Mettā/Maitrī im Alltag

  • Doris,

    Doris Rasevic-Benz:

    Ich kenne das schon so, dass ich manchmal sehr ärgerlich sein kann. Wenn ich mir dann die Situation desjenigen vorstelle, auf den ich ärgerlich bin, entsteht Mitgefühl und der Ärger tritt in den Hintergrund. Der kann dann schon noch da sein, ist aber nicht mehr wichtig. Wichtiger ist dann das Wohl des Anderen. Der Ärger ist ja etwas, das primär mich selbst betrifft, er ist abstrakt, der kann deshalb auch irgendwie für sich alleine stehen, Mitgefühl hingegen betrifft ein Gegenüber, es kann nicht für sich alleine stehen.


    Bezieht sich mein Ärger nicht auf eine andere Person sondern auf z.B. ein Ereignis, dann hilft mir Mitgefühl mit der "armen Doris" zu haben, um vom Ärger loszulassen.
    Mich nur von der Emotion zu distanzieren wirkt auch, wärmt aber nicht. Mitgefühl zu haben wärmt und hat die Eigenschaft sofort nach draussen in die Welt abzustrahlen. Das ist so ein Selbstläufer.


    Vielen Dank für die Ausführung, verstehe Dich nun besser.


    Ich kann nicht von Ärger zu Mitgefühl springen.
    Ich kann den Ärger loslassen, entspannen und Freundlichkeit erzeugen.
    Mitgefühl entsteht dann später aus Ruhe und Freundlichkeit.



    Gruß,
    Mirco

  • Zitat


    Ich kann nicht von Ärger zu Mitgefühl springen.
    Ich kann den Ärger loslassen, entspannen und Freundlichkeit erzeugen.
    Mitgefühl entsteht dann später aus Ruhe und Freundlichkeit.


    Das Schöne und Erstaunliche ist, so finde ich, dass es so viele Möglichkeiten gibt. Deshalb kann eigentlich keiner sagen, dass nichts für ihn dabei sei :D


    Mich würde dennoch eine konkrete Situation interessieren, wenn Du das anwendest. Kannst Du mir "Bildermenschen" mal schildern, wie das dann ist, z.B. in einer persönlichen Konfliktsituation mit einem nahestehenden Menschen?


    Liebe Grüße
    Doris

    Der Sinn des Lebens besteht darin, Rudolph, dem Schwurkel, den Schnabel zu kraulen.

  • Hi Tashili
    Wenn ich an Metta "denke" dann geh ich von den 4 unermesslichen "Gedanken" aus
    und Metta Bhavana und das seh ich nicht als nüchtern an, es sei denn "mit erbarmenden, mit freudvollem, mit unbewegtem Gemüte durchstrahlt er die ganze Welt"
    könnte man als nüchterne Empfindung beschreiben.
    Verständnis erschöpft sich ja schnell. Karuna, Metta aber nicht.


    Natürlich ist Metta auch Tat, es läuft nur all zu häufig darauf hinaus " gut sein zu wollen"
    und dem folgt wie an einem Gummiband oft ( irgendwann) der Gegenimpuls. Yin und Yang.
    Dagegen ist z.B. das Metta von meditativ geschulten Leuten wie o.g. Rinpoche frei von diesem Gegenimpuls
    weil es frei von den Geistesgiften ist.


    Bitte nicht persönlich nehmen.

  • Doris Rasevic-Benz:

    Das Schöne und Erstaunliche ist, so finde ich, dass es so viele Möglichkeiten gibt. Deshalb kann eigentlich keiner sagen, dass nichts für ihn dabei sei :D


    Anscheinend. Da wundert es mich, dass der Buddha in den Überlieferungen immer wieder die gleichen Dinge von sich gegeben hat. Fast so, als wenn es doch nicht so viele Möglichkeiten gäbe.


    Doris Rasevic-Benz:
    Zitat

    Ich kann nicht von Ärger zu Mitgefühl springen.
    Ich kann den Ärger loslassen, entspannen und Freundlichkeit erzeugen.
    Mitgefühl entsteht dann später aus Ruhe und Freundlichkeit.


    Mich würde dennoch eine konkrete Situation interessieren, wenn Du das anwendest.
    Kannst Du mir "Bildermenschen" mal schildern, wie das dann ist, z.B. in einer persönlichen Konfliktsituation mit einem nahestehenden Menschen?


    Da wählst gerade das aus, wo es am schnellsten hochkocht. Da gelingt mir die obenstehende Theorie noch gar nicht. Bei mir nahestehenden Menschen erwische ich mich bisher noch erst dann, wenn ich schon im Ärger verstrickt bin. Da hilft meist nur aus dem Kontakt gehen, also, Raum verlassen oder auflegen und abwarten, bis die Flamme kleiner wird. Erklärende Gedanken à la "ach, dem geht es nur so und so weil so und so" kommen zwar, aber nicht, weil ich's herbeiwünsche, die kommen einfach so und haben auch keinen so großen Einfluß auf die Gefühle des Ärgers. Dann, wenn's runtergekocht ist, verzeihe ich mir innerlich - bin also nicht nachtragend, gehe wieder hin und bitte um Verzeihung für mein Verhalten und verhalte mich wieder freundlich.


    Gruß,
    Mirco

  • Doris:

    Zitat

    Das Schöne und Erstaunliche ist, so finde ich, dass es so viele Möglichkeiten gibt. Deshalb kann eigentlich keiner sagen, dass nichts für ihn dabei sei


    Das stimmt nicht. Buddha hat mit den Brahmaviharas etwas ultimatives verkündet und er hat nur diese und Höheres als den Erlösungsweg bezeichnet.

  • Siduchna:

    Da sehe ich eine leichte Abneigung über die Wahrnehmung des Ärgers..


    Diese leichte Abneigung ist auch ok., denn Hass, Wut, Ärger und Aversion sind unheilsam und wer das so empfindet und weiß, ist reifer.

  • Hahaha, du definierst gerne. Wundert mich nicht, dass ich darauf angesprungen bin. :lol:

  • Jikjisa:
    Siduchna:

    Da sehe ich eine leichte Abneigung über die Wahrnehmung des Ärgers..


    Diese leichte Abneigung ist auch ok., denn Hass, Wut, Ärger und Aversion sind unheilsam und wer das so empfindet und weiß, ist reifer.



    Die Abneigung bezog sich nicht auf den Ärger, sondern auf die Wahrnehmung. In diesem Fall verhindert es das Erkennen vom Entstehen des Unheilsamen.

  • Im Alltagsgeschäft kann man das nicht erkennen, die Kette des bedingten Enstehens und Vergehens häkelt so vor sich hin.
    So muss der Auslöser für Ärger nicht unmittelbar vorher stattgefunden haben, er kann auch weit in der "Vergangenheit"und im Unbewussten liegen.


    Es ist garnicht notwendig einzelne Vorgänge aufzudröseln,da wird man ja nie fertig, abgesehen vielleicht von heftigen wiederkehrenden
    Reaktionen in immer denselben Situationen, weil heftige Reaktionen sich nachhaltig als Geistesgifte absetzen,was ja die Medi sehr erschwert.


    Im Allgemeinen reagiert der Geist(Gemüt)immer auf dieselbe Weise, entweder neutral oder abwehrend oder zugeneigt, weil er unwissend ist.
    Wirklich befreiendes Wissen gibts nur im Gesamtpaket durch Erwachen. War ja bei Buddha auch so. Siehe Nachtwachen. Gehörte auch die Schau des bedingten Entstehens dazu.


    Nun sind wir ja nicht so lauter wie Buddha war, als er beschloß sich einfach auf einen Hügel zu setzen und die Versenkung zu entfalten.
    Was anderes fiel ihm auch garnicht mehr ein. Und das sollte uns zu denken geben ;)


    Ärger ist Ärger, aber das Unheilsame im Sinne der nachfolgenden Handlung - da muss man natürlich von zurücktreten, notfalls den Raum verlassen, wie Mirco gesagt hat.
    Es ist die pure Achtsamkeit, die "von allein" das Unheilsame nicht aufsteigen lässt. Deshalb muss man Achtsamkeit trainieren, bis sie so klar ist wie ein geschliffener Diamant. Ist nunmal so. :D


  • Tja, in diesen Worten finde ich mich 100% wieder.

    Lauter im Handel und Wandel: vor geringstem Fehl auf der Hut kämpft er beharrlich weiter, Schritt um Schritt.

  • Sehr gut, der Thread erinnert mich wieder an eine Übung. Da nehme ich mir einfach vor dass ich allen Wesen mit Wohlwollen begegne - Werke, Worte und Gedanken richten sich dann nach dieser dominierenden Haltung des Herzens aus.
    Wenn man schlecht behandelt wird und trotzdem diese Grundhaltung aufrecht erhält kommt es zu keinen Konflikten, vielmehr wirkt der daraus entstehende innere Frieden oft ansteckend. Und man nimmt es nicht persönlich, sondern sieht warum jemand gegen Mettā handelt, dass er so wie ich noch von Gier, Hass und Verblendung beherrscht ist.


    Mettā im Alltag zu üben ist manchmal unbequem, weil man in den Geleisen des Besserwissens, Besserseins, Durchsetzens, nichts gefallen lassens usw. festgefahren ist. So läuft es eben in der Gesellschaft mit dem Ich und Mein, obwohl das immer nur zu dukkha führt. Seltsam, aber so ist die Verblendung.

  • Hallo mukti,


    mukti:

    Mettā im Alltag zu üben ist manchmal unbequem, weil man in den Geleisen des Besserwissens, Besserseins, Durchsetzens, nichts gefallen lassens usw. festgefahren ist. So läuft es eben in der Gesellschaft mit dem Ich und Mein, obwohl das immer nur zu dukkha führt. Seltsam, aber so ist die Verblendung.


    Ich erlebe durch Mettā im Alltag nur Gutes und Erleichterung.
    Unbequem? Das verstehe ich nicht. Für wen ist es unbequem und warum?



    mukti:

    Da nehme ich mir einfach vor dass ich allen Wesen mit Wohlwollen begegne - Werke, Worte und Gedanken richten sich dann nach dieser dominierenden Haltung des Herzens aus. Wenn man schlecht behandelt wird und trotzdem diese Grundhaltung aufrecht erhält kommt es zu keinen Konflikten, vielmehr wirkt der daraus entstehende innere Frieden oft ansteckend. Und man nimmt es nicht persönlich, sondern sieht warum jemand gegen Mettā handelt, dass er so wie ich noch von Gier, Hass und Verblendung beherrscht ist.


    Und was geschieht mit dem unangenehmen Gefühl, dass durch das schlecht behandelt werden möglicherweise entsteht?

  • Zu Metta gehört auch Wohlwollen "sich selbst" gegenüber; Vergebung,Annahme,Lösung; so entsteht keine unheilsame Handlung (inkl.Gedanken)
    Nicht das Gefühl ist befleckend, sondern die Handlung.

  • Jikjisa:

    Zu Metta gehört auch Wohlwollen "sich selbst" gegenüber; Vergebung,Annahme,Lösung;
    so entsteht keine unheilsame Handlung (inkl.Gedanken) Nicht das Gefühl ist befleckend, sondern die Handlung.


    Ja. Gefühl/Empfinden (vedanā) ist Dhamma. Es entsteht, weil es Kontakt als Grundlage hat.
    Wir habe keinen Einfluss darauf, ob es entsteht oder nicht, es ist unpersönlich.
    Nur, wie wir reagieren, dass liegt bei uns. Oder zumindest bilden wir uns das ein.


    Zitat

    "'Die sechs Klassen des Gefühls sollten verstanden werden.' So wurde gesagt. Und wovon abhängig wurde dies gesagt? Abhängig vom Auge und Formen entsteht Sehbewußtsein; das Zusammentreffen der drei ist Kontakt; durch den Kontakt bedingt ist Gefühl. Abhängig vom Ohr und Klängen entsteht Hörbewußtsein; das Zusammentreffen der drei ist Kontakt; durch den Kontakt bedingt ist Gefühl. Abhängig von der Nase und Gerüchen entsteht Riechbewußtsein; das Zusammentreffen der drei ist Kontakt; durch den Kontakt bedingt ist Gefühl. Abhängig von der Zunge und Geschmäckern entsteht Schmeckbewußtsein; das Zusammentreffen der drei ist Kontakt; durch den Kontakt bedingt ist Gefühl. Abhängig vom Körper und Berührungsobjekten entsteht Berührungsbewußtsein; das Zusammentreffen der drei ist Kontakt; durch den Kontakt bedingt ist Gefühl. Abhängig vom Geist und Geistesobjekten entsteht Geistbewußtsein; das Zusammentreffen der drei ist Kontakt; durch den Kontakt bedingt ist Gefühl. Also geschah es in Abhängigkeit von diesem, daß gesagt wurde: 'Die sechs Klassen des Gefühls sollten verstanden werden.' Dies ist die fünfte Sechsergruppe." M148


    Gruß,
    Mirco

  • Mirco:

    Hallo mukti,


    mukti:

    Mettā im Alltag zu üben ist manchmal unbequem, weil man in den Geleisen des Besserwissens, Besserseins, Durchsetzens, nichts gefallen lassens usw. festgefahren ist. So läuft es eben in der Gesellschaft mit dem Ich und Mein, obwohl das immer nur zu dukkha führt. Seltsam, aber so ist die Verblendung.


    Ich erlebe durch Mettā im Alltag nur Gutes und Erleichterung.
    Unbequem? Das verstehe ich nicht. Für wen ist es unbequem und warum?


    Hi Mirco,


    Verzicht auf Selbstbestätigung, sich zurücknehmen und auf den Anderen achten, allen Wesen ehrlich Gutes wünschen, läuft manchmal den Impulsen des Ego zuwider. Man muss es üben um diese Erleichterung zu erfahren, während das Zurückschlagen, Durchsetzen und Ausnutzen ganz von selber da ist, wie man überall sehen kann.


    Mirco:
    mukti:

    Da nehme ich mir einfach vor dass ich allen Wesen mit Wohlwollen begegne - Werke, Worte und Gedanken richten sich dann nach dieser dominierenden Haltung des Herzens aus. Wenn man schlecht behandelt wird und trotzdem diese Grundhaltung aufrecht erhält kommt es zu keinen Konflikten, vielmehr wirkt der daraus entstehende innere Frieden oft ansteckend. Und man nimmt es nicht persönlich, sondern sieht warum jemand gegen Mettā handelt, dass er so wie ich noch von Gier, Hass und Verblendung beherrscht ist.


    Und was geschieht mit dem unangenehmen Gefühl, dass durch das schlecht behandelt werden möglicherweise entsteht?


    Es weicht der höheren Einsicht, löst sich auf in dem stärkeren oder tieferen Gefühl des Friedens und der Geistesruhe.


    Schöne Grüße,
    mukti

  • Hallo,
    eure Ideen zu Metta im Alltag finde ich sehr gut. Nur sich darauf allein zu konzentrieren kann nicht den Ausschlag geben. Dies Verhalten muss von Innen her kommen. Im Achtfachen Pfad, beim Rechten Handeln, heißt es Liebe, Mitleid und Erbarmen. Darüber wird in der Meditation gefühlt. Wird versucht das Gefühl hervorzuheben. Metta ist ok aber da gibt es noch viele andere Dinge im Achtfachen Pfad, die genauso behandelt werden sollten.


    sakko

  • Hallo Sakko,

    sakko:

    eure Ideen zu Metta im Alltag finde ich sehr gut. Nur sich darauf allein zu konzentrieren kann nicht den Ausschlag geben. Dies Verhalten muss von Innen her kommen.


    Im Achtfachen Pfad, beim Rechten Handeln, heißt es Liebe, Mitleid und Erbarmen. Darüber wird in der Meditation gefühlt. Wird versucht das Gefühl hervorzuheben.


    Metta ist ok aber da gibt es noch viele andere Dinge im Achtfachen Pfad, die genauso behandelt werden sollten.


    Vielen Dank für die Erinnerung. Und wie ist Deine Erfahrung mit Mettā im Alltag?


    Gruß,
    Mirco

  • Jikjisa:

    Zu Metta gehört auch Wohlwollen "sich selbst" gegenüber; Vergebung,Annahme,Lösung; so entsteht keine unheilsame Handlung (inkl.Gedanken)
    Nicht das Gefühl ist befleckend, sondern die Handlung.



    Ja, so auch mein Empfinden -> nur wenn ich mit mir selbst im Reinen bin und für mich Heilsames anstrebe, kann ich mich meinen Mitmenschen/Mitwesen gegenüber wohlwollend verhalten.
    Dabei denke ich auch sehr gerne an die Verse 157-166 des Dhammapada (kann man bei Interesse auch nachgoogeln), insbesondere Vers 166.

    Herzliche Grüße von der


    Kirschblüte



    Der vielleicht größte Vorteil des Ruhms besteht darin, daß man ungestraft die größten Dummheiten sagen darf.


    André Gide

  • ...


    165
    Wer selber Unrecht tut, beschmutzt sich selbst allein;
    Wer sich vor Unrecht scheut, der schmückt sich selber fein.
    Ihr selbst, kein andrer, macht euch unrein oder rein.

    166
    Gib nicht dein eig'nes Heil der andern wegen hin;
    Hast du dein Heil erkannt, behalt es stets im Sinn!



    hier

  • Ergänzend dazu ist mir auch noch die Lehrrede von "Sedakam" eingefallen (Samyutta Nikaya 47):


    Zitat

    Auf sich selber achtend, ihr Mönche, achtet man auf die anderen.
    Auf die anderen achtend, achtet man auf sich selber.


    Ich wende die Übung "(durch Metta für mich) auf mich achten, achte ich auf andere." (D.h. wenn ich merke, dass in mir unheilsame Gefühle aufsteigen, wie Ärger o.dgl.)
    In meinem Alltag -ganz besonders in meinem Job- empfinde ich diese Übung als eine der wichtigsten für mich. Sorge ich für mein inneres Gleichgewicht (z.B. mit Mettagedanken für mich selbst), dann kann ich beispielsweise Mitmenschen mit doch etwas mehr Gelassenheit begegnen, bei denen ich weiß, dass sie anderen Menschen (kann auch bei ihren eigenen Kindern sein) etwas Unheilsames angetan haben und fange nicht an, sie zu verurteilen.


    Mal geht es besser, mal geht es nicht so gut ---- aber ich übe mich.

    Herzliche Grüße von der


    Kirschblüte



    Der vielleicht größte Vorteil des Ruhms besteht darin, daß man ungestraft die größten Dummheiten sagen darf.


    André Gide