Hallo zusammen!
Ich habe gerade erst vor etwa einer Woche damit begonnen, mich näher mit buddhistischen Philosophien und Konzepten zu befassen, bin also noch ganz neu in der Materie.
Allerdings hat es mich schon immer zu dem Konzept von Ursache und Wirkung hingezogen - in meinem Leben ein Riesenthema. Angefangen hat das mit den hermetischen Regeln, aber ich bin völlig baff, dass der Buddhismus so viel darauf begründet und dazu im Detail erklärt!
Ich weiß, dass es verschiedene buddhistische Schulen gibt und ehrlich gesagt weiß ich noch nicht genau, was diese im Detail unterscheidet. (Vermutlich das "Ziel"?)
Dennoch möchte ich erstmal nur ganz viel lernen und alles mögliche in mich aufnehmen. Dafür mag ich momentan Vorträge von Mönchen zuhören, Suttas lesen und das tibetanische Totenbuch habe ich auch schon angefangen.
Ich habe ein paar Fragen zum Leerebegriff. Beim Verständnis dessen haben mir bis jetzt die schönen Vorträge von Thich Nhat Hanh sehr geholfen.
Ich schreibe erstmal nieder, was ich bis jetzt verstanden habe:
Alles ist leer von Eigenexistenz.
In Bezug auf Gegenstände finde ich das erstmal relativ greifbar. Als Beispiel nehme ich mal Kaffee in meiner Tasse.
Dieser Kaffee existiert nicht aus sich heraus. Er ist in seiner "Existenz" ein riesiges Sammelsurium an Bedingungen und Wechselwirkungen.
In der Sonne findet Kernfusion statt. Duch diese Kernfusion entsteht Energie, auch in Form von UV-Licht.
Dieses Licht reist durch das Weltall und trifft auf unsere Erde.
Es trifft auf eine Kaffeeplantage und auf den Erdboden. In dieser Erde befindet sich der Samenkorn einer Kaffeepflanze.
Die Erde selbst ist leer von Eigenexistenz, denn ihr Existieren ist bedingt durch viele Teilchen, die miteinander in Wechselwirkung treten. Sie besteht aus Kohlenwasserstoffen, Mineralien, Stickstoffverbindungen...
Der Samenkorn der Kaffeepflanze kann nur durch das Sonnenlicht und die Nährstoffe des Erdbodens wachsen und einer riesigen Anzahl von Wechselwirkungen innerhalb seiner Selbst, die auf der mikroskopischen Ebene stattfinden.
Eine Wolke zieht über den Himmel und regnet, sie spendet dem Samen Wasser - auch von dem Wasser ist der Same abhängig, um zu wachsen. (Die Wolke ist natürlich auch leer von Eigenexistenz).
Der Samenkorn wächst zu einer Kaffeepflanze heran, welche Kaffeebohnen als Früchte trägt.
Die ausgewachsene Pflanze ist nicht dasselbe wie der Samenkorn, aber sie ist auch nicht etwas ganz anderes. Sie ist die Fortführung des Samenkorns.
An dieser Stelle wäre die Frage, ob diese Betrachtung das Paradox der Leere der Eigenexistenz etwas aushebelt. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann hat Nagarjuna diese Idee des "Mittelwegs" geäußert, dass man eben nicht "radikal" sagt, etwas existiere aus sich selbst heraus oder es existiert nur in Abhängigkeit.
Das bedeutet, wenn wir sagen, alles ist leer von Eigenexistenz, dann weisen wir ja wieder eine feste und unveränderbare Eigenschaft zu, was ja dem Konzept dieser Philosophie widersprechen würde (?). Wenn das verwirrend klingt dann, weil ich da selbst noch verwirrt bin.
Jedenfalls passiert noch sehr vieles, bis der Kaffee zu meinem Morgengetränk in meiner Tasse geworden ist. Er geht durch viele Hände und Maschinen, die wiederum von Menschen gebaut und bedient werden. Schlussendlich muss ich ihn aufbrühen.
Das, Getränk was wir also "Kaffee" nennen, ist ein gewaltiges Konglomerat aus Ursachen, Wirkungen und Bedingungen. Und was ich daran besonders mag ist die Interpretation dessen, die ich durch Thich Nhat Hanhs Vorträge gelernt habe: Ich trinke nicht einfach Kaffee, nein, ich trinke den Kosmos.
Ich trinke Wolken, Sonnenlicht, Erde...etc. Das alles ist in dem Kaffee, das alles ist der Kaffee. Der Kaffee ist die Fortführung der Erde, der Sonne, des Regens...er ist nicht dasselbe, aber auch nicht etwas ganz anderes. Ihr versteht?
Auf Menschen bezogen wird das ganze nun teilweise etwas komplizierter.
Klar, meine Existenz ist bedingt durch meine Eltern.
Und wie ich gerade lebe, ist bedingt durch ganz viele Ursachen. Wie ich lebe, bedingt meine Gedanken und Gefühle. Damit habe ich mich sehr viel beschäftigt, da ich kein gutes Elternhaus hatte und lange Zeit in Unbewusstheit leider schlechte Muster fortgeführt habe, die mich in unschöne Situationen brachten, deren Auswirkungen ich auch heute noch spüre und aufarbeite.
Gerade deswegen ist dieses Thema für mich so prägnant.
Viel interessanter finde ich aber jetzt das Wechselwirken und gegenseitige Bedingen der Menschen sowie die Frage:
Was ist die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass ich ebenfalls leer von Eigenexistenz bin?
Zunächst die Frage, ob meine Auffassung in die richtige Richtung geht:
Wenn ich gerade mit meinem besten Freund chatte, bedingt er in diesem Moment meine Existenz, mein ganzes Dasein (oder eben Werden) im physischen und psychischen Sinne.
Vielleicht unterhalten wir uns über etwas, was mich zum Lachen bringt. Also fühle ich mich erheitert und lache. Gleichzeitig sitze ich am PC und tippe.
Wenn er nicht Teil meines Lebens wäre oder er wäre gerade nicht da, würde ich in diesem Moment etwas anderes tun und empfinden, denken, fühlen etc.
Also bedingt mein bester Freund in diesem Moment meine Handlungen und Gedanken - mein Dasein, Existieren - zu einem Großteil.
Vielleicht denke ich nach unserem Gespräch auch noch darüber nach. Also bedingt er dann mein Dasein unter anderem mit, ohne dass wir direkt interagieren.
Das bedeutet, wir sind miteinander absolut und direkt verbunden. Seine Existenz ist untrennbar Teil meiner Existenz.
Verstehe ich das so richtig? Es ist ein toller Gedanke. Leerheit von Eigenexistenz macht den Gedanken also möglich, dass er ein absoluter Teil meines Existierens ist.
Das Tolle daran ist, dass das auch bei Menschen funktioniert, die wir bewundern und mögen, zu denen wir aber direkt gar keinen Kontakt haben.
Es macht ein tolles Gefühl der Verbundenheit möglich, das weder direkte Kommunikation vorraussetzt, noch, dass wir physisch im selben Raum sind!
Es ist nicht einmal nötig, dass diese Menschen uns kennen: In dem Augenblick, wo wir Gefühle durch Menschen erfahren, sie uns vielleicht inspirieren, bedingen sie unsere Existenz - mal mehr, mal weniger! Sie sind also Teil meiner bedingten Existenz und somit untrennbar mit mir verbunden, denn ich existiere nur ja nur durch Bedingungen.
Ich sehe viele Möglichkeiten in dieser Feststellung. Einmal, dass wenn wir uns mit Menschen beschäftigen, die wir nicht mögen oder uns wütend machen, in diesem Moment die Macht geben, unsere Existenz zu bedingen und dadurch Teil unserer Existenz, also von uns werden. Das ist nicht wirklich erstrebenswert. Daraus kann nichts Gutes für uns erwachsen.
Aber auch, dass jemandes Existenz positiv auf sich wirken zu lassen manchmal viel bereichernder sein kann, als irgendwelche oberflächlichen physischen Kontakte.
Beispielsweise gibt es einen Mann, den ich ein bisschen bewundere, der aber nicht aus meiner direkten Umgebung stammt. Er bedingt meine Existenz sehr positiv, weil ich mich immer sehr freue, wenn er etwas neues von sich postet, manchmal auch lustige Dinge, die mich zum Lachen bringen.
Habe oft gedacht, den würde ich gerne mal auf nen Kaffee treffen, aber das geht nicht. Das muss ich aber auch gar nicht: So oft bewirkt er positive Zustände meiner Existenz!
Angenommen - ich bin nie der Typ für sowas gewesen - aber angenommen, ich verabredete mich mit ihm zu einem Treffen mit unverbindlichem Sex oder so, rein auf Basis so eines körperlichen Aspekts, weil er eben (für mich) attraktiv ist und wir würden uns einmal treffen und dann zöge jeder seiner Wege - wie schade wäre dies. Es wäre ein kurrzeitiges, gegenseitiges Bedingen von Dasein und dann wäre das wieder vorbei. Und was hätte man davon? Eigentlich gar nichts. Das macht keine Verbundenheit.
Versteht ihr, was ich meine? Ich hoffe, ich fabuliere hier keinen Unsinn.
Es gibt noch eine tolle Erkenntnis: Auch ich bedinge andere Existenzen.
Oft denke oder dachte ich, der Umstand, dass ich fast ohne Liebe aufwuchs, könnte dafür sorgen, dass ich nicht lieben kann.
Es gibt eine einfache Antwort auf diese Frage - ich muss nur meinen Hund betrachten!
Mein Hund mag die meisten Menschen sehr gerne und schmust auch gerne. Wenn ich meine Hündin ansehe, kann ich eine Menge Liebe in ihr sehen und ich liebe auch diesen Hund sehr.
Das Großartige ist: Dass meine Liebe die Existenz dieses Hundes mitbedingt bedeutet, sie ist ein Teil meines Hundes und kommt in und durch meinen Hund zum Ausdruck.
Wenn ich also mit dem Hund schmuse und sie meine Hand ableckt und sich freut/entspannt, dann ist sie ein Spiegel der Liebe, die ich ihr gegenüber empfinde.
Wir sind untrennbar darüber miteinander verbunden, dass sie zum Ausdruck bringt, auf welche Weise ich ihre Existenz mitbedinge. Ihre Existenz ist mitbedingt durch (meine) Liebe, deswegen ist Liebe in ihr drin und sie strahlt diese aus und gibt sie weiter - auch an andere Menschen! (Leider nicht immer an alle Hunde.)
Verstehe ich das Prinzip korrekt?
Natürlich geht das Ganze auch im Negativen.
Natürlich kann man sich nicht nur die Rosinen herauspicken. Man muss sich der Tatsache stellen, dass uns dieses Prinzip auch mit Menschen verbindet, die wir als sehr negativ erlebt haben, die uns wehgetan, vielleicht sogar missbraucht haben. Aber auch hierfür fand ich eine Lösung.
Zum Beispiel habe ich mich viel mit Menschen umgeben, die mir nicht gutgetan, teilweise sogar sehr geschadet haben. In diesen Menschen sind mir die Ablehnung und der Hass auf mich selbst begegnet, die wiederum eigentlich aus der Ablehnung meiner eigenen Mutter heraus resultierten - sie hat natürlich eigentlich nicht mich abgelehnt, sondern sich selbst. Und eigentlich hat sie nicht sich abgelehnt, sondern ihre Mutter. (Meine Familie ist ein klassisches Beispiel von vererbter Kriegstrauma-Kettenreaktion). Das ist aber interessant, denn hier sieht man wieder diese heftige Kettenreaktion des Bedingens. Gerade bei Wut, Hass und Ablehnung setzt sich diese Ursachen-und-Wirkungen-Kette auf schlimme Weise fort, wenn man keine Bewusstheit dafür entwickelt und daran arbeitet. So auch lange bei mir. (Deswegen ist es übrigens meiner Meinung nach wirklich furchtbar wichtig, dass Traumatisierte Menschen aufarbeiten bevor sie Kinder bekommen.)
Eines Tages begnete ich jemandem, der mein Leben einschneidend massiv negativ veränderte und immer noch täglich in Anteilen meine Existenz bedingt, obwohl diese Person schon sehr lange aus meinem Leben verschwunden ist.
Aber das ist eigentlich nichts Schlimmes! Denn aus dieser Ursache heraus ergaben sich Möglichkeiten. Die Einsicht, dass ich sehr viel aufarbeiten muss und mir helfen lassen muss. Ein unglaublicher Prozess von Wandel im positiven Sinne wurde durch diese Wechselwirkung ermöglicht, sowie viele Erkenntnisse.
Letztendlich denke ich, dass beispielsweise Therapie meinen Geist dafür geöffnet hat, mich jetzt mit diesen Themen tiefgreifend zu beschäftigen und darin auch eine große Verbesserung zu erleben.
Also ist das okay.
Nun zu der Frage, was die Konsequenz der Erkenntnis ist, dass auch ich leer von Eigenexistenz bin.
Ich habe hier irgendwo im Forum beim Stöbern mal von jemandem gelesen, dass sie beim Nachdenken darüber das Gefühl bekäme, sich aufzulösen und dass dies eher unheimlich wäre. Ich gebe zu, dass es mir ähnlich geht beim Nachdenken darüber.
Ich bin nur ein Konglomerat aus Ursachen und Wirkungen? Es gibt gar kein Ich?
Okay, aber was kommt DAHINTER? Ist dahinter dann nichts? Wenn ich die ganzen Ursachen und Wirkungen wegdenke, existiere ich dann nicht mehr?
Was hat es dann mit dem Kreislauf der Wiedergeburt auf sich? Was ist dieses Dings, was dann wiedergeboren wird?
(Natürlich ist die Wiedergeburt auch eine Wirkung! Über dieses Thema kam ich übrigens zum Buddhismus).
Was kann ich aus der Erkenntnis schlussfolgern, dass es gar kein Ich gibt? Der Gedanke, ich sei ein Haufen aus Wechselwirkungen ist ein bisschen gruselig.
Ich bin sicher, da hat der Buddhismus eine Antwort.
Gibt es hinter all dem Bedingten Existieren doch ein wahres, richtiges Ich, das aus sich selbst heraus existiert? Und ist die Wahrnehmung dieses Ichs die "Erleuchtung"?
Oder wie ist das gedacht?
Zum Abschluss möchte ich kurz sagen, wie ich zum Buddhismus kam.
Es entstand aus einem Zustand großer Angst und Verzweiflung. Auch des Neides, weil ich sah, wieviele Menschen in ein schönes Leben mit schönen Umgebungen geboren wurden. Die vielleicht geliebt und unterstützt wurden, sodass sie sich selbst ein schönes Leben schaffen konnten, weil sie nicht immer blind von Mustern getrieben vom Regen in die Traufe gelangt sind. Sie mussten vielleicht gar nicht so bewusst werden, sondern haben auf dieser Basis viel automatisch richtig gemacht, weil ihre Existenz von viel Positivität bedingt wurde.
Ich dachte dann, dass Wiedergeburt real sei. (Ich habe dies lange zu 100% angezweifelt, aber in einem einzigen Moment kam mir diese Erkenntnis, wie die sprichwörtliche, über meinem Kopfaufleuchtende Glühbirne: Wiedergeburt ist real!)
Dann dachte ich: Okay, dass es mir schlecht geht ist natürlich eine Aneinanderreihung von vielen Ursachen und Effekten, die sich auch irgendwo physisch manifestierten.
Aber was ist überhaupt die Ursache dafür, dass ich in so "doofe" Umstände geboren wurde?
Dann musste ich an Karma denken und dachte: Jap, das muss es sein. Ich habe Karma. (Angemerkt sei, von Karma habe ich noch nicht ganz so viel Ahnung).
Ich kam aber zu der Erkenntnis, dass meine missliche Lage, in blöde Umstände geboren worden zu sein, auf keinen Fall Pech oder Zufall ist. Ich habe mich schon immer geweigert, diese Antwort zu akeptieren.
Ich erkannte, dass es eine Wirkung sein musste von Ursachen aus einem früheren Leben.
Und das war wunderbar und half mir immens, zu akzeptieren - womit ich vorher Probleme hatte.
Was ich dann dachte war: Mit Wiedergeburt kennt sich doch der Buddhismus aus! Also schaue ich mal nach, was die Buddhisten dazu sagen und was ich tun kann, um trotz allem vielleicht etwas Gutes aus dieser Sache zu machen und wie man damit umgeht, wenn man eine Menge Karma gesammelt hat.
Es fühlte sich so an, als hielte ich auf einmal eine Anleitung in meinen Händen. Eine Anleitung für mein Leben.
Vielen Dank für alle, die bis hierher gelesen haben.
Ich würde mich über euren Input freuen und gerne auch Empfehlungen zum Lernen!