Beiträge von Frieden-und-Freude

    Es ist natürlich richtig, dass die Retreats mit TNH Großveranstaltungen waren, einschließlich der öffentlichen Fragen, die zur Belehrung des gesamten Publikums beantwortet wurden.

    Insofern ist es sicherlich gut, dass TNH nicht vor den versammelten Teilnehmern genauer auf die private Situation des Jungen eingegangen ist.

    Dennoch wäre es naheliegend, gerade in einer solchen Situation, auch einmal darauf hinzuweisen, dass es wichtig sein kann, Grenzen zu schützen und auch aversive Gefühle zuzulassen, sie vorläufig sogar als nützlich anzuerkennen, statt sofort auf die Verbundenheit im "Intersein" zwischen Kind und problematischem Vater hinzuweisen.

    Tja, die Lehre, die ich wohl draus unter anderen ziehen "muss" ist dass ich wieder erinnerte werde, dass man auch sehr spirituellen Menschen manchmal kritisch zuhören muss. Also ich war da schon sehr überzeugt immer von Thich Nhat Hanh, aber ich fürchte auch er hat seine Schwächen gehabt bzw. eben dass seine Sicht wohl nicht immer passend war.


    Ändert jetzt zwar nicht meine Sicht von ihm, aber zeigt mir auch dass eben niemand perfekt ist in Bezug auf alle Themen oder Fragen des Lebens, auch so große Lehrer nicht.

    Kein Kummer deswegen, die Unzulänglichkeit ist schließlich Daseinsmerkmal - da kann TNH nichts dafür! :)

    P.S. Die Nonne, die TNT die Frage des Kindes noch einmal ausführlich wiederholt, macht deutlich, dass es ein Junge ist.


    Noch ein letzter Punkt: Dass der Vater dem Kind gegenüber gewalttätig wurde, ist übrigens deine Interpretation in deinem Ausgangsbeitrag. Soweit ich mich erinnere, sagt der Junge das nicht explizit. Allerdings sagt er, dass er unter seinem Vater leidet und er die Begegnungen mit ihm als "gefährlich" einschätzt.


    P.P.S. Man hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass ich Thich Nhat Hanh mit TNT abkürze.

    Sorry für den Verschreiber, werde in Zukunft darauf achten.

    Um Sprengstoff handelt es sich bei der Lehre ja nicht. :)

    Auch ich habe viel von Thich Nhat Hanh gelernt und bin dafür dankbar. Zugleich sehe ich seit einiger Zeit auch diese hier zur Sprache gekommenen Punkte

    kritisch: Es ist in manchen Situationen angemessen, "aversive" Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Zweitens empfinde ich seine Interpretation von "Intersein", dass wir keine Individuen sind, sondern unsere Vorfahren etc. in uns tragen und zwischen uns und beispielsweise unseren Eltern nicht "diskriminieren" können, etwas problematisch. Es ist kein Zufall, dass er auf die Frage des Jungen so geantwortet hat. Das entspricht seinem didaktischen Programm, gerade auch Kindern zu vermitteln, sie seien nicht verschieden von ihnen Eltern, sondern tragen diese in sich. (Was ja nicht falsch ist, aber doch sehr stark die Individualität eines Kindes und berechtigte Bedürfnisse nach Abgrenzung in Frage stellt.)

    Thich Nhat Hanh hat 2014 seine letzten Retreats abgehalten. Die Unterweisung der Kinder in "nicht-diskriminierendem" Denken gehörte zum Retreat-Programm.

    Seit Ende 2014 kann er krankheitsbedingt nicht mehr unterrichten.


    Was die Sprache von Festus betrifft: Für mich ist das völlig okay. Man kann mit höflichen Worten grob sein und mit groben Worten freundlich. Ich empfinde es bei ihm jedenfalls nicht als bösartig, es kommt authentisch rüber.

    So scharf wollte ich es nicht formulieren, aber ich stimme dir zu.

    Manchmal reicht Friede und Freude nicht. Manchmal muss man auch Arschloch sagen. Also, bloß keine Hemmungen. Lass die Sau raus.:)

    Das mit den Namenswitzen wird allmählich eine Gewohnheit im Buddhaland. :lol:


    Es gab mal einen Kabarettisten der 20er Jahre, der hieß Anton Kuh.

    Und stellte sich immer vor mit "Anton Kuh: Alle Scherze schon gemacht!" :D


    Um zum Thema zurückzukommen:


    Diese direkte und oft derbe Sprache ("Arschloch", "für den Arsch" etc.) habe ich schon von einigen Zennies gehört. Welchen Traditions-Hintergrund hat das eigentlich? Es gilt ja im Pali-Kanon nicht als rechte Rede. (Was nicht bedeutet, dass ich das jetzt kritisieren möchte.)


    Falls du darauf eingehen möchtest und wir die Kurve zum Ausgangsthema hinkriegen:

    Ist Thich Nhat Hanhs Art zu sprechen, also diese eher sanfte poetisch-metaphorische Art, auch eine Zen-Traditionslinie?

    (Oder muss es grob sein im Zen? ;))

    Die Antwort ist für ein Kind absolut für den Arsch.

    Dieses Kind leidet unter seinem Vater und bekommt als erstes zu hören, dass der Vater in jeder Zelle seines Körpers ist, dass es quasi selbst der Vater ist.
    Im weiteren bekommt es dann noch, versteckt formuliert, die Verantwortung für weitere Versuche, seinen Vater zu ändern. Die gesamte Handlungsverantwortung wird auf das sowieso schon überforderte Kind übertragen.

    So scharf wollte ich es nicht formulieren, aber ich stimme dir zu.

    Meiner Erfahrung nach ist dies:

    Es gibt Ausnahmen, bei denen man klare Grenzen setzen und jemand aktiv zurechtweisen muss.

    kein Widerspruch zu

    Wenn jemand garstig zu dir ist, konzentriere dich auf einen freundlichen Gedanken diesem Menschen gegenüber und verhalte dich freundlich.

    Das ist ein interessanter und wichtiger Punkt.

    Tatsächlich ist es häufig möglich, Grenzen auf freundliche Art zu setzen oder jedenfalls mit freundlichen Gedanken.


    Was aber nun, wenn da Wut oder Ärger in dir ist?

    Thich Nhat Hanh empfiehlt dann stets, erst einmal an sich zu arbeiten, bis der Ärger weg ist, also Gehmeditation etc. und erst danach wieder mit dem betreffenden Menschen zu sprechen.


    In vielen Fällen ist das sicherlich nützlich, das so zu praktizieren.

    In manchen Fällen aber auch nicht.

    Ärger und Wut sind ja grundsätzlich natürliche Reaktionen, wenn die Bedürfnisse eines Menschen verletzt werden.

    Außerdem hat die Äußerung solcher Gefühle oft eine sozial wichtige kommunikative Funktion: Sie zeigt dem anderen, was sein Verhalten auslöst und gibt deutliche Rückmeldung.

    Bei engen Freunden oder Partnern ist es sogar sehr wichtig, nicht immer alle "aversiven" Gefühle im Vorfeld wegzumeditieren, sondern sie (zumindest moderat) einigermaßen spontan zum Ausdruck bringen zu können.


    Ständige gleichmütige Freundlichkeit kann in manchen Kontexten regelrecht falsch sein.


    Was den Jungen betrifft, wäre es in der geschilderten Situation wirklich besser, ihn vorläufig darin zu bestätigen, dass er auf seinen Vater wütend sein darf, dieses Gefühl auch (zumindest vorläufig) behalten und (in angemessener Form) artikulieren darf. Statt ihm die Aufgabe und Verantwortung zuzuweisen, an sich selbst zu arbeiten, um damit den Vater zu ändern.

    Was leider für mich offen bleibt ist die bittere Realität, dass es schon sehr viele Situationen im Leben gibt, wo man mit schwierigen Menschen konfrontiert ist und dass man außer seine innere Haltung zu verändern bzw. diesen Menschen letztendlich eher auszuweichen wenig entgegensetzen kann.

    Das ist gar nicht so wenig:

    (1) Innere Haltung ändern

    (2) Konflikten aus dem Weg gehen (sofern das kein Vermeidungsverhalten bei notwendigen Klärungen ist)


    Wenn Menschen diese beiden Verhaltensweisen übten, wäre die Welt ein friedlicherer Ort!


    Also probiere es aus: Wenn jemand garstig zu dir ist, konzentriere dich auf einen freundlichen Gedanken diesem Menschen gegenüber und verhalte dich freundlich.

    Oder zumindest neutral, ohne Provokationen zu beachten.

    Die meisten Menschen lassen dann tatsächlich früher oder später ab von ihrem unguten Verhalten.


    Es gibt Ausnahmen, bei denen man klare Grenzen setzen und jemand aktiv zurechtweisen muss.

    Es ist nicht immer leicht zu erkennen, was so eine Ausnahme ist.

    Bei dem (anscheinend bedrohlichen) Vater im Video-Beispiel wäre für mich so eine Ausnahme, dass Grenzen gesetzt werden müssten.


    Doch das ändert nichts daran, dass in den meisten Fällen das sinnvolle Verhalten darin besteht, die eigene Haltung tatsächlich zu ändern oder/und Konflikten aus dem Weg zu gehen.

    Zunächst einmal: Das "Mädchen" ist ein Junge. :)


    Ich versuche mal kurz zusammen zu fassen:

    Thich Nhat Hanh weist darauf hin, dass wir keine abgeschlossenen Einheiten sind, sondern mit anderen Menschen in enger Verbindung stehen.

    Bei einem Konflikt mit einem anderen Menschen, insbesondere einem engen Angehörigen oder einem ehemaligen Lebenspartner, könne man diese Menschen also nicht einfach aufgeben oder "entfernen". Stattdessen könne man sich selbst transformieren.

    Dadurch werde es besser möglich, auch den anderen zu ändern. Voraussetzung dafür sei die Unterstützung der Sangha. (Und diese Unterstützung scheint der Junge in der Sangha zu bekommen.)



    Nach meinen Erfahrungen in der Sangha von Thich Nhat Hanh geht er tatsächlich davon aus, dass man positiv auf andere einwirkt, wenn man bei sich selbst Metta entwickelt. Auch bei Menschen, die beispielsweise aggressiv und bedrohlich sind.


    Meine Meinung dazu: Grundsätzlich stimme ich zu. Oft halte ich es aber auch für sinnvoll, klare Grenzen zu setzen und sich selbst zu schützen. Das kommt hier zu kurz, scheint mir. (Obwohl ja immerhin die Sangha offenbar hilft und der Junge nicht mit der Aufforderung, sich selbst zu ändern, allein gelassen wird.)


    Sofern man es ohne Gefahr für das eigene Leben und die eigene Psyche machen kann, ist es sicherlich ein guter Weg, Metta zu entwickeln, gerade bei engen Angehörigen. (Mit Transformation, von der TNT hier spricht, ist meines Erachtens die Entwicklung von liebender Güte gemeint. Jedenfalls habe ich das aus anderen Beispielen von ihm so in Erinnerung.)

    Frieden-und-Freude

    Habe ich wirklich geschrieben, es sei "einfach" intellektuell zu erklären oder habe ich geschrieben es sei "relativ einfach" ? Und habe ich nicht daraufhin erklärt was ich mit diesem "relativ" meinte?

    Ja, du sagtest "relativ einfach" und hast anschließend eine Erklärung angedeutet.

    Ich möchte dich gar nicht kritisieren. Bin ja ebenfalls der Meinung, dass eine "Intellektuelle Erklärung" möglich ist. Ob sie "relativ leicht" ist, sei dahingestellt.

    Vermutlich empfinden wir sie nur als leicht, weil wir uns daran gewöhnt haben und in buddhistischen Kreisen oft davon gesprochen wird

    Himmelsbaum


    Es ist zwar übertrieben zu behaupten, die Auflösung der Ich-Illusion sei trivial, aber außer dem Buddha sind auch einige andere Leute dahinter gekommen:


    "Das Problem der personalen Identität


    Hume zufolge gibt es kein Selbst oder Ich.[40] In seiner Erläuterung machte er erneut Gebrauch von seiner Grundthese des Sensualismus: Gäbe es das Selbst, bzw. Ich, so müsste sich diese Vorstellung letztlich von einem Sinneseindruck ('sensation' bzw. 'impression') herleiten lassen. Im menschlichen Kopf gibt es für Hume aber nur eine ständige Abfolge von impressions und ideas oder Bündel von 'perceptions', keinen konstanten oder einheitlichen Sinneseindruck, der alles zusammenhält und daher mit dem Ich gleichgesetzt werden könnte.


    Hume verwies darauf, dass es auch andere Fälle gibt, in denen Identität zugeschrieben wird, obwohl sie im strengen Sinne gar nicht vorliegt. So wird ein Schiff, bei dem man eine Planke austauscht, immer noch als dasselbe angesehen, obgleich es nach Hume nicht mehr wirklich mit dem vorherigen Schiff gleichgesetzt werden kann, da es nach der Reparatur teilweise aus anderem Material besteht.


    Hume versuchte nun aufzuweisen, wie die Abfolge der perceptions als etwas Identisches aufgefasst wird, wie es also zu der generalisierenden Fiktion eines Ich kommen könne. Diese Fiktion entstehe durch den engen Zusammenhang der perceptions im Menschen. Zum einen gibt es einen kontinuierlichen Strom von perceptions und zum anderen beeinflussen die verschiedenen perceptions einander verursachend, indem nämlich impressions durch Assoziation entsprechende ideas hervorrufen und diese wiederum impressions erzeugen können. Wichtig ist hierbei das Erinnern, das dem Menschen erlaubt, sich vergangene perceptions zu vergegenwärtigen. Letztlich ist es also dieser Zusammenhang der perceptions, der den Menschen dazu bringt, die Abfolge von impressions (starken, lebhaften Empfindungen) in einer Einheit zusammen zu fassen, die dann Ich genannt wird.[41]"

    https://de.m.wikipedia.org/wiki/david_hume


    Das ist doch das, was @Sherab meint:

    Bei kritischer Betrachtung lässt sich "intellektuell erklären", dass ein konstantes und einheitliches Ich eine Fiktion ist. Sogar ohne mit der Buddha-Lehre vertraut zu sein, siehe David Hume.

    Ob die Erklärung "einfach" ist, da kann man geteilter Meinung sein.

    Okay, jetzt verstehe ich den Kontext besser!

    In diesem Fall stimme ich dir zu, dass die Absicht hinter dem Begriff darin bestand, die Mönche in ihrem Sterbeprozess heilsam zu unterstützen.

    Das ist auch psychologisch nachvollziehbar, was der Buddha da macht: Er lenkt die Aufmerksamkeit der Sterbenden auf die Möglichkeit, dass das körperliche Leiden bereits beim Sterben und vor dem Tod verschwindet.

    Mögest du frei sein von Schmerzen!

    Das ist Karuna-Praxis, also Aufmerksamkeits-Fokussierung auf den Punkt der Befreiung von Leiden.


    In diesem Kontext erscheint mir dann die Verwendung des Ausdrucks "Nirvana ohne Daseinsrest" helfend-psychologisch motiviert, also rein ad hoc aus der Situation heraus, ohne inhaltlich-systematische Bedeutung.



    Der Punkt, den ich nicht verstehe:


    Der Ausdruck "Nirvana ohne Daseinsrest" bezieht sich in der von dir zitierten Lehrrede offenbar auf einen Zustand, in dem ein Mensch noch lebt, aber keine normalen körperlichen Empfindungen (Lust/Schmerz) mehr hat.


    Wenn deine Deutung richtig ist, bezieht sich das ausschließlich auf einen Zustand unmittelbar vor dem Tod.

    Da frage ich mich: Warum soll dieser Moment unmittelbar vor dem Tod so wichtig sein, um einen eigenen Fachterminus ("Nirvana ohne Daseinsrest") reserviert zu bekommen?


    Zweitens möchte ich darauf hinweisen, dass (soweit ich das beurteilen kann) manche Sterbeprozesse offenbar bis zum Tode mit körperlichem Leid verbunden sind.

    Das heißt, auch ein Arahant oder ein Buddha wird unter Umständen erst durch den physischen Tod von körperlichem Schmerz befreit sein.

    Hmm... Sind diese "körpergefährdenden und lebensgefährdenden" Gefühle beim Sterben denn nicht üblicherweise mit unangenehmen Körperempfindungen verbunden?


    Wenn schon Rückenschmerzen (sogar für einen Buddha) unangenehm sind, wie unangenehm ist dann erst der Zerfall des Körpers beim Sterben. Zumindest solange das Nervensystem noch intakt genug ist, diese Empfindungen zu registrieren.


    Vielleicht gibt es direkt vor dem Tod einen vermutlich kurzen Moment, in dem ein Mensch noch lebt, aber nichts mehr empfindet.

    Meinst du, das ist gemeint, wenn von Nirvana ohne Daseinsrest die Rede ist?


    Erscheint etwas merkwürdig, für diesen kurzen Moment - falls es ihn gibt - den Begriff "Nirvana ohne Daseinsrest" zu reservieren.


    Die Unterscheidung und die Motivation dahinter bleibt mir weiterhin rätselhaft.

    Der Ausdruck "schon hier kühl werden" scheint darauf hinzudeuten, dass nicht Tote gemeint sind, sondern noch Lebende, bei denen aber das körpereigene Lust-Unlust-System sozusagen abgeschaltet ist.


    Das geht aber nur in bestimmten meditativen Versenkungszuständen (zeitweise!) oder in einer Art Wachkoma vielleicht.

    Ich verstehe irgendwie nicht wie es ein "Nirwana mit einem Rest von Bezügen" geben kann, wo Nirwana doch den Zustand absoluter Befreiung bezeichnet. Nirwana mit einem Rest von Bezügen wäre dann doch eben Gerade-noch-nicht-Nirwana, oder?

    Ich sehe das so: Nirvana bedeutet für mich "leer und anhaftungslos", dh. da sind noch Skandhas, aber eben keine Unwissenheit (darüber) mehr. Also ihm ist bewusst was da bedingt abläuft und ist nicht die Skandhas los, sondern einen bestimmten "Umgang" damit. Der "Weltling" hat auch Skandhas, aber er steigert sich da so halbbewusst rein (upadana-skandha, sh. erste edle Wahrheit), ohne das Wissen über die Bedingtheit. Also es geht imho eher um den Durst.

    Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich die Unterscheidung verstehe.

    Nehmen wir doch mal die Rückenschmerzen des Buddha als Beispiel.

    Wäre er kein Buddha, sondern ein Weltling, würde er mit Aversion auf seine Rückenschmerzen reagieren.

    Ein Befreiter reagiert aber nicht mit Aversion oder Begehren, soweit ist es klar.

    Ein Befreiter mit Daseinsrest empfindet allerdings noch die körperlichen Schmerzen. Und er hat vermutlich darüber hinaus die Präferenz, keine Schmerzen zu haben. Denn die Schmerzen beeinträchtigen seine Unterrichtstätigkeit. Entsprechend ist überliefert, dass der Buddha in solchen Fällen die Fortsetzung des Unterrichts an einen fortgeschrittenen Schüler übergeben und sich hingelegt hat, was ja auch zweckmäßig ist.

    Was wäre dann ein Befreiter ohne Daseinsrest?

    Wie soll das überhaupt möglich sein? Es sind doch stets irgendwelche körperlichen Reaktionen da, sogar bei dem Buddha (siehe Rückenschmerzen).

    Mein Eindruck ist: Euer "Streit" ist rein verbal, also nur ein Streit um Worte, nicht in der Sache.


    Es ist nützlich, sich über die Verwendung von sprachlichen Ausdrücken zu einigen, um solche rein verbalen Missverständnisse zu vermeiden.


    Mit "Ich" kann gemeint sein:

    (1) eine Form von (mehr oder weniger) unveränderlicher personaler Identität, mit einem konstanten Wesenskern.

    (2) eine veränderliche Erscheinungsform von Eigenschaften, die durch Identifikation zur Einbildung einer scheinbar unveränderlichen Person werden.


    Die Buddha-Lehre sagt nun: "Ich" im Sinne von (1) gibt es nicht.

    "Ich" im Sinne von (2) gibt es natürlich schon, jedenfalls innerhalb der realistischen Ontologie des Pali-Kanons. Da werden ja nicht die "Erscheinungen" von Personen geleugnet. :)

    Dass man qualitativ zwischen verschiedenen Formen von "Sinnesfreuden" unterscheiden muss und dass es sinnvoll sein kann, sich zugleich von bestimmten Formen abzuwenden und stattdessen anderen zuzuwenden, ist ja immerhin ein guter Ausgangspunkt, um realistisch über Entsagung zu diskutieren.


    Wenn wir den Streitpunkt, was der Buddha seinen Mönchen denn genau verboten hat, einmal ausklammern, bleibt für alle anderen Praktizierenden doch schon einmal die relevante Erkenntnis, dass es primär darum geht, unheilsamen Sinnesfreuden zu entsagen.

    Daneben gibt es solche Sinnesfreuden, die zwar nicht direkt unheilsam sind, aber doch indirekt, indem sie Trägheit fördern und den Geist von der Praxis ablenken. (Beispielsweise zu viel zu essen oder viele Filme zu gucken oder auf Buddhaland viel zu diskutieren. 😂)

    Diesen indirekt unheilsamen Sinnesfreuden gilt es langfristig ebenfalls zu entsagen.


    Und drittens gibt es Sinnesfreuden, die mit der Praxis gut kompatibel sind oder sie sogar fördern. (Beispielsweise: Tee-Zeremonie, Spaziergänge in der Natur usw.)


    Solche Sinnesfreuden können in Maßen kultiviert werden und enthalten üblicherweise keine Gefahr für die Praxis.

    Allerdings muss man doch zumindest bei der unvoreingenommenen Betrachtung der Phänomene zugestehen, dass es neben den schlingpflanzenähnlichen Sinnesfreuden, die erdrücken, auch solche gibt, die nicht erdrücken, sondern erheben. (Sofern man an ihnen nicht anhaftet, was dann natürlich unproduktiv ist.)

    Natürlich gibt es Unterschiede beim Genuß der Sinnesfreuden aber die sind immer nur relativ

    wie das Leiden eben auch.

    In einem ganz allgemeinen Sinn sind natürlich alle Sinnesfreuden Dukkha. (Im Sinne von "unzulänglich" und "nicht voll befriedigend".)

    Das ändert aber nichts daran, dass bestimmte Sinnesfreuden eine nützliche Rolle in der Praxis spielen können und andere dagegen Hindernisse für die Praxis sind.


    Beispiele für Sinnesfreuden, die eine nützliche Rolle spielen: Siehe die Praxis bei Thich Nhat Hanh, in der Musizieren, bildende Kunst, Tee-Zeremonie und Betrachtung von Naturschönheit Teil der Praxis sind.

    Das ist zwar schon fast 2 Jahre her, dass du das geschrieben hast, aber da es jetzt ohnehin wieder hervorgeholt wurde:


    Das hast du sehr gut und präzise formuliert. Genau so ist es!

    Sadhu, sadhu, sadhu! :)


    Einen Einwand habe ich allerdings doch.

    Du sprichst von "Sinnesfreuden aller Art". Ich halte das für zu undifferenziert. Nach meiner Erfahrung gibt es wesentliche Unterschiede bei den Sinnesfreuden. Da gibt es diejenigen, die du beschreibst: die letztlich erdrückend und belastend sind. So wie eine Schlingpflanze, die erst harmlos und angenehm erscheint, aber dennoch unheilsam ist.

    Daneben gibt es aber auch Sinnesfreuden, die eine nützliche Wirkung entfalten und sogar förderlich sind für die Praxis: beispielsweise ein Spaziergang in der Natur oder eine produktive künstlerische Tätigkeit.

    Sogar das Tee trinken im Rahmen einer entsprechenden Meditation kann dazu gehören.


    Nicht ohne Grund haben diese zuletzt genannten Sinnesfreuden etwa in der Praxis von Thich Nhat Hanh eine große Bedeutung: Musizieren, bildende Kunst, Tee-Zeremonie und Betrachtung der Schönheit der Natur.


    Wie man das "theoretisch-buddhistisch" einordnet und mit der reinen Lehre vereinbart, da mag es ja verschiedene Deutungsmöglichkeiten geben. Allerdings muss man doch zumindest bei der unvoreingenommenen Betrachtung der Phänomene zugestehen, dass es neben den schlingpflanzenähnlichen Sinnesfreuden, die erdrücken, auch solche gibt, die nicht erdrücken, sondern erheben. (Sofern man an ihnen nicht anhaftet, was dann natürlich unproduktiv ist.)

    Es sollte klar sein, dass die Lehre Buddhas kein blinder Glaube ist wie der Glaube, durch die Gnade eines Gottes Wohlstand zu erlangen auf dieser Welt.


    Wobei Du mir vielleicht zustimmst, dass es auch viele "Anhänger" des Buddhismus gibt, die auf genau diese "blinde" Weise glauben und sich beispielsweise eine Belohnung ihres festen Glaubens und entsprechender Taten in Form einer besseren Wiedergeburt versprechen.

    Du hattest ja selbst in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen, dass man den Zustand des real existierenden Buddhismus in verschiedenen Ländern nicht beschönigen sollte.


    Und auch im Westen findet man immer wieder blinden Glauben auch bei Buddhisten, beispielsweise an eine wörtliche Auslegung der heiligen Texte, bei der auch die absurdesten Textstellen noch ernst und wörtlich genommen werden.

    Ein solcher religiöser Fundamentalismus findet sich also auch im Buddhismus.


    Das kommt jeweils auf die Perspektive an: Es gibt Menschen, die sich selbst bewusst als "Ungläubige" oder "Nicht-Gläubige" definieren, indem sie sich mit einer religionskritischen Weltanschauung identifizieren. (Ich meine das jetzt ganz neutral, ohne eigene Bewertung.)


    Und dann gibt es natürlich auch die Polemik bestimmter Anhänger einer (zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort) vorherrschenden Religion gegenüber allen anderen, die als "Ungläubige" bezeichnet werden.


    Mir ging es hier lediglich um den Hinweis darauf, dass es sowohl in der Gruppe derer, die sich selbst als "gläubig" identifizieren als auch bei denjenigen, die entweder sich selbst als nicht-gläubig identifizieren (oder von anderen so klassifiziert werden) sowohl tolerante als auch intolerante Menschen gibt.


    Wir sollten die Einschätzung eines Menschen aufgrund seiner Gläubigkeit oder Nicht-Gläubigkeit also nicht überbewerten. Das ist mein Punkt.

    :) Als jemand, der dogmatisch-religiösen Glauben kritisiert, ist der Ausdruck von mir natürlich nicht abwertend gemeint.


    Aber okay, "Nicht-Gläubige" wäre eindeutiger und besser.

    Es gibt intolerante, eifernde Gläubige.

    Es gibt intolerante, eifernde Ungläubige.

    Es gibt tolerante, freundliche Gläubige.

    Es gibt tolerante, freundliche Ungläubige.


    Ganz gleich, wie man zum Thema "Glauben" steht, es sollte möglich sein, die eigene Meinung frei und ohne Anfeindungen sagen zu können.