Perspektiven: Buddismus und Wissenschaft, Konventionelle und "Absolute" Sicht

  • Kilaya:

    Da muss man dann wohl auch erstmal den Begriff "Raum" definieren.

    Genau so ist es. Ich bezog mich auf die postulierte Ähnlichkeit von Genesis und Urknall.


    Ich halte die Anwendung von physikalischen Begriffen in buddhistischen Zusammenhängen für nicht hilfreich, und auch gar nicht nötig. Buddhas Lehre ist doch schon spannend genug! :grinsen:


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Hallo Aravind,


    ich hatte nicht versucht, irgendwelche Ideen oder Ansätze zu diskreditieren.


    Ich habe auch nirgendwo von einem Raum ohne Materie gesprochen.

    Es ist ja so wie du es sagst: kein Raum ohne irgendeine Form von Materie. Was aber hat das mit meiner zentralen Aussage zu tun:


    dass es eine bestimmte Betrachtungsart wäre, die zu Widersprüchen im Verständnis der Lehre führe


    ?


    Ich wollte dem werten kilaya mitteilen, dass eine Unterscheidung der Perspektiven in religiös & wissenschaftlich so oder so


    für mich nicht fruchtbar ist, weil es mir darum ginge, den Standpunkt der Betrachtung/die zugrundeliegenden Annahmen zu entziffern. Da sie inhaltlich zwar sehr verschieden erscheinen, sich aber in ihrer Art/Form ähneln. Mein exemplarisches Beispiel:


    Urknalltheorie & Genesis setzen beide eine allgemeine Realität vor die "Entstehung der Existenzen" und damit VOR die bedingte Entstehungen von denen der Buddha sprach.


    So wie "im Christentum" das Leid vorrangig als etwas verstanden wird, was sich Menschen gegenseitig antun (und NICHT sich selbst, so wie es der Buddha ja irgendwo sagt), oder als etwas, was von vornherein schon als Grundkonstante, der man hier ersteinmal ersteinmal ausgeliefert wäre festeht,


    so ähnlich hörte ich hier die Argumente mit dem werten ehemaligen Forumsteilnehmer.


    Das selbe Lied nur in anderen Farben oder von mir aus in einer anderen Tonart:


    Die miteinander verketteten, bedingten Entstehungen von denen der Buddha sprach, wären eigentlich zwischen den Wesen zu suchen und zu finden.


    Es gäbe keine ewige Leidverkettung in der Vertikalen (subjektbezogen) sondern nur in der Horizontalen, im Querschnitt, in einer Allgemeinheit der Wesen.


    Am Ende jedes Lebens wäre es dann vorbei, als Teil dieser folgenhaften Verkettung.


    Was so betrachtet nur konsequent gedacht ist. Denn wenn man als Teil einer ineinander verketteten Allgemeinheit nicht mehr existiert (stirbt), dann ist die Stelle an der sonst folgenhafte Wirkung der allgemeinen Verkettung (als Erfahrung) stattgefunden hat, nicht mehr existent, und man könnte sagen: an dieser Stelle erfährt es sich kein Leid mehr.


    --


    So ähnlich sieht es der gläubige Christ oder Moslem auch. Und das meine ich nicht polemisch oder diskreditierend.


    Auf Erden muss man Gottes unergründliche Wege (den Zufall?) vordergründig oder tatsächlich durch die Handlungen anderer bedingt erdulden.


    Und im Jenseits gibt es, nachdem es einmal erreicht wurde, keine Veränderungen, keine Folgen mehr (ewiger Himmel oder ewige Hölle)


    Genauso (!) wie es für den Toten aus der Sicht, die ich hier kritisierte, logischerweise auch keine Folgen, keine Veränderungen mehr gibt, weil er ja nicht mehr existent ist.


    --


    Und so etwas ist rational nur vorstellbar, wenn man gleichzeitig an eine von einem selbst unabhängige, zeitlich und räumlich vor einen selbst, darum: vorausgesetzte, allgemeine EINE Realität/Wirklichkeit (mit der es dann statt einer selbst weitergeht und dann auch das mit der ewigen Verkettung) glaubt.


    --


    Ich bin mittlerweile fest davon überzeugt, dass genau das ein Spezifikum unserer westlichen Kultur (was zu Zeiten Buddhas anscheinend noch nicht so ausgeprägt war) ist: dass wir besonders stark in dem Glauben verhaftet sind, dass es eine solche (sich am Inhalt der Wahrnehmungen des oder der Erfahrenden orientierende und der "Wesenheit"/den Erfahrenden inhaltlich vorausgesetzte, und deswegen - klar! so oder so beschreibbare) allgemeine Realität gäbe.


    Ich hoffe wirklich, dass ich ein wenig Verständnis für meine Darlegung schaffen konnte.



    Ein schöner Gruß und auf jeden Fall ... frohe Ostern


    :sunny:

  • Dass der Moosgarten meinen Texten immer sehr viel mehr entnommen hat (zum Beispiel, dass ich angeblich nicht weiß, wie empirische Wissenschaft zB "funktioniert"), als ich auszusagen gedachte, lag meistens hoffentlich nicht an meinen Zeilen.

    Das was ihn aufgeregt hat ist, dass du die von dir beschriebene Haltung als " wissenschaftliche Haltung" bezeichnet hast. Obwohl ja eben Wissenschaft überhaupt keine solchen dumpfen Vorurteile über "objektive Realität" braucht. Wenn du ein chinesischer oder indischer Physiker bist kannst du perfekt Wissenschaft betreiben ohne deswegen in einen plumpen, westliches, kartesisches Denken zu verfallen.


    Lieber void,


    ich glaube ja, dass viele Naturwissenschaftler eben schon von einer Wirklichkeit ausgehen, die sich unabhängig von ihnen so oder so fortsetzt. Also eine allgemeine Wirklichkeit, eine objektive Wirklichkeit.


    Es war sicher ein fortwährendes Missverständnis zwischen ihm und mir.


    Und ich habe das schon gesehen bei ihm, wie er differenziert. Aber immer von derselben Position aus . Und das wollte ich ihm mit meinen, im Sinne eines Verständnisses bestimmt öfter nicht achtsam gewählten Worten, mitteilen.


    Es tut mir alles sehr leid, wie es aktuell gerade aussieht hier. Ich wünsche mir ebenso wie wohl die meisten anderen, dass du deine Moderatorentätigkeit nicht aufgibst.


    Auf keinen Fall ist das eine gute Idee. Allein dein Hinweis im letzten Thread für mich: Atem und Atman

    Gold ...


    Ich fand dich in der Moderation zwischen mir und Moosgarten immer "mittig" und fair.



    :sunny::star:

  • Ich habe auch nirgendwo von einem Raum ohne Materie gesprochen.

    In der Buddhalehre gibt es jedenfalls Raum ohne Form als Dasein.

    Aber auch so ein Dasein ist nicht für ewig.

  • Ich beobachte in der Wissenschaft sehr viele verschiedene Strömung, die sich mehr oder weniger an ihre eigenen Prinzipien halten. Ich würde sagen "die Wissenschaft" oder "den Wissenschaftler" gibt es genauso wenig wie "den Buddhismus" oder "den Buddhisten".


    Allerdings ergibt sich bereits aus den Grund-Paradigmen eine gewisse Haltung, die sich von den Grund-Paradigmen des Buddhismus unterscheidet. Wenn systemtheoretische Begriffe zuhilfe nehme, würde ich sagen: Der binäre Code des wissenschaftlichen Systems ist "wahr / unwahr" und was "wahr" ist bemisst sich an der Einhaltung der wissenschaftlichen Prinzipien. Der binäre Code im Buddhismus unterscheidet sich vielleicht nochmal ein wenig im Mahayana und den anderen Schulen, ich würde aber als Arbeitsansatz "heilsam / nicht heilsam" postulieren.


    Was wissenschaftlich "wahr" ist muss nicht buddhistisch "heilsam" sein, kann es aber. Was wissenschaftlich "unwahr" ist, muss buddhistisch nicht "unheilsam" sein, kann es aber, usw.

    Mhh....dazu folgender Gedanke.

    Z.B. Medizin, Pharmakologie, Psychologie usw. gehts da nicht auch um heilsam/ unheilsam im Bezug auf Leiden ? Und im Buddhismus gehts da nicht auch um richtig oder falsch im Bezug auf das beenden von Leid ?

    Wo liegen die Ursprünge der Wissenschaft ? Vlt. Im Achtsamen beobachten und man zog dann vlt. einen Nutzen daraus, der das Leben erleichtern konnte..so gesehen gings ja auch da um das Leiden. Es gibt ja den Spruch "Wissen ist Macht" und wenn dazu noch gedacht wird Macht zu besitzen sei heilsam, dann ist man vlt. umso mehr bestrebt Wissen zu erlangen.

    Andere haben vlt. andere Motive, weil sie dieses oder jenes als heilsam betrachten..und wenns nur um das Befriedigen einer Neugier geht. Buddha sah in Gier Hass und Verblendung die Ursache für das Leiden, auch er war ein Wissenschaftler.

  • Das stimmt schon was Du sagst. Der "binäre Code" ist aber ausdrücklich ein binärer Begriff, der das "Oberthema" eines Systems beschreiben soll. Also der binäre Code des Wirtschaftssystems ist "Profit / Verlust". Der binäre Code eines Einzellers ist "Leben / Tod". usw. Aber es gibt auch sog. Subsysteme. Medizin als Wissenschaft im Sinne von Forschung bleibt "wahr / falsch" - in der Anwendung als praktische Medizin ist der Code des Subsystems aber sowas wie "gesund / krank".


    Und natürlich ist Buddhismus in weiten Teilen auch eine Wissenschaft, aber deren Paradigmen ordnen sich dem buddhistischen "heilsam / unheilsam" unter, was die Gewichtung im Grundsatz verschiebt. In der Wissenschaft hat das "wahr" Vorrang vor dem "heilsam". In der Medizin hat das "heilsam" für viele den Vorrang vor dem "wahr". Deswegen auch der gerne genutzte Spruch "Wer heilt hat recht". Auf diesem Unterschied basiert ein Grossteil des Streits zwischen Teilen der Alternativmedizin, und eher wissenschaftlich geprägten Medizinern oder Theoretikern.


    Der Dalai Lama hat das auch in den Gesprächen mit den Wissenschaftlern in einem der ersten Bücher angesprochen in Bezug auf die Frage: was ist wahres, richtiges Erkennen in der Wissenschaft und im Buddhismus? So kann die Aussage "es gibt xyz" wahr sein, wenn sie einen Nutzen in dem Moment hat, der dem Wesen den Weg zur Erleuchtung zeigt. Auch wenn es keine wissenschaftliche Methode gibt, die das Vorhandensein von "xyz" belegen kann, so dass es nicht den Stempel "wahr" bekommen kann. Mag sein, der DL spricht hier aus einer eher tibetischen Perspektive, man kann das sicher auch anders sehen. Für mich ist es einleuchtend.

  • Mhh....dazu folgender Gedanke.

    Z.B. Medizin, Pharmakologie, Psychologie usw. gehts da nicht auch um heilsam/ unheilsam im Bezug auf Leiden ? Und im Buddhismus gehts da nicht auch um richtig oder falsch im Bezug auf das beenden von Leid ?


    Wo liegen die Ursprünge der Wissenschaft ? Vlt. Im Achtsamen beobachten und man zog dann vlt. einen Nutzen daraus, der das Leben erleichtern konnte..so gesehen gings ja auch da um das Leiden.

    Ich bin mir sicher, dass das eine Rolle gespielt hat und spielt. Ich denke aber, die intuitive Motivation zur Wissenschaft ist eher Neugier, die einen antreibt. Dinge und Zusammenhänge sehen, entdecken, verstehen. Die Vorstellung, Situationen oder die Natur kontrollieren zu können, spielt sicher auch eine Rolle.


    Aber das ist ja stimmig, finde ich. Wenn ich an die Einsichtsmeditation denke, da setz ich mich ja nicht hin und denke, "Oh, jetzt vermindere ich mein Leiden", Sondern: "Mal sehen, was sich heute in meinem Geist tummelt".


    Liebe Grüße, Aravind.

  • Ich bin mir sicher, dass das eine Rolle gespielt hat und spielt. Ich denke aber, die intuitive Motivation zur Wissenschaft ist eher Neugier, die einen antreibt. Dinge und Zusammenhänge sehen, entdecken, verstehen. Die Vorstellung, Situationen oder die Natur kontrollieren zu können, spielt sicher auch eine Rolle.


    Aber das ist ja stimmig, finde ich. Wenn ich an die Einsichtsmeditation denke, da setz ich mich ja nicht hin und denke, "Oh, jetzt vermindere ich mein Leiden", Sondern: "Mal sehen, was sich heute in meinem Geist tummelt".


    Liebe Grüße, Aravind.


    So ein Wissenstrieb dient der ja Selbsterhaltung, ohne dass man das jetzt bewusst wahrnehmen muss. Nach der Buddhalehre gilt es u.a. zu erkennen, dass da gar kein Selbst ist, was es zu erhalten/ behaupten gilt. So gesehen wäre so ein Wissenstrieb ja unvereinbahr mit der rechten Sicht.

    Aber die konventionelle Wirklichkeit gilt trotzdem als wahr und man sollte achtsam durchs leben gehen.

  • Sunu:

    So gesehen wäre so ein Wissenstrieb ja unvereinbahr mit der rechten Sicht.

    Doch nur, wenn du daran anhaftest. Wenn dein Glück nicht vom Egoerhalt abhängt, gibt es doch kein Problem, wenn du deiner Neugier nachgehst.


    Holzhacken gehst du ja auch noch, und denkst nicht: Bin ja erleuchtet, was kümmert es mich, ob ich erfriere. ;)


    Was denkst Du?


    Liebe Grüße, Aravind.

    PS Könnte leicht OT werden; evt ein neuer Faden, das Thema ist ja spannend?


  • Das ist eine Frage des Bewusstseins würde ich sagen. Also ob jetzt ein Verhalten triebgesteuert ist oder nicht. Man kann ja auch bewusst einige Triebe bedienen, bevor sie einen übermannen. So schafft man wiederum einen Ausgleich, bzw. günstige Bedingungen,£ die für ein bewussteres Verhalten förderlich sind. Beim erleuchteten Holzhacker wäre es ja so, dass er nicht denken wird, dass es egal wäre wenn da ein " ich" erfriert ..Dieses egoistische " ich" denken hätte er ja überwunden...er würde eher seinen Körper erhalten, um ihn als Werkzeug gegen weitere leidbringende Ichvorstellungen einzusetzen.

    Bei der Neugier ist der Name schon Programm denke ich.


    Zu OT...passt doch eigentlich schon hierher...

  • Das ist eine Frage des Bewusstseins würde ich sagen. Also ob jetzt ein Verhalten triebgesteuert ist oder nicht. [...]

    Wie unterscheidest du, ob ein Verhalten triebgesteuert ist oder nicht? Kannst du bei "rationalem" Verhalten wirklich sicher sein, daß es nicht doch unbewußte Faktoren/Triebe gibt, die letztendlich dein Verhalten steuern? Wenn nicht einmal unsere Gedanken unserem Willen unterliegen - wie wir es in der Meditation oft genug merken - wie sollen wir uns über die Grundlagen unseres Verhaltens sicher sein? Wie stark ist der Einfluß des Unbewußten auf unsere Handlungen und wie ist das einzuordnen? Ich finde das Ganze reichlich schwammig.

  • Andere haben vlt. andere Motive, weil sie dieses oder jenes als heilsam betrachten..und wenns nur um das Befriedigen einer Neugier geht. Buddha sah in Gier Hass und Verblendung die Ursache für das Leiden, auch er war ein Wissenschaftler.

    Allerdings einer, der erkannte, dass es nicht die Dinge sind, die es zu verändern oder neu zusammenzusetzen gelte, um Leid zu vermindern oder teilweise und zeitlich begrenzt sogar auszulöschen. So herum gedacht eher ein "Wissenschaftler höheren Grades", da er lehrte, die Dinglichkeit selbst aufzulösen, damit sie kein Leid mehr verursache.

    Das stimmt schon was Du sagst. Der "binäre Code" ist aber ausdrücklich ein binärer Begriff, der das "Oberthema" eines Systems beschreiben soll. Also der binäre Code des Wirtschaftssystems ist "Profit / Verlust". Der binäre Code eines Einzellers ist "Leben / Tod". usw. Aber es gibt auch sog. Subsysteme. Medizin als Wissenschaft im Sinne von Forschung bleibt "wahr / falsch" - in der Anwendung als praktische Medizin ist der Code des Subsystems aber sowas wie "gesund / krank".


    So ist das BewertungsMuster... - "binär" :). Schön, dass so einmal dargestellt zu bekommen. Was ist das? Systemtheorie? Luhmann?


    Du erwähntest auch eine buddhistische Wissenschaft, die als Klassifikationsmerkmal für die Beobachtungsobjekte das BegriffsGegensatzpaar "heilsam - unheilsam" verwenden würde. Hättest du da ein Beispiel parat? Also einen Aufsatz, ein Beispiel eines Untersuchungsgegenstandes?


    "buddhistische Wissenschaft" - da sträubt sich in mir etwas, denn


    das klingt für mich wie eine Vereinnahmung der Lehre,

    (die selbst aussagt dass es nur eine zeitlose Lehre gäbe, nämlich sie selbst)

    durch eine Haltung, die bedingt durch ihre Untersuchungsgegenstände (Inhalte der Wahrnehmungen), zu "unendlich viel Wissen", was so auch häufig mit "Wahrheit" verwechselt wird, gelangen "kann".

    Ich bin mir sicher, dass das eine Rolle gespielt hat und spielt. Ich denke aber, die intuitive Motivation zur Wissenschaft ist eher Neugier, die einen antreibt. Dinge und Zusammenhänge sehen, entdecken, verstehen. Die Vorstellung, Situationen oder die Natur kontrollieren zu können, spielt sicher auch eine Rolle.

    Ist nicht genau das etwas, was man nach dem Buddha zu durchschauen hätte? Dass es leidhaft wäre, dem Ursprung der eigentlich leeren Dinge auf den Grund gehen zu wollen? Sie kontrollieren zu wollen? Sie verstehen zu wollen?

    So ein Wissenstrieb dient der ja Selbsterhaltung, ohne dass man das jetzt bewusst wahrnehmen muss. Nach der Buddhalehre gilt es u.a. zu erkennen, dass da gar kein Selbst ist, was es zu erhalten/ behaupten gilt. So gesehen wäre so ein Wissenstrieb ja unvereinbahr mit der rechten Sicht.

    Aber die konventionelle Wirklichkeit gilt trotzdem als wahr und man sollte achtsam durchs leben gehen.

    Das ist es ja im Kern. So ein Wissensbetrieb, auch einer der sich aus Neugier an den leeren Dingen schöpft, an ihren möglichen Zusammensetzungen undsoweiter, ist unvereinbar mit der rechten Sicht.


    Denn allein das Anerkennen des Untersuchungsgegenstandes als irgendwie mit irgendeiner inneren Logik ausgestattet, die es aufzudecken gelte, ist aus buddhistischer Sicht schon eines aus Unwissenheit heraus..


    Die Wissenschaft, die wir betreiben ist die Wissenschaft der Weltlinge für die Weltlinge (ich bin selber einer und lache da auch über mich selbst mit, also bitte keine Gefühle bei diesem Satz :D). Und hier und da blitzt es immer mal wieder auf, dass es alles irgendwie doch nicht so eindeutig ist.


    Sunu:

    So gesehen wäre so ein Wissenstrieb ja unvereinbahr mit der rechten Sicht.

    Doch nur, wenn du daran anhaftest. Wenn dein Glück nicht vom Egoerhalt abhängt, gibt es doch kein Problem, wenn du deiner Neugier nachgehst.

    Ein Wissensbetrieb ohne stärkere Anhaftungen der hierin verwickelten Akteure ist für mich nicht denkbar. Interesse - ist das keine Umschreibung für eine Anhaftung?


    :sunny::star:

    Einmal editiert, zuletzt von Alephant ()

  • Zitat

    So ist das BewertungsMuster... - "binär" :). Schön, dass so einmal dargestellt zu bekommen. Was ist das? Systemtheorie? Luhmann?

    Ja, genau... Luhmannns Theorie sozialer Systeme, eine Übertragung aus der Biologie auf soziale Systeme.


    Zitat

    Du erwähntest auch eine buddhistische Wissenschaft, die als Klassifikationsmerkmal für die Beobachtungsobjekte das BegriffsGegensatzpaar "heilsam - unheilsam" verwenden würde. Hättest du da ein Beispiel parat? Also einen Aufsatz, ein Beispiel eines Untersuchungsgegenstandes?

    Das ist ein Missverständnis. Das wäre der Blick von Aussen mit der systemtheoretischen Brille auf den Buddhismus als "System".


    Aus systemtheoretischer Sicht interessant ist, dass der Buddhismus als System über sich selbst hinaus weist. Das ist in der Theorie sozialer Systeme nicht unbedingt vorgesehen. Systeme gelten dort in ihrem Bestreben immer als selbsterhaltend und selbstreferenziell. ("Autopoiese")

  • Ist das nicht genau das etwas, was man nach dem Buddha zu durchschauen hätte? Dass es leidhaft wäre, dem Ursprung der eigentlich leeren Dingen auf den Grund gehen zu wollen? Sie kontrollieren zu wollen? Sie verstehen zu wollen?

    Da kommt es auf die Details an, IMHO. Zu verstehen sind ja nicht die leeren Dinge, sondern unsere Verblendung darüber. Zu überwinden ist nicht die Neugier, die ist eine inhärente Eigenschaft von Lebewesen, wie Sunu richtig bemerkt hat, sondern die Anhaftung daran.


    Du kannst den zweiten Pfeil vermeiden; der erste trifft auch den Erwachten. 8)


    Liebe Grüße, Aravind.


  • Aber ... die Naturwissenschaften versuchen, den Dingen auf den Grund zu gehen. Den Dingen, die sie da sehen. Und würden sie wissen, dass diese Dinge leer sind, dass sie keine Bedeutung haben, würden sie beispielsweise nicht versuchen, herauszufinden, wie weit ein bestimmter Stern von der Erde entfernt ist, und ob um diesen Stern womöglich Planeten kreisen undsoweiter.


    Sie sehen in dem Stern einen Stern. Und nicht ein nicht weiter beachtenswertes, zusammengesetztes "Soetwas". Deswegen finden sie die Vorgänge in diesem Stern so interessant und sprechen auch so mit leuchtenden Augen in den Dokus oder Interviews.


    Der Buddhist, der seine "eigene Verblendung zu überwinden sucht", sucht damit automatisch zu erkennen, dass die Dinge leer sind und eben keine Eigennatur haben, wie zum Beispiel "Neugier" - eine von dir behauptete, den Wesen inhärente (grundsätzliche) Eigenschaft.


    Es tut mir leid, wenn du wenn du von mir abgefeuerte Pfeile siehst. Komische Verspiegelungen durch die Sonnenbrille? :D

  • Uups, da hab ich nicht nachgedacht: bei meinen Ausführungen zur" buddhistischen Wissenschaft". Klar: von außen mit Luhmann betrachtet. Nix weiter erstmal.


    Luhmann halt ... :)


    Sehr schön! :like:




    :star::sunny:

  • Das ist eine Frage des Bewusstseins würde ich sagen. Also ob jetzt ein Verhalten triebgesteuert ist oder nicht. [...]

    Wie unterscheidest du, ob ein Verhalten triebgesteuert ist oder nicht? Kannst du bei "rationalem" Verhalten wirklich sicher sein, daß es nicht doch unbewußte Faktoren/Triebe gibt, die letztendlich dein Verhalten steuern? Wenn nicht einmal unsere Gedanken unserem Willen unterliegen - wie wir es in der Meditation oft genug merken - wie sollen wir uns über die Grundlagen unseres Verhaltens sicher sein? Wie stark ist der Einfluß des Unbewußten auf unsere Handlungen und wie ist das einzuordnen? Ich finde das Ganze reichlich schwammig.

    Rationalität meinte ich eigentlich nicht, der Verstand ist ja auch nur ein Ausdruck des Selbsterhaltungstriebs...Es ging mir eher um das achtsame wahrnehmen solcher Prozesse und um Handlungsfreiheit. Selbst wenn ein Impuls aus dem Unterbewusstsein auftaucht, heißt das ja nicht, dass ich ihn ausleben muss...ich kann mich zb. auch hinsetzen und beobachten ohne einzugreifen. Handlungsfreiheit meine ich auch nicht in einem absoluten Sinn. Ich sagte ja es macht Sinn einigen Trieben nachzugehen bevor sie einen überfahren und die Kontrolle übernehmen... Ich denke sicher sein über die Grundlagen seines Verhaltens kann man nie, deswegen ist es auch notwendig möglichst achtsam zu sein..

  • Ja, das mag sein. Aber ohne eine gewisse Neugier, welche uns angeboren ist, würden wir völligen Stillstand erleben. Dann würdest du auch nicht hier mit uns kommunizieren.

    :buddha: Es geht immer darum, sich in die Unannehmlichkeiten des Lebens hineinzulehnen und sich diese ganz genau anzuschauen. :buddha:

  • Rationalität meinte ich eigentlich nicht, der Verstand ist ja auch nur ein Ausdruck des Selbsterhaltungstriebs...Es ging mir eher um das achtsame wahrnehmen solcher Prozesse und um Handlungsfreiheit. Selbst wenn ein Impuls aus dem Unterbewusstsein auftaucht, heißt das ja nicht, dass ich ihn ausleben muss...ich kann mich zb. auch hinsetzen und beobachten ohne einzugreifen. Handlungsfreiheit meine ich auch nicht in einem absoluten Sinn. Ich sagte ja es macht Sinn einigen Trieben nachzugehen bevor sie einen überfahren und die Kontrolle übernehmen... Ich denke sicher sein über die Grundlagen seines Verhaltens kann man nie, deswegen ist es auch notwendig möglichst achtsam zu sein..

    Ich sehe es ähnlich, aber pessimistischer. Wenn ein Impuls aus dem Unbewußten auftaucht, dann ist schon nicht mehr unbewußt und dann habe ich die Wahl, ob ich ihm nachgehe. Aber ich frage mich, welche unserer Handlungen nicht triebgesteuert sind. Nahrung zur Erhaltung des Körpers, Kleidung und eine Höhle, um ihn vor dem Unbill des Wetters zu schützen, die Lehre, die ihn vor dem Unbill des Lebens zwar nicht schützt, aber eine Möglichkeit bietet, damit umzugehen ... dient das nicht alles der Selbsterhaltung? Die Handlungsfreiheit zählt für mich auch zur Selbsterhaltung. Solange ich nicht wissen kann, wie weit Triebe und Unbewußtes meine scheinbar bewußten und freien Handlungen steuern, da bleibt sie ein Konstrukt, um das Ego vor dem Zerfall zu schützen.

    Ein einfaches Beispiel: was alles spielt bei der scheinbar so einfachen Wahl eines Kleidungsstücks eine Rolle? Das Wetter, was trägt "man" zu dieser Gelegenheit, paßt das mit dem Rest der Kleidung zusammen, sagte meine Freundin nicht neulich, daß sie das an mir mag, nur so ein paar Dinge, dir mir spontan einfallen. Bei längerer Überlegung würden sich sicherlich noch weitere Kriterien finden. Das alles rast in einem Sekundenbruchteil durch meinen Kopf, ein großer Teil davon nicht einmal an der Oberfläche des Bewusstseins. Ist das Handlungsfreiheit?

    Natürlich können wir mit Achtsamkeit versuchen, uns bewußt zu machen, was in uns abläuft. Aber auch die Achtsamkeit bietet keinen Zugriff auf unbewußte Vorgänge, die können wir nur indirekt an Hand ihrer Auswirkungen feststellen, die "dunkle Materie" des Geistes.

  • Ja, die Gier nach immer wieder Neuem führt zu immer wieder Neuem. Eine ablehnende Haltung allem Neuem gegenüber, aber auch.

  • Ich sehe es ähnlich, aber pessimistischer. Wenn ein Impuls aus dem Unbewußten auftaucht, dann ist schon nicht mehr unbewußt und dann habe ich die Wahl, ob ich ihm nachgehe. Aber ich frage mich, welche unserer Handlungen nicht triebgesteuert sind. Nahrung zur Erhaltung des Körpers, Kleidung und eine Höhle, um ihn vor dem Unbill des Wetters zu schützen, die Lehre, die ihn vor dem Unbill des Lebens zwar nicht schützt, aber eine Möglichkeit bietet, damit umzugehen ... dient das nicht alles der Selbsterhaltung? Die Handlungsfreiheit zählt für mich auch zur Selbsterhaltung. Solange ich nicht wissen kann, wie weit Triebe und Unbewußtes meine scheinbar bewußten und freien Handlungen steuern, da bleibt sie ein Konstrukt, um das Ego vor dem Zerfall zu schützen.

    Ein einfaches Beispiel: was alles spielt bei der scheinbar so einfachen Wahl eines Kleidungsstücks eine Rolle? Das Wetter, was trägt "man" zu dieser Gelegenheit, paßt das mit dem Rest der Kleidung zusammen, sagte meine Freundin nicht neulich, daß sie das an mir mag, nur so ein paar Dinge, dir mir spontan einfallen. Bei längerer Überlegung würden sich sicherlich noch weitere Kriterien finden. Das alles rast in einem Sekundenbruchteil durch meinen Kopf, ein großer Teil davon nicht einmal an der Oberfläche des Bewusstseins. Ist das Handlungsfreiheit?

    Natürlich können wir mit Achtsamkeit versuchen, uns bewußt zu machen, was in uns abläuft. Aber auch die Achtsamkeit bietet keinen Zugriff auf unbewußte Vorgänge, die können wir nur indirekt an Hand ihrer Auswirkungen feststellen, die "dunkle Materie" des Geistes.

    Das Ganze ist aber keine Einbahnstraße. D.h. das Bewusstsein wirkt sich auch auf das Unterbewusstsein aus. Das empfinden zb. wo der Mittelweg liegt, verschiebt sich zb. wenn man ihn konsequent versucht einzuhalten. Man braucht dann Vergleichsweise immer weniger um eine Ausgeglichenheit zu erreichen..Das Unterbewusstsein ist ein Gewohnheitstier.

  • Ja, das mag sein. Aber ohne eine gewisse Neugier, welche uns angeboren ist, würden wir völligen Stillstand erleben. Dann würdest du auch nicht hier mit uns kommunizieren.

    Das ist eine Spekulation. Ich weiß es nicht, wie es wäre, wenn andere Umstände so oder so wären.


    Stillstand im Prozeß des Erkennenwollens wie die leeren Dinge sich zu anderen leeren Dingen verhalten, wie sie sich verändern, was man aus ihnen zusammensetzen kann.


    Stillstand/Beendigung dieser Art der Betrachtung aus Unwissenheit heraus. Ja. Das ist das, was uns der Buddha empfiehlt.



    :sunny::star:

  • Lieber pops, jetzt habe ich wieder einen klareren Kopf... :)


    Ich denke, jetzt ist mir klarer, wo wir uns nicht verstehen. Wir verstehen den Leerheitsbegriff offensichtlich völlig verschieden. Solange wir das nicht geklärt haben, werden wir keine vernünftige Diskussion zu Stande bringen.


    Der Buddhist, der seine "eigene Verblendung zu überwinden sucht", sucht damit automatisch zu erkennen, dass die Dinge leer sind und eben keine Eigennatur haben, wie zum Beispiel "Neugier" - eine von dir behauptete, den Wesen inhärente (grundsätzliche) Eigenschaft.


    Ich habe Leerheit im buddhistischen Sinne so verstanden, dass die Dinge keine unveränderlichen Eigenschaften haben, sondern die Eigenschaften dem bedingten Entstehen unterliegen wie alles andere auch. Das heißt doch nicht, dass die Dinge keine Eigenschaften haben.

    Offensichtlich bist Du gerade neugierig, sonst würdest Du nicht hier im Forum diskutieren. Wenn ich daraus schließe, dass Du immer neugierig bist, dann wäre das ein Fehler und führt bei mir potentiell zu Leiden. Inhärente Eigenschaft sehe ich dabei als Potential, das sich mal realisiert und mal nicht.


    Warum sollte ich den oben genannten Stern denn nicht untersuchen wollen, nur weil er sich verändert? Ich kann nicht sehen, wo dabei Leiden entsteht. Ich suche mir in der Physik ja gerade Settings, in denen ich abgrenzen kann: Das Ding hat sich so und so verändert, und so und so nicht. Nur über Dinge, die dieser Prämisse unterliegen, mache ich überhaupt Aussagen.


    Der menschliche Geist beipielsweise ist diesem Setting eher nicht zugänglich. Trotzdem kann ich mich damit beschäftigen, wenn auch nicht im Rahmen der Physik. In der Einsichtsmeditation beobachte ich sogar dieses "Ding", das ja gerade ein Paradebeispiel für beliebige bedingte Veränderungen ist. Wieso entsteht dabei Leiden?


    Mit den "Pfeilen" hätte ich wohl deutlicher sein müssen, sorry für das Missverständnis; ich dachte, Du kennst das Bild. (beliebige Quelle über Google: http://macht-sinn.com/index.php/faehrmann/print/140 )


    Wie definierst Du den Leerheitsbegriff?


    Liebe Grüße und schönen Ostermontag, Aravind.

  • Ich hab auch das Gefühl, dass ihr den Leerheitsbegriff völlig unterschiedlich definiert. Wobei Pops richtig liegt nach meinem Verständnis und du dich auf dem Holzweg befindest.

  • Ich hab auch das Gefühl, dass ihr den Leerheitsbegriff völlig unterschiedlich definiert. Wobei Pops richtig liegt nach meinem Verständnis und du dich auf dem Holzweg befindest.

    Nämlich? Ich habe mich ja mit einer konkreten Definition vor gewagt. Jetzt bist Du dran... ;)