Dalai Lama und Einfluss der Wissenschaften

  • kilaya:

    Was in der Philosophie teilweise als These und Antithese auftritt, findet sich im Buddhismus teilweise als Synthese.


    Könntest Du Deine Aussage konkretisieren?
    Für mich IST Buddhismus eine (praktische) Philosophie.

  • Ich dachte das ergab sich aus dem Kontext: der Gegenüberstellung der (Ethikdebatte in der aktuelleren) westlichen Philosophie und des Buddhismus. Die "Philosophie" steht als wissenschaftliche Denkrichtung heute eher für sich, während Philosophie im Buddhismus einem bestimmten Ziel untergeordnet ist; sie dient grundsätzlich der Untermauerung der Praxis auf dem Weg zur Erleuchtung und Buddhaschaft.

  • kilaya:

    Ich finde die Exkurse in die "westliche" Ethikrelevant, da der DL sich 1. sehr stark damit befasst und 2. Philosophie eine der Wissenschaften ist, die auf besondere Weise von einem gegenseitigen Austausch profitiert.


    Die Philosophie kann enorm von dieser Ethik profitieren, die, so ist zu vermuten, stark von buddhistische Psychologie geprägt ist. Besonders für einen Religionslehrer sollte es wertvoll sein, Erklärungen für Nächstenliebe und christliche Werte zu finden, die nicht monokausal auf Gott gründen. Ebenso müssten Ethiklehrer leicht einsehen, dass sie mit der modernen Form westlicher Metaethik in der Patsche sitzen und sich hieraus null Gewinn für einen sinnvollen Ethikunterricht ziehen lässt. Der DL präsentiert eine sehr überzeugende Tugendethik (auch wenn der Begriff Tugend überholt erscheint), die eine sinnvolle Begründung bestimmter Werte wie Mitgefühl, Mäßigung, Disziplin usw. enthält und einen meditativen Weg zur praktischen Stärkung der Verbundenheit mit anderen Menschen erklärt.


    kilaya:

    Zygmunt Bauman (ein n) wendet sich gegen einen starren Ethikbegriff, der auf gesellschaftlichen Konventionen basiert. Statt dessen skizziert er einen Moralbegriff, der einen inneren Impuls meint, der aus dem innersten menschlichen "Gutsein" hervorgeht. Er definiert wie so manche Philosophen gebräuchliche Begriffe neu und sehr präzise, daher müsste man sich intensiver damit befassen. Ich wollte das nur anschneiden, weil es im Buddhismus beide Arten von Ethik gibt: die, die auf Regeln basiert, und die, die aus dem inneren Impuls hervorgeht. Was in der Philosophie teilweise als These und Antithese auftritt, findet sich im Buddhismus teilweise als Synthese.


    Der Dalai Lama schreibt: Tatsächlich ist die Dimension der inneren Motivation der wichtigste Aspekt der Ethik. Denn wenn unsere Motivation ehrlich und wahrhaftig auf das Wohl anderer gerichtet ist, wird unser Handeln naturgemäß moralisch einwandfrei sein.
    Die Ethik des DL fußt nicht auf äußeren Regeln. Eine solche Ethik fände ich auch relativ sinnlos. Erstens lesen Menschen, die mehr Zwang von außen benötigen, in der Regel keine Ethikbücher. In einer modernen Gesellschaft unterscheidet sich Ethik zudem vom Recht. Gesetze benötigen keine innere Zustimmung, der Staat kann Menschen notfalls dazu zwingen, sie zu befolgen.

    (Ich würde Ethik zudem von Moral unterscheiden, die mit gesellschaftlicher Achtung und Missachtung zu tun hat. Beispielsweise schenkt man der Frau eines Freundes keine roten Rosen und uriniert nicht an fremde Häuser. Solche Dinge lassen sich schon als moralische Regeln fassen.)

  • pamokkha:

    Wenn ich zitiere, der Buddha hat nur des Leidens Entstehung und Aufhebung gelehrt, dann wird das kaum durch die Quantenphysik bestätigt werden können.


    Es geht dabei m.E. um das Phänomen "Leerheit".

    • Offizieller Beitrag

    Ich frage mich, was der Dalai Lama da genau meint. Während ja die klassische westliche Tradition ( sei es christliche Scholastik oder Wissenschaft) von der Suche nach der "einen Wahrheit" ausgeht, entstammt er ja einer Tradition die pragamatisch-tantrisch denkt.


    Und ist es nicht so, dass jedes Konzept da mehr oder weniger ein "geschicktes Mittel" gesehen wird? Dies erinnert an sehr moderne, wissenschaftliche Herabgehensweisen, wo man bei einem Modell nicht mehr die Frage "Ist es wahr?" sondern "Funktioniert es?" im Vordergrund steht.


    Wenn sich alles am Zweck orientiert, dann bedeutet das, das man im Bezug auf den Zweck "Welterklärung" tolerant sein kann: Wenn religiöse Vorstellungen (z.B Berg Meru) im Bezug auf das Zweck Welterklärung schlechter sind, als wissenschaftliche Konzepte, dann müssen erstere den letzteren weichen.


    Von daher frage ich mich, ob der Dalai Lama, bei der Aussage "wenn die Wissenschaft etwas als nicht-existent erkennt, muß dies auch ein Buddhist zwangsläufig als nicht-existent anerkennen" nicht implizit genau diesen "Zweck der Welterklärung" im Sinn hat?


    Aber ist die Kehrseite dieser überraschenden Toleranz nicht, dass im religiösen Bereich die religiösen Zwecke ausschlagegebend sind, also dort von wissenschaftliche Erkentnissen nicht in Frage gestellt werden können?


    Es könnten Kader der weltweit bedeutensten Anatomen auftreten und unter Eid Aussagen, dass das mit dem vielarmigen Gottheiten schultertechisch, anatomisch total unmöglich ist, was aber niemand dazu bringen würde die Thangkas "wahrheitsmässiger" umzugestalten. Man würde versichern, dass es darum nicht im geringsten geht sondern es einzig wichtig, ist dass das als Hilfsmittel auf dem Pfad funktioniert. Das Beharren auf anatomisch korrekten Schultergelenken, würde da wohl als eine Art Kleingeistigkeit abgetan.

  • Ich hab gelächelt bei dieser Aussage, denn die Wissenschaft wird Nicht-Existenz nicht erkennen können.


    Zitat

    Vom Gesichtspunkt der oberflächlichen Wahrheit haben Phänomene eine Existenz, die durch ihre Eigennatur erwiesen (rang-bzhin-gyis grub-pa) ist. Das bedeutet: wenn eine gültige Wahrnehmung die oberflächliche Wahrheit von etwas genauer untersucht, so findet sie auf Seiten der genauer untersuchten Phänomene das Ding, worauf sich der Name oder die Bezeichnung des Phänomens bezieht (btags-don) und das diesem Namen oder der Bezeichnung entspricht. Diese Aussage ist gleichbedeutend damit, dass die Existenz der Phänomene durch individuelle definierende charakteristische Merkmale (rang-mtshan-gyis grub-pa) erwiesen wird, die auf Seiten der Phänomene auffindbar sind. Allein fehlt jedoch diesen individuellen definierenden charakteristischen Merkmalen die Kraft, um die Existenz der Phänomene zu erweisen. Sie können dies nur in Verbindung mit geistiger Bezeichnung erreichen. Daher existiert vom Gesichtspunkt der tiefsten Wahrheit kein Phänomen unabhängig davon, das zu sein, worauf sich das Wort oder die Bezeichnung dafür bezieht. Oder anders gesagt: Kein Phänomen hat wahrhaft erwiesene Existenz – Existenz, die wahrhaft von Seiten der Phänomene erwiesen ist, unabhängig von geistiger Bezeichnung.


    (aus dem Berzin, Gelug)


    Wenn man seine Aussagen auf eigene Interessen ( Wünsche, Bevorzugung und Abneigung ) beschneidet,
    "kapiert" man nur was man zu kapieren wünscht bzw. vermag.


  • WOW.. das ist harter Tobak.. ;) Das muß ich erst einmal verdauen.


    Zitat

    Und ist es nicht so, dass jedes Konzept da mehr oder weniger ein "geschicktes Mittel" gesehen wird? Dies erinnert an sehr moderne, wissenschaftliche Herabgehensweisen, wo man bei einem Modell nicht mehr die Frage "Ist es wahr?" sondern "Funktioniert es?" im Vordergrund steht.


    'geschicktes Mittel'? Die Nazi Gaskammern waren technisch bestimmt ein geschicktes, effizientes Mittel für eine Aufgabe für eine kurze Zeit. Die Dokumente der Vergangenheit zeigen, daß sie funktioniert haben.


    Wenn das (geschickte Mittel) die Sichtweise eines pragamatisch-tantrischen Weges sein sollte, geht mich dieser nichts an. Die Vermischung der Betrachtungsebene einer Funktion mit der Beschreibung und Analyse der zugrunde liegenden wissenschaftlichen Erklärung erscheint mir hier falsch. 'Ohne Wissenschaft hätte es nie die Atombombe gegeben - böse Wissenschaft' :angel:


    Hier scheint mir eine ganz grundlegende Vermischung der Ideen Wissenschaft und Technik vorzuliegen.


    Zitat


    Aber ist die Kehrseite dieser überraschenden Toleranz nicht, dass im religiösen Bereich die religiösen Zwecke ausschlagegebend sind, also dort von wissenschaftliche Erkentnissen nicht in Frage gestellt werden können?


    Definitiv nein. Es bedeutet nur, daß der 'religiöse Bereich' sich nie sicher sein darf, daß religiöse (was auch immer das bedeutet) Behauptungen nicht morgen plötzlich wissenschaftlich okkupiert werden können oder gesellschaftlich hinterfragt.
    Daß heutige 'religiöse Zwecke' nicht morgen im gesellschaftlichen Kontext als Verbrechen erkannt werden.

    • Offizieller Beitrag
    fotost:

    WOW.. das ist harter Tobak.. ;) Das muß ich erst einmal verdauen.


    Womöglich hast du es anders verstanden als ich es gemeint habe. Also ich wollte jetzt da kein Verständnis von der "Zweck heiligt die Mittel" in dem Sinne unterstellen, dass man da egal was für Verbrechen tun kann, hauptsächlich es bringt einen spirituell vorwärts.


    Das hiesse ja wirklich, dem tibetische Buddhismus eine Unmenschlchkeit zu unterstellen. So meine ich das aber nicht.


    Mir ging es darum, dass die religiösen Konzepte im tibetischen Buddhismus alle rein auf den Zweck der Befreiung hin gedacht sind, und von daher von Systemen mit anderen Zielstellungen unangreifbar sind.

  • "Geschickte Mittel"

    Zitat

    Upaya ( geeignete hilfreiche Mittel zur Vertiefung und Entfaltung der spirituellen Praxis und die Fähigkeit, andere Wesen durch methodisches Geschick, zur Befreiung zu führen. Wirken der Bodhisatvas, das von Mitgefühl motiviert ist.)


    https://taozazen.wordpress.com/zenbuddhistisches-glossar/


    Diese geschickten Mittel sind also sehr konkret Werkzeuge der Bodhisattvas. Wenn also etwas wissenschaftlich nicht haltbares in einem Moment das ist, was dem Wesen hilft, dann hat die Hilfe vorrang.


    Worum es nicht geht ist dass jemand sagt "das bringt mich jetzt spirituell weiter" - die Basis ist immer Mitgefühl und Weisheit im Einsatz für das Wohl der anderen.

  • Nicht vergessen, erstmal den eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen.
    Sonst kann man niemandem helfen.
    Bodhisattva Hilfen sind 'lauter', schlicht, nichts großartiges.

    • Offizieller Beitrag
    kilaya:

    Diese geschickten Mittel sind also sehr konkret Werkzeuge der Bodhisattvas. Wenn also etwas wissenschaftlich nicht haltbares in einem Moment das ist, was dem Wesen hilft, dann hat die Hilfe vorrang.


    Ja, genau das mein ich. Eine Beispiel dafür findet sich im Lotus-Sutra


      Im dritten Kapitel des Lotus-Sutra wird das „Eine Fahrzeug“ mittels der Metapher der Welt als brennendes Haus erklärt. Dabei lockt der Vater (Buddha) seine im Spiel vertieften Kinder aus dem brennenden Haus, indem er ihnen sagt, er habe draußen verschiedene Wagen, je mit Ziegen, Rehen oder großen Ochsen bespannt (diese stehen für die verschiedenen Fahrzeuge) und für sie zum Spielen eigens hergerichtet. Die Kinder laufen aus dem Haus und ihr Leben ist gerettet. Nach Verlassen des Hauses verlangen die Kinder nach den ihnen versprochenen drei Wagen. Der Vater schenkt daraufhin jedem von ihnen einen prächtig verzierten, großen und weißen Ochsenwagen


    Im Mahayana geht man also- wenn es als heilsam gesehen wird- grosszügiger mit der Wahrheit um. Während sich wahrschienlich so manch einem Thervadin sich bei einem so einem Text der Mund säuerlich verzieht. Für ihn sind Rehe keine Ochsen und dem Buddha so ein Wechselspiel zum guten Zwecke unterstellen, heißt für sie den Erhabenen einen Lügenbold nennen. So extrem unterscheiden sich da die Gewichtungen.


    Im Bezug auf Wissenschaft ist das natürlich insofern wichtig, weil die ja immer sehr präzise sprechen wollen. Während der Unterschied zwischen einer Ziege und einem Ochsen als Zugtier ein rein gradueller ist ( man ist nicht betrogen weil man sogar mehr PS kriegt als man wollte) , wird das wenn man den Kontext wechselt (z.B wenn es um das Melken geht) zum echten Problem.


  • Hallo void, danke für die Richtigstellung :) .


    Dein Text war für mich wirklich mißverständlich. Da ich mit Dir eigentlich diese angedeutete Interpretation nicht verbinden konnte, freue ich mich über die zusätzliche Erklärung. Es ist dabei dann egal, ob ich etwas damit für mich anfangen kann oder nicht.


  • Hallo kilaya,


    auch Dir danke. Vielleicht sollte ich mich mehr mit dem Tibeter Material beschäftigen :grinsen:


    Wenn man da mal die (meine) Auslöseknöpfe 'spirituell', 'geschickte Mittel' wegläßt, kann das auch in modernem wissenschaftlichen Zusammenhang Sinn machen.


    Wenn eine Mutter ihrem Kind bei einer leichten Erkrankung statt Chemiebomben lieber homöopathische Mittel (ohne jeden naturwissenschaftlich nachweisbaren Wert) gibt, aber gleichzeitig damit ihre Aufmerksamkeit und Zuwendung schenkt, kann das zu besseren Ergebnissen führen als die rein technisch optimale westliche Medikamentenbehandlung.
    Wobei die Weisheit in diesem Beispiel darin liegen könnte rechtzeitig zu erkennen, ab wann diese Zuckerpillen nicht mehr sinnvoll sind.

  • fotost:


    Was mir zum Thema noch einfällt wäre die Frage nach intensiven 'Wirksamkeitsstudien' zu einzelnen Momenten der Praxis.
    Welche Kriterien für 'Wirksamkeit' gibt es innerhalb der Lehre? Wie wird diese Wirksamkeit gegen vergleichbare Wirkungen vollkommen fremder (dem System Buddhismus fremd) Methoden, Anwendungen, you name it bewertet?
    Könnte sich hier ein Schutz gegen 'Dünkel' verstecken?


    Die Frage nach Wissenschaftlichkeit im Sinne der Ethik des DL meint, ob die praktische Methode der Geistesschulung (also die Meditation von Liebevollen Güte bzw. Mitgefühl) nachweislich geeignet ist, eine positive Veränderung der Persönlichkeit zu bewirken.


    Der DL schreibt sinngemäß, dass eine solche wissenschaftliche Bestätigung wichtig sei, um die Methode der Geistesschulung im Schulsystem zu verankern. An anderer Stelle meint er sinngemäß sogar, dass ihre Wirkung bis zu einer physischen Veränderung des Gehirns reichen könnte. Dies könne für säkular denkende Menschen etwas mit dem religiösen Begriff der Erleuchtung Vergleichbares bedeuten, schreibt er.
    (Die entsprechenden Textstellen finden sich irgendwo in: Rückkehr zur Menschlichkeit, möglicherweise zitiere ich aber etwas unsauber)


    Einfach gefragt: Können wir unsere emotionalen Instinkte bewusst trainieren und durch ein solches Training einen "besseren" Charakter entwickeln? Verschiedentlich finden sich Hinweise auf solche Studien, etwa die Spendenfreudigkeit betreffend. Dennoch glaube ich, dass ein streng wissenschaftlicher Nachweis vor großen Problemen steht. Meine prinzipielle Skepsis hat mit der enormen Komplexität zu tun und betrifft genauso auch anerkannte therapeutische Methoden, deren Wirksamkeit nicht streng wissenschaftlich prüfbar ist, nehme ich an.


    Zweifellos können wir in einem gewissen Ausmaß lernen, durch Meditation willentlich eine liebevolle Stimmung zu erzeugen, die uns sodann während der folgenden Zeit ein wenig begleiten. Dieser Weg über die Emotion zum Gefühl und zur ausgedehnten Stimmung bedarf wohl keines Beweises. Die Frage nach Wissenschaftlichkeit meint hingegen einen möglichen positiven Einfluss auf unsere persönlichen Eigenschaften, die uns ja über viel längere Zeiträume begleiten.


    Nach meiner Ansicht ist ein Vergleich mit Sport und dessen Wirkung angebracht. Das Training von Liebevoller Güte bzw. Mitgefühl vermag eine instinktive Veranlagung temporär zu verstärken und kann solcherart verblüffend zu unserem geistigen Wohlbefinden beitragen. Auch wenn dies vielleicht eine nur vorübergehende Wirkung wäre, hilft sie dabei, eine unerschütterliche Überzeugung zu entwickeln, worauf es für das eigene Wohlbefinden ankommt. Dieser Zusammenhang von liebevoller Güte und Wohlbefinden mag für manche Menschen ein selbstverständliches Wissen sein, für andere ist er aber doch eine tiefgreifende neue Erfahrung.

  • Wenn du meinst, dass es ein Ethik gibt, dann meinst du auch, dass es eine Moral gäbe.


    Einfache Menschen hier

  • Karnataka:

    ...
    Die Frage nach Wissenschaftlichkeit im Sinne der Ethik des DL meint, ob die praktische Methode der Geistesschulung (also die Meditation von Liebevollen Güte bzw. Mitgefühl) nachweislich geeignet ist, eine positive Veränderung der Persönlichkeit zu bewirken.


    Der DL schreibt sinngemäß, dass eine solche wissenschaftliche Bestätigung wichtig sei, um die Methode der Geistesschulung im Schulsystem zu verankern. An anderer Stelle meint er sinngemäß sogar, dass ihre Wirkung bis zu einer physischen Veränderung des Gehirns reichen könnte. Dies könne für säkular denkende Menschen etwas mit dem religiösen Begriff der Erleuchtung Vergleichbares bedeuten, schreibt er.
    ...


    Wenn es nur das wäre, wäre es in der Konsequenz zu wenig für mich.
    Ich bin nicht ganz so skeptisch wie Du über die grundsätzliche Überprüfbarkeit solcher Veränderungen.


    Bei mir geht das etwas weiter. Was, wenn in 5 Jahren reproduzierbar, mit einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Theorie über Wirkzusammenhänge feststeht, daß Meditation, daß Sitzen, daß Achtsamkeitsübungen wirklich wirken (wovon ich ausgehe), aber gleichzeitig auf gleichem Niveau festgestellt wird, daß leichtes Joggen oder Gesellschaftsspiele oder (ganz schlimm) 10 Tabletten über 2 Monate eingenommen deutlich bessere Ergebnisse bringt?

  • Na, dann lägen die buddhistischen "Methoden" ad acta, inklusive die des SB wie MBSR,
    jedenfalls für die Wissenschaft. *lach*

  • fotost:

    Bei mir geht das etwas weiter. Was, wenn in 5 Jahren reproduzierbar, mit einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Theorie über Wirkzusammenhänge feststeht, daß Meditation, daß Sitzen, daß Achtsamkeitsübungen wirklich wirken (wovon ich ausgehe), aber gleichzeitig auf gleichem Niveau festgestellt wird, daß leichtes Joggen oder Gesellschaftsspiele oder (ganz schlimm) 10 Tabletten über 2 Monate eingenommen deutlich bessere Ergebnisse bringt?


    Aus säkularer Sicht finde ich deine Frage berechtigt. Welche Aktivität passt gerade? Wenn es darum geht, Priorität zu setzen, dann ist der Nutzen von etwas Sport für das eigene Wohlbefinden sehr groß. Unter Umständen sind die sozialen Kontakte und das Gemeinschaftserleben, das durch Chorsingen entsteht, sehr befriedigend. Vielleicht passt die Meditation ideal, wenn es um Trauerarbeit geht, Achtsamkeitsübungen helfen, mit zornigen Impulsen klar zu kommen, Gesellschaftsspiele wirken gegenüber Gefühlen der Isolation usw.


    Vermutlich wird die Wissenschaft der Zukunft sehr genau erkennen, welche Gehirnregionen durch welche Tätigkeiten wie intensiv stimuliert werden. Vielleicht werden sie auch Rückschlüsse auf Eigenschaften und Schwächen aufgrund von Hirnvorgängen treffen können.

  • Karnataka:
    fotost:


    Bei mir geht das etwas weiter. Was, wenn in 5 Jahren reproduzierbar, mit einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Theorie über Wirkzusammenhänge feststeht, daß Meditation, daß Sitzen, daß Achtsamkeitsübungen wirklich wirken (wovon ich ausgehe), aber gleichzeitig auf gleichem Niveau festgestellt wird, daß leichtes Joggen oder Gesellschaftsspiele oder (ganz schlimm) 10 Tabletten über 2 Monate eingenommen deutlich bessere Ergebnisse bringt?


    Aus säkularer Sicht finde ich deine Frage berechtigt.
    ...


    Nur aus einer säkularen Sicht?


    Was macht die Zen Gemeinde, wenn eindeutig feststehen sollte, daß deutlich bessere Ergebnisse in dem das sie anstrebt durch XYZ in viel kürzerer Zeit erreicht werden können? Bleiben die einfach sitzen? (Nichts gegen Zennies :rose: , einer muß als Beispiel herhalten :grinsen: )


    Mir ging es bei der Frage um eine Betrachtung der Aussage des DL, daß buddhistische Lehre nicht in Widerspruch zur Wissenschaft stehen solle. Die Problematik dahinter ist mir schon klar - welche Vorstellung von Wissenschaft steht dahinter, wie sind Widersprüche zu definieren etc. Ich wollte das etwas auf Praxis ausweiten.


    Wenn Elemente der Umsetzung der Lehre in Ritus oder Alltag in Widerspruch zur anderen Elementen der Lehre oder zu anderen Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung geraten - wie verhalten wir uns?
    Für mich ist das ein (einer der) Einstieg(e) in den säkularen Buddhismus gewesen. Mir ist schon klar, daß ich mit einem dauernden Beharren auf diesen Standpunkt manchmal nervig werde. Es ist nicht einfach, immer der Außenseiter zu sein. Ich hätte wirklich gerne eine ganz reale Sangha in der Nähe. Daß es so etwas in einer Großstadt wie Hamburg nicht gibt macht mir meine Lage recht deutlich.


    fotost:


    Bei mir geht das etwas weiter. Was, wenn in 5 Jahren reproduzierbar, mit einer wissenschaftlichen Ansprüchen genügenden Theorie über Wirkzusammenhänge feststeht, daß Meditation, daß Sitzen, daß Achtsamkeitsübungen wirklich wirken (wovon ich ausgehe), aber gleichzeitig auf gleichem Niveau festgestellt wird, daß leichtes Joggen oder Gesellschaftsspiele oder (ganz schlimm) 10 Tabletten über 2 Monate eingenommen deutlich bessere Ergebnisse bringt?


    Was wäre die rationale Entscheidung? Oder spielt Ratio überhaupt keine Rolle in diesem Zusammenhang? Fordern wir in fast allen Lebenssituationen, daß es so rational wie möglich zugeht, nur bei Weltanschauung/Religion/Lehre schalten wir plötzlich ab?

  • mkha':

    Lieber fotost,

    Zitat

    „Wenn Elemente der Umsetzung der Lehre in Ritus oder Alltag in Widerspruch zur anderen Elementen der Lehre oder zu anderen Möglichkeiten der Erkenntnisgewinnung geraten - wie verhalten wir uns?“

    Ich kann Dir keine allgemeingültige Antwort (für ein WIR oder UNS) geben, … aber ich kann versuchen, Dir meine Sicht der Dinge näherzubringen.


    Lieber mkha,


    nicht mehr kann und darf ich je erhoffen

    mkha':

    Im Unbeständigen ist nichts Beständiges auffindbar. Alles ist im steten Wandel begriffen und keineswegs ausschließlich linear ausgerichtet. Infolge findet sich auch nichts Widersprüchliches – es sind lediglich multiple (Verständnis-)Ebenen.


    Das entsprichst genau meinen Vorstellungen. Es wäre schön, wenn es lineare Beziehungen geben würde. Buddha hat sie nicht gesehen. Ich finde sie auch nicht.


    mkha':


    Jedes Lebewesen hat seine ihm eigene Art, (die seinem Potential entsprechende Weise), das, "was (ihm) erscheint“, mit den Sinnen „wahr“-zunehmen, zu erkunden, zu verarbeiten, zu verstehen, zu verinnerlichen – und (seinem Potential Entsprechendes) zu schlussfolgern.


    Für DICH ist das "ein (einer der) Einstieg(e) in den säkularen Buddhismus" gewesen, … für mich ein Grund, mir entsprechende Lehrer zu suchen, die mich lehrten, meinen Geist meinen Fragen entsprechend zu schulen – tiefer zu sehen, … zu erfahren und verinnerlichen.

    Zitat

    „Mir ist schon klar, daß ich mit einem dauernden Beharren auf diesen Standpunkt manchmal nervig werde. Es ist nicht einfach, immer der Außenseiter zu sein. Ich hätte wirklich gerne eine ganz reale Sangha in der Nähe. Daß es so etwas in einer Großstadt wie Hamburg nicht gibt macht mir meine Lage recht deutlich.“

    Fotost, hast Du schon einmal darüber nachgedacht, dass es deutlich einfacher ist, Fluss aufwärts zu laufen, als gegen den Strom zu schwimmen? … Nicht einfach in der Vorläufer Fußstapfen zu treten, ist nun einmal anstrengender.


    Schon einmal darüber nachgedacht? Einmal? Hunderte Male! Es ist anstrengender den eigenen Weg im Dschungel zu schlagen statt den Vorläufern nachzulaufen! Ganz bestimmt.


    Ich gehe flußaufwärts! Zur Wahrheit.



    Schade für Dich, daß Deine persönlichen Erfahrungen so wenig fruchtbar oder angenehm waren.
    Es tut mir leid für Dich. Ich wünsche Dir ein gutes Leben.

  • Liebe Grüße mkha'


    vielleicht beruhen gelegentliche Mißverständnisse ganz einfach darin. daß wir unterschiedliche Sprachen sprechen.
    Da hilft dann Nachfragen und/oder Umformulieren weiter und daß wir beide dazu bereit sind zeigt mir die echte Bereitschaft andere Meinung zu respektieren.
    Zum Teil hat das Mißverstehen ja auch fast pädagogische Absichten :D


    Wenn Du mir etwa ein Transzendieren von Wahrheiten nahelegst machst Du dies mit einem Zwinker-Smilie, weil Dir klar ist, daß für mich ein Begriff wie Transzendenz nur eine Bedeutung hat im Zusammenhang mit der Sprache anderer. Für mich ist der Begriff so leer wie 'covfefe' :rofl:


    Ganz nebenbei - fällt Dir eine Stelle im PK ein. wo es heißt 'Das sind die 4 edlen Wahrheiten und jetzt transzendiert die mal schön'?

  • fotost:

    fällt Dir eine Stelle im PK ein. wo es heißt 'Das sind die 4 edlen Wahrheiten und jetzt transzendiert die mal schön'?


    Na ja, wenn mukti in einem anderen Thread schreibt:


    Der achtfache Pfad führt zum Ende aller Begierden, Anhaftungen und Identifikationen und damit zum Ende allen Leids (Dukkha), zu Nibbana. http://www.palikanon.com/wtb/magga.html


    Dann ist das schon eine Form der "Transzendenz".


    Man möchte den Zustand von Samsara "transzendieren", um Nirvana zu erlangen.
    Als Instrument dient dafür der achtfache Pfad.


    Die Notwendigkeit einer Transzendenz ist in manchen tibetischen Schulen dagegen nicht unbedingt nötig, zum Beispiel im Tantra.

  • Sherab Yönten:


    Na ja, wenn mukti in einem anderen Thread schreibt:


    Der achtfache Pfad führt zum Ende aller Begierden, Anhaftungen und Identifikationen und damit zum Ende allen Leids (Dukkha), zu Nibbana. http://www.palikanon.com/wtb/magga.html


    Dann ist das schon eine Form der "Transzendenz".


    Ja, für mich ist Nibbana schon Transzendenz, nämlich in der Mitte zwischen der Deutung als "Nichts" und einem "ewigen Sein". Aber Transzendenz ist nur ein Wort das man unterschiedlich auffassen kann.

  • Lucy:

    Ich finde, wenn HHDL eine solche Ethik auf beobachtbares und Evolution gründet, tut er den Menschen im Westen einen großen Dienst.
    Er bietet einen niedrigschwelligen und leicht verstehbaren Einstieg in gutes Verhalten.


    Wer dann bemerkt, dass es eben nicht unbedingt so einfach ist, sich gut zu verhalten, der findet genug Methoden um sich anzunähern.


    Neben der Frage der Motivation spielt sicher auch der Umgang mit dem eigenen destruktiven Gefühlen eine Rolle. Zur Behandlung destruktiver Affekte, Gefühle, Stimmungen aus Sicht der Ethik des DL:


    Der DL ist sich sehr bewusst, wie schwierig die Aufgabe ist, den eigenen destruktiven Gefühlen zu begegnen. Seine Ratschläge ähneln ihrem Wesen nach der Kognitiven Verhaltenstherapie. Über einen Begründer der Kognitiven Verhaltenstherapie, Aaron Beck, schreibt der DL: Als wir uns trafen, war Aaron Beck Anfang achtzig. Ich fand es ausgesprochen interessant, wie nah viele seiner Beobachtungen den Erkenntnissen der klassischen buddhistischen Psychologie kamen.


    Aaron Beck entwickelte die Kognitive Therapie ursprünglich zur Behandlung von Depressionen. Er spricht von allgemeinen Überzeugungen (zum Beispiel: Nichts gelingt mir, mein Leben ist sinnlos, ich werde auch in Zukunft unglücklich sein…), die dazu führen, dass belastende Situationen schnell dramatisiert werden. Es kommt zu kognitiven Verzerrungen und Fehlinterpretationen. Solch vermeintliche Katastrophen werden wieder als Bestätigung der skeptischen Grundannahmen gewertet, es entsteht eine kognitive Negativspirale.


    Eine kritische Anmerkung: Den häufigsten Grund, weshalb Therapeuten konsultiert werden, bilden angeblich Angststörungen. Meditation von Mitgefühl/Liebender Güte bietet sich aus meiner Sicht als ausgezeichneter Weg, um der übertriebenen Sorge (und vielen anderen Problemen) zu begegnen. Ängste projektiver Art, also spezielle Ängste, große soziale Ängste und panische Furcht sind jedoch ein anderes Thema. Hier stellt sich die Frage, ob kognitive Wege oder rationale buddhistische Psychologie (soweit ich sie aufgrund der Werke des DL kenne) wirklich Hilfe bringen können.