Stephen Batchelors Antwort auf "McMindfulness"

  • Guten Tag, allerseits. Dieser Beitrag behandelt meine Gedanken zu Stephen Batchelors Antwort auf Pursers Buch "McMindfulness: How Mindfulness became the new Capitalist spirituality". Eines von Batchelors Hauptargumenten ist, dass gemäss einiger Sutren Nirvana über Achtsamkeit, und Achtsamkeit von jedermann erreicht werden kann. Er verteidigt somit das Recht von Laien, gleich welcher Herkunft oder sozialen Standes, Nirvana zu erreichen. Im Video beschlich mich allerdings das Gefühl, dass hier eine Begriffsverwirrung herrscht. Purser greift aus meiner Sicht nämlich keineswegs das Recht von Laien an, Achtsamkeit zu praktizieren, auch wenn der Titel seines Buches dies suggeriert. Vielmehr greift er MBSR an, durch die sich besagte Laien lediglich einbilden, sich spirituell zu verändern. Der Unterschied wurde mir nach Lesen eines Artikels von tricycle.org klar. Kurz zusammengefasst dient MBSR eher dazu das Ego zu stabilisieren, während Achtsamkeit im Kontext der Sutren auf eine Zurückweisung des Egos hinausläuft. Ausgehend davon sollte der polemische Titel "Mc Mindfulness" eher "McMBSR" heissen. Im weiteren Verlauf des Videos denke ich, dass sich Batchelor ein paar Strohmänner bastelt, die leicht anzugreifen sind. Gegner von MBSR reden oft von einer Zurückweisung des traditionellen Buddhismus. Es sei laut Batchelor aber kein Geheimniss, dass es angeblich in traditioneller Achtsamkeit geübte Mönche gibt, die sich zum Werkzeug nationalistischer Politik machen (Thailand, Sri Lanka). Worauf ich antworten würde, dass es auch in traditioneller Achtsamkeit geübte Mönche gibt, die das nicht tun. Wer hat jetzt recht? Diejenigen, die in Übereinstimmung mit ihrer Lehre leben oder jene, die ihre Lehre ignorieren? Steht etwa auch das Trinken von Alkohol nicht im Widerspruch zur Lehre, weil es in Japan viele Klöster gibt, die Sake brauen? Letztlich untergräbt Batchelor sein eigenes Argument mit dem Satz "How du you call a deluded Buddha? An ordinary person." Mein letzter Punkt betrifft seine Sympathie für die amerikanischen Durchschnittskonsumenten, unter welchen es viele ethische Menschen gäbe, wohingegen der Ausdruck "McMindfulness" eine Verachtung für die Arbeiterklasse ausdrücke (die ja in den USA so gerne bei McDonalds frühstückt). Ich bin der Auffassung, dass dieser Aspekt vollkommen irrelevant ist. Es mag ja sein, dass der durchschnittliche Angestellte bei Google oder Mc Donalds sich für eine ethische Person hält, weil er Geld für seine Familie verdient und einen von seiner Firma gesponsorten MBSR-Kurs besucht. Damit weicht man jedoch der Kritik am Arbeitgeber aus, der nicht nur privat nicht unbedingt eine ethische Person ist, sondern u.U. eine unethische Firmenpolitik betreibt. Ich für meinen Teil denke, dass der Unterschied zwischen MBSR und Achtsamkeit im öffentlichen Bewusstsein deutlicher unterstrichen werden muss. Man kann unethische Firmenbosse nicht daran hindern, ein paar Atemübungen zu machen, ganz gleich, ob sie buddhistisch , taoistisch oder christlich inspiriert sind. Man kann jedoch Aufklärungsarbeit leisten, damit mehr Menschen hinter die Oberfläche schauen.


    Hier ist der Link zu Batchelors Video:


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    Hier zum Link des Artikels von tricycle.org:


    (Are You Looking to Buddhism When You Should Be Looking to Therapy?)

  • Im August hatte Franz-Johannes Litsch mich (und andere) in einer Mail auf "die wachsende Anti-Achtsamkeits-Polemik in zahlreichen Medien wie auch in der Wissenschaft und Philosophie" aufmerksam gemacht - insbesondere auf den Essay von Max Tholl "Totalitarismus der Selbstoptimierung. Die gefährlichen Folgen der Achtsamkeitslehre", der in modifizierter Form unter der Überschrift "Arbeit am Ich, 'Mindfulness': Die neue Achtsamkeitslehre soll der Selbstoptimierung dienen, nützt aber vor allem ökonomischen Interessen“ auch in der Printausgabe des Berliner Tagesspiegel vom 19.08.2019 veröffentlicht wurde. Litsch merkt dazu an:


    Zitat

    Dieser Titel ist allerdings Rufschädigung vom Heftigsten.


    Den Vogel abgeschossen an rufschädigender und unfairer Polemik gegen die Achtsamkeit hat jedoch ein Buch, das derzeit sogar auf der deutschen Bestseller-Liste steht.


    Und zwar ein Roman mit dem Titel: „Achtsam morden“ (siehe Anhang). Der Autor heißt: Karsten Dusse, beim Verlag steht über ihn: „Karsten Dusse ist Rechtsanwalt und seit Jahren als Autor für Fernsehformate tätig. Seine Arbeit wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis und mehrfach mit dem Deutschen Comedypreis ausgezeichnet sowie für den Grimmepreis nominiert. Achtsam morden ist sein erster Roman.“


    Inhalt des Romans:


    „Björn Diemel wird von seiner Frau gezwungen, ein Achtsamkeits-Seminar zu besuchen, um seine Ehe ins Reine zu bringen, sich als guter Vater zu beweisen und die etwas aus den Fugen geratene Work-Life-Balance wieder herzustellen. Denn Björn ist ein erfolgreicher Anwalt und hat dementsprechend sehr wenig Zeit für seine Familie. Der Kurs trägt tatsächlich Früchte und Björn kann das Gelernte sogar in seinen Job integrieren, allerdings nicht ganz auf die erwartete Weise. Denn als sein Mandant, ein brutaler und mehr als schuldiger Großkrimineller, beginnt, ihm ernstliche Probleme zu bereiten, bringt er ihn einfach um — und zwar nach allen Regeln der Achtsamkeit. ´Achtsam morden´ ist die Geschichte eines bewussten und entschleunigten Mordes, der längst überfällige Schulterschluss zwischen Achtsamkeitsratgeber und Krimi, vor allem aber ein origineller Unterhaltungsroman.“


    Jede(r), der die authentische Satipatthana-Praxis kennt und übt, weiß, dass es völlig unmöglich ist, „achtsam“ zu morden. Das widerspricht sich konträr, weil Achtsamkeit immer heilsam, gewaltfrei und ethisch ist. Ist eine Handlung nicht ethisch, existiert dabei auch keine Achtsamkeit. Achtsamkeit (satipatthana) ist für den Buddha nur dann auch wirklich Achtsamkeit (samma sati), wenn sie zutiefst ethisch und gewaltfrei ist. Alles andere ist höchstens Aufmerksamkeit (manasikara). Es ist äußerst fatal, wenn etwa in MBSR- oder anderen Kreisen dies unterschlagen wird.


    Genau diesen Eindruck macht auch folgendes Buch: „Hornhaut für die Seele. Der Weg zu mehr psychischer Widerstandskraft - Das macht dich stark gegen Stress, Depressionen und Burnout“ von einem Chris Ley, der die „Life Callenge Strategy“ und das „feel good management“ propagiert.


    Zwar bin ich der Meinung, dass man sich gegen solch grobe Verfälschung der Achtsamkeitspraxis - insbesondere der von Buddha gelehrten - wehren und in den Medien ihre wahre Bedeutung fundiert und sachlich klarstellen sollte. Doch möchte ich auch nochmal dazu auffordern, sich von Seiten der zahlreichen Achtsamkeitslehrer, die es heute gibt, an der eigenen Nase zu fassen und hinzuschauen, was da eigentlich in den letzten Jahren von ihnen verbreitet und gefördert wurde. Es hat den Anschein, dass die für den Buddha grundlegende Bedeutung des unbegrenzten Mitgefühls, der Gewaltfreiheit, der Ethik und der Verantwortung gegenüber anderen weitgehend oder völlig ignoriert und vernachlässigt wurde und nur noch die Befindlichkeit und das Fortkommen des eigenen Ego im Mittelpunkt stand oder steht. Wenn dem so ist, dann braucht man sich über allmählich ansteigende Kritik, Ablehnung und Polemik nicht zu wundern. Es ist eben das, was der Buddha wiederum als durch Blindheit selbst verursachte „Karma-Folgen“ (vipaka) lehrte.

    Dazu von mir nur eine kurze Anmerkung. In einer kapitalistischen Warengesellschaft ist es unvermeidlich, dass auch Kulturprodukte - und der Buddhismus ist insbesondere in der Form, in der er in dieser Gesellschaft inkulturiert wurde, ein typisches Kulturprodukt - einen Warencharakter (und Warenfetischcharakter) annehmen. Und dass solche Waren unweigerlich auch hinsichtlich ihrer Vermarktungsfähigkeit 'optimiert' werden. Aufschlussreich und nach wie vor lesenswert wurde dieser Bedingungszusammenhang von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno in ihrem Essay "Kulturindustrie – Aufklärung als Massenbetrug" (in: Dialektik der Aufklärung, Philosophische Fragmente) behandelt. Ich möchte dies hier nicht weiter ausführen, lediglich den Hinweis geben, dass der Buddhadharma da zur Ware wird, wo er konsumiert wird. Eine Kritik der Ware greift zu kurz, wenn sie nicht zur Kritik des Konsums und damit des Konsumenten führt. Und auch dies ist noch zu kurz gegriffen, wenn der kritisierte Konsument 'der Andere' ist. Das ist nicht hilfreich. Selbstkritik hingegen schon.


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    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sudhana & OT


    Es tut mir richtig gut, sowas zu lesen. Feststellen zu können, dass es aufrichtiges, gesellschaftliches Bemühen in Verbindung mit grösserer Einsicht und dem Willen und den Fähigkeiten dazu gibt.


    Ich habe übrigens "Fortschreitende Räude" von Ernst Jandl im Familienkreis geteilt. Die Mutter und die Schwester sind krass abgebrochen. Und ich nochmal dazu. Wie auch im Nachhinein ein weiteres Mal.



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  • Das Video von Stephen Batchelor habe ich nicht angeschaut, aber das Buch von Purser hat ein wenig mein Interesse geweckt, weil MBSR in Österreich eine starke Präsenz hat und sogar von der ÖBR angeboten wird. Weil ich obendrein noch ein Gründungsmitglied des MBSR-Verbandes Austria persönlich kenne und schätze, sah ich mich veranlasst der Sache ein wenig nachzugehen, möglichst objektiv und unvoreingenommen.


    Da habe ich hier eine Seite entdeckt, auf welcher Roland Purser einen Überblick über sein Buch gibt. Ein Zitat in Deutsch mittels Google Übersetzer:


    Zitat

    Achtsamkeit wurde überverkauft und auf eine Technik für nahezu jeden instrumentellen Zweck reduziert. Es kann Kindern in der Innenstadt eine beruhigende Auszeit geben oder Hedgefonds-Händlern eine mentale Schärfe verleihen oder den Stress von Militärdrohnenpiloten verringern. Ohne moralischen Kompass oder ethische Verpflichtungen, die von einer Vision des sozialen Gutes losgelöst sind, bleibt die Kommerzialisierung der Achtsamkeit im Ethos des Marktes verankert.


    Ähnliche Kritik gibt es hier von einem Professor Hartmut Rosa von der Friedrich-Schiller-Universität Jena:


    Zitat

    „Man sieht ja auch tatsächlich, dass das etwas ist, was von Managern oder von erfolgreichen Eliten gesucht und praktiziert wird. Die dann im Radikalfall sagen: Sie hatten Skrupel und Schwierigkeiten, Menschen zu entlassen und seitdem sie Achtsamkeit praktizieren, fällt es ihnen viel leichter. Also da sieht man eine Funktionalisierung der Achtsamkeitslogik.“


    Auf derselben Seite von dem Indologen Michael Zimmermann, der auch darauf aufmerksam macht, dass dieser Missbrauch, wenn man es so nennen will, nichts neues ist.


    Zitat

    Wollen sie, dass buddhistischen Grundtechniken wirklich uneingeschränkt verwendbar seien, in jedem Kontext? Soll Achtsamkeit nur der Maximierung von Glück, Gewinn oder Geschwindigkeit dienen – verliert man da nicht das spirituelle Ziel, nämlich den Ausstieg aus dem Kreislauf der Wiedergeburt, aus dem Blick?


    Es gibt ja kein Monopol auf die Achtsamkeitsübungen und sie können in jedem Kontext eingesetzt werden – in einigen ostasiatischen Kulturen führten sie zu einem neuen Typ von Kämpfern wie etwa den Samurai.

    „Die bauen natürlich alle auf Achtsamkeit auf. Das ist eine Vereinigung von Kriegskunst, von Kampfkunst und Achtsamkeit – genau das.“

    Auch hier von Prof. Dr. Stefan Schmidt vom Universitätsklinikum Freiburg:


    Zitat

    Wieso droht die Gefahr einer solchen Entwicklung, die ja der ursprünglichen Intention von Buddhismus und Achtsamkeitspraxis fundamental entgegensteht? Der Schlüsselpunkt ist die Motivation, mit der die Praxis ausgeführt wird. Die Motivation einer Achtsamkeitspraxis im buddhistischen Kontext als integraler Bestandteil des Achtfachen Pfades ist eine spirituelle. Mit spirituell ist hier gemeint, dass die Motivation über die eigenen Interessen hinausreicht und das Wohl anderer oder ein höheres Gemeinwohl mit einschließt. Wenn es neben der Säkularisierung der Praxis nun aber auch zu einer Säkularisierung der Motivation kommt, geht der heilsame Aspekt der Achtsamkeit verloren. Sie wird dann zu einer ich-zentrierten Selbstoptimierungsstrategie oder wird von Institutionen zum eigenen Nutzen missbraucht. Bleibt aber die weiter reichende spirituelle Motivation erhalten, dann könnte die Achtsamkeitswelle zu einem heilsamen Umdenken in unserem sozialen Miteinander führen und einen maßgeblichen Beitrag leisten, eine aus den Fugen geratene Welt wieder menschlicher werden zu lassen. Momentan scheinen in vielen praktischen Anwendungen der Achtsamkeit beide Motivationen verwirklicht, mal mehr die nutzenorientierte, mal mehr eine spirituelle. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Letztere auf Dauer durchsetzen wird.


    Da scheint also was dran zu sein. Hoffe es macht nichts aus dass ich nicht auf Steven Batchelor eingegangen bin was ja eigentlich das Thema hier ist. Offen gestanden lese oder höre ich nicht gerne von ihm, nach dem Motto: "Warum zum Schmiedl gehen wenn man zum Schmied gehen kann". Dasselbe gilt mir für dieses MBSR, für das offenbar Skepsis angebracht ist.

  • Polemik nährt sich immer von zwei Seiten.

    Niemand sollte seine Zeit verschwenden.Sie ist wertvoll❤️🙏

    Einmal editiert, zuletzt von Xyz ()

  • Für mich sieht es ähnlich aus wie bei Herrn Litsch.


    Manasikara (Aufmerksamkeit, Aufmerken) ist nicht gleich sati (meist mit Achtsamkeit übersetzt). Erst wenn manasikara auf die Herkunft gerichtet wird (yoniso manasikara), bedingt es sati quasi. Man könnte deshalb meines Erachtens bei yoniso manasikara und sati fast von einem Synonym sprechen.


    Wenn yoniso manasikara vorherrscht, ist es immer auch auf eine der 4 Säulen von Sati gerichtet. (Majjhima Nikāya 10 ).

    Sati ohne eine der 4 Säulen ist für mich kein sati.


    Gruß

    Sven

  • Achtsamkeit ist dann Ego befreiendes Betrachten und Handeln mit meiner Umwelt. Nicht unbedingt ethisch aber Leid vermindernd.

    Aufmerksamkeit ist dann Persönlichkeit bezogenes Betrachten und Handeln mit meiner Umwelt. Nicht unbedingt unethisch aber Leiderzeugend.

  • Irgendwas kapier ich hier nicht.

    Ich verstehe nicht, warum Buddhisten immer wieder z.B. die MBSR-Kurse angreifen und als minderwertig darstellen. Es wirkt so etwas auf mich, als ob die Christen das 'Autogene Training' verurteilen würden, weil die Entspannung nicht durch Beten entstanden sei.


    MBSR-Kurse sind Kurse zur besseren Stressbewältigung, die aus Gesprächen, Körperübungen aus dem Yogabereich und Meditationen bestehen. Was soll denn daran schlecht oder minderwertig sein? Ich wünschte, möglichst viele Menschen würden so etwas mitmachen.


    Vielleicht weil sie den Begriff der Achtsamkeit verwenden?


    Achtsamkeit ist doch ein sehr vielschichtiger Begriff mit vielen Bedeutungen. Ich denke mal, dass in den MBSR-Kursen das aufmerksames Hinschauen bedeutet und die Meditationen ein zur Ruhe kommen durch aufmerksames Hinschauen sind.


    Meditationen im buddhistischen Sinne sind doch wohl etwas völlig anderes. Da geht es um das intuitive Erkennen z.B. der Vergänglichkeit aller Erscheinungen oder um die Auflösung des Ichs usw., alles innerhalb eines bestimmten ethischen Kontexts.


    Was hat das eine denn mit dem anderen zu tun?

    Und woher dieses Konkurrenzgefühl, das jemand etwas von uns Buddhisten "geklaut" hätte?

    Warum können wir uns nicht einfach mitfreuen, wenn anderen sich etwas mehr entspannen können, wodurch auch immer... ?

  • Ich für meinen Teil denke, dass der Unterschied zwischen MBSR und Achtsamkeit im öffentlichen Bewusstsein deutlicher unterstrichen werden muss.

    Ich vermute, dass das die Öffentlichkeit nun nicht wirklich interessiert.


    Wenn überhaupt, sollten wir den Unterschied zwischen Meditation im Sinne einer Entspannungsübung und buddhistischer Meditation erklären. Und zwar ohne arrogant von oben nach unten zu schauen. Es sind einfach nur völlig unterschiedliche Sachen.


    Mal ehrlich, wer von uns hat denn nicht mit Meditation angefangen, damit es ihm besser gehe ...

    Und ich kenne nicht wenige, die über die Mindfulnessbewegung zum Buddhismus gekommen sind.

  • Es sagt niemand dass Achtsamkeit mittels MBSR schlecht ist, kritisiert wird nur dass dabei keine Ethik vermittelt wird. Ich habe keine Erfahrung damit, aber anscheinend ist die Motivation kein Thema. Dann könnte z.B. die Mafia ebenso daran teilnehmen wenn sie bezahlt wie Amnesty International.

    Jetzt könnte man sagen dass alles missbraucht werden kann, es hat ja auch z.B. Devadatta beim Buddha gelernt und wollte ihn dann töten. Aber Devadatta wurden die ethischen Werte vermittelt, die Schuld liegt in dem Fall also ausschließlich bei ihm und zu keinem Teil bei seinen Lehrern.

    Oder wenn z.B. jemand ein Küchenmeser verkauft, dann sagt er dem Kunden ja auch nicht dass es nur für die Küche gedacht ist und nicht etwa um jemanden zu erstechen. Wenn ein Kunde das tut, kann man dem Verkäufer dennoch keinen Vorwurf machen, weil der Kunde wusste wofür es ursprünglich gedacht war. MBSR wurde aber aus dem Zusammenhang einer Lehre zur Entwicklung von Weisheit und Mitgefühl herausgelöst - "es geht nur um die Entspannung, machen sie damit was sie wollen". In dem Fall scheint die Kritik nicht ganz unberechtigt zu sein, oder nicht?

    • Offizieller Beitrag

    Ich habve das Buch "achtsam Morden" gelesen und ich fand es gut und empfehlenswert. Eben weil es perfekt auf den Punkt bringt, dass das was von diversen "Achtsamkeitscoaches"als Achtsamkeit verkauft wird, sich weit von dem entfernt hat, wass der Buddhismus unter sati versteht. Während im Buddhismus Achtsamnkeit immer im Bezug auf das Ziel des Buddhismus gerichtet ist ( also sozusagen rechte Achtsamkeit ist) können Fokusierung und Konzentration genauso auf weltliche und sogar unheilsame Aufgaben gerichtet werden. Das ist ja kein neues und auch kein westliches Phänomen. "Achtsames Morden" war in der Samuraiklasse verbreitet und auch Eugen Herrigel (Zen in der Kunst des Bogenschießens ) war begeistert davon, wie sehr Zen doch mit Militarismus vereinbar ist. Von daher finde ich es für Buddhisten eher wichtig aufzuarbeiten und zu verstehen, wie wesentliche Konzepte entliehen und missbraucht werden ( z,.B in Brian Victorias: "Zen, Nationalismus und Krieg")


    Das bedeuetet aber auch nicht unbedingt, dass man Sachen wie MBSR gleich verteufeln sollte. Die meisten Menschen die Achstamkeitskurse besuchen, tun das ja mit einer zwar nicht unbedingt buddhitischen aber doch mit der eher "neutralen" Motivation, zu einem ausgegelichenen, streffreieren Leben zu finden. Und man kann ja auch eine authentische Praxis verhunzen, indem man sie mit einer üblen Motivation ausführt.

  • @User19823 Bei mir geht es genau umgekehrt. Das Schulungsprogramm des MBSR bin ich 1978 angefangen, da gab es das glaube ich noch nicht mal in Europa, mit sitzen weil es meine Gedankenkreisläufe vermindert, Yoga, Feldenkrais, weil es die Beweglichkeit dieses Körpers verbessert durch Wohlspannung. Viel Lesens und Reden über Religion und Psychologie. Erst vier Jahre nach meinem "Erwachen" bin ich mit Zen angefangen. 2000 war das ja noch schlimmer als Scientology, in der Meinung der Leute. Nur blöde rumsitzen und nichts tun, dann lieber auf Kurs gehen, ist zwar Ausbeutung aber man tut was. Als ich mir MBSR angesehen habe, Buch, Netz, war das eher uninteressant, kannte das ja schon aus eigener Erfahrung.

    Doch die kleinen Hinweise die andere überlesen waren sehr nützlich weil sie mein Erfahren auffrischten und bereicherten. Für mich der beste westliche Weg zu Buddha, wenn Buddhismus nicht in der mich umgebenden Gemeinschaft gut angesehen ist.

  • Es sagt niemand dass Achtsamkeit mittels MBSR schlecht ist, kritisiert wird nur dass dabei keine Ethik vermittelt wird.

    Mukti, wie kommst du denn auf diese Idee, die hier scheinbar in vielen buddhistischen Köpfen herum rennt ...

    Jeder, der längere Zeit tief in sich reinschaut, landet irgendwann beim Warum seines Lebens und der eigenen ethischen Ausrichtung.

    Ich habe keine Erfahrung damit, aber anscheinend ist die Motivation kein Thema.

    Doch, ist sie. Es wird zwar kein buddhistisches Vokabular verwendet, aber die Inhalte sind sehr ähnlich. Ist ja auch nicht verwunderlich. Beim ehrlichen Sich-selbst-anschauen landet man automatisch irgendwann z.B. bei der Vergänglichkeit der Dinge. Es sind ja tiefe Lebensgesetze, die der Buddhismus verkörpert und keine beliebigen Glaubensgeschichten. Und ob man sich in buddhistischen Fachtermini unterhält oder in normaler Sprache, ist doch auch nicht relevant, es kommt doch auf die Inhalte an.


    Ich habe in diesen Kursen erlebt, dass sehr viel über die eigene Meditationspraxis und Ausrichtung des Lebens gesprochen wurde. In buddhistischen Kreisen erlebe ich immer wieder, dass darüber geredet wird, was sein _sollte_, oder was irgendein Lehrer gesagt habe - mit deren Leben, bzw. Umsetzung in deren Leben hat das dann wenig zu tun, vielleicht wollen ja die meisten Schriftgelehrte werden ...


    Wie viel wird denn hier im Forum über die eigene persönliche Meditationspraxis gesprochen? (Mal abgesehen von den Anfängern, die erste Hilfestellungen brauchen.) Oder von der Bedeutung der 4 edlen Wahrheiten im eigenen Leben?


    Dann könnte z.B. die Mafia ebenso daran teilnehmen wenn sie bezahlt wie Amnesty International.

    Ja natürlich könnten beide dran teilnehmen, wie auch z.B. an der Zenmeditation jeden Mittwoch Abend ... Was ist daran schlecht? Und wieso ist das ein Argument gegen MBSR?

    Vielleicht kommt der Maffiosi durch Meditation sogar darauf, das sein Handeln schädlich ist. Auch Thich Nhat Hanh hat alle Kriegsveteranen, egal welcher Kriegspartei, mitmeditieren lassen.


    MBSR wurde aber aus dem Zusammenhang einer Lehre zur Entwicklung von Weisheit und Mitgefühl herausgelöst - "es geht nur um die Entspannung, machen sie damit was sie wollen"

    Das ist deine persönliche Sicht darauf, die mit meinen Erfahrungen absolut nicht übereinstimmen. Mal abgesehen davon, dass tatsächlich alle Lehrer, die ich in MBSR und ähnlichen Kursen kennengelernt habe, sehr erfahrene Buddhisten waren, teilweise mit über 20-30jähriger buddhistischer Meditationspraxis. Die Intention dieser Lehrer war, das Heilsame des Buddhismus allen zur Verfügung zu stellen, die es brauchen, nicht nur überzeugten Buddhisten.


    Trotzdem ist die generelle Ausrichtung der Kurse natürlich zuerst einmal die bessere Gesundheit. Aber ich kenne doch etliche, die sich danach buddhistischen Meditationsgruppen angeschlossen haben. Die Basics dazu haben sie in diesen MBSR-Gruppen gelernt.


    Natürlich gibt es unter den Kursleitern ab und zu auch Quacksalber oder Laberköppe, aber Lehrer, die ihres Amtes nicht würdig sind, haben wir im Buddhismus doch leider genauso, oder?

  • MBSR wurde aber aus dem Zusammenhang einer Lehre zur Entwicklung von Weisheit und Mitgefühl herausgelöst - "es geht nur um die Entspannung, machen sie damit was sie wollen". In dem Fall scheint die Kritik nicht ganz unberechtigt zu sein, oder nicht?

    Das ist übrigens ein guter Trick um das Unterbewusstsein in Aktion zu bringen: "es geht nur um die Entspannung, machen sie damit was sie wollen"


    Buddha Lehre geht euch sowieso nichts an die bringt nichts, nur Entspannung bringt was.


    Der sichere Weg zu Zen ist: Zen ist die größte Lüge aller Zeiten.

  • User19823:

    Meine Bemerkungen über MBSR sollten keine Beurteilung darstellen, ich habe mir nur öffentlich Gedanken darüber gemacht. Wie gesagt habe ich keine direkte Erfahrung damit, war nie in einem solchen Kurs und habe die Informationen aus den Quellen bezogen die ich angegeben habe, sowie aus einigen Beiträgen hier. Diese veranlassen zwar zu Skepsis, das sollte aber kein Grund sein sich auf Vorurteile zu fixieren. Da ist es ja erfreulich, dass jemand aus eigener Erfahrung berichten kann der an Kursen teilgenommen hat.


    Nun stehen also deine positiven Erfahrungen der negativen Kritik gegenüber, wobei sich die Frage stellt, ob Letztere ebenfalls auf eigener Erfahrung beruht. Vorstellbar wäre dass es beide Tendenzen innerhalb der offenbar weit verbreiteten MBSR Praxis gibt, vereinfacht gesagt mit oder ohne ethische Elemente. Die Annahme, dass diese Praxis auch von Lehrern vermittelt und von Teilnehmern erlernt wird die mit Buddhismus nichts am Hut haben, scheint mir einstweilen nicht zu weit hergeholt.

    Du schreibst:

    Zitat

    Beim ehrlichen Sich-selbst-anschauen landet man automatisch irgendwann z.B. bei der Vergänglichkeit der Dinge. Es sind ja tiefe Lebensgesetze, die der Buddhismus verkörpert und keine beliebigen Glaubensgeschichten. Und ob man sich in buddhistischen Fachtermini unterhält oder in normaler Sprache, ist doch auch nicht relevant, es kommt doch auf die Inhalte an.

    Nun ja, alleine das Bewusstwerden über die Vergänglichkeit der Dinge kann zu verschiedenen Schlussfolgerungen führen. Z.B. zu Nihilismus, der angesichts der Vergänglichkeit keinen Sinn des Daseins erkennen lässt und den Trieben daher keine Beschränkungen auferlegen will. Nur ein Beispiel zur Verdeutlichung, das soll keine Unterstellung sein.

    Es kommt wohl darauf an welche Art Ehrlichkeit diesem "Sich-selbst-anschauen" zugrunde liegt. Der Sozialdarwinismus etwa entbehrt auch nicht einer gewissen Ehrlichkeit, weil er auf dem Naturgesetz beruht dass sich das Stärkere und Bessere durchsetzt. Dabei kann die Entwicklung von Mitgefühl leicht als Schwäche gelten die achtsam zu vermeiden wäre. Das wieder nur als Möglichkeit, nicht als Unterstellung.


    Buddhistische Achtsamkeit ist immer samma-sati, rechte Achtsamkeit als Erleuchtungsglied (sati-sambojjhanga). So vermittelt und angenommen ist das eine Praxis von Ordinierten und Laien. Meine Skepsis, dass MBSR vor allem zu diesem Zweck gelehrt und praktiziert wird ist mir durch deinen Beitrag nicht vollständig ausgeräumt, er zeigt aber dass es offenbar in diese Richtung gehen kann.

  • The Mind Cure?: The Effect of Mindfulness on Health - Tricycle

    Hier werden drei Bücher besprochen, die sich mit dem Thema auseinandersetzen.


    Ansonsten les ich grad "The Science of Meditation" von Goleman und Davidson. Die unterscheiden recht schön zwischen dem tiefen Pfad und dem weiten Pfad - ersterer bedeutet die radikale Selbst-Transformation mittels Meditation, wie sie von Mönchen praktiziert wird. Der weite Pfad geht eher in die Richtung von Selbstverbesserung, ohne das westliche Weltbild aufzugeben. Die Autoren betonen, dass das nicht pe se schlecht ist, aber eben vom buddhistischen Pfad unterschieden werden sollte.


    Es sagt niemand dass Achtsamkeit mittels MBSR schlecht ist, kritisiert wird nur dass dabei keine Ethik vermittelt wird. Ich habe keine Erfahrung damit, aber anscheinend ist die Motivation kein Thema. Dann könnte z.B. die Mafia ebenso daran teilnehmen wenn sie bezahlt wie Amnesty International.

    Ich würde sagen, grundsätzlich ist es schon so. Das gilt für das ganze westliche Achtsamkeits-Material, nicht nur für MSBR. MSBR hat ja einen eher medizinischen Kontext, aber mittlerweile gibts ja in jedem Yogastudio und jeder Naturheilpraxis Meditationskurse.


    Und daran entzündet sich die alte Debatte. Die einen kritisieren das, weil sich Achtsamkeit in dieser Form eben für alles, auch für unmoralisches, einsetzen lässt. Andere sagen, dass eine derart neutrale Achtsamkeit eben kaum moralisch beurteilt werden kann, weil die Pointe ja dann eben ist: Was macht jemand damit? Dass diese Art von "Mindfulness" keine Ethik vermittelt, heißt ja nicht, dass sie zu unethischem Verhalten aleitet. Insofern verstehe ich die Aufregung nicht so ganz.

  • ...Die einen kritisieren das, weil sich Achtsamkeit in dieser Form eben für alles, auch für unmoralisches, einsetzen lässt. Andere sagen, dass eine derart neutrale Achtsamkeit eben kaum moralisch beurteilt werden kann, weil die Pointe ja dann eben ist: Was macht jemand damit? Dass diese Art von "Mindfulness" keine Ethik vermittelt, heißt ja nicht, dass sie zu unethischem Verhalten aleitet. Insofern verstehe ich die Aufregung nicht so ganz.

    Ich finde schon dass Ethik unbedingt dazugehört, auch in einem medizinischen Kontext, für geistige Gesundheit und allgemeines Fördern des Heilsamen. Warum sollte man sie weglassen, außer des lieben Geldes wegen dass sich damit verdienen lässt?

  • Buddhistische Achtsamkeit ist immer samma-sati, rechte Achtsamkeit als Erleuchtungsglied (sati-sambojjhanga).

    Dazu einen Beitrag über dieses Problem:

    Zitat

    In diesem Text sollte besonders beachtet werden, welch entscheidende Stellung der Aufmerksamkeit (unweise oder weise; ayoniso oder yoniso manasikāra) gegeben wird für die Entstehung oder Ausrodung der unheilsamen Wurzeln.

    In der Rede "Alle Triebe" (Sabbāsava Sutta; M2) wird gesagt: "Der ungeschulte, gewöhnliche Mensch ... kennt weder die der Aufmerksamkeit würdigen Dinge (manasikaraniye dhamme) noch die der Aufmerksamkeit unwürdigen Dinge (amanasikaraniye dhamme)." Deshalb verfehlt er, seine Aufmerksamkeit würdigen Dingen zu schenken, und lenkt sie unwürdigen Dingen zu. Und vom wohlunterrichteten Jünger sagt dieselbe Rede, daß er das der Aufmerksamkeit Würdige und Unwürdige kenne und sich angemessen verhalte.

    Der Kommentar zu dieser Rede macht hier eine sehr aufschlußreiche Bemerkung: "Es gibt nichts Bestimmtes in der Beschaffenheit der Dinge (oder Objekte) selbst, das der Aufmerksamkeit würdig oder unwürdig ist; die Unterscheidung beruht vielmehr auf der Art der Aufmerksamkeit, die man den Objekten widmet. Eine Art der Aufmerksamkeit, die eine Basis ist für das Entstehen von Unheilsamem oder Bösem, solche Art der Aufmerksamkeit sollte dem jeweiligen Objekt nicht gewidmet werden, vielmehr eine Art der Aufmerksamkeit, die eine Basis ist für das Entstehen des Guten und Heilsamen, eine solche soll man den Objekten geben."

    Es ist der letztgenannte Typ der Aufmerksamkeit, der in unserem gegenwärtigen Text "weise Aufmerksamkeit" genannt wird. Die vorherige Art ist "unweise Aufmerksamkeit", die in einer anderen Kommentarstelle als unmittelbare Ursache der Verblendung bezeichnet wird.

    Daß Dinge angenehm oder unangenehm sind, ist uns als Tatsache normaler Erfahrung gegeben. Aber es liegt darin nichts Zwingendes, das unsere Reaktion auf diese angenehmen oder unangenehmen Objekte bestimmt. Es ist des Menschen eigene willentliche Einstellung zu den Dingen und die Art der Aufmerksamkeit ihnen gegenüber, die entscheiden, ob einer mit Gier auf Angenehmes und mit Abneigung auf Unangenehmes reagiert; oder ob einer seine Aufmerksamkeit durch rechte Achtsamkeit und rechtes Verständnis bestimmen läßt, die zu rechtem Handeln führen. In manchen Fällen wird es auch möglich und ratsam sein, die Aufmerksamkeit von einem Objekt ganz abzuwenden und auf anderes hinzulenken. Dies ist eine der vom Buddha empfohlenen Methoden, um die unheilsamen Gedanken zu vertreiben. (Siehe 29 und Erläuterung)

    Wurzeln von Gut und Böse 5

    Wurzeln von Gut und Böse 1


    Da wird das Problem genau angesprochen - zwischen weiser und unweiser Aufmerksamkeit/Achtsamkeit. Es geht also um die Frage, welche Dinge der Aufmerksamkeit würdig sind und welche nicht. Und da geht es dann um die Zielsetzung - also um den Dharma - und da ist eben Sati zwar die Grundlage, aber da kann man nicht stehen bleiben. Insofern führt MBSR dann auch nicht zum Ziel, sondern ist eben kreisende Beschäftigung mit sich selbst, das ein Selbst immer wieder reproduziert. MBSR ist also Selbst-Reproduktion - was im Kapitalismus durchaus Sinn macht, aber letztlich - weise betrachtet sinnlos ist - weil es nicht vor der Vergänglichkeit erlöst.

    Aber auch die Kritik an MBSR ist in diesem Sinne sinnlos - positiv ist ja, dass es dieses Angebot gibt und dass viele an den Kursen interessiert sind bzw. von Ärzten auch darauf aufmerksam gemacht werden. Als Alternative zur Medikation z.B. - wie vieles ist auch MBSR und dgl. zum Teil der Gesundheitsökonomie geworden. Der Heilsaspekt von Religion wird eben verwertet - das sollte mal näher betrachtet werden.

    Jetzt sollte man sich fragen, um welche Veränderung es dem Buddhismus sonst noch geht? Soweit ich das sehe, geht es um das Verlöschung von Gier, Hass und Verblendung, den Wurzeln aller Triebe, also darum, dass dieser Heilsaspekt obsolet wird. Solange einer noch auf der Suche nach Heil(ung) ist, steckt er in einer Zweiteilung fest - heilsames und unheilsames muss er erkennen und sortieren - damit er nicht "das Falsche" wählt. Irgendwann sind die Unterschiede so klein geworden, dass es beim besten Bemühen nicht erkennbar ist, was den was ist. Dann kann man MBSR machen, wie Yoga, Schwimmen oder sonstige Fitness-Programme - ohne schlechtes Gewissen, das alle Moralapostel predigen.

    Ich teile natürlich die Kritik - aber ich habe mal mit autogenem Training angefangen und fand das auto-suggestiv. MBSR ist auch auto-suggestiv. Nichts gegen das Bestreben sich selbst heilen zu wollen - es ist aber doch nur schnöde Gier nach Gesundheit und Leben.

    :zen:



  • Gegen Gesundung ist ja nichts einzuwenden, in diesem Fall Heilung von Stress. Ein Arzt ist ja auch verpflichtet Leidenden ohne Ansehen der Person zu helfen, was der Patient nachher auch immer anstellen mag. In diesem Sinn scheint es unangebracht, Menschen die unheilsamen Tätigkeiten nachgehen Stressminderung mittels Achtsamkeit zu verweigern.


    So betrachtet würde von der Kritik nicht mehr übrigbleiben als die Verwendung des Wortes Achtsamkeit als ein im Buddhismus gebräuchlicher Begriff, was natürlich legitim ist, da gibt's kein Monopol drauf. Buddhisten die MBSR anbieten wäre nichts vorzuwerfen weil Heilung an sich nichts Unethisches ist, woher sie auch stammen mag. Buddhistische Laien meine ich, Ordinierte sollten sich wohl nicht so weit mit weltlichen Dingen einlassen.


    Das Problem läge demnach eher in einer allgemeinen Gesinnung der Gesellschaft, soweit sie Unheilsames hervorbringt. Mir bleibt trotzdem ein leicht unangenehmer Nachgeschmack - würde ich etwa in einem Konzern MBSR Kurse abhalten, dessen Tätigkeiten ich verabscheue, und ihn damit noch unterstützen? Da würde ich wenigstens Sittlichkeit und Weisheit mit ins Spiel bringen.

  • Ich finde schon dass Ethik unbedingt dazugehört, auch in einem medizinischen Kontext, für geistige Gesundheit und allgemeines Fördern des Heilsamen. Warum sollte man sie weglassen, außer des lieben Geldes wegen dass sich damit verdienen lässt?

    Ich teile da deine Perspektive insofern als dass ich unsere Gesellschaft auf einem seltsamen Weg sehe - vieles, das nicht nachhaltig ist, und das durch einen ethischen Rahmen besser laufen würde. Insofern ist es bedauerlich, wenn das aus der Achtsamkeit herausgenommen wird.


    Was der Vorteil ist, wenn man die Ethik weglässt, ist, dass man Achtsamkeit vermitteln kann, ohne Weltanschauung zu vermitteln. Sehr viele Menschen wollen nichts mit dem Buddhismus zu tun haben, sondern nur lernen, wie sie weniger Stress haben, zum Beispiel. Und, wenn diese Menschen lernen, mittels Achtsamkeit weniger Stress zu haben, dann ist es eben besser, als wenn sie gar keine Achtsamkeit lernten.


    Genauso fände ich es sehr gut, an Schulen Achtsamkeit zu vermitteln. Und auch dann müsste das von dem Verdacht, eine religiöse Beeinflussung zu sein, frei sein. Da seh ich also den Vorteil, "blanke" Achtsamkeit zu lehren. Aber natürlich bedeutet das dann, dass die Menschen anderweitig eine ethische Schulung erwerben müssen...

  • Gegen Gesundung ist ja nichts einzuwenden, in diesem Fall Heilung von Stress.

    Gesundheit ist doch nur eine Seite des Gegensatzpaares Krankheit/Gesundheit. Und Stress ist eben auch gesund - es geht um die Beziehung von Fordern und Überfordern.

    :zen:



  • Gegen Gesundung ist ja nichts einzuwenden, in diesem Fall Heilung von Stress.

    Gesundheit ist doch nur eine Seite des Gegensatzpaares Krankheit/Gesundheit. Und Stress ist eben auch gesund - es geht um die Beziehung von Fordern und Überfordern.

    Stress muss nicht gesund sein denke ich, etwa burnout und sowas. Ich verstehe nicht recht was du meinst mit "Beziehung von Fordern und Überfordern", wenn man irgendwie krank oder unwohl ist durch Stress oder sonstwas dann sucht man eben nach Heilung, das kann ja nicht falsch sein.

    Am Besten ist natürlich die Auffassung den Körper gesund zu halten um sich damit gut am achtfachen Pfad in Richtung Befreiung bewegen zu können.

  • Wer in einer Situation lebt, beruflich oder privat, die ihn ständig überfordert und er keine Lösung für seine Probleme findet, der ist gestresst - also angespannt. Ständige Anspannung ist einseitig und macht natürlich auf Dauer krank. Da ändert auch ein vier-oder sechswöchiger Urlaub nicht viel.

    Wer in seinem Leben Herausforderungen (Forderungen) erfährt, die er auch bewältigt, entwickelt Selbstvertrauen und der hat ein anderes Selbstgefühl.

    Menschen, die ihr Leben nicht selbst gestalten können oder dürfen, werden daran krank. Befreiung ist nichts anderes, als zu dieser Lebensgestaltung zu kommen.

    :zen:



  • Mit Achtsamkeit lassen sich Herausforderungen wohl besser bewältigen. Befreiung bedeutet sein Leben selbst gestalten zu können - naja ich denke es kommt dann besonders darauf an wie man es gestaltet, weil halt nicht jede Gestaltung zu Befreiung führt, oft nur zu einem zeitweiligen Wohlgefühl.