Erleuchtung, Herrschaft und Authentizität

  • Liebe Forengemeinschaft,


    ich habe vor einiger Zeit einige erste Schritte in Richtung Vajrayana-Buddhismus gemacht und habe beim Praktizieren auch immer eine sehr starke - wie soll ich es sagen - Resonanz (?) empfunden, hatte also das Gefühl, auf dem richtigen Weg zu sein. Dann habe ich angefangen, mich etwas mit der tibetischen Geschichte zu befassen und war auf einmal entsetzt über die grauenvollen Zustände (beispielsweise mit drakonischen Strafmaßen und regelrechter Sklavenhaltung), die noch vor nicht allzu langer Zeit in Tibet herrschten, das doch, wie ich das verstanden habe, von erwachten Lamas regiert wurde.


    Ich habe mich gefragt: Wie kann es sein, dass Menschen, die spirituell derart fortgeschritten sind, dass sie andere auf den Weg zum Erwachen führen sollen, die als große Vorbilder dienen, auf die sich in den Meditationen bezogen wird, dass diese Menschen derart grausame Herrscher waren? Sie müssten doch laut Vajrayana-Lehre wissen, wie die Dinge sind, wie Leid in die Welt gebracht wird und was für Konsequenzen das hat? Wie kann es sein, dass sie sich dennoch nicht anders (oder in Teilen sogar schlimmer) verhalten haben als andere Herrscher dieser Zeit?


    Ich habe keine Antwort auf diese Frage gefunden und mein anfängliches Vertrauen, das der Buddhismus ja bei aller kritischer Auseinandersetzung mit seinen Lehren erfordert, ist in sich zusammengebrochen. Da ich bis dahin noch keine festen Bezugspersonen in der Sangha hatte, an die ich mich vertrauensvoll hätte wenden können, habe ich allerdings rückblickend den Fehler gemacht, es bei meiner eigenen Perspektive zu belassen und mir keine anderen Meinungen zu diesem Thema einzuholen. Nachdem ich das jetzt erkannt habe, würde ich das gerne nachholen und hier im Forum fragen, ob sich schon mal jemand mit diesem Dilemma auseinandergesetzt hat und vielleicht eine zufriedenstellendere Antwort gefunden hat, als ich es habe.

  • void

    Hat das Thema freigeschaltet.
  • Dann habe ich angefangen, mich etwas mit der tibetischen Geschichte zu befassen und war auf einmal entsetzt über die grauenvollen Zustände (beispielsweise mit drakonischen Strafmaßen und regelrechter Sklavenhaltung), die noch vor nicht allzu langer Zeit in Tibet herrschten,

    Du formulierst dies sehr allgemein. Kannst du es konkretisieren was du meinst und auf welche Quellen du dich beziehst? Sonst wird es schwierig hierüber zu diskutieren.


    Gruß Helmut

    Gruß Helmut


    Als Buddhisten schätzen wir das Leben als höchst kostbares Gut.

  • Es ist ja immer so, dass Religion, Kultur usw. sich vermischen. Der Dalai Lama hat recht deutlich gesagt, dass Tibet in kultureller Hinsicht teilweise rückständig war.


    Warum eigentlich als erwacht geltende Lamas nicht in der Lage waren, eine andere Kultur zu manifestieren, ist eine gute Frage. Sicherlich gab es da von Region zu Region und Kloster zu Kloster auch grosse Unterschiede.


    Für mich macht das in Bezug auf die Lehre keine Abstriche. Heute ist es wichtig, für uns als westliche Praktizierende, die Essenz der spirituellen Lehren von der tibetischen Kultur abzukoppeln. Das heisst ja nicht, dass man die schönen Aspekte dieser Kultur nicht auch lieben und bewahren kann. Aber für die buddhistische Praxis an sich sollte m.E. alles Unnötige abgeschnitten werden.

  • Nachdem ich das jetzt erkannt habe, würde ich das gerne nachholen und hier im Forum fragen, ob sich schon mal jemand mit diesem Dilemma auseinandergesetzt hat und vielleicht eine zufriedenstellendere Antwort gefunden hat, als ich es habe.

    Hallo und herzlich Willkommen Joker77,

    ja, mich hat das auch vor zig Jahren sehr erschreckt. Aber da ich mich nicht an dieser Richtung "festklammerte", weil ich erkannte, dass das nichts Ungewöhnliches ist - beim Christentum war es ja auch ähnlich, wie in allen Religionen -, habe ich mich der ursprünglichen Lehre zugewandt und Lehrern, die m.E. die Essenz der Lehre gut vermitteln. Und da gibt es viel Lesestoff. Der Palikanon gilt als die älteste Überlieferung, ist aber aus meiner Sicht für den Anfang zu schwer und umständlich.


    Auch der Dalai Lama hat sich ja von diesen alten kulturellen Praktiken abgewandt. Seine Lehre hat nichts mit den politischen Auswüchsen der Vergangenheit Tibets zutun.


    Ich wünsche Dir viel Erfolg und Kraft.

    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Dann habe ich angefangen, mich etwas mit der tibetischen Geschichte zu befassen und war auf einmal entsetzt über die grauenvollen Zustände (beispielsweise mit drakonischen Strafmaßen und regelrechter Sklavenhaltung), die noch vor nicht allzu langer Zeit in Tibet herrschten,

    Du formulierst dies sehr allgemein. Kannst du es konkretisieren was du meinst und auf welche Quellen du dich beziehst? Sonst wird es schwierig hierüber zu diskutieren.


    Gruß Helmut

    Kann ich sehr gut verstehen, damit kann ich nur leider aktuell nicht dienen, da es wie gesagt schon eine Weile her ist, dass ich mich damit auseinandergesetzt habe und jetzt gerade wieder beginnen will, das ganze neu aufzurollen. Ich werde die Tage noch mal recherchieren und mich dann wieder melden.


    Für mich macht das in Bezug auf die Lehre keine Abstriche. Heute ist es wichtig, für uns als westliche Praktizierende, die Essenz der spirituellen Lehren von der tibetischen Kultur abzukoppeln. Das heisst ja nicht, dass man die schönen Aspekte dieser Kultur nicht auch lieben und bewahren kann. Aber für die buddhistische Praxis an sich sollte m.E. alles Unnötige abgeschnitten werden.

    Würde ich bei den meisten Religionen genauso sehen, nur fällt es mir beim tibetischen Buddhismus schwer, da dem Lama ja dort eine so große Rolle beigemessen wird und die Lamas ja auch in weltlichen Belangen in Tibet ausschlaggebend waren. Und wenn es nicht nur um die Kultur geht, sondern um konkrete Gesetze bzw. Arten der Herrschaft, auf die die Lamas als Herrschende Einfluss gehabt hätten, stellt das für mich deren Authentizität etwas in Frage. Aber wie Helmut schon zu Recht kritisiert hat: Ohne Quellen und konkrete Beispiele kommen wir hier sicher nicht weiter, insofern melde ich mich da noch mal, wenn ich was nachreichen kann ;)

  • Ich denke wichtig ist es, zu differenzieren... Daher ist das mit den Quellen auch so wichtig. Aber Kritik an als erleuchtet geltenden Lamas gibt es ja sogar bei Lamas, die heute im Westen aktiv sind. Die grosse Mehrheit der Lamas ist aber korrekt. Ich vermute auch im alten Tibet gab es, gesellschaftliche Rückständigkeiten hin oder her, eben viele Klöster in und von denen die Menschen korrekt behandelt wurden.

  • Der Tibetologie und Vajrayana-Praktizierende Jan-Ulrich Sobisch hat zu dieser Thematik einige interessante Veröffentlichungen gemacht, u.a.: "Lamakratie- Das Scheitern einer Regierungsform."
    bd7-k10sobisch.pdf
    In dieser Arbeit weisst er z.B. auch darauf hin, wie Ambivalent einige der tibetischen Klöster auf die Besetzung durch die chinesiche Armee in den Jahren 1910-12 reagiert haben. So haben z.B. die Mönche des Drepung-Kloster, die größte Klostergemeinschaft der Gelugpa, die chinesische Armee unterstützt und die Möche des Klosters Tengyeling kämpften damals sogar auf Seiten der chinesischen Armee!

    Weitere Infos über die Geschichte Tibets finden sich auch in den Arbeiten von Professor Melvyn C. Goldstein
    collectedarticles.htm

  • (beispielsweise mit drakonischen Strafmaßen

    was für Strafen würdest du denn bei Verbrechen verhängen, wenn du der Herrscher eines Stammesvolkes wärest. Stell dir vor, deine technischen Möglichkeiten ein Hochsicherheitsgefänginis zu bauen sind null. Deine Kapazität, Menschen abzustellen, Verbrecher 24/7 bewachen zu lassen, sind ebenfalls Null. Die Leute stehen auf dem Feld, der Ertrag ist nicht so toll, weil dein Land sehr kalt ist. Jeder im Land ist religiös, die Religion ist alles was die Leute haben, was sie trägt usw. Daher gibts auch Mönche und Nonnen die nicht so hart praktisch arbeiten. Aber sie haben auch zu tun. Du bist drauf angewiesen, dass das Volk zusammenhält, es geht täglich ums überleben.


    Was tust du mit Dieben, Mördern, Vergewaltigern...?

    • Offizieller Beitrag

    Im Vergleich zu den umgebenden Reichen war Tibet ein sehr abgelegene und rückständige Gegend.

    Das durchschnittliche Bruttosozialprodukt pro Einwohner in der Zeit von 1931 bis 1936 habe demnach bei ca. 20 US-Dollar pro Einwohner bei Verwendung des marktüblichen Wechselkurses bzw. ca. 30 US-Dollar unter Berücksichtigung von Kaufkraftparitäten bzw. 40 US-Dollar bei zusätzlicher Berücksichtigung unterschiedlicher Wirtschaftsstrukturen gelegen, womit Tibet wie seine Nachbarn China und Indien zu den ärmsten Regionen der damaligen Welt gehörten.

    ...

    Die Methoden der Landwirtschaft waren primitiv, Düngung war kaum verbreitet, weil der Dung im waldarmen Hochland als Brennmaterial benötigt wurde

    Wohl weil Tibet so arm und rückständig war, war auch die Struktur die eines Feudalsystems. Wenn dauernd Not herrscht, dann beschränkt schon das die Möglichkeiten:

    Die Wirtschaft des Landes war rein agrarisch geprägt, die Landbevölkerung stand dabei in einem feudalen Abhängigkeitsverhältnis zu Staat, Klöstern und Großgrundbesitzern. Eine moderne Infrastruktur und außenpolitische Beziehungen bestanden nur in minimalem Umfang

    Im Rahmen so eines Feudalsystem ( und die Klöster waren ja Feudalherrn ) stellt sich gar nicht so die Frage, wie man sich ein anderes System ausdenkt, sondern wie man inmitten von Mangel über die Runden kommt. Wie reagiere ich auf Missernten, Seuchen, Hungersnöte, Aufstände? Wie schaffe ich es politisch die Mächte rundherum ( China, Mongolen) nicht zu vergraulen? Auch gab es ja gar nicht so stark die Idee, das man ein Gesellschaftsystem zu ändern, sondern nur die Frage, wie man statt eines schlechten Feudalherrn ( unter dem Aufstände, Krieg, Hunger,Seuchen herrschen) ein guter Feudalherr zu sein.


    Ich schätzte, man kann spirituell ziemlich befreit sein und trotzdem innerhalb samsarischer Sachzwänge nur sehr eingenschränkte Handlungsmöglichkeiten haben.

  • Nachdem ich den Rest des Tages damit verbracht habe, die verlinkten Artikel zu lesen und nach Quellen zu stöbern, habe ich festgestellt, dass sich die meisten Punkte entweder mit den hier genannten Argumenten (insbesondere der "samsarischen Sachzwänge" relativieren lassen oder zumindest über Eck von so dubiosen Personen wie Colin Goldner bezogen wurden.

    Insofern danke ich euch sehr für die Mühe, die ihr euch gemacht habt. Ich kann jetzt um einiges entspannter und unvoreingenommener an das Thema herangehen.

  • Hey Joker77, das sind gute Fragen. Ich würde noch etwas aus der progressiven Ecke einwerfen.


    Kurzfassung: Erleuchtung ist echt, und unbeschreiblich wunderbar. Sie ist zugleich toller, als man sie sich je vorstellen könnte, aber sie wird zum Teil auch stark überbewertet. Sie kann nicht alles leisten, sie macht uns nicht perfekt. Auch Erleuchtete können und werden Fehler machen. Sie leben in einer gewissen Epoche und werden deren Überzeugungen, zumindest teilweise, übernehmen.


    Was ist denn mit den ganzen erleuchten Meistern der letzten 2500 Jahre? BIs vor kurzem war fast im ganzen Buddhismus klar, dass Frauen geringere Wesen sind, viele Strömungen gingen gar davon aus, dass Frauen nicht zu kompletter Erleuchtung fähig sind. Unschön, aber ein Teil buddhistischer Geschichte. Dass da umgedacht wird, das ist noch ganz, ganz neu! Um zu erkennen, was für ein fataler Irrweg das ist, hat alle Erleuchtung nix geholfen, dazu brauchte es kritisches Denken und moderne demokratische Gesellschaften.



    Etwas längere Fassung: Der traditionellere Buddhismus geht natürlich von einer Auffassung der Erleuchtung aus, die ich als idealisiert bezeichnen würde. Man verehrt erwachte Lehrer (zu Recht) und geht davon aus, dass diese sämliche menschlichen Schwächen über Bord geworfen haben und absolut fehlerfrei sind (zu Unrecht).


    Hab neulich von zwei Lehrern, von denen ich viel halte, nämlich Shinzen Young und Upasaka Culadasa (aka John Yates) Dinge darüber gehört. Beide wurden übrigens in Vajrayana-Klöstern ausgebildet und sagen in etwa das selbe.


    Shinzen hat gerne knackige Mottos, und in dem Fall ist es eine Sache, die er Leuten gerne sagt, welche ernsthafte Erweckungserlebnisse haben: "You can still screw up, and you will!". (Du kannst immer noch Scheiße bauen, und du wirst es auch tun). Er erklärt, dass Erleuchtung ein fantastisches Geschenk und eine riesige Chance ist, und dass er lieber einen Tag erleuchtet leben würde als Jahrzehnte im Alltagsmodus. Er weist aber auch darauf hin, dass man eine Chance auch liegenlassen kann. Sprich - man kann erleuchtet sein, und trotzdem seiner eigenen Menschlichkeit zum Opfer fallen. Und dann ist es natürlich so, dass es Stufen von Erleuchtung gibt. Fast jeder Meditierende hat initiale Erlebnisse in diese Richtung, aber das ist erst der Anfang.


    Eine der Quellen, weiß nicht mehr alle:

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    Etwas ähnliches hat Culadasa ganz jüngst gesagt. Sorry, ist leider wieder Englisch. Kernaussage: Auch sehr weit Erwachte haben psychologische Probleme, die extrem tiefliegend und schwer zugänglich sind und nur an ihren Wirkungen erkannt werden können. Das ist aber mit Hilfe anderer möglich, und dann kann man auch daran arbeiten.


    Zitat

    My bottom line on all this is that, in the complexity of the human mind, there can be unhealthy psycho-emotional processes that are so deeply buried that they never manifest as emotions at all, nor in any other way, except to quite indirectly reveal themselves through their effects. Thus no degree of mindfulness or insight training can touch them. They are absolutely invisible.

    Zitat

    Therefore I strongly encourage that all practitioners, and especially teachers, who have attained to the higher Paths take note: You DO have these problems, you DO have the ability, with appropriate guidance, to deal with them, and they most probably WILL cause harm to you and/or others, in one way or another, if you DON’T deal with them.

    Likewise, I recommend to all students of higher spiritual paths of ANY tradition to realize that all their gurus, lamas, rinpoches, ajahns, saints, etc. DO have these sorts of deeply buried imperfections, and to be on guard for their subtle (or sometimes not so subtle) manifestations.


    (Quelle: https://www.reddit.com/r/themindilluminated/comments/bzs9tl/culadasas_response_to_reactions_to_his_recent/)



    Somit ist meine Antwort: Geh weiter diesen Weg, wenn er sich für dich gut anfühlt. Trau deiner Intuition, aber behalte ein gewisses Mitdenken, und gewöhn dir an, achtsam und mit etwas Distanz zu schauen, wie sich deine Lehrer verhalten. Du wirst nicht immer alles mittragen und mitmachen wollen, was diese tun und empfehlen, auch wenn das Verhältnis noch so gut ist.

    Es ist nicht leicht, da die Balance zu finden, da man zugleich Vertrauen haben sollte und auch mitziehen. Zu große Skepsis verhindert, dass man auf dem Pfad voranschreitet, weil man sich nicht öffnet. Das Dilemma kann niemand für uns lösen, da muss man sich stückweise rantasten. Es wird leichter, wenn man gute Lehrer gefunden hat, aber man sollte nie aufhören, für sich selber zu denken.


    Liebe Grüße und beste Wünsche.

  • Es kommt auch drauf an, aus welchen Quellen Du diese Gräuelgeschichten erfahren hast. Es kursieren durchaus auch Lügenmärchen, die von chinesischer Seite aus politischen Gründen im Netz weit verbreitet wurden.

    Auf Dharmawheel.net (amerikanisches Mahayanaforum) wird so einiges aus der Ecke einfach nur noch gelöscht und nicht weiter diskutiert, weil es einfach Fake ist.

    Zu diesem Schluss kam man dort nach vielen miesen unergiebigen Diskussionen.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


    • Offizieller Beitrag

    Jeder Gesellschaft ist es wichtig, dass ihre Gesellschaftordnung ( die immer auch eine Herrschaftordung ist) gut legitimiert ist. Wenn Moses vom Berg zurückkommt, und sagt "Ich habe mir da ein paar Gebote übelegt "gibt es gleich ein Geschrtei und jeder will ein Detail ändern. Von daher ist es für Moses sicherer zu sagen, dass seine Gebote nicht in der Ebene der Menschen wurzelen, sondern in einer die menschlichen Belange übersteigenden höheren Ebene wurzeln. Was aus der Tranzendenz kommt steht nicht zur Debatte. Die Regeln kommen von der Gottheit, von den Ahnen, der Seinsordnung oder der Natur.


    Im Buddhismus verbandelt sich Herrschaft und Befreiung auf zwei Weisen. Zum einen gibt es das Ideal des "idealen buddhitischen Herrscher". Dieser ist ebsodners rechtschaffen und gütig und in seinem Reich funktioniert alles: die Wirtschaft blüht, es gibt Friede, es gibt Gerechtigkeit, Kinder widersprechen ihren Eltern nicht, es gibt keine Seuchen und Erdbeben. Was damit zu tun hat, dass der Herrscher unglaublich tolles karma hat, in Übereinstimmung mit dem Buddhismus handelt und reichlich für buddhitische Instiutionen spendet.


    Chakravartin (चक्रवर्तिन् cakra-vartin, Sanskrit cakra, „Rad“ und vartin, „jemand, der dreht“; Pali cakkavattī, auch interpretiert als „für welchen das Rad des Gesetzes (Dharmachakra/Dhammacakka) sich dreht“, bzw. „der das Rad des Gesetzes in Bewegung setzt“) bezeichnet in den indischen Religionen einen idealen, umfassenden Herrscher, der in Orientierung am Dharma ethisch und gütig über die gesamte Welt herrscht. Eine weitere Interpretation des Begriffs lautet der, „dessen Streitwagenräder sich frei bewegen“, im Sinne von „dessen Reisen ohne Hindernis sind.“


    In Hindu-Texten wird die Herrschaft des Chakravartin als vollendetem Gebieter sarvabhauma genannt. In den Schriften des buddhistischen Pali-Kanons wird der Chakravartin häufig mit Buddha parallelisiert. Buddha wird in seiner ersten Lehrrede im Wildpark bei Isipatana als Lehrer dargestellt, der das Rad der Lehre in Bewegung setzt (Pali dhammacakkappavattana sutta). Im Pali-Kanon wird der Chakravartin als Herrscher dargestellt, der Recht walten lässt, Mittellose unterstützt und der für sein Herrschaftshandeln den Rat der Mönche einholt (D 3,26), sowie als Gebieter, der sein Reich auf Grundlage des Gesetzes lenkt (A 3,14).

    Wenn man als Chrakravartin gelten will, ist es gut den Buddhismus zu fördern. Als Prototype des guten Herrschers gilt im Buddhismus Ashoka.


    Der buddhitische Herrscher unterstützt den Orden, während andererseits die Mönche spirituell für das Wohl des Reichs und des Herrschers sorgen.

  • Ach du meine Güte: Wenn Blinde Blinde führen ...

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Der Buddhismus hat sicherlicher genau die gleichen Probleme mit Macht wie alle anderen Religionen auch.


    Nicht nur in Tibet gab es grausame buddhistische Herrscher, auch Kaiser Ashoka,der den Buddhismus ja erst zu einer Weltreligion gemacht hat,

    war durchaus ein kaltblütiger Heerführer.


    Ich bin aber trotzdem überzeugter Buddhist, den die Grundphilosophie ist gut, und auch die Praxis stimmt. Und es gibt viele hervorragenede Praktizierende an denen man sich orientieren kann.


    [Es gibt auch] Religionen ,wo bereits die Gründer grausame Heerführer waren [...]

    Einmal editiert, zuletzt von kilaya () aus folgendem Grund: Aussage entschärft [...]

    • Offizieller Beitrag

    Die Charakravartin Idee stammte ja ursprünglich aus dem Hinduismus und viele buddhitische Königreiche hatte Mischformen zwischen hinduistischen und buddhitischen Elementen. Die Khmer-Könige sahen sich je nachdem, ob die Herrscher Buddhisten oder Hinduisten waren, als Emanationen von Vishnu oder von Avalokiteshvara und dazu berufen, als Segensquellen für ihr Land zu wirken. Und auch der thailändische König gilt als Charkravartin. Jeder, der schonmal in Thailand war, weiß ja, dass da der König nahezu als übemenschliches Wesen verehrt wird.


    Aber in Tibet ist die Geschichte nocheinmal komplizierter. Während der Chakravartin nur Beschützer der Klöster ist, war es in Tibet so, dass die Klöster selber Feudalherrn waren. Was ja nicht unbedingt positiv ist. Es ist ja schön, wenn die Herrscher ihren Job machen (Herrschen) und den Mönche den Ihren (nach Befreiung streben). Aber weil der mongolische Khan zuerst mit den Mönchen zu tun hatte und diese als Lehrer von Khanen zu höchsten Ehren kam, kam es so, dass auf einmal Lamas wie der Karmapa oder der Dalai Lama zu zentralen Figuren wurden. Aus der Rolle als Lehrer ergab sich eine Rolle als Vasall des Khans. Das ist eine schwierige Kombination von Rollen.

  • Der König von Thailand ist einer der reichsten Männer der Welt ,und auf mich macht er nicht gerade einen sympatischen Eindruck.


    in-bayern-laesst-sich-der-skandal-koenig-voellig-gehen.html


    Für mich ist er jedenfalls eher ein Beipiel für werden und vergehen (bzw aufstreben und verkrusten) als für erleuchtetes bzw wenigstens positiv motiviertes handeln.


    Aber es gibt sicher auch positive Beipiele für buddhistische Herrscher. Und sich mal etwas in die historisch gewachsenen Strukturen des Feudalismus einzulesen ist als Buddhist auch sowieso recht nützlich.


    _()_

  • Hin und wieder kommen vom thailändischen König bei Konflikten im Land Aktionen, wo er dieses Ansehen genutzt hat, um zu befrieden. Dann lässt er z.B. vom Flugzeug aus frisch Blumen über einem Konfliktgebiet niederregnen o.ä.. War nicht kürzlich was ähnliches?

  • Kann ja sein, das bringt aber längerfristig genauso wenig wie Probleme einfach totzuschweigen.:nosee::nospeak::nohear:


    _()_



    (Und ich mag Mohamed genauso wenig wie Henry den 8.):vajra:

    Einmal editiert, zuletzt von Phoenix ()

  • Ich habe das nicht erwähnt, um zu sagen, dass der König von Thailand ein besonders erleuchteter Herrscher wäre, sondern um zu sagen, was es bewirkt, wenn jemand so gesehen wird. Diese Macht kann nun im Weiteren sinnvoll oder weniger sinnvoll genutzt werden - je egoloser umso besser. Das Abwerfen von Blumen kann nützlich sein oder auch nicht, interessant ist auch die Motivation dahinter - wenn es eine blosse Manipulation ist, bleibt die Motivation fragwürdig. Natürlich kann es auch nützlich wirken, obwohl es eigentlich eine Ego-Handlung war bzw. als "Opium für das Volk" gedacht war. Die ganze Sache ist also sehr komplex...


    (Mohammed ist nicht bei jeder Diskussion thematisch passend. Ob Du Mohammed magst oder nicht interessiert eigentlich niemand. Wenn Du aber On Topic über die Verquickung von weltlicher Herrschaft und religiöser Macht schreiben willst, tu das inhaltsbezogen und sachlich.)

  • ...und jetzt bitte zurück zum eigentlichen Thema...

  • Dann habe ich angefangen, mich etwas mit der tibetischen Geschichte zu befassen und war auf einmal entsetzt über die grauenvollen Zustände (beispielsweise mit drakonischen Strafmaßen und regelrechter Sklavenhaltung), die noch vor nicht allzu langer Zeit in Tibet herrschten, das doch, wie ich das verstanden habe, von erwachten Lamas regiert wurde.

    Oh, ich verstehe deine Verunsicherung sooooooo gut! Mir erging es auch mal so.

    An den von dir aufgeführten Fakten ist auch nichts wegzureden oder zu verschönern, vielleicht aber teilweise zu erklären.


    Auf der buddhistischen Erkenntnisebene sehr weit vorangeschritten zu sein, bedeutet immer noch nicht, dass man sich danach auch verhält, leider. Vor allem, wenn es um Machtpolitik und eigenem Machterhalt geht. Diese mangelnde Moral gab es leider in allen Religionen, um so mehr, wenn Religion und Macht verbunden waren. Lange Zeit war ja ein buddhistische Amt mit einem Amt in der Regierung verbunden.


    Im Übrigen sind damals wie heute wohl viele im Wertesystem ihrer Zeit verfangen, schließlich sind wir ja alle mal erzogen worden. Die vorherigen Jahrhunderte waren ziemlich brutal (aus heutiger Sicht). Dazu kommt, dass das Körperliche in Asien viel weniger Wertschätzung erhält als hier im Westen, umso drakonischer sind die dortigen Strafmaßnahmen auf körperlicher Ebene, auch heutzutage noch.


    Wie kann es sein, dass Menschen, die spirituell derart fortgeschritten sind, dass sie andere auf den Weg zum Erwachen führen sollen, die als große Vorbilder dienen, auf die sich in den Meditationen bezogen wird, dass diese Menschen derart grausame Herrscher waren?

    Das Problem gibt es ja heutzutage auch bei uns immer noch:

    Da ist ein hochverehrter Lama, der gute Bücher schreibt, gute Unterweisungen gibt und von allen sehr geliebt wird und dann stellt sich plötzlich heraus, dass er menschlich richtigen Bockmist macht.

    War dann deshalb alles schlecht, was er gesagt hat?


    Vielleicht war lange Zeit alles richtig gut, bis ihn dann irgendwas tüchtig aus der Bahn geworfen hat. Dann muss ich aber nicht verwerfen, was es bis dahin gesagt hat.

    Oder gab es eine Diskrepanz zwischen seinen guten Erkenntnissen und seinem Verhalten?

    Wenn er diese guten Erkenntnisse weitergegeben hat und sie mich wirklich auch weitergebracht haben, dürfen sie doch auch nach wie vor für mich Gültigkeit haben. Ich nehme das, was gut ist und mir auf meinem Weg weiterhilft und gehe zum Rest auf Abstand.


    Ich glaube, unser Fehler liegt auch heute noch darin, dass wir hochdotierte Lehrer häufig idealisieren, vielleicht, um uns ein kleines bisschen an dieser idealisierten Sonne zu wärmen oder um uns selber durch den Kontakt mit diesem großem Lehrer ein bisschen emporgehoben zu fühlen ...


    Auch hochdotierte Lamas und auf dem buddhistischen Weg weit Fortgeschrittenen bleiben Menschen und Menschen haben Fehler und machen Fehler! Was ich allerdings wirklich von ihnen erwarte, ist, das sie wieder aufstehen, wenn sie gefallen sind und wieder gutmachen, wenn sie anderen geschadet haben.


    Ich muss leider gestehen, dass auch ich noch nicht ganz davon runter bin, mir einen Lama, Rinpoche etc. als einen moralisch perfekten Menschen zu wünschen. Was ich allerdings inzwischen schaffe, ist, nicht das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wenn da jemand moralisch tief gefallen ist, war nicht alles schlecht, was er bis dahin gelehrt und geschrieben hat.

    Somit ist meine Antwort: Geh weiter diesen Weg, wenn er sich für dich gut anfühlt. Trau deiner Intuition, aber behalte ein gewisses Mitdenken, und gewöhn dir an, achtsam und mit etwas Distanz zu schauen, wie sich deine Lehrer verhalten. Du wirst nicht immer alles mittragen und mitmachen wollen, was diese tun und empfehlen, auch wenn das Verhältnis noch so gut ist.

    _()_ User19823

  • Für mich ist es sehr wichtig zu unterscheiden , wo gibt es die "normalen " Abnutzungserscheinungen hirachchischer Strukturen, und wo ist etwas im Kern schon falsch angelegt.


    Wenn wir uns das thailändische oder auch das nepalesishe Königshaus ansehen können wir festfeststellen, das auch Herrscher die große Bodhisattas verkörpern völlig aus dem Ruder laufen können, aber deshalb ist die Grundphlilosophie des Buddhismus trotzdem gut.


    So gefällt mir zum Beipiel, das immer eine gewisse "Gewaltenteilung " eingehalten wird.Ein Buddha hat einen Bodhisattva zur Seite, ein Linienhalter einen weiteren Linienhalter,und auch bei den drei Juwelen sind verschiedene Aspekte auf unterschiedliche Symbole aufgeteilt.


    Das Prinzip eine Religion , ein Gott , ein Führer gibt es zwar auch, aber halt bloß gut nicht im Buddhismus.


    :zen:

  • Da ist ein hochverehrter Lama, der gute Bücher schreibt, gute Unterweisungen gibt und von allen sehr geliebt wird und dann stellt sich plötzlich heraus, dass er menschlich richtigen Bockmist macht.

    War dann deshalb alles schlecht, was er gesagt hat?

    Ja, die Lehre wird entwertet und unglaubwürdig.

    (In meiner Jugend hörte ich manchmal "der Adolf hat aber auch Gutes gemacht, z.B. Autobahnen gebaut". War er deshalb gut?)


    Der von Dir zitierte Lama hat die Lehre eben nur intellektuell verstanden, aber nicht verinnerlicht. "An ihren Früchten sollt Ihr sie erkennen" und nicht an ihrem klugen Schnacken. Das können viele, auch hier im Forum - auch ich.8)

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Das Problem gibt es ja heutzutage auch bei uns immer noch:

    Da ist ein hochverehrter Lama, der gute Bücher schreibt, gute Unterweisungen gibt und von allen sehr geliebt wird und dann stellt sich plötzlich heraus, dass er menschlich richtigen Bockmist macht.

    War dann deshalb alles schlecht, was er gesagt hat?

    Liebe(r) User19823,


    die Antwort auf deine Frage wird davon abhängen, welchem Pfad man folgt. :heart:

    Mein Motto: "Nur Materie ist real." Probier's mal aus :)