Der Mut zum unfreundlich sein

  • Geronimo:

    Ich verstehe nicht wieso man sich immer an anderen orientieren muss bei seinen eigenen Handlungen. Und wenn 99% der Menschen um mich herum unheilsam handeln, was hat das mit meinen eigenen Möglichkeiten zu tun heilsam zu handeln?


    Die Orientierung am Außen gibt auch Informationen über das Innere. Was ist wahrscheinlicher, dass es 99% um dich herum sind die unheilsam handeln, oder dass du es bist?

  • Verrückter:
    Geronimo:

    Ich verstehe nicht wieso man sich immer an anderen orientieren muss bei seinen eigenen Handlungen. Und wenn 99% der Menschen um mich herum unheilsam handeln, was hat das mit meinen eigenen Möglichkeiten zu tun heilsam zu handeln?


    Die Orientierung am Außen gibt auch Informationen über das Innere. Was ist wahrscheinlicher, dass es 99% um dich herum sind die unheilsam handeln, oder dass du es bist?


    Ich meine das allein in Bezug auf "Ideale". Ich lese hier immer wieder davon was "die anderen" machen oder wie "die Welt" aussieht, und das man so unmöglich den Gleichmut eines Buddha entwickeln könne, geschweige denn vollkommene Befreiung. Aber was hat das gewöhnliche Verhalten "der Welt" mit unseren Möglichkeiten zu tun?


    Wenn wir uns von vornherein sagen das wir etwas nicht erreichen können, dann können wir es auch nicht. Wenn wir es aber mindestens als Möglichkeit stehen lassen, dann ist es nur eine Frage der Zielstrebigkeit. Zumindest was den eigenen Geist angeht...

    Wichtig ist nicht, besser zu sein als alle anderen.
    Wichtig ist, besser zu sein als du gestern warst. (Dogen)

  • aber um von der Liste wegzukommen, zu dem Punkt, den du eigentlich machen wolltest.


    Ich bekenne, ich will immer wieder gern ein guter Mensch sein. Das stiftet oft Verwirrung. Kann ich leider nicht so einfach abstellen. Erstens ist es ein Automatismus, übrigens nicht aus meinem buddhistischen Leben. Zweitens, wenn du aufhörst, nett zu sein, was dann? Nur nett sein funktioniert nicht. Nicht nett sein funktioniert auch nicht. Hab ich ausprobiert. Also was? Hast du eine Antwort? :(


    Und noch dazu. Um mich rum wollen viele gerne gute Menschen sein. Die Buddhisten haben da eine extra-Falle gebaut: die rechte Rede. Bei Streitigkeiten wird dann untergründig auf das Ekelhafteste gerangelt, während man gleichzeitig unglaublich viel Energie in die Oberfläche der rechten Rede investiert. Weil keiner sich erwischen lassen will.


    So sind wir, wir spießigen Versagertypen. :oops:

  • Geronimo: Ja so (ähnlich) sehe ich das auch, und außerdem ist das gar nicht so schwer glaube ich... relevant hierbei finde ich die buddhistische Aussage, den "Weg der Mitte" zu gehen... oftmals sehen wir die Dinge zu Extrem und unterliegen daher dem Irrtum, noch mehr von etwas sei unmöglich, obwohl es eigentlich andersherum gehen müsste... nämlich, dass wir mal einen Gang zurückschalten. :)


  • Ich denke nicht, dass ich dir zustimmen kann. Es stimmt soweit, man sollte ehrlich genug sein um jemandem sagen zu können wenn etwas nicht passt. Aber das tue ich nicht nach dem Motto "Eh hör mal, ich kann dich nicht leiden." sondern, "Manchmal tust du Dinge, die ich nicht gut finde..." etc. Wenn du jemandem was sagst, soll es den betreffenden Menschen ja nicht schaden, sondern ihm eventuell auch helfen mit mir besser klar zu kommen.


    Wenn ich jemanden nicht leiden kann, bin ich seit einiger Zeit dazu übergegangen mich zu hinterfragen warum das so ist. Oft liegt das Problem nicht an der Person selber, sondern das Problem liegt im inneren. Ein kleines Beispiel aus meiner Sangha:


    Ich geh dort wirklich gerne hin, aber da war immer eine bestimmte Person mit der ich nie richtig warm wurde. Es war die Art von ihr.. leicht besserwisserisch.. ein bisschen erzieherisch.., wie sie spricht, wie sie geht. Man kennt diese Art von Abneigung vielleicht. Ich persönlich konnte so was noch nie leiden :D


    Also habe ich mich umso mehr mit ihr beschäftigt, mich mit ihr unterhalten und auch Standpunkte betrachtet die du bereits oben erwähnt hast. Nach einer Weile habe ich festgestellt, dass man ihre Eigenheiten gut akzeptieren konnte und sich dahinter ein angenehmer Mensch befindet wenn man erstmal seine eigenen Konzepte über Bord geworfen hatte. Wir sind jetzt vielleicht keine Freunde, aber Gefühle der Abneigung sind nicht mehr da. In diesem Fall musste ich auch nicht erwähnen was mir an ihr nicht passt, weil das völlig unnötig ist.


    Mal mein Standpunkt dazu. :)

  • Zum Unfreundlichsein braucht es ja nur "Mut", wenn man unbedingt gern unfreundlich wäre, sich aber aus einer Norm heraus nicht traut. In diesem Fall ist kein rechtes Verständnis für Freundlichkeit vorhanden.
    Bei mir ist es so, dass ich mich unwohl fühle, wenn ich unfreundlich bin, und wenn ich freundlich sein kann, freue ich mich. Wenn wenigstens ich freundlich bin, ist die Welt schonmal zu 50% freundlicher. Oft aber auch zu 100%, weil das Gegenüber auch entspannt.
    Es ist so, dass ich einfach keine LUST auf Unfreundlichkeiten habe und mich deshalb so etwas lieber entziehe. Was hab ich schon in Wirklichkeit damit zu tun, wenn jemand anderes unfreundlich zu mir ist?
    Wenn ich so jemanden ärgern will, streite ich nicht mit. ;) Soll er zusehen, wo er seinen Frust ablässt, ich mach das Spielchen jedenfalls nicht mit. Eine bewusste Entscheidung ist das - darüber was mir gefällt und was mir nicht gefällt.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


    • Offizieller Beitrag
    Zenbo:

    ich wundere mich manchmal wie offensichtlich inteligente leute, auf solche scheinheiligen phrasen hereinfallen. im grunde wird hier doch einfach behauptet, hier sind ein paar verhaltensregeln, wenn wir uns daran halten, dann haben wir keine konflikte. klar, hat ja auch immer prima funktioniert, wie auf der krim im moment, menschen sind in dieser hinsicht eigentlich unproblematisch.


    Was hiesse denn Freundlichkeit auf der Krim? Das hiesse doch zu allererst die Grundsituation anerkennen. Schon 1996 schrieb Samuel Huntington, dass die Ukraine an der Grenze zwischen dem westwuropäischen und dem russischen Kulturkreis liegt und dass es an dieser Sollbruchstelle wahrscheinlich zu einem Machtkonflikt kommen wird. Seit dieser Zeit warte ich eigentlich jedes Jahr auf diesen Konflikt und es hat mich sehr gewundert, dass er nicht kam.


    Freundlichkeit im obigen Sinne hiesse dann diese Grundsituation anzuerkennen:


    • Sie sind eine selbstbewusste, imperialistische Grossmacht wie wir
    • Ihnen geht es darum, sich geopolitische Einflussspähren zu sichern, wie uns
    • Sie wollen vor allem ihre Wirtschafts und Sicherheitsinteressend durchsetzten wie wir.
    • Sie stellen sich dort als die Bewahrer von Grundrechten dar, wie wir.
    • Sie verbrämen ihre Interssse mit passender Porpaganda, genau wie wir.
    • Sie Interessierten die Interessen der Menschen vor Ort nur am Rand genau wie uns.


    Anstatt so zu den, als sei man der Jäger, der das arme Grosskäppchen vor dem bösen Wolf beschützt, müsste man anerkenne, dass man selbst auch ein Wolf ist und die Sache von der anderen Seite nicht fundamental anders aussieht. Auf dieser Ebene "kalter Wolfspolitik" könnte man sich verständigen. Es ist die viel gefälligere Illusion, sich selber als der Jäger und Beschützer zu sehen, die die Assoziation weckt, die Probleme liesen sich lösen, indem ein notorischer Übeltäter zur Strecke gebracht wird.

  • Jojo:

    Die Buddhisten haben da eine extra-Falle gebaut: die rechte Rede. Bei Streitigkeiten wird dann untergründig auf das Ekelhafteste gerangelt, während man gleichzeitig unglaublich viel Energie in die Oberfläche der rechten Rede investiert. Weil keiner sich erwischen lassen will. So sind wir, wir spießigen Versagertypen. :oops:


    Ja, diese "spießigen Versagertypen" haben halt die Lehre des Buddha
    noch nicht tief genug verstanden und verinnerlicht. Insbesondere bei
    der rechten Rede, weil sie die beiden Pfadglieder davor noch gar nicht
    verwirklicht haben, nämlich rechte Einsicht und rechte Gesinnung.
    ohne die geht nämlich gar nichts richtig.
    Rechte Einsicht und rechte Gesinnung dauerhaft zu installieren ist
    nämlich gar nicht so einfach wie wahrscheinlich viele denken. Dabei
    ist auch auffällig, das nicht nur die rechte Rede nicht wirklich erfolgt,
    sondern auch das nicht extra erwähne "rechte Zuhören" auf der
    Strecke bleibt und peinlich genau die Worte anderer auf die "Goldwaage"
    gelegt werden. So werden die Worte anderer zum Teil völlig verkehrt
    gedeutet.
    Kein Wunder wenn dann das mit der rechte Rede, Gesinnung und Einsicht
    dann auch nicht recht funktionieren kann. Aber nur nicht verzagen, auch hier
    gilt der Spruch, das noch kein Meister vom Himmel gefallen sei.

  • Mögen alle Wesen glücklich sein - diese Gesinnung liegt ehrlicher Freundlichkeit zugrunde.
    Unehrliche Freundlichkeit als versteckte Bösartigkeit ist verwerflich. Freundlichkeit und Höflichkeit als versteckte Gleichgültigkeit ist hingegen eine stille Übereinkunft im kultivierten gesellschaftlichen Verkehr. Daß der unerleuchtete Mensch für sich selber nun mal weit weniger Gleichgültigkeit empfindet als für andere, muss er nicht zum allgemeinen Ärgernis durchblicken lassen.


    Zitat

    Höflichkeit ist Klugheit. Folglich ist Unhöflichkeit Dummheit. Sich mittels ihrer unnötiger- und mutwilligerweise Feinde machen ist Raserei, wie wenn man sein Haus in Brand steckt.
    Höflichkeit ist wie ein Luftkissen: Es mag wohl nichts drin sein, aber sie mildert die Stöße des Lebens.
    Arthur Schopenhauer


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