verschieben, aber viele Antworten sind ja nicht gekommen. Mendelson (1975) schreibt in Sangha and State in Burma über die Kaba Aye World Peace Pagoda in Yangon:


    Zitat

    The Kaba Aye Pagoda was undoubtedly related to a "vibrational" ideology according to which numbers, letters, cardinal directions, and such are placed in relation, by magic ritual, with the attainment of certain worldly aims ... Much nativistic, "right-wing" nationalism was connected, for example, with "vibrational" forces designed to make the British leave Burma. In the case of the Kaba Aye, the stated aim was world peace but there was clearly an element of "Peace for Burma" in the wished-for result. (S. 273)

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    Du fragst im tibetischen Bereich, daher gerne löschen/verschieben, aber viele Antworten sind ja nicht gekommen. Mendelson (1975) schreibt in Sangha and State in Burma über die Kaba Aye World Peace Pagoda in Yangon:


    Zitat

    The Kaba Aye Pagoda was undoubtedly related to a "vibrational" ideology according to which numbers, letters, cardinal directions, and such are placed in relation, by magic ritual, with the attainment of certain worldly aims ... Much nativistic, "right-wing" nationalism was connected, for example, with "vibrational" forces designed to make the British leave Burma. In the case of the Kaba Aye, the stated aim was world peace but there was clearly an element of "Peace for Burma" in the wished-for result. (S. 273)


    Ja, tatsächlich interessiert mich die spezifisch tibetische Sicht. In Berlin gibt es ja eine (tib.) Friedensstupa, die Gegenstände aller Weltreligionen enthält. Ich hörte aber, dass auch zum Zwecke der „Verteidigung“ gegen äußere Feinde (tib.) Stupas errichtet würden. Das Beispiel aus Burma enthält ja offenbar beide Elemente - auch wenn es sich nun nicht um eine tib. Stupa handelt.

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    Nagarjuna

  • Also ein gewisser Herr Nydahl meinte bei der Einweihung der Kalachakrastupa in Karma Gön (Spanien, in der Nähe von Malaga, wenn ich mich recht erinnere), dass sie als Schutz vor dem Islam dienen soll, als Bollwerk für das freie Europa. Ob das der Vajrayanalehre oder eher einer Islamophobie geschuldet ist, weiß ich nicht.
    Zum anderen steht die Stupa auch symbolisch für Buddha, Dharma und Sangha, und ob diese Schutz gewähren sollen, könnte man auch überlegen. Aber eigentlich braucht nur das Ich Schutz. Sonst macht das Konzept des Schutzes meiner Meinung nach wenig Sinn. Ich bin da sicher eher bei A. Watts "Weisheit des ungesicherten Lebens". Aber auch dies kennt man im Vajrayana, oder vielleicht eher im Dzogchen.

    "Im letzten Jahr ihres Lebens sagte meine Mutter im Alter von 95 mehrmals: "Es ist befreiend zu erkennen, dass nichts wirklich eine Rolle spielt." Sie sagte es freudig, erleichtert, so, als ob sich eine Last (auf)gehoben hätte."


    Joan Tollifson

  • Der Stupa ist ein Nachfolger der Grabhügel, ebenso wie auch die ägyptischen Pyramiden.

    Insofern ist es richtig, dass er in seiner weiterentwickelten Form, also als Stupa, zur Aufbewahrung von Reliquien dient.


    Aber davon mal abgesehen:

    Ist doch klar, dass ein Stupa als Schutz dienen kann! Aber nur, wenn er begehbar ist. Ähnlich wie eine christliche Kapelle usw.

    Stellt Euch einmal vor, es zieht ein schreckliches Gewitter auf mit Wolkenbruch, und ein begehbarer Stupa ist in der Nähe. Selbstverständlich könnt Ihr zum Stupa stürmen und Euch dort unterstellen, bis das Gewitter vorbei ist!

    Allerdings: in Deutschland ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass man bei Gewittergefahr praktischerweise gleich einen begehbaren Stupa in der Nähe hat. Ich kenne nur einen: den auf dem Gelände des Kamalashila-Instituts in der Eifel. Falls jemand von Euch noch weitere begehbare Stupas in Deutschland weiß, würde mich sehr interessieren, wo sie stehen. Wäre also für Rückmeldung sehr dankbar! Konnte das leider nicht ergoogeln, da habe ich wohl falsch gesucht.


    Macht Euch nicht lustig über meine Antwort, ich habe noch mehr auf Lager!


    Wollte nur damit sagen: man muss nicht immer alles so bierernst nehmen, und abergläubisch sollte man schon gar nicht sein.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Nun, da immer noch keiner geantwortet hat (schade!, jetzt habe ich schon so lange darauf gewartet), hier eine genauere Beschreibung, wie sich ein Stupa räumlich und in seiner Bedeutung zusammensetzt.


    Der Stupa hat sowohl etwas mit den fünf Elementen, als auch mit den Dhyani-Buddhas zu tun. Wobei die Lehre über die fünf Elemente die ältere ist und dem Schamanismus, bzw. dem Bön entstammt. Doch kann man nicht sagen, dass die Dhyani-Buddhas genau den fünf Elementen entsprechen. Es gibt Assoziationen, die aber nicht linear, sondern vernetzt verlaufen. Es ist mit Worten nicht so leicht zu erklären, sondern besser anhand eines anschaulichen Diagramms, da man sich diese Vernetzung besser dreidimensional vorstellen sollte.

    Doch sprechen wir zunächst mal nur von den fünf Elementen.

    Wenn man die Elemente chakrabezogen übt, so fängt man unten an und endet oben. Im Tibetischen Buddhismus übt man mit fünf Chakras, im Hinduismus mit sieben. Man kann nicht beide Systeme miteinander vermischen. Im Buddhismus heißen die fünf Chakras, von unten nach oben: Muladhara, Manipura, Anahata, Visuddha, Sahasrara. Die Farben-Reihenfolge ist diese:

    Gelb, Weiß, Rot, Grün, Blau, die Bija-Mantras dazu: Lam, Vam, Ram, Yam, Kham, das entspricht den Elementen, von unten nach oben: Erde, Wasser, Feuer, Luft, Äther.

    Wenn man sich die dazugehörigen Symbole dreidimensional vorstellt, sieht das so aus:

    Würfel, Kugel, Kegel (mit Spitze nach oben), dann folgt eine Halbrundschale (zeigt nach oben), dann eine Flamme, die einen Bindu enthält. Letztendlich enthält aber der Bindu alle diese, denn jede Visualisations-Meditation beginnt und endet in der Dynamik schließlich im Bindu.

    Nach diesem Grundschema sind Stupas aufgebaut, auch wenn man das, durch künstlerische Abweichungen und traditionelle Stile, nicht immer gleich auf Anhieb erkennen kann.

    Genau genommen entspricht der Stupa, im übertragenen und meditativen Sinne, dem menschlichen Körper.

    Daher ist es gut, so man sich zu Hause einen Schrein eingerichtet hat, so einen Stupa beizustellen. Aber nicht irgendwo, sondern linksseitig der zentralen Figur, Shakyamuni Buddha.


    Da nun der Stupa dem (subtilen) menschlichen Körper entspricht, ist es nur natürlich, dass man in ihm Reliquien aufbewahrt.

    Wie kann man sich nun einen Stupa als Schutz vorstellen? - Nun, indem man meditativ sich den Körper erschließt.

    Wenn ich in mir zu Hause bin, so kann mich nichts erschüttern.

    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
    sondern wolle, dass alles so geschieht, wie es geschieht,
    und es wird dir gut gehen.
    Epiktet

  • Ich finde es nachvollziehbar, dass Stupas im Buddhismus so eine große Bedeutung gewannen und es als etwas zu sehen, "wo man sich bei Gewitter" unterstellt, ignoriert ja die enorme symbolische Bedeutung die es für den Buddhismus hatte und hat.


    Buddhismus erschöpft sich ja nicht in in Texten und auch im Palikanon sind Beispiel benannt, wo Buddha durch seine Präsenz Leute zum Umdenken brachte. Man denke nur an das Anguliamala-Sutta wo er sich mit bloßen Händen dem Massenmörder Anguliamala entgegenstellt und diesen allein durch die Wucht seiner Präsenz und Geduld zur Umkehr bewegt.


    Während die gelehrten Mönche nach Buddhas Tod diesen in seinen Suttas wiederfinden könnte, waren die Reliquien und die Stupas Fokalpunkte der heilsamen Präsenz Buddhas, zu denen auch analphabetische Laien Zugang finden konnten. Von daher hatten Stupas für viele Leute eine ganz starke symbolische Bedeutung.


    Als der Ashoka den Buddhismus förderte, verlieh er diesem buddhistischen Geist materiellen Ausdruck, indem er im ganzen Land Tausende von Stupas errichten ließ, von denen einige bis heute durchgehalten haben. Nicht weil jemand beim Regen nicht nass werden wollte, sondern aus Verehrung für die darin ausgedrückte Präsenz Buddhas.


    Stupas zu errichten, bedeutete damals den Buddhismus und seine Verbreitung und Verfestigung zu fördern. Ein äußerst heilsamer Akt der nicht nur für das Individuum sondern für das ganze Land gutes Karma bewirkt.


    Aus dieser Logik heraus ist es dann dazu geeignet ist, Unheil wie Seuchen, Kriege, Hungersnöte und eben auch Angriffe von Feinden, die alles als die Folge schlechten Karmas gelten, entgegenzuwirken. Ashoka förderte die Klöster, errichtete Stupas und schickte buddhistische Missionen in fremde Länder wie nach Ägypten oder Syrien.


    Ein Stupa soll nicht vor äußeren Feinden schützten, sondern es repräsentiert das zu dem wir Zuflucht nehmen (Buddha, Dharma,Sangha) und das uns hilft dem was aus unseren vergangenen eigenen schlechten Taten erwächst entgegenzuwirken.


    Aber natürlich haben sich später darüber hinausgehende Formen von Stupas entwickelt. Im tibetischen Buddhismus ist das Kalachakra Stupa wichtig, dass sich auf das Kalachakra Tantra bezieht. Hier kenne ich mich leider kaum aus und bin darauf angewiesen Experten wie Alexander Berzin zuzuhören:


    „Kalachakra“ bedeutet Zeitzyklen. Zeit ist ein Maß der Veränderung - sowohl äußerer Veränderung in der Welt und im Universum als auch innerer Veränderungen im Körper. Als solche kann Zeit auf vielerlei verschiedene Weise gemessen werden. Äußerlich gibt es die Zyklen der Umlaufbahnen von Planeten, die Monate und Jahreszeiten, die Mondphasen, die Stunden des Tages usw. sowie auch historische Zyklen und Perioden von Krieg und Frieden.

    Dies ist nachvollziehbar. In einer traditionellen Sicht werden Perioden des Frieden so wahrgenommen werden, dass eine starke Zentralmacht für Gerechtigkeit, Ordnung, Wohlstand, Sicherheit und Blüte von Kultur und Buddhismus sorgen, während in Phasen der Unruhe, Räuber, Aufständische und Barbaren dafür sorgen, dass niemand seines Lebens und seines Besitzers sicher ist und es auch der Buddhismus Verfolgung und Schwächung ausgesetzt ist.


    Und auch hier wird ein Stupa natürlich die Kräfte repräsentieren,die erstere (Heilsame, friedliche) Zustände fördert und zweite (unheilsamen, destruktive) Zustande vermeidet.


    Weil der Buddhismus in Indien nicht nur durch innere Bedingungen sondern auch durch die moslemische Invasion nahezu zerstört wurde, ist es nachvollziehbar, dass die Idee der äußeren, anti-buddhistischen Barbaren mit Moslems erfolgte. Nach der Zerstörung von Nalanda flohen ja viele Ordinierte nach Tibet.


    Dies hat wohl die unbeabsichtigte und unerfreuliche Wirkung dass man aus dem Kalchakra Tantra das Narrativ eines Endkampfes zwischen Buddhisten und Moslems extrahieren kann kann.


    Und dies kann dann z.B Ole Nydahl ein im Sinne seiner Vorurteile auffassen und instrumentalisieren. Aber auch Leute die dem tibetischen Buddhismus skeptisch und feindlich gegenüberstehen, können das als Bestätigung ihrer Vorurteile gegen den tibetischen Buddhismus als "dumpf, fremdenfeindlich und apokalyptisch" darstellen.


    Von daher ist dies ein Thema dass ganz viel Fingerspitzengefühl erfordert und dazu geeignet ist, zum Streit zu führen. Und da dass Kalachakra Tantra ja eben geheim ist und eine Einweihung erfordert, führt dass dazu, dass es für diejenigen die sich auskennen, schwer ist da etwas darüber zu sagen, und für diejenigen die mutmaßen, liegt es nahe da etwas hinein zu interpretieren.


    Auf der Seite von Tendzin Peljor gibt es einen Recht sachlichen  Text von Bhikṣuṇī Jampa Tsedroen (Carola Roloff) wo es um das Thema geht. Sie ist ja gleichzeitig Religionswissenschaftlerin und Gelug Nonne und spricht von daher von einer guten Position aus um dich dem Thema sachlich, freundlich und offen anzunähern.

  • Quote

    "Im Buddhismus ist ein Kalachakra-Stupa ein Stupa, dessen Symbolik nicht mit Ereignissen im Leben des Buddha verbunden ist, sondern mit der Symbolik des Kalachakra-Tantra, das zum Schutz vor negativen Energien geschaffen wurde. [1] Es ist die seltenste Art von Stupa. [Zitat benötigt]!"

    Dieses Zitat aus Wikipedia, "Kalachakra Stupa", erklärt diese spezielle Sonderform des Stupa in Verbindung mit dem Kalachakra Tantra.

    Das ist nicht so hilfreich, wenn man in Tibet und im tibetischen Einfluss- und Kulturbereich immer wieder den klassischen, "alltäglichen" Stupas begegnet.


    Ich habe daher hier, siehe unten, das innere Übungs-Schema eines Stupas eingestellt, fotografiert aus: "Grundlagen Tibetischer Mystik" von Lama Anagarika Govinda (1959, 9. Aufl. von 1994), so, wie ich es in meiner Antwort #8 bereits angedeutet hatte.

    Hier ist außerdem der Bezug zu den Dhyani-Buddhas dargestellt, siehe mein Zitat aus #8:

    Quote

    Doch kann man nicht sagen, dass die Dhyani-Buddhas genau den fünf Elementen entsprechen. Es gibt Assoziationen, die aber nicht linear, sondern vernetzt verlaufen. Es ist mit Worten nicht so leicht zu erklären, sondern besser anhand eines anschaulichen Diagramms, da man sich diese Vernetzung besser dreidimensional vorstellen sollte.

    Ihr seht im Schema die Dhyani-Buddhas rechts aufgezählt, mit Bezug zu den Elementen.

    Dem linken Bereich ist zu entnehmen, dass man die Meditation mit einem OM-AH-HUM abschließt, da im Tibetischen Buddhismus, im Gegensatz zum Hinduismus, der "Abstieg zur Verwirklichung" sozusagen die Krönung zur Vervollkommnung bedeutet, Im Hinduismus dagegen bedeutet letztendliche Verwirklichung das Einssein mit dem "All-Einen", daher würde man dort die Meditation im Kopfchakra beenden.

    Der Unterschied zeigt dabei gleichzeitig, dass im Hinduismus die Auflösung des Ich das letzthinnige Ziel ist, während im Tantrayana das Herzzentrum im Mittelpunkt steht, in Verbindung mit der Bodhisattvaschaft. Mit anderen Worten: Kurz vor der endgültigen Erleuchtung macht der Adept freiwillig einen "Rückzieher", um bewusst einen erleuchteten Weg zu wählen, so vielen Wesen wie möglich helfen zu können.

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    Verlange nicht, dass alles so geschieht, wie du es wünschest,
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