Ist Achtsamkeit das wichtigste?

  • Ich denke schon.


    Alle wichtigen Dinge im Buddhismus, angefangen bei der Tugend, über die Sinne (inklusive Geist: Bewusstsein, Wahrnehmung, Gestaltungen, Gefühl, Körperempfindungen), über die Einsicht, bis hin zur Meditation, beginnen mit der Achtsamkeit. Ohne die Achtsamkeit kann nichts davon dauerhaft funktionieren. Und auch erst durch die Tugend, die Sinnenzügelung und die Einsicht, die ja auf Achtsamkeit beruht, kann erst wirkliche Erkenntnis entstehen.


    Dazu noch dieses schöne und wichtige Sutta das Losang Lamo gepostet hat:


    Die Schale mit Öl


    In einer Rede an die Bewohner einer Stadt sprach der Buddha:


    "Mit einem Gleichnis will ich euch erklären, wie man Achtsamkeit üben sollte.
    Stellt euch vor, es wird angekündigt, dass die schönste Frau in diese Stadt kommt; außerdem kann sie noch wunderbar singen und tanzen. Daraufhin versammelt sich eine große Menschenmenge, und ein großes Gedränge entsteht. Nun stellt euch vor, einer kommt hierher und jemand sagt zu ihm: 'Mein Lieber, hier ist eine Schale, bis zum Rand mit Öl gefüllt. Diese Schale musst du in dem Menschengewühl herumtragen. Hinter dir aber geht ein Mann mit einem gezückten Schwert. Wenn du nur einen Tropfen Öl verschüttest, wird er dir sofort den Kopf abschlagen.'
    Ich denke, diese Person wird nun sehr achtsam sein und sich trotz der Menschenmenge und der schönen Frau nur um diese Schale kümmern und sich nicht leichtsinnig ablenken lassen - wenn sie ihr Leben liebt.
    In gleicher Weise sollt ihr die Achtsamkeit für den Körper aufrechterhalten und euch durch nichts ablenken lassen."


    Ausserdem viel mir noch etwas ein, aber ich weiss nicht genau woher. Ich versuche es einfach mal so zu formulieren wie ich daran erinnere:
    . Nach dem Motto:


    "So habe ich gehört..."


    Schüler: "Könnte mir der der Erhabene seine Lehre wohl kurz und knapp darlegen?"
    Buddha: "Achtsamkeit!"
    Schüler: "Das reicht mir nicht, könnte der Erhabene etwas ausführlicher werden?"
    Buddha: "Achtsamkeit, Achtsamkeit, Achtsamkeit!"

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Achtsamkeit ist das Mittel.


    Weisheit und Mitgefühl sind die Voraussetzungen.


    Achtsamkeit hilft nicht Weisheit und Mitgefühl zu entwickeln, wohl aber die Erkenntnisse der Weisheit und das Mitgefühl umzusetzen.


    Ohne Achtsamkeit ist Weisheit und Mitgefühl wertlos.
    Ohne Weisheit und Mitgefühl ist Achtsamkeit wertlos.
    Achtsamkeit gepaart mit Weisheit und Mitgefühl führt zur Befreiung vom Leid.


    Just my 2 Cent :)

    Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.


    Die Leute von denen Du am meisten lernen kannst sind die mit denen Du nicht einer Meinung bist.

  • Aah, gut gesagt, Bambus.


    Ich hätte auf den Lippen gehabt: nein, Mitgefühl ist das Wichtigste. Aber du hast ja recht: ohne Weisheit und Achtsamkeit ist auch Mitgefühl recht nutzlos.


    Danke.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • ..... Achtsamkeit, Achtsamkeit, Achtsamkeit :)


    Ohne die geht gar nichts.


    Onda:

    Der zweite Block (Sittlichkeit) ist der Mitgefühls-Block


    Sittlichkeit dient der Geistesruhe. Schlechtes sittliches Verhalten führt zu Gewissensbissen und Geistesunruhe.
    Geistesruhe braucht es aber für die Medi. Ohne Geistesruhe keine "fruchtbare" Medi.


    Ob das jetzt was mit Mitgefühl zu tun hat ist fraglich.
    Mitgefühl (Brahmaviharas) entsteht erst bei weit "Fortgeschrittenen, die anicca, dukkha und an-attā nicht nur angeschaut sondern durchschaut haben. Sie gehören zu den Nichtwiederkehrer.


    Liebe Grüße
    Kusala


    Der edle achtfache Pfad setzt sich zusammen aus:


    III. Einsicht/Weisheit (Paññā)


    rechte Erkenntnis (Sammā Diṭṭhi)
    rechte Gesinnung (Sammā Saṅkappa)


    I. Sittlichkeit (Sīla)


    rechtes Reden (Sammā Vācā)
    rechtes Tun (Sammā Kammanta)
    rechte Lebensführung (Samā Ājīva)

    II. Sammlung (Samādhi)


    rechte Anstrengung (Sammā Vāyāma)
    rechte Achtsamkeit (Sammā Sati)
    rechte Geistessammlung (Sammā Samādhi)

  • Mit "ist Achtsamkeit das Wichtigste" meinte ich ja nicht das Ziel. Sonst hätte ich gesagt Nirvana ist das wichtigste. Man beginnt ja nicht mit Weisheit oder Mitgefühl. Das sind meiner Meinung nach die Früchte einer guten Praxis, des gehens des (8 fachen) Pfads. Aber um den Pfad gehen zu können ist Achtsamkeit mMn die wichtigste Vorraussetzung.

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Maybe Buddha:

    Man beginnt ja nicht mit Weisheit oder Mitgefühl. Das sind meiner Meinung nach die Früchte einer guten Praxis


    Was war zuerst da? Die Henne oder das Ei?


    Weisheit und Mitgefühl sind sowohl Frucht als auch Samen. Zur Kultivierung dient die Achtsamkeit.


    Oder um beim Achtpfad zu bleiben. Nicht Schrittweise, erst 1, dann 2, ... Sondern alle gleichzeitig und sich gegenseitig aufbauend.

    Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.


    Die Leute von denen Du am meisten lernen kannst sind die mit denen Du nicht einer Meinung bist.

  • Bambus:
    Maybe Buddha:

    Man beginnt ja nicht mit Weisheit oder Mitgefühl. Das sind meiner Meinung nach die Früchte einer guten Praxis


    Was war zuerst da? Die Henne oder das Ei?


    Weisheit und Mitgefühl sind sowohl Frucht als auch Samen. Zur Kultivierung dient die Achtsamkeit.


    Dewegen ja meine präzisierung: Was ist am wichtigsten für den Weg, die Kultivierung... Die Achtsamkeit.


    Der Buddha sagt ja immer so schön das ein Jünger eine seine Reden hört und vertrauen fasst (durch Weisheit, Erkenntnis), aber das ist ja eigentlich erst der Startschuss.


    Zur Henne und dem Ei:
    Die Frage ist doch sehr leicht zu beantworten. Das Ei war zuerst da. Die Henne ist ja eine Mutation aus irgendeinem anderen Tier. Und nach jahrelangem evolutionsprozess, schlupfte irgendwann mal aus einem Ei das wir Henne nennen.


    Endlich geklärt die Frage ;):lol:

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Kusala:
    Onda:

    Der zweite Block (Sittlichkeit) ist der Mitgefühls-Block


    Sittlichkeit dient der Geistesruhe.
    Ob das jetzt was mit Mitgefühl zu tun hat ist fraglich.


    Sittlichkeit ist nicht nur ein Mittel zum Zweck. Ich halte Mitgefühl für DAS tragfähigste Fundament jeder Ethik, auch der buddhistischen.


    Zitat

    Mitgefühl (Brahmaviharas) entsteht erst bei weit "Fortgeschrittenen, die anicca, dukkha und an-attā nicht nur angeschaut sondern durchschaut haben.


    Meinst du wirklich, dass Mitgefühl eine derart exklusive Angelegenheit ist?
    Ich denke, dass jeder Mensch mit Mitgefühl (karuna) ausgestattet ist. Es ist leider in unterschiedlicher Art und Weise überlagert von Geistesgiften aller Art. Die Brahmaviharas sind keine exklusive Übung für Profis. Damit kann jeder etwas anfangen. Buddhismus praktizieren heißt Mitgefühl kultivieren.


    LG
    Onda

  • Wie würdet Ihr Mit-Gefühl, wie es im Dhamma verstanden wird erklären?


    Liebe Grüße
    Kusala

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Onda:

    Buddhismus praktizieren heißt Mitgefühl kultivieren.


    Du sagst es. Kultivieren!!! Es ist also nicht automatisch vorhanden oder?


    ()

  • Kusala:
    Onda:

    Buddhismus praktizieren heißt Mitgefühl kultivieren.


    Du sagst es. Kultivieren!!! Es ist also nicht automatisch vorhanden oder?


    ()


    Doch. Es ist auf jeder Stufe immer da. Es muss nur freigelegt werden. Bei einigen muss da viel weggeräumt werden. Bei anderen kaum etwas.
    LG
    Onda

  • Mitgefühl ist die Fähigkeit, sich im anderen zu sehen.
    Mitgefühl ist das tiefe Gefühl der Verbundenheit mit allen Wesen.


    Das ist immer da, leider aber bei vielen überdeckt von Gier, Hass und Verblendung.
    In dem Maße, in dem GHV schwinden, kann das natürliche Mitgefühl sich frei entfalten.
    Mitgefühl wird nicht aus dem Nichts generiert. Es ist immer da. Es müssen nur die Bedingungen geschaffen werden, damit es sich manifestieren kann.


    LG
    Onda

  • Onda:

    Das ist immer da, leider aber bei vielen überdeckt von Gier, Hass und Verblendung.


    Bei vielen oder bei allen Weltlingen?


    Onda:

    Es müssen nur die Bedingungen geschaffen werden, damit es sich manifestieren kann.


    Da kommen wir der Sache schon näher.


    Liebe Grüße
    Kusala

  • Ist Mitgefühl zwingend positiv besetzt? Kann man es nicht auch als die reine Fähigkeit sehen zu erkennen was ein anderes Wesen fühlt/wahrnimmt? Ganz neutral? Die Wertung, das "Mitleiden" oder "Mitfreuen" ist doch ein zweiter Schritt?


    Danke Kusala für die Anregung über diesen ja so oft genutzten Begriff einmal nachzudenken. (Womit ich noch lange nicht abgeschlossen habe :) )

    Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.


    Die Leute von denen Du am meisten lernen kannst sind die mit denen Du nicht einer Meinung bist.

  • Kusala:
    Onda:

    Das [Mitgefühl] ist immer da, leider aber bei vielen überdeckt von Gier, Hass und Verblendung.


    Bei vielen oder bei allen Weltlingen?


    Ich mag das Wort "Weltling" nicht. Das hat so eine herablassende Note. Lieber spreche ich von Menschen.
    Das natürliche Mitgefühl ist bei manchen Menschen von Gier, Hass und Verblendung stark verdeckt, bei anderen weniger. Da gibt es in puncto Mitgefühl wahre Naturtalente!


    LG
    Onda

  • Bambus:

    Ist Mitgefühl zwingend positiv besetzt? Kann man es nicht auch als die reine Fähigkeit sehen zu erkennen was ein anderes Wesen fühlt/wahrnimmt? Ganz neutral?


    Mitgefühl ist erst einmal einfach Mitgefühl.
    Das Gefühl tiefer Verbundenheit.


    Positiv ist es, weil es die einzige Basis für eine funktionierende Ethik ist.
    Und weil es wahr ist.


    LG
    Onda

  • Onda:

    weil es die einzige Basis für eine funktionierende Ethik ist.


    Nö!

  • Kommt drauf an wie man Mitgefühl auslegt. Wenn Mitgefühl bedeutet das man sich hinein fühlen kann was andere fühlen, man das aber dafür nutzt um diese auszunutzen und/oder sich zu bereichern, ist Mitgefühl erstmal nicht ausschliesslich positiv.
    Da spielt der Egoismus, also die Stärke der Illusion des Ich's eine grosse Rolle.

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha

  • Kusala:
    Onda:

    weil es die einzige Basis für eine funktionierende Ethik ist.


    Nö!


    Ich wüsste nicht, wie Ethik sonst sinnvoll funktionieren sollte. Natürlich kann man sich sittlich verhalten, weil man sich einen Nutzen davon verspricht. Oder weil man Angst vor Bestrafung (Gefängnis, Hölle etc.). Aber ob das Rechte Motivation im buddhistischen SInne ist?


    LG
    Onda

  • Maybe Buddha:

    Kommt drauf an wie man Mitgefühl auslegt.


    Die Frage war doch


    Zitat

    Wie würdet Ihr Mit-Gefühl, wie es im Dhamma verstanden wird erklären?


    Und ich frage mich ob da eine positive besetzte oder eine abstrakt neutrale Sicht gemeint ist.


    Aus dem Bauch heraus ist Mitgefühl, aus Dhamma-Sicht, für mich etwas positives. Das beinhaltet aber eine Wertung. Und deshalb zweifel ich gerade an meinem Bauchgefühl.


    *Bambus denkt einfach mal laut, bzw. tippt was er so denkt*

    Von mehreren Theorien, die die gleichen Sachverhalte erklären, ist die einfachste allen anderen vorzuziehen.


    Die Leute von denen Du am meisten lernen kannst sind die mit denen Du nicht einer Meinung bist.

  • Und da sind wir bei der Achtsamkeit ;)
    Achtsamkeit (Sati) bedeutet nämlich auch sich rück-zu-erinnern.
    Aus einer Rück-erinnerung heraus kann man event. mit- fühlen.


    Dazu muss man aber erst sehen (durchschauen) wie das z.B. mit den (unzuverlässige/veränderlichen) Gefühle/Fühlen funktioniert.
    Vom Groben ins Feine.


    Ein empathisches Mitgefühl ist mit Sicherheit bei jedem mehr oder weniger vorhanden. Da gebe ich Dir recht Onda.
    Aber der Dhamma geht darüber hinaus. Es ist eben wie Bambus schreibt neutral.


    Liebe Grüße
    Kusala


    @ Onda
    Das Wort "Weltling" bedeutet lediglich im buddhistischen Therminus die Unterscheidung zwischen dem im weltlichen Verbundenen und dem Heiligen (mindestens Stromeintritt). Die Be-wertung machst da nur Du.


  • Ich denke auch das Mit-Gefühl erstmal neutral ist. Erst durch andere Faktoren entsteht daraus positives Handeln. Zum einen durch Ursache und Wirkung. Tue ich dem anderen etwas gutes (da ich mitfühle, weissich was ihm fehlt oder was ihn bedrückt und kenne möglicherweise die Lösung), fällt das auch auf mich zurück. Ayya Khema sagte mal wer Liebe gibt verliert daduch nix sondern gewinnt mehr Liebe dazu (sinngemäß). Im Umkehrschluss bedeutet das, schade ich jemandem anderen, schade ich mir selbst. Es ist nicht wie mit Geld zum Beispiel. Verliere ich 10€ hab ich 10€ weniger. Sondern verliere ich 10€ habe ich dadurch 100€ (im übertragenen Sinn). Dazu kommt noch das Wissen über die selbstlosigkeit. Weiss ich das GHV alle erstmal in seinen Bann zieht und Blind macht durch das illosorisch entwickelte Ego und weiss ich das das ganze nur Faktoren (geistige) sind und kein echtes Selbst, und das man sich ebend deshalb nicht aussuchen kann wie man denkt, fühlt, wahrnimmt etc. Und das andere Menschen die das ebend nicht wissen und denken das wären "sie" das wäre ihr "selbst", deshalb falsch handeln, aber im Endeffekt auch nur glücklich sein wollen, aber dennoch Leiden.


    Diese ganzen Faktoren spielen da erheblich zusammen, denke ich, um wirklich Weise zu handeln.

    "Nur eines verkünde ich heute, wie immerdar: Leiden und seine Vernichtung."
    Buddha