Demut

  • Hallo, wir Christen sollen uns in Demut üben. Wie ist das im Buddhismus? Gruß

    Nichts ist gewisser als der Tod, nichts ungewisser als seine Stunde (Anselm von Canterbury, 1033-1109)

  • Als Buddhist sehe ich das so: Alles was mir in irgendwelchem Zusammenhang hilft, habe ich durch die Güte von anderen. Ich wurde geboren und wäre sofort gestorben, wenn andere nicht gewesen wären. Andere haben mir Bildung und Nahrung und Behausung ermöglicht. Andere töten oder verletzen mich nicht, obwohl sie das ja auch tun könnten. Andere geben mir Medizin wenn ich krank bin.
    Und wiederum andere haben mir die Lehre des Buddha nahe gebracht. Ohne diese anderen, wäre ich niemals auf den rechten Weg gekommen.
    Und schließlich der Buddha. Hätte er nicht Mühsal auf sich genommen und den Weg neu entdeckt und ihn dann mitfühlsam gelehrt vor vielen Jahren, damit andere ihn überliefern konnten, wie fürchterlich wäre meine Situation heute?


    Ist das Demut? Ich weiß nicht. Für mich ist es einfach das Wissen, dass ich anderen alles zu verdanken habe und nichts selbst zustandegebracht habe. Und daraus resultiert Dankbarkeit.



    Grüße
    TM

  • _()_
    das ist das ein mehr als perfektes Beispiel, was man ins deutsche übersetzt unter Demut versteht.


    Wenn wir traumatisiert sind verbinden wir schnell Demütigkeit (IG-keit) damit. Das Wort falsch verstanden lebt sich dann als eine Abneigung (Übermut) oder eine Anhaftung (Abwertung unserer Eigenen Person) aus. Vielleicht hilft manchmal das Wort De-über-mut um zur Demut zu finden. Aber auch das Wort Mut kann zu Demut führen. Je nach dem wo man steht.
    Letztlich ist Demut einfach Vertrauen, ein Vertrauen das Schutz und ein vertrauen, dass einen heilsamen Weg angibt.
    Wie jedes Vertrauen, beginnt dieses mit der Vertrauen an sich selbst. Um uns zu weiter zu vertrauen, müssen wir dieses Vertrauen auf alles ausweiten was uns ausmacht und uns erhält. Aus dem Erkennen, dass wir nicht unabhängig von anderen sind, entstehen dann wahre Demut, so wie das TMingyur wunderschön beschreibt.


    Wir können wie immer andere Worte suchen, oder Worte einfach von Gefühlen und Traumata entflechten. *schmunzel*

  • Demut und Gehorsam, speziell in einem christlichen Kontext, sind für mich negativ besetzte Begriffe.


    Im Buddhismus gibt es keinen Gott, dem man gehorsam oder demütig gegenüberstehen soll oder muss. Man ist selbstverantwortlich. In jeder Beziehung. Man muss und soll nicht blind glauben. Alles hinterfragen und sich selbst gegenüber verantwortlich sein.


    Hieraus entsteht dann irgendwann ganz von allein eine Demut gegenüber allen anderen Wesen. Ein natürlicher Gehorsam gegenüber Lehrern und Mitmenschen die weiter auf dem Weg sind als man selber. Dies entwickelt sich aber ohne äußeren Zwang, ohne schlechtes Gewissen. Ganz natürlich.


    Bis dahin ist es ein weiter Weg. Und die Bedeutung der Begriffe ändert sich. Jeder muss den Weg alleine gehen. Auch hier ist Selbstverantwortung das Schlüsselwort. Lehrer im alltäglichen Leben, und auch Buddha selber als Lehrer, geben nur Hilfestellungen und Ratschläge. Reflektieren und umsetzen muss sie jeder für sich allein.

    Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.


    Die Leute von denen Du am meisten lernen kannst sind die mit denen Du nicht einer Meinung bist.

  • Liebe Grüße Beth und willkommen im Forum,


    ich halte es für problematisch, Begriffe, die einen bestimmten Kontext in einer Religion haben auf andere Religionen zu übertragen oder im Zusammenhang einer anderen Religion zu betrachten.


    Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn Du zuerst definieren würdest, was genau Du unter Demut verstehst und vielleicht ein Beispiel für praktizierte Demut geben würdest. Jeder könnte dann einfacher prüfen, ob diese Haltung mit seinem Verständnis von Buddhismus zu vereinbaren ist.


    Wenn ich einen Artikel wie http://de.wikipedia.org/wiki/Demut ansehe würde ich die darin angestellten Überlegungen für eine buddhistische Grundhaltung ablehnen. Für mich sind letztlich Buddhismus und Christentum nicht zur Deckung zu bringen. Der zentrale Unterschied, neben der theistischen Struktur des Christentums ist für mich die grundsätzlich unterschiedliche Haltung gegenüber dem Ausgangspunkt der Religion. Christ/Christengott (es gibt ja noch ein paar Millionen andere) vs. Buddhist/Buddha sind zwei nie zur Deckung zu bringende Verhältnisse, ja beinahe Widersprüche.


    Lass' mich einen Text zitieren, der kein bisschen Demut ausstrahlt... :D
    (M. 26. (III,6))


    "Allüberwinder, Allerkenner bin ich,
    Von allen Dingen ewig abgeschieden,
    Verlassend alles, lebenswahngeläutert,
    Durch mich allein belehrt, wen kann ich nennen ?
    "Kein Lehrer hat mich aufgeklärt,
    Kein Wesen gibt es, das mir gleicht,
    Die Welt mit ihren Göttern hat
    Nicht Einen Ebenbürtigen.
    "Denn ich bin ja der Herr der Welt,
    Der höchste Meister, der bin ich,
    Ein einzig Allvollendeter,
    Vollkommen Wahnerloschener.
    "Der Wahrheit Reich erricht' ich nun
    Und wandre zur Benaresstadt:
    Erdröhnen soll in finstrer Welt
    Die Trommel der Unsterblichkeit."

  • Ganz nüchtern aus dem Wiki:

    Zitat

    Ausdruck Demut kommt aus dem althochdeutschen diomuoti („dienstwillig“, also eigentlich „Gesinnung eines Dienenden“)


    Das entspricht vollkommen was auch in buddhistischer Sicht damit gemeint ist. Der Unterschied liegt nur darin, dass es keinen erlesenen Herren gibt sondern alle Lebenwesen diese zu bedienenden sind um einen Erfolg zu erzielen. *schmunzel*

  • Da gibt es verschiedene sieben Dinge und dennoch sind sie immer geich:



    und noch viel mehr aus der Übereinkunft


  • Mit den Übersetzungen in eine christlich geprägte Kultur ist das immer so eine Sache.
    Obigen Text habe ich mir daher mal im Pk angesehen dort steht eigentlich: hiri-balaṃ
    Mit "Dienen" oder zu diensten zu oder "dienstwillig“ sein hat das nicht wirklich zu tun.
    Die zweite Silbe "bala" bedeutet eine innere Kraft (wie es z.B. in den Fähigkeiten bzw.
    Kräften eines Vollendeten beschrieben wird. (tathāgata bala = zehn Kräfte eines Vollendeten)
    Entscheidend ist die erste Silbe "hiri".
    "Hiri" wird auch oft mit "Scham" übersetzt. Konsequenterweise müßte deswegen oben
    "Ein Schatz von Scham-kraft" stehen. Aber auch Scham trifft die Sache natürlich auch
    nicht 100% richtig. Einigermaßen treffen, würde nur eine Umschreibung. Kein Wort genügte
    da und deswegen auch die Probleme in der Übersetzung. Gemeint ist damit eine Kraft
    bzw Eigenschaft bzw. Fähigkeit sich zurück zuziehen bzw. zu halten, zu nehmen bzw.
    sich nicht überheblich in den Vordergrund zu spielen bzw. nicht überheblich zu sein,
    nicht Schamlos zu sein, Respekt zu haben und vieles mehr in dieser Richtung. Nicht
    ist damit gemeint kilometerweise auf dem Boden rumzukiechen.

  • Da tötet einer schamlos und unaufhaltsam, hat sich noch nie in seinem Leben gebückt und denk heute schon Scham zu verstehen. Es gibt auch das Gegenteil von rechtem Scham und das hängt mit der Bindung zur Sippe zusammen. Erkläre mir doch was ist richtiger und was ist falscher Scham? *schmunzel*

  • Hanzze:

    Ganz nüchtern aus dem Wiki:

    Zitat

    Ausdruck Demut kommt aus dem althochdeutschen diomuoti („dienstwillig“, also eigentlich „Gesinnung eines Dienenden“)


    Das entspricht vollkommen was auch in buddhistischer Sicht damit gemeint ist. Der Unterschied liegt nur darin, dass es keinen erlesenen Herren gibt sondern alle Lebenwesen diese zu bedienenden sind um einen Erfolg zu erzielen. *schmunzel*


    In meinen alten Biologiebuch steht:
    "Ein besondere Kennzeichen des Menschen ist es,
    daß er von Geburt an bis zum Tode
    auf die Zuneigung anderer Menschen
    angewiesen ist"


    Den Begriff Demut haben viele m.E. sich nennende Christen
    überhaupt nicht kapiert !
    Doch möchte ich mich weiter nicht darüber auslassen,
    da Buddhisten ja den Herrn der Welten, grundsätzlich ablehnen.
    Ich zumindest verstehe mich als dienenden in Demut hingebungsvollen Geist,
    als Arbeiter im Weinberge G'ttes, d.h. der Schöpfung und alle darin
    befindlichen Lebewesen zu hegen, zu pflegen in Liebe, Fürsorge, Mitgefühl
    und Achtsamkeit zu begegnen.


    Liebe Grüße und herzlich willkommen Beth :!:

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • Beth:

    Hallo, wir Christen sollen uns in Demut üben. Wie ist das im Buddhismus? Gruß


    Hi & willkommen Beth


    Ein ehrlicher Buddhist übt sich in Zurückhaltung, Sanftmut, Gleichmut, Herzlichkeit, Geduld, Sorgfalt und Ertragen.


    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

    Einmal editiert, zuletzt von nibbuti ()

  • Liebe Beth,


    für mich ist Demut die Grundlage für die Praxis. Sie schließt dualistisches Denken aus. Sie bedeutet das Leben so anzunehmen wie es ist, sich eingereiht zu sehen in das Gesamtgefüge, ein Grundvertrauen in die Dynamik des Lebens und die Mitwesen zu haben und sie bedeutet auch, von seinem Ego abzulassen und sich immer wieder zu öffnen und einzulassen.


    Ich habe immer ein Problem damit, wenn die Frage kommt, was ist "buddhistisch" und was nicht. Das klingt in meinen Ohren so ideologisiert: "Entspricht das jetzt der Lehre oder nicht?" Warum ist das so für mich? Weil es mir nicht um eine Lehre geht, schon gar nicht um eine reine Lehre. Sie ist für mich nicht Selbstzweck. Es geht für mich darum: Ist das heilsam? Nützt es möglichst vielen Wesen? Ist das praktikabel? Kann ich das umsetzen?
    Lasse ich den Begriff "Demut" durch dieses Raster laufen, dann muss ich mit einem eindeutigen "Ja" antworten. Und muss noch hinzufügen, dass das Empfinden von Demut in mir tiefe Ruhe und Gelassenheit auslöst. Es aktiviert gleichzeitig meine Kräfte ohne mein Zutun und mehrt sie in einem großen Maße. Mit dem Gefühl von Demut habe nicht den Eindruck von Alleingelassen-Sein und Hilflosigkeit sondern das Wissen darum, dass ich ein Teil eines unendlich großes Gefüges bin; nicht die ganze Last der Welt ruht auf meinen Schultern, aber ich bin dennoch unentbehrlich. Mein winziger Beitrag ist wichtig, aber weder bin ich alleine für das Unglück der Welt verantwortlich, noch bin ich insgesamt gescheitert, wenn mein winziger Beitrag noch nicht in Erscheinung tritt. Demut ist also auch ein gutes Mittel gegen Frustration, Burn-out, Versagensängste usw. Demut ist ein Gegenmittel für Menschen mit einem schlechten Selbstbewusstsein, weil diese oft denken, dass sie komplette Versager sind, wenn mal was nicht so klappt, wie sie es sich vorstellen. Demut ist also förderlich, wenn man lernen will sich in seinem So-sein anzunehmen: "Ich kann nicht alles, ich muss nicht alles können, ich bin nur ein winziger Teil, deshalb muss ich nicht Perfektion von mir erwarten, ich kann nicht alles kontrollieren usw."
    Dieser Aspekt von Demut wird meist übersehen. Die Menschen, die ich als demütig erfahren habe, sind unglaublich gelassen und selbstsicher, spontan, aktiv und frei.


    Liebe Grüße
    Knochensack

  • Beth:

    Hallo, wir Christen sollen uns in Demut üben. Wie ist das im Buddhismus? Gruß


    Und- machst Du es? Dann sage ich Dir, ob ich es auch tue :D


    _()_ c.d.

    Tag für Tag ein guter Tag