Bewertung

  • Advaita:

    ... Ich meine Letzteres ist mir persönlich sogar noch etwas zugänglicher, da ich auf Grund gewisser "Taubheiten", die Entstehung oft erst verzögert wahrnehme.
    ...


    Ja, so geht es mir auch. Die zeitverzögerte Wahrnehmung des Entstehens von Gefühlen, lässt mich manchmal ein bisschen hilflos davor stehen, denn der Erdrutsch ließ sich so wieder mal nicht verhindern... :oops:
    Beim Beobachten der Vergehens, ist das im Ganzen eine irgendwie "positivere" Betrachtungsweise: 'Aha! Es vergeht auch wieder.'
    Auch kann man so das ganze Prinzip besser verstehen. Ich vermute, wenn man da durch- und überblickt, wird man das Entstehen von Gefühlen auch schneller wahrnehmen können. Die ganze Materie wird dadurch klarer. :)

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Liebe Losang,
    »Wie Wasser - in Wasser«
    ,hm:?::idea:


    Dir ein wunderschönes entspanntes Wochenende, in Ruhe und Frieden :!:


    _()_ Nomad

  • Es ist halb so wild, die Dinge zu beurteilen. Es ist ein tief verwurzelter Prozess von uns Menschen, um Filtern und selektiv wahrnehmen zu können.


    ABER:


    Lass oft, sehr oft los, lass die Wertungen sprudeln und fließen.
    Lass einfach zu, dass sich deine Werte und Urteile ständig verändern und es das natürlichste auf der Welt ist

  • Lukas Evangelium 6,41

    Aber was siehst du den Splitter,
    der im Auge deines Bruders ist,
    aber den Balken der in deinem eigenen Auge ist,
    nimmst du nicht wahr?


    :|

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • Ich finde jede Kritik, jede Anmaßung, jede Bewertung die mich verletzt als Lehrmaßnahme und ich bin oft verletzt.


    Ich kann dich gut verstehen, auch ich habe so meine Problem, sowohl mit Kritik, Anmaßung und Bewertung durch Andere, als auch Kritik, Anmaßung usw. selbst zu verhindern.
    Ich sehe es so, ich bin im Gespräch, ich bin im Kontakt mit unterschiedlichen Menschen, die allesamt ihre Geschichte haben. Ich kann nicht erwarten, das andere mich voll und ganz SEIN lassen, das funktioniert einfach nicht, denn jeder erlebt seine Welt anders als ich, jeder geht anders mit Kommunikation um, mit Leid, mit Freude.
    Was für mich in erster Linie Kritik bedeutet, kann für den Anderen einfach Sorge sein, um mein Wohlergehen.
    Wenn jemand Anmaßend ist, dann denke ich, hat er diese Erfahrung gemacht, Anmaßung resultiert meiner Meinung nach, aus Erlebten, das er für sich als "gut" oder "besser" wertet und dieses ist für ihn eben die absolute Wahrheit. Er gibt es als Lehre weiter, weil er denkt, auch für mich könnte es die absolute Wahrheit werden, er weiß nicht, das ich es als Anmaßend empfinde. Und wenn er es weiß, oder vermutet, dann ist das nicht ausreichend für ihn, es zu lassen. Das gleiche gilt für Bewertung, wir sind Menschen allesamt, was für den einen Bewertend ist, ist für den Anderen einfach nur seine Meinung zu einem Thema äussern, welches er gut oder eben schlecht findet. Der Mensch redet gerne über den Menschen.


    Das ist Leben und letztendlich gehört es auch zur Dukkha dazu. Ich selbst erlebe solche Arten der Kommunikation mittlerweile als Übungsreich und wohlmeinend. Früher bin ich geflüchtet, ich habe den Anderen einfach stehen gelassen um nicht wütend zu werden. Heute stelle ich mich dessen, reagiere aber ruhiger, indem ich antworte, das ich darüber nachdenken werde. Oder ich sage, das ich da eine andere Meinung zu habe.
    Nachdenken werde ich auf jeden Fall darüber, denn damit gebe ich mir selbst die Möglichkeit dem Gesagten und meinem Gegenüber Respekt zu zeigen und für mich das Gesagte noch einmal zu überprüfen, denn oft steckt hinter einer Kritik, eine Möglichkeit sich selbst in den Augen des Anderen zu sehen, und was für mich selbst wohlwollend ist, kann für den anderen eben das Gegenteil bedeuten.


    Aus der Praxis: ich war einmal auf einem Seminar, dort sollte man:
    Keine Kritik äussern
    Keine Bewertungen ausführen
    Umfangsformen unterlassen (Guten Morgen, Auf Wiedersehen, Guten Appetit usw)
    Nicht Maßregeln
    usw.


    Wir saßen am Tisch und aßen, alle schwiegen sich an.
    Wir saßen während der Übungen zusammen, alle schwiegen sich an


    Das Seminar ging 5 Tage, ich bin nach 2 Tagen gefahren weil ich das Gefühl hatte verrückt zu werden. Was hätte befreiend wirken sollen war nur unnatürlich und verkrampft.


    Was ich damit sagen möchte, ich bin Buddhistin und versuche mein Leben danach zu leben, aber ich kann von meinen Mitmenschen nicht erwarten, das sie ihr Leben meinen Bedürfnissen anpassen, würden sie das tun, wäre ich womöglich nie Buddhistin geworden, denn dann gäbe es für mich nichts zu lernen.


    Alles Liebe und Frieden
    Namasté
    Jo

  • Losang Lamo:

    Ich bekam gerade den Tipp, Gefühle nicht nur beim Entstehen sondern auch beim Vergehen zu beobachten. Wenn der Fokus auf der Vergänglichkeit eines Gefühls liegt, z.B. dem Wunsch zu kritisieren, dann wird auch sofort die Substanzlosigkeit des Gedanken oder Gefühls klar.
    Eine wunderbare Methode. :)


    Sehr interessant, ich werde darauf achten. Ist eine gute Übung!


    Was ich festgestellt habe, nach dem Gefühl ist da diese wundervolle entspannte leere. Ich habe das Gefühl (in dem Fall körperlicher Schmerz) mit aller Bewusstheit gefühlt, dann habe ich gefühlt wie es weniger wurde, es ging! Und danach war nichts mehr. Sehr bereinigend.

  • Losang Lamo:
    Advaita:

    ..doch irgendwie neigt der Mensch sehr dazu den Kritiker in sich laut werden zu lassen. Warum nur? ...


    Es lenkt so schön entspannend von den eigenen Herdfeuern ab.
    Im Außen sieht man alles leichter und schneller als bei sich selbst.
    Aber man kann das auch umdrehen: wenn man sich bewusst macht, dass das Außen nichts als die eigene Wahrnehmung ist und dass diese nicht perfekt objektiv sein KANN... Dann kann man weiter zu dem Schluss kommen "wie außen so innen"... Somit, in der Schlussfolgerung, sind die Splitter beim Anderen doch meine eigenen Balken - wow!
    Das ist aber ein steter Erinnerungsprozess.
    Es ist so weit entfernt von unserer üblichen Denkart hier, dass Rückfälle nicht nur unvermeidlich sondern auch nicht verwerflich sind. Fängt man also mit dem Nicht-Werten schonmal bei sich selber an und versucht geduldig alles zu üben. :)


    Kann ich nur beipflichten.

  • Guten Morgen!


    Herzlich willkommen im Forum an die Neuzugänge! :D


    @ Columbus: Ja, Bewertung ohne Anhaftung ist es worin man sich üben sollte. Im Grunde ist es ja durchaus auch sehr hilfreich, auf der Selbstentdecker- Reise, im Sinne von- was spiegelt mir mein Gegenüber (?), (was hier auch schon sehr eingängig beschrieben wurde) wenn man bestrebt ist ganz ehrlich mit sich und anderen umzugehen. Immer hinzusehen auch wenn es nicht immer so angenehm ist, was man so entdeckt.


    @ Jobrisha: Deine Zeilen sind mir sehr zugänglich und haben mich angeregt nochmal genauer hinzusehen. Ich empfinde Bewertungen auch oft extremer, da ich wie es so schön heißt- dünnhäutig, durchlässig bin gepaart mit einer ordentlichen Portion Selbstunsicherheit. Für mich haben/ hatten Bewertungen oft etwas bedrohliches, da ich mich davon eingeengt gefühlt habe- in meiner "Freiheit" beschnitten, mir die Worte zu sehr zu Herzen genommen habe. Ob diese Bewertungen positiven oder negativen Charakter hatten, war dabei ganz egal. Im Grunde sehe ich es aber auch aus Distanz so, dass es eben unterschiedliche Möglichkeiten gibt, mit Bewertungen die sich durch den Kontakt mit anderen Menschen/ Themeninhalten ergeben, umzugehen. Na klar. Und es ist wohl so, dass ich in dieser Hinsicht eher die zarten Töne bevorzuge, da es meinem Wesen am ehesten zuträglich ist. Es gibt aber eben Menschen die sind in ihrer Art "deftiger", bevorzugen die härteren Töne (um bei den Klängen zu bleiben :) ) Was auf mich eben oft aggressiv wirkt, ist für andere der ganz normale Umgang. Mein persönliches Erleben eben. Dies muß ich mir auch immer wieder mal bewusst machen, da es sehr tief verwurzelt war und es brauchte eben auch seine Zeit, dass ich dies so klar sehen konnte. Wobei es durchaus auch bewertende Frontalangriffe gibt, die ich wahrlich nicht als hilfreich sehen kann. Thema gewaltfreie Kommunikation. Man kann alles sagen, man sollte nur darauf achten in welche Worte man es packt und dass der Ton die Musik macht.


    Herzlichen Gruß,


    Advaita

    "Niemals wirst du dich der Welt recht erfreuen, ehe nicht die See selbst in deinen Adern fließt, dich der Himmel umhüllt und die Sterne dich krönen."


    "Centuries Of Meditation" von Thomas Trahernes


  • Ach Advaita, da sind wir uns wohl sehr ähnlich.
    Ich hab die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, ich führ mich auch immer in Versuchung :O) Ich habe eine niederländische Freundin, die immer alles ausspricht was sie denkt und fühlt, sie ist für mich das wahre Wunder an Versuchung, denn damit hat sie mich Anfangs unserer Freundschaft dauernd verletzt. Ich war kurz davor die Freundschaft zu beenden. Aber ich habe dem Mut gefunden mit ihr über meine Wahrnehmung zu sprechen und erfahren, das sie mir überhaupt nicht feindlich gesinnt ist, sondern nicht weiß wie sie sich anders / angenehmer ausdrücken soll / sie ist nicht nur mit gegenüber so, sondern allem und jedem. Seit dem ich das weiß, achte ich vielmehr auch auf Gesten oder Mimik, darin spiegelt sich dann was sie wirklich mit ihren Worten in mir bezwecken will und was ich bisher immer erblickt habe ist wirkliches Wohlwollen.
    Das hat mir unglaublich geholfen. Ich habe überhaupt kein dickes Fell, an mir geht nichts vorüber. Leid ist daher allgegenwärtig, der Buddhismus ist für mich nicht nur eine Philosophie, nicht nur Religion, sondern der Weg/die Wahrheit mein Wesen in dieser Welt zu verstehen.


    Alles liebe von Jo

  • Hallo Frank!


    Das ist ein sehr hilfreicher Denkanstoß. Ich habe hier in diesem Thread zwei Blickwinkel vermischt, nämlich einmal was passiert wenn ich auf Bewertung stoße/ bzw. was ich weiterhin daraus mache und Bewertung aus buddhistischer Sicht. Ich glaube Ersteres lag mir mehr am Herzen.
    An anderer Stelle schrieb ich von dem anhaftenden Urteilen in Bezug zum Buddhismus, was die Freiheit des Geistes behindert. Dies liegt mir jedoch auch am Herzen, da ich in meinem Urteilen auch auf mich bezogen sehr streng bin und hin und wieder vollkommen übersteigerte Anforderungen an mich selbst (aber auch an mein Umfeld) stelle und mich im Geiste dann dafür abkanzel wenn es nicht so eintrifft wie ich es mir vorgestellt habe. Ein unbewusstes Muster was ich lange Zeit mehr oder weniger unbemerkt so laufen lassen habe.


    Neulich wurde ich mal gefragt, was mir helfen könnte um mit diesem Aspekt besser umgehen zu können.


    Sanftmut, Gleichmut, Akzeptanz...


    Auch hier im Forum treffe ich immer wieder auf dieses Muster und manchmal gelingt es mir es im Vorfeld zu entschärfen, manchmal jedoch nicht, dann geschieht dies eben rückwirkend. In dem Moment auch wieder eine weitere Möglichkeit sich abzukanzeln, wenn man mit der Nase noch zu nah dran ist und sich dessen nicht bewusst ist. Aus der Distanz betrachtet ist es jedoch gut so wie es ist. Man kann nicht erwarten, dass Muster die über viele Jahre entstanden sind und sich verfestigt haben von jetzt auf gleich ausgemerzt sind, just nach Erkennen. Da hilft eine weitere Tugend, Geduld.


    Lieben Gruß,


    Advaita

    "Niemals wirst du dich der Welt recht erfreuen, ehe nicht die See selbst in deinen Adern fließt, dich der Himmel umhüllt und die Sterne dich krönen."


    "Centuries Of Meditation" von Thomas Trahernes

  • Frank1:

    Ich möchte auch perfekt sein und dies ist meines Erachtens nichts Fehlerhaftes, was einem oft suggeriert wird: "man soll sich doch mit weniger begnügen und seine Ansprüche runterschrauben". Aber selbst im Christentum wird nach Vollkommenheit gesucht.
    Aber das heisst auch, dass man sein jetziges Unperfektsein tolerieren sollte, aber eben daran arbeiten zu wollen, sollte.


    Die Vorstellung "Perfektion" ist sehr interessant und es scheint dass sie als Triebfeder, Grundlage für Anstrengung, unverzichtbar ist. Zielsetzung hat wohl immer was damit zu tun, auch wenn man die Relativität von "Perfektion" anerkennt. Man denke nur an die sog. "Vollkommenheiten" ("Paramitas") ...


    Frank1:


    Jeder hat auch geniale Bereiche und oft auch minderwertige Bereiche.


    Die Begriffe "hochwertig" und "minderwertig" dagegen scheinen mir nicht zwangsläufig etwas mit der Vorstellung von "Perfektion" zu tun zu haben. 8)

  • Frank1:

    Hallo Grund,


    ich denke Du wertest hier geniale Bereiche und minderwertige Bereiche anders wie ich.


    Es gibt unterschiedliches "Gefühl" (im übertragenen Sinne) für Sprache. So habe ich z.B. eben nichts "gewertet".


    Frank1:


    Meines Erachtens können, so wie Du es vielleicht siehst, geniale Bereiche auch mit minderwertigen Bereichen verbunden sein und runtergezogen werden und umgekehrt.
    So wie ich es definieren wollte, ist der geniale Bereich für mich ein schon dem Nirvana nahegekommener, vergeistigter Bereich, während minderwertig, unterstes Samsara für mich bedeutet. Wie gesagt, in Reinstform hat man solch einen genialen Bereich wahrscheinlich nur wenn man an dieser Stelle Erleuchtung hatte, da hast Du schon Recht. Also hat wahrscheinlich in reiner Form nicht jeder einen genialen Bereich, aber in verschmutzter.


    Habe ich Dich richtig verstanden?


    Ich verstehe Bahnhof und bringe bitte das was ich geschrieben habe nicht mit Vorstellungen von "Nirvana" oder "Samsara" in Verbindung. Das sage ich so, kann dich aber natürlich nicht davon abhalten, deiner Konditionierung nachzugehen, so wie ich halt der meinen nachgehe 8)


  • Hallo Frank,


    wie kannst du das Verhalten von der Person trennen?
    Das versteh ich nicht.


    Kannst du das näher erläutern.
    Liebe Grüße von Jo

  • Frank1:

    Das Problem ist das wir halt alle in anderen Welten leben.
    Für mich ist Deine Sprache auch oft Bahnhof und nicht nur bei Dir. Vielleicht liegst auch an mir ;)


    Ersteres scheint nur so und letzteres ist ganz normal, d.h. passiert oft, wenn es um sprachlich ausgedrückte Vorstellungen geht, zu denen es keine korrelierende Sinneswahrnehmung der 5 Sinne gibt. 8)

  • Hallo Frank,


    das ist Teil der Psychologie und gehört auch in den Bereich des Profilings (Erstellung eines Täterprofils - Kripo). Um das so zu händeln wie du es beschreibst, darf man normalerweise keine Beziehung zu der Person aufbauen.
    Denn sobald du eine Beziehung aufgebaut hast, wird die Person zu dem was sie sagt und tut. Heißt, sie wird als Ganzes wahrgenommen und nicht so wie du es beschreibst getrennt von dem was sie tut.
    Wenn ich das so lese könnte ich glatt annehmen du machst Beruflich das gleiche wie meine Frau.... ;)


    Natürlich ist es wichtig sich selbst bewusst zu machen, das die Person sich ändern kann, das was sie jetzt sagt oder tut, im nächsten Moment nicht mehr relevant ist. Jedoch besteht immer die Gefahr an dieser Betrachtungsweise, das man ganz schnell die Tat "entschuldigt" wenn der Täter (ich übernehme hiermit dein Beispiel), sich aus der Verantwortung zieht, indem er z.B. klar macht, das er zum Zeitpunkt der Tat nicht z.B. unzurechnungsfähig ist.


    Wenn man das Ganze dann in den Privaten intimen Raum einfließen lässt stellt sich schnell heraus, das es nicht möglich ist, eine Person so zu realisieren, das man ihr Verhalten getrennt vom Übrigen sieht, ich glaube nicht das das funktioniert. Alleine indem man sich verletzt fühlt durch das jeweilige Verhalten, oder indem man bestimmte Eigenschaften angenehm oder unangenehm findet.


    Letztendlich (meine Meinung) verbindet man in einer bekannten Beziehung immer beides miteinander, die Person und ihre Tat.
    Ausserhalb einer bekannten Beziehung (Beobachterposition) kann das sehr wohl von Vorteil sein, beides getrennt zu betrachten. Beispiel: Mann überquert die Fahrbahn, ein Auto kommt dabei zu schaden, Mann geht weiter und verschwindet. Was bleibt ist das Auto das zu schaden kam....
    Der Mann ist hier nicht relevant, nur seine Tat zählt ( in den Medien erscheint er als Unbekannter, es fehlen zur Personifizierung bestimmte Eigenschaften wie Name oder Aussehen).


    Buddha sagte es gibt kein festes Selbst, das bedeutet (meiner Meinung) aber nicht, das das Selbst vom Rest getrennt zu betrachten ist, weil sich dieses verändert. Ich glaube das Selbst verändert sich sowieso laufend, ist aber vom Rest nicht zu trennen, die Tat (egal was) ist somit Bestandteil des Selbst, auch diese kann sich verändern, gehört aber unweigerlich zum Selbst dazu. Um das so zu praktizieren wie du es beschreibst, müsste man sich von anderen Menschen lösen, um in die Beobachterposition zu gelangen, dann erst man man Selbst und Tat von einander getrennt betrachten. Hat aber letztendlich keinerlei Beziehung mehr zur Person (ich glaube hier ist Anhaftung gemeint...).


    Das einzige was für mich zählt ist nicht in erster Linie Respekt, sondern Verzeihen. Wenn ich verzeihe, spielt es keine Rolle was mein Beziehungspartner getan hat, ich lasse ihm auf der einen Seite die Verantwortung für seine Tat, andererseits respektiere und achte ich, das er die Möglichkeit hat sich zu verändern, wie er das tut und wann er das tut, ist hierbei nicht wichtig.
    Die Persönliche Beziehung spielt meiner Meinung nach immer eine große Rolle hierbei.


    Liebe Grüße von Jo







  • Guten Morgen lieber Frank,


    ich denke schon ich habe dich verstanden.
    Was mich interessieren würde ist, wie definierst du "kleben"?
    Und wie passt du dein Verhalten an deine Liebesbeziehung an, damit meine ich, wie funktioniert das bei einem Streit oder einer Meinungsverschiedenheit innerhalb einer Paarbeziehung, denn gerade da geht es ja immer wieder um das Thema: Miteinander und Getrennt?


    Liebe Grüße von Jo





  • Lieber Frank,


    es gibt ja den Begriff Symbiose, er beschreibt unter anderem eine Beziehung die dahingehend symbiotisch ist, weil beide Partner nicht getrennt zu erblicken sind, und somit gemeinsam ein Ganzes sind.
    Oft wird dieser Begriff negativ betrachtet.


    Ich lebe bewusst so eine Beziehung mit meiner Partnerin, Oberflächlich gesehen sind wir beide oft einer Meinung, durchleben oft den gleichen Gedanken, wenn wir diskutieren kommen wir auf einen Nenner. Oberflächlich gesehen sind wir beide ein nicht trennbares Team.
    Wenn man jedoch näher heran geht, merkt man schnell das wir sehr Unterschiedlich sind in unserem Verhalten und unseren Charakteren.
    Oberflächlich könnte man meinen, wir "kleben" aneinander.


    Wenn ich uns beide als Paar beschreibe so ist der Begriff Freiheit an erster Stelle zu setzten, wir lassen einander sein. Wir wollen den anderen nicht verändern, erleben jedoch die Veränderung des anderen als sehr Positiv auch wenn das bedeutet, das es uns ein Stück von einander trennt.


    Das was vielleicht negativ am Begriff Symbiose anmutet ist in Wahrheit eine Möglichkeit die Anhaftung des ICHs zu lösen und in das Miteinander einzugehen.


    Ich glaube viele Westeuropäische Buddhisten befinden sich in einem Irrtum wenn sie denken, das es wichtig ist, möglichst schnell all das was ihnen als Anhaftung erscheint ablegen zu müssen. Ich glaube vielmehr man kann die Dinge nur dann ablegen wenn man sie durchlebt hat.
    So werden Beziehungen untereinander Distanziert, weil man glaubt, dadurch einer Anhaftung zu entgehen. Die Wahrheit jedoch ist die Angst, vor Nähe, vor Abhängigkeit und vor einer Symbiose. Das Verlieren des ICHs ist somit Bestandteil dieser Annahme man müsse in Distanz bleiben.
    Je Näher man sich jedoch kommt, desto unwichtiger wird das eigene ICH. Die Anhaftung geschieht nicht durch andere, sondern durch einem selbst.


    Das gilt für vieles was wir denken schnellst möglich ablegen zu müssen, um der Erleuchtung näher zu kommen. Die Angst der Abhängigkeit ist Bestandteil dieser Westlichen Interpretation des Buddhismus, oder auch der Spititualität.
    Je mehr wir in Distanz zu anderen gehen, desto mehr erleben wir uns in Denken und Handeln im Mittelpunkt. Die Einsamkeit wird dadurch kompensiert, indem wir unseren Geist ausnutzen, wir lesen, wir meditieren. Der Buddhismus so wie ich ihn auch hier erlebe wird anhand der Texte wiedergegeben, er wird dadurch nicht mehr greifbar, sondern Intellektualisiert. Er ist dadurch nur noch einer kleinen Gruppe von Menschen zugänglich.


    Ich erlebe es hier sehr deutlich, dieses Wegschieben von Anhaftungen menschlicher Eigenschaften und je mehr man der Anhaftung entgehen will, desto mehr ICH wird man im Text den man schreibt - das sehe ich hier als Gemeinsamkeit, als Ähnlichkeit, wir alle im ICH und deshalb gemeinsam.


    Ich glaube das es wichtig ist, all das was man als Anhaftung empfindet wirklich zu leben und zu fühlen. Wie will man etwas abgeben, verändern, wenn man gar nicht weiß was man verändert. Wenn das Eigentliche nur ein Begriff ist, eine Metapher zu dem was es wirklich ist, ein Teil des Menschlichen, der eigenen Individualität.
    Ich erlebe hier oft den Begriff: "Kein ICH...." Der Anfang des Satzes impliziert jedoch genau das ICH, all das was hier im Forum geschrieben wird, ist durchzogen mit ICH. Jeder einzelne Satz, jedes einzelne Thema bezieht sich auf das eigene ICH. Ich glaube ich weiß warum, weil wir alle hier, egal wie weit wir denken zu sein, das ICH als Teil des Ganzen- uns selbst - negativisieren.
    Loslassen kann man meiner Meinung nach erst, wenn man die Dinge annimmt wie sie sind. Das gilt auch fürs "kleben", hast du es wirklich schon einmal erlebt, dieses "Kleben"?
    Wie es sich anfühlt und was daran negativ ist, oder ist es vielmehr eine Vermutung es könnte negativ sein, weil es vielleicht dein ICH einschränkt?? Angst auslöst???


    Dir liebe Grüße von Jo





  • Lieber Frank,


    ich habe Psychologie studiert, das menschliche Sein hat mich immer sehr fasziniert. Ich muss sagen, am Anfang als ich hier her kam, wurde ich mitgerissen in einen Sog, das ICH möglichst schnell los zu lassen. Der Sog bestand darin mitzuziehen und dazu zu gehören.
    Um das zu überblicken und bei mir zu bleiben, musste ich ein paar Tage aus dem Forum raus.
    Ich bin nicht gefeit vor diesen Dingen. Auch ich bin manipulierbar, alleine dadurch das ich mir etwas wünsche, das es eigentlich gar nicht gibt....
    Ich glaube alles hat seine Berechtigung, und du hast recht, der richtige Weg liegt in der Synthese beider Pole... so ist unsere Welt geschaffen.


    Dir ganz liebe Grüße von Jo

  • Hallo!


    Frank, ich habe folgende Gedankenverknüpfungen zu Deinen Beiträgen. Nach Perfektion zu streben, kann sehr schädlich sein wenn man sich tendenziell Ziele setzt, die unrealistisch sind und weswegen man wiederholt Erfahrungen macht, die einen negativ "bestätigen". Daher finde ich es wichtig erstmal die vermeintlichen Schwächen anzunehmen wie sie sind und in einem guten Maß daran zu arbeiten indem man schaut welche Stärken man zur Verfügung hat, die man nutzen könnte um dort einen Ausgleich zu schaffen. Ausgleich, das magische Wort.


    Ich habe neulich mal was von einem Seelenspiegel gelesen und ich glaube ich werde mich damit doch mal näher befassen, da er sich genau mit dem Ausgleich der Tugenden (gut & schlecht) befasst. Du hast dafür die Ausdrücke "geniale und minderwertige Bereiche" gewählt. Ich habe lange versucht jemand zu sein der ich nicht bin, vielleicht viel mehr noch als es eh schon oft der Fall ist.


    Ansonsten verbinde ich die von Dir beschriebene Trennung der "Tat" von der Person, mit der "gewaltfreien Kommunikation" nach Marshall B. Rosenberg.
    Ich habe mich mal daran versucht, mir immerzu zu vergegenwärtigen dass im Grunde seines Wesens ein jeder nach dem Glück strebt und niemanden absichtlich verletzen möchte. Auch wenn man es manchmal noch so schwer nachvollziehen kann, da manch einer dies auf sehr düsteren Wegen tut.
    Das ist sehr hilfreich. Darüber komm ich dann auch zur Trennung des Konstruktes des Selbst mit all seinen Auswüchsen und der innewohnenden Buddha- Natur. In der direkten Interaktion und mit meinem jetzigen Bewusstseinsstand ist es schon sehr schwer, sich dessen gewahr zu sein. Das gelingt mir eher durch den Rückblick.


    Herlichen Gruß,


    Advaita

    "Niemals wirst du dich der Welt recht erfreuen, ehe nicht die See selbst in deinen Adern fließt, dich der Himmel umhüllt und die Sterne dich krönen."


    "Centuries Of Meditation" von Thomas Trahernes



  • Liebe Advaita,
    Die Gewaltfreie Kommunikation ist was anderes als das was Frank beschreibt, in der Gewaltfreien Kommunikation geht es auch darum, dem Anderen die Möglichkeit zu lassen, die Dinge aus seiner Sicht zu begreifen. Dabei ist eine Trennung in dem Sinne aber nicht notwendig. Denn hier spielt mehr der gemeinsame Lösungsweg eine Rolle, denn man muss unweigerlich zusammen arbeiten um einen friedfertigen Weg innerhalb der Kommunikation zu finden. Mit dem was Frank meint, hat das nur wenig zu tun - so habe ich es zumindest verstanden.


    In der Gewaltfreien Kommunikation geht es immer darum, das Alle einen Weg finden wollen, gemeinsam ein Miteinander aufzubauen. Das impliziert aber gleichzeitig das es zwei Personen - oder auch mehr Personen gibt die daran arbeiten wollen. Wenn nur einer (oder eine kleine Gruppe) einen anderen Weg verfolgt kann so eine Arbeit nicht funktionieren.


    Einige Forscher haben versucht herauszufinden, ob es möglich ist eine Friedvolle Atmosphäre beizubehalten wenn nur einer aus einer Gruppe Unfrieden stiftet. Man hat dazu Leute in einem Raum untergebracht, einer war dazu bestimmt die Atmosphäre zu stören. Die anderen wussten davon nichts.
    Die ganze Gruppe war am Ende sehr aufgewühlt und teils auch aggressiv.


    Man findet solche Störfaktoren überall, einige von euch werden sich sicherlich an Klassenstörer erinnern die de ganze Klasse am Arbeiten gehindert haben.
    Rosenberg hat einige gute Ansätze entwickelt gerade in einer Gewaltbeherrschenden Situation friedfertige Aspekte einzubauen, aber meiner Meinung nach kann das nicht von Dauer sein, da der Mensch dazu neigt sich hervorheben zu wollen. Eine friedfertige Atmosphäre kann somit nur eine Weile Bestand haben, spätestens wenn einer auf eine bestimmte Meinungsäusserung besteht, und es zu einer Diskussion kommt, ist die friedfertige Kommunikation gefährdet.



    Dir ganz liebe Grüße von Jo

  • !


    Liebe Jo,


    das hier von Frank beschriebene hat schon sehr viel von der praktischen Umsetzung der gewaltfreien Kommunikation, was besonders deutlich im P.S.- Teil wird. :D


    Das ist jedoch immer schwierig und wird zunehmend schwieriger je mehr Emotionen ins Spiel kommen und je näher man dem Gegenüber eben steht. Diesbezüglich hat mir die buddhistische Praxis schon sehr geholfen. So gelingt es mir immer öfter den Geist "weit" zu halten, wenn auch eben manchmal erst nachdem ich mit der Nase angedockt bin. :D


    Frank1:

    Hallo,


    ich wollte nicht sagen, dass man sich unrealistische Ziele setzen soll, sondern realistische. Aber es soll der Wunsch perfekt zu sein, nicht verworfen oder unterdrückt werden, sondern aufrecht erhalten werden.
    Wer sich nicht wünscht perfekt zu werden, wird es auch nicht. Wem das Ziel ein Buddha zu werden, zu hoch und unerreichbar erscheint, wird es auch schwerlich erreichen.
    D.h. mit dem Spatz in der Hand erstmal zufrieden sein, aber trotzdem immer auf die Taube auf dem Dach zu schielen.


    Und wie der Film zeigt es ist am Ende möglich.


    Da bin ich vollkommen bei Dir, Frank. Ich habe auch nur nochmal aus meiner Sicht berichtet, wie es sich bei mir darstellt -eben oft übersteigert im Nahziel-. Deine Worte gaben das gar nicht her.


    Ich fand übrigens das Video von Levy, sehr anschaulich diesbezüglich. Es wäre jedoch sehr anstrengend wenn wir nur noch in Videos sprechen würden. Worte sind in einem Forum schon von großer Bedeutung. ;)


    Lieben Gruß,


    Advaita

    "Niemals wirst du dich der Welt recht erfreuen, ehe nicht die See selbst in deinen Adern fließt, dich der Himmel umhüllt und die Sterne dich krönen."


    "Centuries Of Meditation" von Thomas Trahernes

  • ich fand das video auch sehr passend und inspirierend um bildlich einen eindruck zu bekommen von dem theoretischen sehr gut von euch aufgeführten....ich finde das ergänzt sich wunderbar. ich versuchs einfach und stells noch mal ein und habe meinen glauben an die moderation noch nicht aufgegeben.


    http://www.youtube.com/watch?v=zWUHOpHII4A

  • Liebe Advaita, lieber Frank


    Natürlich habt ihr beide Recht, durch die gewaltfreie Kommunikation kann man einiges bewirken und ändern, ich wollte hier nur differenzieren und die Gewaltfreie Kommunikation ein wenig auseinander nehmen und klar stellen das sie nicht immer anwendbar ist. Gewaltfreiheit fängt natürlich erst einmal bei einem selbst an, man muss hinterfragen was man tut, begreifen das es andere verletzten könnte.
    In der Kommunikation kann das gut funktionieren wenn beide ein ähnliches Verständnis von Gewalt, bzw. Gewaltfrei haben.


    Ich habe als Beraterin die Gewaltfreie Kommunikation angewandt und das hat mir für eine Stunde geholfen eine gute Atmosphäre herzustellen bzw. eine gute Atmosphäre beizubehalten. Doch ich habe festgestellt, das viele Menschen das nicht lange aushalten, sie reagieren fahrig, fangen an durch Mimik und Gestik ihren Unwillen zu zeigen.


    Während des Telefonierens oder in einem Forum ist es noch schwieriger die Gewaltfreie Kommunikation beizubehalten, denn der andere kann deine Worte viel leichter fehlinterpetieren. Was hilft ist dann beim ICH zu bleiben, das eigene Gefühl oder die eigene Meinung voran zu stellen, um bewusst zu machen, das man die Gefühle und Meinungen des anderen nicht ändern möchte. Das kann funktionieren, aber die Erfahrung zeigt, es kann - es muss nicht.


    Euch ganz liebe Grüße von Jo