Diamantweg


  • Das sagt eigentlich recht genau, was ich auch meinte: der Kern dessen, was die Gelugpa-Schule ausmacht, ist Mahayana / Tantra. Ein explizit stufenweiser Weg. Es werden auch andere Lehren inkl. Mahamudra weitergegeben, deren Übertragung aber aus den alten Schulen stammt. Daher kann man durchaus argumentieren, dass die Gelugpa-Schule NICHT vorwiegend Vajrayana ist, denn das, was sie ausmacht, ist Mahayana-zentriert. Da, wo aber Vajrayana vermittelt wird, stammt die Übertragung aus den anderen Schulen.


    Mahamudra oder Dzogchen ist eben gerade kein stufenweiser Weg sondern ein Mittel der direkten Transformation dessen, was im Hier und Jetzt erscheint. Wobei "Transformation" nicht ganz das richtige Wort ist, da es darum geht, die Dinge so zu erkennen, wie sie wirklich sind, ohne sie zu verändern. Was transformiert werden soll, ist die Wahrnehmung, nicht das Objekt der Wahrnehmung.


    Mein Fazit ist daher, dass wir gewissermaßen beide Recht haben. (Abgesehen davon, dass es mir von Anfang an um die Suche nach der Wahrheit ging und nicht darum, eine Meinung durchzudrücken...)

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • Wenn die Vajrayana-Lehren und -Praktiken aus anderen Schulen stammen, so ist das kein Indiz dafür, dass Vajrayana bei den Gelugs nicht gelehrt bzw authentisch praktiziert würde... So getrennt sind die Schulen ja nicht voneinander, dass sie auf verschiedenen Sternen vorkommen würden.
    Und dass Lamrim und Co. "der Kern" sind, bedeutet es ist die Grundlage für den Vajrayana. Eine sehr gute Grundlage, kein Gegenteil oder Ausschlusskriterium.


    Deine Unterscheidung in Tantra und Vajrayana kann ich nicht nachvollziehen und halte sie für ausgedacht.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Ich habe ja auch nicht gesagt, dass sie nicht gelehrt oder praktiziert werden. (Wieder eine Verabsolutierung einer eigentlich differenzierteren Aussage von mir...)


    Ist aber deswegen eine Schule eine Vajrayana-Schule, weil sie auch - aus anderen Schulen kommende - Vajrayana-Inhalte übermittelt?


    Ist eine Sporthochschule eine Medizinische Hochschule, weil Sportwissenschaftlicher auch etwas über den menschlichen Körper lernen?


    Und wieder, nur um gleich Missverständnissen vorzubeugen:


    1. Unterscheidung ist nicht gleich Urteil (bei mir jedenfall nicht)


    2. Ich habe mir noch keine abschliessende Meinung dazu gebildet, ob man die Gelugpa-Schule zum Vavjrayana zählen sollte.


    Dafür müssten erst zwei Dinge abschliessend geklärt sein, die man vielleicht nicht abschliessend klären kann:
    A. Was ist das konstituierende Merkmal einer Schule, um zu einer Kategorie zugehörig zu sein?
    B. Was definiert den Vajrayana in Abgrenzung zu anderen Kategorien und fällt dann diese Schule in diese Definition.


    Fazit: Ich sage, es ist möglich, je nach Betrachtungsweise, dass man sagt: es zählt zum Vajrayana oder auch, dass es nicht dazu zählt. Solange ich nicht eines ausschliessen kann, ist für mich beides gleich wahr.


    An Dich ginge nun meine Frage, warum es Dir so ein Bedürfnis ist, zu beweisen, dass es Vajrayana ist. Das kann ja nur dann von Bedeutung sein, wenn man selbst das Gefühl hat, es wäre vielleicht weniger Wert, wenn es nicht dazu zählt. Dabei ist es doch wert, was es wert ist, so wie es ist, völlig unabhängig davon, welche Kategorien und Benennungen vielleicht rein logisch oder systematisch zutreffend sind.


    Ich nehme zum Beispiel auch an schamanisch-spirituellen Arbeiten aus Südamerika Teil, wo eine christliche Symbolik vorherrscht. Erzengel Michael hat für mich eine ähnliche (ähnlich, nicht identisch!) Bedeutung wie Manjushri (weil ich mich auf das hinter dem kulturell geprägten Archetyp stehende Prinzip beziehe). Obwohl ich diese schamanische Schule sehr wertschätze - so wie sie ist - und die Erfahrungen gut mit Meditationserfahrungen z.B. aus dem Phowa in fruchtbare Verbindung bringen kann, käme niemand auf die Idee, zu sagen, diese schamanische Schule sei Mahayana, obwohl es durchaus Elemente von Tantra hat und von Mitgefühl motiviert ist. Einfach, weil es gänzlich verschiedene Kategorien und Systematiken sind.

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • Hat denn sonst niemand eine Idee dazu, ob pauschal Tantra = Vajrayana - oder ob Vajrayana noch etwas braucht, was im Tantra allein nicht enthalten ist, um Vajrayana zu sein?
    Bevor das nicht geklärt ist, ist die restliche Diskussion eh hinfällig, weil dafür jede Basis fehlt. (Ich befürchte allerdings, dass es dazu verschiedene Sichtweisen gibt, die alle gültig sind, weil es halt eine Frage der Definition und Systematik ist...)

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • VOOM108:

    Hat denn sonst niemand eine Idee dazu, ob pauschal Tantra = Vajrayana - oder ob Vajrayana noch etwas braucht, was im Tantra allein nicht enthalten ist, um Vajrayana zu sein?
    Bevor das nicht geklärt ist, ist die restliche Diskussion eh hinfällig, weil dafür jede Basis fehlt. (Ich befürchte allerdings, dass es dazu verschiedene Sichtweisen gibt, die alle gültig sind, weil es halt eine Frage der Definition und Systematik ist...)


    Hallo Voom,


    das buddhistische Tantra ist gleichbedeutend mit dem Vajrayana. Vajrayana, Tantrayana, Mantrayana sind synonym.

    Kein "Ich" - keine Probleme.

  • Gut, wenn das, was ich gelesen habe, nicht gesagt wurde, dann mach ich mir nun nochmal die Arbeit zu zitieren. Ein Liebesdienst - mir macht sowas gar keinen Spaß und für Leute, die ich nicht respektiere, würde ich mir so eine Arbeit nicht machen.
    Es ging mir auch um Aussagen von Angulimala, der sich aber im Weiteren dann lieber rausgehalten hat.



    Angulimala:


    Die Gelug -Schule arbeitet mit Madhyamaka (dem grossen mittleren Weg). Die Betonung bei letzterem liegt auf dem systematischen Studium und ist sehr Mönchs- und Nonnenlastig. Sie nennen sich selbst auch "die Tugendhaften". Das bedeutet Gelug nämlich.
    Madhyamaka betont die Leerheit der Phänomene und die Leerheit des Erlebers. So wird betont, die Dinge seien "leer von einem selbst" (tib.:rangtong). Vor der Praxis steht in der Gelug Schule das Studieren. Man wird wenige tatsächlich meditierende Gelugs in unseren Gefilden treffen. Meist geht es um Einweihungen und Studium, erst dann wird meditiert. Pädagogisch nachvollziehbar finde ich das schon. Der Gedanke: "Wenn man meditiert, muss man auch wissen, worauf", kann ich nachvollziehen.


    Das Rotmarkierte sind meinem Erleben nach Falschaussagen. Vielleicht sind wir nicht so riesige Fans von Gruppenmeditationen, oder ich weiß nicht wie dieses Vorurteil zustande kommen kann - aber nicht meditierende Gelugs wären ein Absurdum. Studium wird eher stillschweigend mit Meditation gleichgesetzt, denn ein profanes Lesen/Hören, ohne Kontemplation bzw. Nachmeditation soll laut den ersten Seiten im Lamrim nicht sein. Die Gelug-Art des Studiums unterscheidet sich entschieden von Univorlesungen. :)


    Losang Lamo:
    Angulimala:


    Das wäre mir echt neu.


    Auf meine Frage, wie es zu dieser Einschätzung kommt, bisher keine Antwort.


    VOOM108:
    Zitat

    Ist eine Einweihung in Kriya-Tantra oder Anuttarayoga-Tantra kein Vajrayana?


    Ich würde sagen: wenn die Einweihung in Verbindung mit der Sicht oder in Vorbereitung auf eine Dzogchen oder Mahamudra-Praxis gegeben wird, ist es Vajrayana; spielt diese Ebene keine Rolle, ist es kein Vajrayana, dann ist es "einfach" Tantra, wenn auch Anuttarayoga-Tantra die höchste Tantraklasse ist. Auch wenn die Höchste Sicht zwar philosophisch erklärt wird, aber keine Übertragung und Praxis dazu stattfindet, ist es noch kein Vajrayana.


    Ich nehme an, dass dieses blaumarkierte natürlich im Gelug vorhanden ist und dass es sogar anders gar nicht sein kann - dass aber die Begrifflichkeiten verschieden formuliert werden, obwohl das Selbe dahinter steckt. Ich kenne diese von Dir benutzten Begriffe nicht so, dass ich es mit dem, was bei den Gelugs gelehrt wird, vergleichen könnte - ich würd gern verstehen, woher Ihr Euer "Wissen" oder Eure Spekulationen bezieht. Aus dem blauen Dunst, oder woher? :)


    VOOM108:

    Gelehrt oder praktiziert? Das ist ja der Knackpunkt... Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen einem Lehrer, der das Wissen zu Mahamudra weitergeben kann - und einem Mahamudra-Meister, der in diesem Zustand ist und eine direkte Geist-zu-Geist-Übertragung gibt.


    Sagst Du hiermit nicht mit anderen Worten die einen wissen, wovon sie reden, die anderen geben nur Wissen weiter, das sie nicht verinnerlicht haben?
    Hab ich Dich nun so falsch verstanden?
    Die Unterscheidung zwischen gelehrt und praktiziert ist absurd. Wer etwas lehrt, was er nicht praktiziert, ist ein Scharlatan, mal krass ausgedrückt.


    VOOM108:


    Tatsache ist allerdings, dass viele typische Vajrayana-Elemente von der "magisch-schamanischen" Art sind,
    von der sich die Gelugpas bei der Gründung ihrer Schule ausdrücklich emanzipieren wollten.


    Würd mich, wie gesagt interessieren, woher Du das Wissen um diese falschen "Tatsachen" beziehst, denn es werden bei den Gelugs, die ich kenne natürlich magische Elemente angewendet, nur wird damit nicht hausieren gegangen.


    So, obwohl ich die Zitateliste noch länger machen könnte, hab ich es nun auf den Punkt gebracht. Es reicht. :D


    Worauf ich gern eine Antwort hätte: worin besteht der Sinn dieser Diskussion für Dich?

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Zitat

    Worauf ich gern eine Antwort hätte: worin besteht der Sinn dieser Diskussion für Dich?


    Klärung von Begrifflichkeiten; Austausch über Gemeinsamkeiten und Unterschiede; Erkenntniszuwachs.


    Wer, wenn nicht ein Gelugpa, sollte eine gepflegte Diskussion zu schätzen wissen? ;)


    Zitat

    Sagst Du hiermit nicht mit anderen Worten die einen wissen, wovon sie reden, die anderen geben nur Wissen weiter, das sie nicht verinnerlicht haben?
    Hab ich Dich nun so falsch verstanden?
    Die Unterscheidung zwischen gelehrt und praktiziert ist absurd. Wer etwas lehrt, was er nicht praktiziert, ist ein Scharlatan, mal krass ausgedrückt.


    Durchaus nicht, aus westlicher Sicht sind Wissenschaftler und Praktiker sogar völlig verschiedene Welten. Dass aus buddhistischer Sicht Wissen und eigene Erfahrung nicht zu trennen sind, ist etwas, das ich persönlich am Buddhismus sehr schätze. In den Mind & Life Gesprächen mit dem Dalai Lama wird das schon im ersten Band sehr schön herausgearbeitet: was definiert Wahrheit in der westlichen Wissenschaft, was definiert Wahrheit im der buddhistischen Philosphie und Wissenschaft. Im westlichen Paradigma ist es sogar verpönt, die eigene subjektive Erfahrung zum Bestandteil des Erkenntnisgewinns zu machen. Im buddhistischen Paradigma wiederum muss ich nichts für mich für wahr nehmen, wenn es nicht meiner eigenen Erfahrung entspricht oder wenn ich keine Möglichkeit habe, den Wahrheitsgehalt selbst als Erfahrung zu verinnerlichen.


    Trotzdem gibt es im Buddhismus durchaus die Unterscheidung zwischen "Lehrern" und "Meistern". Wobei ein Lehrer hier schon natürlich eigene Erfahrungen hat. Aber er muss nicht erleuchtet sein. Er kann über Erleuchtung dozieren, ohne ein Buddha zu sein. Erklären, was Befreiung bedeutet, ohne selbst befreit zu sein (= frei von Ego). Erklären, was Mahmudra ist, ohne selbst stabil in der Erfahrung zu sein; erklären, verstehen können, was Dzogchen ausmacht, ohne selbst im Natürlichen Zustand zu verweilen - sogar ohne selbst Dzogchenpa zu sein. Was sollte daran Scharlatanerie sein? Scharlatenerie wäre es, zu behaupten - oder den Eindruck zu erwecken und nicht aufzuklären - man habe etwas verwirklicht und erfahren, was man tatsächlich gar nicht verwirklicht und erfahren hat.


    Zitat
    Zitat

    VOOM108 hat geschrieben:
    Tatsache ist allerdings, dass viele typische Vajrayana-Elemente von der "magisch-schamanischen" Art sind,
    von der sich die Gelugpas bei der Gründung ihrer Schule ausdrücklich emanzipieren wollten.


    Würd mich, wie gesagt interessieren, woher Du das Wissen um diese falschen "Tatsachen" beziehst, denn es werden bei den Gelugs, die ich kenne natürlich magische Elemente angewendet, nur wird damit nicht hausieren gegangen.


    Ich formuliere i.d.R. sehr präzise, daher ist es wichtig genauer hinzuschauen, als Du es bei mir zu tun scheinst. Ich habe nicht geschrieben, dass bei den Gelugpas keine magischen Elemente angewendet werden - wobei man "magisch" auch erstmal definieren müsste, bevor man das Wort erkenntnisbringend verwenden könnte. Eine Einweihung ist für mich noch keine Magie, auch nicht wenn sie von einem Bodhisattva in seiner Sambhogakaya-Form gegeben wird. Dorje Shugden wiederum hat magische Elemente, aber das ist eine andere Kontroverse, die ich hier gar nicht aufmachen will. Ich erwähne das nur, weil da bei den Gelugpas etwas praktiziert wird, was eigentlich nicht dem Verständnis der Gelugpa-Tradition entspricht - so wie ich es verstehe.
    Weiterhin schrieb ich, dass diese Elemente von der magisch-schamanischen Art seien von der ... sie ... sich emanzipieren wollten. Also ganz spezielle Elemente des magisch-schamanischen Spektrums. Was Du mir eigentlich mit der Aussage bestätigt hast, dass Tsongkhapa sich die Übertragungen neu von der Quelle holen wollte, wobei vor allem das herausgefallen sein dürfte, was die alten Schulen an vorbuddhistischen Ritualen, Gottheiten usw. integriert hatten.


    Zitat

    So, obwohl ich die Zitateliste noch länger machen könnte, hab ich es nun auf den Punkt gebracht. Es reicht.


    Für Aussagen anderer bin ich ja nicht verantwortlich, ebenso wenig gehöre ich zu irgendeinem "wir" oder "euch" dazu. Wenn Du meine Aussagen als Fortsetzung anderer Aussagen missdeutest, wo ich diesen anderen Aussagen selbst nicht zustimmen würde und es auch nicht getan habe, so ist das Deine ganz eigene Konstruktion.


    Zitat

    Verbindung mit der Sicht oder in Vorbereitung auf eine Dzogchen oder Mahamudra-Praxis gegeben wird


    Wir haben ja schon geklärt, dass Dzogchen- und Mahamudra-Übertragungen offensichtlich innerhalb der Gelug-Schule - aus den alten Schulen kommend - gelehrt und praktiziert werden. Auch wenn das nicht die Hauptpraxis ist. Generell bleibe ich dabei, dass man besonders mit dem Begriff Mahamudra allerdings vorsichtig sein muss, weil man sich immer erstmal die Inhalte anschauen muss, um zu sehen, ob das Gleiche gemeint ist, weil der Begriff an verschiedener Stelle verschieden gemeint ist. Siehe die offenbar schier unlösbaren Diskussionen zwischen (einigen) Dzogchen-Vertretern und Mahamudra-praktizierenden anderer Schulen schon allein hier im Forum.


    Zitat

    das buddhistische Tantra ist gleichbedeutend mit dem Vajrayana. Vajrayana, Tantrayana, Mantrayana sind synonym.


    Wenn das offiziell so ist, dann ist die Gelugpa-Schule natürlich eine Vajrayana-Schule. Auch im Kern dessen, was sie von den anderen Schulen abgrenzt. Denn buddhistisches Tantra ist natürlich da.


    Ich würde immer noch zwischen Vajrayana und Tantrayana unterscheiden, weil auf jeden Fall die höchste Sicht im Dzogchen und vermutlich auch die höchste Sicht im Kagyü-Mahamudra eben gerade nicht (mehr) tantrisch sind. Sie gehen über Tantra hinaus, sowohl in der Sicht als auch in der Methode, auch wenn meist parallel tantrisch und mit der Sicht praktiziert wird. Diese Unterscheidung - unterscheiden heisst ja immer, willkürlich irgendwo eine Grenze zu ziehen und zu sagen: das gehört zu diesem, das zu jenem, obwohl überall nur fliessende Übergänge und Berührungspunkte existieren, wo man meint, dass sich Grenzen befinden, diese Unterscheidung also mag mein ganz persönliches Ding sein ;) Ich leite sie daraus ab, dass der "Diamant" (Vajra, Dorje) als Symbol für den Geist an sich steht, selbst-leuchtend, immer schon da, muss nicht erst erlangt werden, sondern nur erkannt usw. Das ist dann - oder das sehe ich dann - (als) Verweis auf die höchste, nicht-tantrische Sicht, die mit dem Tantra zusammen praktiziert werden kann, aber es geht eben auch Tantra ohne diese Sicht oder gar die blosse Sicht als Praxis ohne Tantra, Mantras usw.

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • hallo
    ich glaube hier liegt vielleicht der Denkfehler:

    Zitat


    Ich würde immer noch zwischen Vajrayana und Tantrayana unterscheiden, weil auf jeden Fall die höchste Sicht im Dzogchen und vermutlich auch die höchste Sicht im Kagyü-Mahamudra eben gerade nicht (mehr) tantrisch sind


    Diese Unterscheidungen funktionieren nur in der Theorie. Ich habe mal ein Buddhistisches Buch gelesen von W. Schumann über Buddhismus und seine Schulen.
    Er sprach genau wie du von den Tantrayana etc. Ich weiß dass das auch eine gewisse Berechtigung hat.


    Aber ist es nicht eigentlich so dass alle großen tibetischen Schulen immer Tantra-Aspekte haben. Selbst im Dzogchen hast du immer irgendein Varjasattva(für mich auch tantra) oder eben auch Guruyoga(was auch irgendwie mit Vereinigung zu tun hat damit unterscheidet es sich inhaltlich im wesentlichen kaum vom Tantra)


    Genauso hat jede dieser Tradationen die Praxis der höheren Sicht z.B. Shamatha(ist jetzt nicht ganz exakt) o.ä. also eher eine nicht-Visualisierungsmeditation. Auch braucht jede Tradition an einem bestimmten Punkt ein Mantra denke ich.
    Es gibt für mich stand heute also nur solche Mischformen


    Liebe Grüße
    Tobias

  • Zitat

    Aber ist es nicht eigentlich so dass alle großen tibetischen Schulen immer Tantra-Aspekte haben. Selbst im Dzogchen hast du immer irgendein Varjasattva(für mich auch tantra) oder eben auch Guruyoga(was auch irgendwie mit Vereinigung zu tun hat damit unterscheidet es sich inhaltlich im wesentlichen kaum vom Tantra)


    Wobei der Dzogchenpa ja argumentieren würde, dass es zwar Tantra als Vorbereitung im Dzogchen gibt, die höchste Sicht jedoch nicht tantrisch ist. Weil Tantra im eigentlichen Wortsinn immer eine Vereinigung von zwei Dingen bedeutet, die zuvor getrennt waren. Die höchste Sicht betrachtet diese Dinge jedoch von vorne herein als nicht getrennt. Das führt zu einer - wiewohl subtilen - unterschiedlichen Betrachtungsweise im Geist.


    Die sich aber auch meiner Ansicht nach am Ende von selbst ausgleicht. Weil die wahre Natur der Dinge, wenn man ihr nahe genug kommt, eine unweigerliche Sogwirkung entfaltet. Die bezeichnet man in manchen Traditionen als "Gnade". Man kann halt den letzten Schritt nicht intentional gehen, weil genau diese Intention abgelegt werden muss, um hineinfallen zu können. Aber das führt jetzt zu weit vom Thema weg.


    Beim Guru-Yoga denke ich, muss man auch unterscheiden. Denn es geht ja darum sich mit den Qualitäten des Guru direkt zu identifizeren, damit eine direkt Geist-zu-Geist-Übertragung stattfinden kann. Je nachdem, welche Verwirklichung dieser Guru hat oder für welchen Ausdruck von Buddhaschaft er steht, ist das Ergebnis zunächst ein anderes. So wäre ein tantrisches Guru-Yoga durchaus subtil verschieden von einem Dzogchen-Guru-Yoga, wenn bei den Einen eine Vereinigung von Gegensätzen geübt wird, wo das Ergebnis diese Vereinigung als Ursache hat, und bei dem Anderen eine direkte Einsicht in den Geist übertragen wird, in deren Folge man die Dinge so sieht, wie sie sind, von Natur aus ungetrennt.


    Im Gegensatz zu gewissen Dzogchenpas sehe ich aber die Übertragung die durch ein Guru-Yoga auf Karmapa als lebendigem Ausdruck des Geistes aller Buddhas (Dorje Chang) - als Mahamudra-Übertragung - gegeben wird, ebenfalls als direkte Einsicht in die Natur des Geistes an, nicht als tantrische Vereinigung getrennter Gegensätze.


    Zitat

    Genauso hat jede dieser Tradationen die Praxis der höheren Sicht z.B. Shamatha(ist jetzt nicht ganz exakt) o.ä. also eher eine nicht-Visualisierungsmeditation. Auch braucht jede Tradition an einem bestimmten Punkt ein Mantra denke ich.
    Es gibt für mich stand heute also nur solche Mischformen


    Mischformen - volle Zustimmung - als Systeme gibt es nur Mischformen, auch wenn man theoretisch als Individuum ein einzelnes Element losgelöst praktizieren kann - wenn man es kann (aus karmischen Gründen...). Und selbst da, wo jemand etwas losgelöst praktizieren kann, ist es wohl unvermeidlich, dass man in vorherigen Inkarnationen die vorausgehenden Übungen gemacht hat - oder man kommt gleich aus Shambhala oder den Reinen Ländern als Tulku.


    Worüber ich mich gerne weiter unterhalten würde, ist wieweit andere Sichtweisen qualitativ-inhaltlich gleichwertig sind mit derer aus dem Dzogchen oder Mahamudra. Also dass es darum geht, die Dinge so wie sie sind als rein und erleuchtet zu erkennen, ohne sie erst verändern, transformieren, vereinigen zu müssen usw.


    Ich würde nämlich durchaus sagen, dass z.B. im Taoismus die Grundlage dafür durchaus vorhanden ist. Das DAO ist schon eins, obwohl es die Unterscheidung beinhaltet. Wuwei ist ein Eins-Sein mit dem Hier und Jetzt, das allerdings meist als Ausdruck einer verinnerlichten Übung angesehen wird, nicht als direkter Ausdruck der Grundnatur.


    Worauf zielt Shamata ab? Geistesruhe, richtig? Dann kommt es darauf an, was man mit dieser Ruhe macht oder nicht macht. Aber ein direktes Sehen des So-Sein sehe ich da nicht zwangsläufig als notwendiger Bestandteil der Praxis. Vielmehr besteht (zumindest bei Anfänger) doch eine Neigung, Ruhe von Unruhe zu unterscheiden und das Eine vermeiden, das Andere jedoch erlangen zu wollen?!


    Wenn diese Ruhe allerdings auf den Betrachter bezogen ist und nicht auf das Objekt der Betrachtung, dann könnte man mit Ruhe alles betrachten, was im Geist erscheint. Immer noch übt man in einer Haltung der Trennung zwischen Betrachter und Objekten der Betrachtung. Was führt nun zur Auflösung dieser Trennung zwischen Subjekt und Objekt? Wird etwas gelehrt, das man anwenden kann bei einer Meditation der Geistesruhe, das diese Illusion einer Trennung aufgeben hilft? Solche Feinheiten machen oft einen entscheidenden Unterschied.

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • Vielleicht noch eine kurze Bemerkung, warum das so wichtig ist, ob der erlangte Geisteszustand das Ergebnis (oder vermeintliche Ergebnis) von (geistigen) Handlungen ist, die man selbst oder jemand anders vorgenommen hat, oder ob er aus sich selbst heraus bzw. aus der Grundnatur heraus selbst-bestehend existiert: es geht darum, dass alles, was bedingt oder geschaffen ist, auch wieder vergeht oder vergehen kann. Einem solchen Zustand traut man auf ganz tiefer Ebene nicht, denn er ist geschaffen, also kann er auch wieder vergehen. Das einzige, was wirklich 100% verläßlich ist, ist das Ungeborene, Selbst-klare. Buddha sein kann also nur dieses Erkennen aller Dinge in ihrem So-Sein, diese Art der Wahrnehmung von den Dingen als ungetrennt von ihrer einzigen wirklichen Ursache, als Grundlage haben.

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • Hallo Losang,
    ich halte mich gerne heraus, wenn eine Diskussion zu hitzig wird. Ausserdem kann ich prima mit unterschiedlichen Erfahrungen und Meinungen umgehen.


    Dass die Gelug Schule vorwiegend bzw betonter eine Studienschule ist, ist eigentlich gemein hin bekannt. Sie selbst sagen, sie seien Mahayana. Geht man auf die tibet-seite, wird auch sofort das Studium angeboten. Ich habe kein Problem damit. Ich muss niemanden davon überzeugen. Dass dort auch meditiert wird ist keine Frage, sonst wäre es wohl kaum Buddhismus. Diskutiert man jede Kleinigkeit und jede Ausnahme wird erwähnt, werden die Dinge irgendwann unscharf. Redet man z.B. lange genug darüber, ob es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt, wird man keinen mehr finden, auch wenn das unserer Alltagserfahrung deutlich widerspricht.


    Die Gliederung der Gelehrten (dazu gehöre ich nicht), teilt die vier großen Schulen in die drei "alten Schulen" des Vajrayana und der "neuen Schule", den Gelugs. Die Gelugs sind auch politisch aktiv. Daher ist auch die Struktur unschärfer, als daß es jetzt hier klar zu erkennen wäre, was die Schule eigentlich auszeichnet. Das liegt daran, dass andere Schulen in den Gelugs aufgehen sollten. Das jetzt alles zu erklären, sprengt den Rahmen, zumal ich da auch erst nachschlagen muss, was da im einzelnen passiert(e).
    Daran wäre jetzt auch erstmal nichts auszusetzen, denn die Rimebewegung ist eine Grundidee, hinter der ich durchaus stehe. Nur sollte das dann unter der Schirmherrschaft des Dalai Lama geschehen und so erklärten sie einfach die Methoden anderer Linien als Gelugpraxis. Es geht also um Politik.
    Die Meditation auf zB Vajrasattva, ist nicht automatisch eine Tantrische Praxis. Es gibt viele Buddhas und Bodhisattvas im Mahayana, diese sind keine Erfindung oder gar Monopol der tantrischen Schulen. Vielleicht ist es nicht ganz leicht zu verstehen, was Tantra überhaupt bedeutet. Dass die Gelugs tantrisches Wissen haben, und auch Übertragungen die auf Atisha zurück gehen, heisst nicht, dass es dort gängige Praxis ist.
    Vajrayana heisst übrigens aus zwei Gründen so: Zum einen, weil es die dem Geist innewohnenden Qualitäten bezeichnet, rein und unzerstörbar zu sein, und aus sich selbst heraus strahlend (das ist eindeutig die Sichtweise des DzogChen und des Mahamudra) und zum anderen die unzerstörbare Verbindung, zwischen Lehrer und Schüler.
    Diese Sichtweise und der Vergleich des Diamanten entsteht aus dem "Detong". Es wird im Detong betont, "da ist etwas". Die "Rangtong" Sicht des Grossen Mittleren Weges (Madhyamaka) bezeichnet das "leer von einem selbst". Die Betonung ist also hier die Leerheit, was bedeutet, "da ist nichts". (im buddhistischen Sinne)
    Man kann das auch anhand des dreimaligen Drehens des Dharmarades erklären. So beschreibt das zweite Drehen die Raumnatur des Geistes, also die Leerheit. Das dritte Drehen bezeichnet die Klarheit des Geistes, also die Reinheit der Phänomene im Erleben.
    Es gibt noch eine dritte Version, das Shentong, was man als Bindeglied zwischen den beiden Vorigen sehen kann.
    Diese philosophischen Betrachtungsweisen verlieren ab einem gewissen Grad natürlich ihre Bedeutung, dass hängt immer davon ab, ob man aus der Sicht des Weges, oder aus der Sicht des Ziels blickt. Da Erleuchtung aus Sicht des Weges eine individuelle Erfahrung ist, werden diese unterschiedlichen Methoden gelehrt. Wäre das nicht so, hätten sich keine unterschiedlichen Schulen gebildet, was ja aber offensichtlich der Fall ist. Das alles sage ich, wegen der Namensgebung "Vajrayana". Da Vajrayana Schulen alle tantrische Schulen sind, wird es gleich gesetzt. Vajrayana = Tantrayana = Mantrayana. Das das soll nicht ausschliessen, dass die Gelug kein Tantra haben. Sie sind eben nur nicht Vajrayana.
    Wenn jemand sagt, dass die Gelugs Vajrayana sind, dann ist mir diese Einteilung eben neu und macht aus den mir genannten Gründen auch gar keinen Sinn.


    Ich hoffe, du kannst meinen Standpunkt jetzt verstehen. Natürlich bleibt dir deine Meinung unbenommen.

  • Danke erstmal für diese Erklärungen, die mir einleuchten, da sie mein Gefühl bestätigen (und diese Art "Gefühl", um die es hier geht ist bei mir nicht etwas, das aus der Luft gegriffen ist, sondern eher eine Art "Kristallisierung von kollektivem Wissen", dem ich nur so weit in Worten Ausdruck verleihen kann, wie ich sie mit eigenem angesammelten Wissen und Erfahrungswissen in Verbindung bringen kann...)


    Zitat

    Diese Sichtweise und der Vergleich des Diamanten entsteht aus dem "Detong". Es wird im Detong betont, "da ist etwas". Die "Rangtong" Sicht des Grossen Mittleren Weges (Madhyamaka) bezeichnet das "leer von einem selbst". Die Betonung ist also hier die Leerheit, was bedeutet, "da ist nichts". (im buddhistischen Sinne)
    Es gibt noch eine dritte Version, das Shentong, was man als Bindeglied zwischen den beiden Vorigen sehen kann.


    Könnte man sagen, Detong bezieht sich auf den Sambhogakaya als Freudenkörper mit einer Betonung des Aspekts "Freude" beim Mahamudra und einer Betonung des Aspekts "Klarheit" bei Dzogchen, während Rangtong mit der Betonung des Dharmakaya sich auf den Wahrheitskörper bezieht? Etwa so: Sambhogakaya-Formen sind das, was im Thögal als Lichter erscheint, Dharmakaya ist Rigpa, aus dem und in dem die Lichter erscheinen. Ist die einzige Ursache der Lichter Dharmakaya, sind sie authentisch im Sinne der Thögal-Erfahrung. Ist die einzige Ursache der Freude der Raum selbst, ist sie authentisch im Sinne einer Mahamudra-Erfahrung. Bleibt man bei der Betonung eines einzelnen Aspektes stehen, fehlt der letztendliche Schritt in das hinein, was wirklich die letzte und höchste Einsicht ist in die wahre Natur der Dinge: Freude, Klarheit, Leerheit sind eins; Nirmanakaya, Dharmakaya und Sambhogakaya sind eins. Raum und Erscheinungen sind von der gleichen Natur. Raum und Bewusstsein sind von der gleichen Natur. Bewusstsein und Erscheinungen sind von der gleichen Natur. "Form ist Leere, Leere wird zur Form. Form und Leerheit untrennbar." Alle Erscheinungen haben nur den Raum selbst als Ursache, werden von diesem wahrgenommen - und dorthin kehren sie zurück. Im Sinne der Kayas wäre das der Svabhavikakaya, der diese Wesensgleichheit der Kayas bezeichnet.


    Leerheit bedeutet blos die Abwesenheit von einer Definition oder Geformtheit, nicht Nichts. Eher ein leuchtendes Potential ohne Eigenschaften, das aber zugleich alles beinhaltet was existiert.
    Klares Licht - Licht ohne Farbe - wie stellt sich das im leeren Raum dar? Wie unterscheidet man Licht von Raum, wenn da kein Objekt ist, an dem sich dieses Licht brechen kann. Insofern kann einem dieses Licht durchaus "Schwarz und Leer" erscheinen, obwohl es kein Nichts ist sondern Alles. Der Vergleich mit einem Diamanten hinkt etwas, aber er ist immer noch besser, als das schwarze Raumvakuum, das wir uns gemeinhin vorstellen. Denn der Diamant ist ja selbst auch vollkommen ohne Farbe und wird nur sichtbar durch Licht und Objekte, die sich darin brechen und spiegeln. Aber er ist "etwas" (Detong)

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • Zitat

    Könnte man sagen, Detong bezieht sich auf den Sambhogakaya als Freudenkörper mit einer Betonung des Aspekts "Freude" beim Mahamudra und einer Betonung des Aspekts "Klarheit" bei Dzogchen, während Rangtong mit der Betonung des Dharmakaya sich auf den Wahrheitskörper bezieht?


    Das kann man so sagen. Wobei Sambhogakaya die gereinigten Erfahrungen im Geist ganz allgemein sind. Nicht nur Formen oder Buddhaformen. Damit arbeiten die Vajrayana Schulen gezielt, allgemeine Erfahrungen in reine Erfahrungen zu wandeln. "Man erlebt die Welt, wie ein Buddha, bis man selbst einer geworden ist. " lautet die Praxisanweisung.

  • Zitat

    Damit arbeiten die Vajrayana Schulen gezielt, allgemeine Erfahrungen in reine Erfahrungen zu wandeln. "Man erlebt die Welt, wie ein Buddha, bis man selbst einer geworden ist. " lautet die Praxisanweisung.


    Da würde ein Dzogchenpa jetzt vermutlich einwerfen wollen, dass es nicht darum geht, etwas zu wandeln, sondern eben es so zu erkennen, wie wirklich ist. Aber das sind meiner Meinung nach semantische Spitzfindigkeiten, denn es geht ja wohl schon um das Gleiche....


    Ich würde aber glaube ich trotzdem lieber formulieren: "Man übt, die Welt wie ein Buddha zu sehen, bis man so erkennt, dass man schon immer einer gewesen ist"


    Dabei wäre im Dzogchen Trekchö die Übung (GATE GATE), die Reinheit aller Phänomene immer im Jetzt zu erkennen (die Illusionen durchzuschneiden), Thögal eine erste Erfahrung von Phänomenen, deren Reinheit leichter zu erkennen ist (PARAGATE), als die der alltäglichen Phänomene - bis man darüber hinaus gegangen (PARASAMGATE) in die tiefgreifende Erfahrung (BODHI) eintritt, bei der alle Phänomene, selbst die scheinbar profansten, ständig und ohne Ausnahme als selbst-befreit erlebt werden. SOHA


    Die zuvor angesammlte Erfahrungsweisheit hilft dann in Verbindung mit der nun stets verfügbaren natürlichen Raumweisheit diese Erfahrung so auszudrücken, dass andere davon profitieren können, die die Welt als rein und sich selbst als Buddha noch nicht oder noch nicht dauerhaft erfahren.

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • VOOM108:


    Wenn diese Ruhe allerdings auf den Betrachter bezogen ist und nicht auf das Objekt der Betrachtung, dann könnte man mit Ruhe alles betrachten, was im Geist erscheint. Immer noch übt man in einer Haltung der Trennung zwischen Betrachter und Objekten der Betrachtung. Was führt nun zur Auflösung dieser Trennung zwischen Subjekt und Objekt? Wird etwas gelehrt, das man anwenden kann bei einer Meditation der Geistesruhe, das diese Illusion einer Trennung aufgeben hilft? Solche Feinheiten machen oft einen entscheidenden Unterschied.


    wenn der geist ruhig wird, kann man eben sehen (klarblick = vipassana). und dann erkennt man, die drei daseinsmerkmale ganz von selbst - das was hier als leerheit bezeichnet wird. es ist nichts weiter erforderlich, als achstamkeit auf die 4 pfeiler der achtsamkeit und die dazu gehörige sammlung. der rest passiert "automatisch", und hat was mit geklärten geist zu tun, der die realität erkennt und seine unswissenheit damit auflöst. daraus entsteht weisheit und die sich entfaltenden paramitas. eingebettet in die ethischen silas, umfasst das fast schon die komplette lehre buddhas.
    wie ein dzogchenpa sagen würde: es ist wirklich so simpel - für viele warscheinlich zu simpel ;)

  • Vermutlich hat der Geist eine natürlich Neigung, in seinen Ursprung zurückzufallen, wenn man ihn nicht künstlich davon abhält. Schon weil es wesentlich energieeffizienter ist, als mühsam die Illusion der Trennung aufrecht zu erhalten. Dummerweise sind die Gewohnheiten, die diese Illusion aufrecht halten, wirklich sehr sehr hartnäckig. Lustig finde ich den Trick, diese illusorische Trennung direkt anzuschauen und festzustellen, dass sie gar nicht existiert. Weil ja alles, was trennt gleichzeitig immer auch ein Berührungspunkt ist.

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • was heißt direkt anschauen?


    der energieaspekt scheint aber eine wesentliche rolle zu spielen. wenn man der geistige dünnpfiff im kopf mal aufhört oder wesentlich reduziert ist, dann merkt man ja selbst, wieviel energie man zum klaren denken, klaren wahrnehmen etc. übrig hat. und wieviel erlebtes glück daraus entsteht.
    man könnte meinen, eigtl. reicht es aus, das ganze einmal zu erleben, um daraus zu lernen. aber in wirklichkeit lernt man so gut wie gar nicht daraus :(


    der begriff gewohnheit ist eigentlich noch viel zu nett, für diese art der eigenen dummheit sich immer und wieder in dukkha zu stürzen. :oops:
    ich wundere mich auch tagtäglich darüber.. :|

  • Hi Zusammen,
    Ich hoffe mal das passt einigermaßen in den Thread :)
    Ich interessiere mich mittlerweile für den Diamantweg (erst war es Theravada) und hätte da noch ein, zwei Fragen zum Thema Sangha:
    Die Sache ist dass ich gehört habe der Kontakt sollte dort sehr eng seien, was ich auch anstreben würde, ABER:
    Ich bin durch meinen Beruf etwas eingeschränkt da ich 13 Stunden täglich unterwegs bin und somit nur am Wochenende Zeit finden kann.
    Am Wochenende wird allerdings auch nur einmal monatlich ein Praxistag angeboten... Zudem fahre ich 1 1/2 bis 2 Stunden zur Sangha.
    Die Frage ist inwieweit das ausreicht?
    Mir ist klar, dass ich nicht die gleichen Fortschritte in der Praxis machen werde wie jemand der ein paar mal in der Woche geht, aber wäre es überhaupt möglich?
    Wird das Ngöndro und die Medi nur in der Sangha oder auch von Zuhause aus praktiziert?
    Ich möchte öfter gehen nur schaffe es leider wirklich nicht :(
    Wär natürlich schade wenn es wegen meiner beruflichen Situation dann keinen Sinn machen würde.


    Danke schonmal für die Antworten.


    LG Ungestalt


  • Hallo lieber "ungestellt" :),


    Ich kenne das Problem, da ich selbst 45 Minuten zur Sangha fahren muss, zwar nicht ganz so lang wie du aber trotzdem ein Stück weit (nach der Arbeit.)


    Geh in die Sangha, wenn du Zeit hast und setze dich da nicht unter Druck. :) Keiner wird dir den Kopf abhacken wenn du nicht oft da bist, man freut sich über jedes Mitglied das kommt und sich für den Diamantweg interessiert. Das Ngöndro und alle Meditationen die wir durchführen, kannst du auch Zuhause machen. (Sofern du sie selbst praktizierst, und die Erklärungen bekommen hast.)


    In der Gruppe meditieren ist natürlich immer schöner und kraftvoller, allerdings meditiere ich selbst viel zu Hause und das ist auch sehr schön. :)


    Also, trau dich ruhig mal ins Zentrum und meditier einfach mal mit und schau wie es dir gefällt. Dort werden sicher auch alle deine Fragen beantwortet.

  • Stimme dem zuvor Gesagten zu... Die regelmäßige Praxis Zuhause und im Alltag ist vielleicht sogar noch am wichtigsten, weil es ja darum geht, die darin geübte Sichtweise zur Gewohnheit zu machen. Vielleicht schaffst Du ja den einen oder anderen Kurs mit einzubauen...

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)

  • wer sagt denn, dass der kontakt eng sein muss? sehe ich nicht so. ich hab gar keine sangha.. ist halt ne gute sache, wenn man sie hat, aber wirklich notwendig ist es nicht.

  • Hi,
    Danke schonmal für die Antworten. Das hört sich schonmal ganz anders an als das was ich gehört/gelesen habe. Kurs besuchen ist eine sehr gute Idee, hatte ich garnicht drüber nachgedacht. Da könnte ich mir dann ja z.B. auch wieder Urlaub nehmen.
    Ok, garkeine Sangha? Wie hast du denn einen Lehrer gefunden? Den braucht man ja schon, ich stelle mir schwierig vor einen zu finden ohne eine Sangha zu besuchen.
    Der Kontakt zum Lehrer sollte ja durchaus gegeben seien.
    Muss man nicht auch Zuflucht nehmen bevor man Ngöndro und Medi auf den 16. Karmapa praktizieren kann / darf?
    Wie genau läuft das mit der Zufluchtnahme überhaupt ab? Ich denke mal nicht dass es in der Sangha einen Schalter gibt wo man "einmal die Zuflucht" bestellen kann :)
    Die Fragen die ich hier stelle sind vermutlich höchst dumm und ließen sich in der Gruppe die ich demnächst besuche auch klären aber ich möchte wenigstens etwas vorbereitet sein.


    Nochmal die Frage an raterZ:
    Wie praktizierst du ohne Sangha? Hast du dann privaten Kontakt zu deinem Lehrer / zum Lama?
    Ich kann mir da schwer was drunter vorstellen, dachte selbst bisher immer, dass man als erstes eine Sangha besucht, dort einen Lehrer kennenlernt und während eines "Seminars" beim Lama Ole die Zuflucht nimmt. Jetzt habe ich etwas das Gefühl dass ich da vollkommen falsch liege :lol:
    Danke euch nochmal.


    LG

  • raterZ:

    wer sagt denn, dass der kontakt eng sein muss? sehe ich nicht so. ich hab gar keine sangha.. ist halt ne gute sache, wenn man sie hat, aber wirklich notwendig ist es nicht.


    Wer Zuflucht genommen hat, der hat auch eine Sangha.

  • Matthias65:

    Wer Zuflucht genommen hat, der hat auch eine Sangha.


    Davon bin ich auch ausgegangen :)
    Und ohne Zuflucht keine Praxis (Ngöndro, wird ja in den Zentren erst gelehrt) oder?
    Wie nimmt man überhaupt Zuflucht? In der Sangha und beim Lehrer / Lama?
    Bei der Sangha dann vermutlich in der Sangha, aber beim Lehrer / Lama (vermutlich dann Lama Ole)? Während einem Seminar oder wie?

  • Wenn Du ein gutes Gefühl zu Lama Ole hast, dann kannst Du bei einem seiner Vorträge oder Kurse Zuflucht nehmen. Bis dahin kannst Du trotzdem - in Erwartung der Zuflucht - einige Meditationen machen. Gegen 16. Karmapa spricht da z.B. nichts, da diese Meditation gewissermassen schon eine Zuflucht enthält. D.h. Du kannst im Zentrum einfach schon mal die ersten Meditationen lernen und anfangen zu üben und Dir dann die "offizielle" Zuflucht beim Lama holen. Das kann natürlich auch ein anderer Lama der Linie sein wie z.B. Shamar Rinpoche. Je nachdem, wo es halt am meisten "kribbelt"...


    Mit dem Ngöndro musst Du ja auch nicht gleich anfangen; wobei es eine Meditation gibt, mit der Du Dich sozusagen auf das Ngöndro vorbereiten kannst und schon mal schauen kannst, ob Du Dir das "Projekt" mit 4x 100.000 Wiederholungen überhaupt zutraust. Die meisten fangen mit dem an, was sie im Zentrum bekommen und die ganzen Einweihungen kann man sich dann beim nächsten Kurs abholen, um die Erfahrung zu vertiefen.

    Alles ist, was es von Anfang an war: dem Wesen nach pur - und damit Buddhaschaft.
    Wer dies erkennt, ist aufgewacht. Wer seine sechs Sinne im Naturzustand belässt sieht sie überall:
    die Allgegenwärtige Vollkommenheit. (Longchenpa)